Die Zuweisung eines 46-jährigen, bislang gesunden Patienten erfolgte aufgrund «wellenförmiger» Oberbauchschmerzen zur Abdomensonographie mit der Fragestellung nach einer akuten Cholezystitis.
Hintergrund
Die Abklärung der Ätiologie von Leberwerterhöhungen kann eine grosse Herausforderung darstellen. Das klinische Erscheinungsbild ist in einer frühen Phase häufig nicht wegweisend. Für die Differentialdiagnostik sind eine ausführliche und repetitive Anamnese, die klinische Untersuchung und gezielte Laboruntersuchungen essentiell. Bildgebende Verfahren (Sonographie, Computertomographie, Magnetresonanztomographie) und in ausgewählten Fällen eine Leberbiopsie erweitern die diagnostischen Möglichkeiten zur Abklärung einer Hepatopathie.
Fallbeschreibung
Anamnese
Die Zuweisung eines 46-jährigen, bislang gesunden Patienten, erfolgte aufgrund «wellenförmiger» Oberbauchschmerzen zur Abdomensonographie mit der Fragestellung nach einer akuten Cholezystitis. Der Patient hatte sich initial beim Hausarzt aufgrund von passageren, auf die Gabe eines Protonenpumpeninhibitors regredienten, dyspeptischen Beschwerden vorgestellt. Laborchemisch zeigten sich beim Hausarzt deutlich erhöhte Transaminasen, Cholestaseparameter, ein erhöhtes totales Bilirubin bei nur leicht erhöhtem CRP und normwertigen Leukozyten (Tab. 1).
Tabelle 1: Laborwerte des Patienten.
Normwerte
Hausarzt
Erstvorstellung
Vor Penicillin-Therapie
Nach Penicillin-Therapie
Verlauf
Follow-up
Tag 0
Tag 2
Tag 27
Tag 90
Tag 174
Tag 441
Hämoglobin (g/l)
135–175
123
148
146
162
158
153
Leukozyten (G/l)
4,5–11,5
8,8
10,8
10,5
8,9
11,4
12,5
CRP (mg/l)
<5
19
26
10
13
2,8
2,9
ASAT (U/l)
<41
158
112
45
31
21
29
ALAT (U/l)
<41
410
413
92
67
33
47
γ-GT (U/l)
<50
1274
1235
338
240
168
372
Alkalische Phosphatase (U/l)
<117
436
402
317
131
80
92
Bilirubin gesamt (µmol/l)
<21
42,3
59
139
13
10
9
Treponema pallidum (TPPA)-Titer, quantitativ
Negativ
20 480
1280
2560
Veneral disease research laboratory (VDRL)-Titer
Negativ
32
2
<1
Der Patient berichtete, dass er zwei Wochen zuvor von einem Auslandaufenthalt zurückgekehrt sei. Während dieses Aufenthaltes traten keine gastrointestinalen Beschwerden auf. Sexuelles Risikoverhalten, Insektenstiche oder Tierkontakte wurden verneint. Seit der Rückkehr in die Schweiz bestünden eine ausgeprägte Müdigkeit, Nachtschweiss und ein Gewichtsverlust von ungefähr 3 kg über die letzten zwei Wochen. Fieber, Kopfschmerzen, Schwindel, Husten, Dyspnoe, Gelenk- oder Gliederschmerzen werden ebenso verneint wie urogenitale Symptome.
Als Noxen werden Nikotinabusus (15 pack years) und regelmässiger Cannabiskonsum (1–2 Joints/Tag) sowie ein kleines Bier und ein Glas Wein täglich angegeben. Die regelmässige Einnahme von Medikamenten, pflanzlichen Präparate oder Vitaminsupplementen wird verneint. Die persönliche Anamnese ist bis auf eine Tonsillektomie im Kindesalter unauffällig. In der Familienanamnese sind keine spezifischen Lebererkrankungen bekannt.
Status
Bei der Erstvorstellung präsentiert sich ein 46-jähriger Patient schlanker Konstitution in gutem Allgemeinzustand. Die Vitalparameter sind normal (Blutdruck 110/76 mm Hg, Puls 86/min, Temperatur 36,6 °C).
Bei gebräuntem Hautkolorit ist kein Exanthem sichtbar, die Schleimhäute sind unauffällig. Es lassen sich keine vergrösserten Lymphknoten palpieren. In der abdominellen Untersuchung zeigen sich normale Darmgeräusche, die Bauchdecke ist weich und indolent. Die Leber ist knapp unterhalb des Rippenbogens tastbar, die Milz ist nicht palpabel und die Nierenlogen sind nicht klopfdolent.
Befunde
Laborchemisch bestätigen sich die erhöhten Transaminasen, Cholestaseparameter sowie die Hyperbilirubinämie (Tab. 1). Der INR und die Thrombozytenzahl sind normwertig und es zeigt sich keine Hypergammaglobulinämie. Es besteht ein Impfstatus gegen Hepatitis A (HAV-AK quantitativ 78 IU/l) und Hepatitis B (HBs-AK 569 IU/l). Es besteht keine signifikante Erhöhung des Ferritins (327 μg/l), die Transferrinsättigung liegt bei 21%. Für eine Hepatitis-C- und -E-, eine HIV- oder Epstein-Barr-Infektion sowie Echinokokkose ergeben sich serologisch keine Hinweise.
Auch für eine Autoimmunhepatitis finden sich keine entsprechenden laborchemischen Hinweise (kein Nachweis von antinukleären Antikörpern [ANA], IgG-Antikörper gegen Aktin, Anti-LKM-1-IgG sowie Anti-SLA-IgG). Der serologische Suchtest für die primär biliäre Cholangitis (PBC) mittels IgG und/oder IgA gegen die Mitochondrien-Antigene M2 (AMA-M2-AK) sowie gegen Kernmembranprotein gp210 und sp100 / nuclear dots war mit 42 Units nicht signifikant erhöht (Referenzwert: anti-M2-, -gp210- und -sp100-EIA-IgG und -IgA <21 Units). Eine Analyse desselben Suchtests nach Abklingen der akuten Symptomatik erbrachte mit 6 Units einen Normalbefund.
In der Abdomensonographie ist die Gallenblase zartwandig und konkrementfrei. Der Ductus choledochus ist im gesamten Verlauf einsehbar und mit maximal 7 mm Durchmesser minim erweitert. Auffällig sind akzentuierte intrahepatische Gallengänge zentral und linksseitig sowie mehrere vom Aspekt her typische Hämangiome, mit maximal 2 cm Durchmesser im rechten Leberlappen. Es zeigen sich keine indirekten Zirrhosezeichen, keine Hepatomegalie und kein Aszites.
Initiale Beurteilung und erweiterte Diagnostik
Aufgrund der Anamnese und den vorliegenden Befunden ergaben sich keine Hinweise auf eine virale, toxische oder lithogene Ätiologie der Hepatopathie. Ebenso finden sich keine serologischen Hinweise für eine Autoimmunhepatitis, Hämochromatose, primär biliäre Cholangitis oder IgG4-assoziierte Cholangitis. Die zentralen und linksbetonten morphologischen Veränderungen der intrahepatischen Gallengänge wären differentialdiagnostisch im Rahmen einer obstruierenden oder parasitären Erkrankung im Bereich der Hepatikusgabel oder einer Erstmanifestation einer primär sklerosierenden Cholangitis (PSC) interpretierbar. Zum relativen Ausschluss einer PSC, eines Tumors bzw. einer bisher nicht erfassten Cholelithiasis wird eine Magnetresonanz-Cholangio-Pankreatikographie (MRCP) durchgeführt. Hierbei zeigen sich weder für eine PSC typische «perlschnurartige» Veränderungen noch relevante Ektasien/Abbrüche der Gallenwege oder intraluminales Material.
Die im Verlauf angefertigten Serologien auf Echinokokken, Coxiella burnetii, Bruzellen und Entamoeba histolytica waren unauffällig.
Verlauf
Der Patient tritt zwischenzeitlich in gutem Allgemeinzustand und beschwerdefrei nach Hause aus. Im Rahmen einer ambulanten Kontrolle einige Wochen später fällt ein makulopapulöses Exanthem am Körperstamm und palmar beidseits auf (Abb. 1). Auf nochmalige Nachfrage gibt der Patient nun einen einmaligen oralen Sexualkontakt mit einer weiblichen Bekanntschaft während seines Auslandaufenthalts an.
Klinisch und anamnestisch ergibt sich an diesem Punkt der dringende Verdacht auf eine Syphilis im Sekundärstadium (Lues II) mit Verdacht auf syphilitische Hepatopathie.
Diagnose und Therapie
Die Diagnose Syphilis wird durch einen erhöhten Titer im «Veneral Disease Research Laboratory» (VDRL, Titer 1:32, normal <1), einem hochpositiven Treponemapallidum-Partikelagglutinations-Test (TPPA, Titer 1:20 480, normal <1:80) und reaktivem Antikörpertest (Treponema pallidum-IgG und -IgM positiv) bestätigt. Ein zweiter HIV-Suchtest fällt erneut negativ aus.
Die Diagnostik wird nun um eine perkutane Leberbiopsie ergänzt. Histologisch zeigt sich Lebergewebe mit gemischtzelliger portaler und lobulärer Entzündung mit Grenzzonenaktivität, wenigen lobulären nekro-inflammatorischen Fokussen, irregulären Gallengangsepithelien, intrahepatischer Cholestase sowie eine geringe Fibrose der Portalfelder. Molekularpathologisch gelingt der DNA-Nachweis von Treponema pallidum nicht.
Aufgrund des eindeutigen klinischen und laborchemischen Bildes stellen wir trotz des fehlenden Treponema pallidum-Nachweises im Lebergewebe die Diagnose einer syphilitischen Hepatitis. Der Patient erhält einmalig Benzylpenicillin-Benzathin 2,4 Mio Einheiten intramuskulär. Im Verlauf sinken die serologischen Parameter sowie die Transaminasen und Cholestaseparameter adäquat ab (Tab. 1).
Diskussion
Der vorliegende Fallbericht beschreibt eine klinisch und serologisch fassbare hepatische Affektion der Systemerkrankung Syphilis. Aufgrund der mannigfaltigen klinischen Präsentation wird die Erkrankung häufig als Chamäleon der Medizin bezeichnet.
Eine hepatische Beteiligung im Sekundärstadium der Syphilis-Infektion ist in Einzelfällen beschrieben [1–4]. In ca. 10% der Fälle kann es zu Erhöhungen der alkalischen Phosphatase oder der Transaminasen kommen [2]. Der Bilirubin-Wert im Serum liegt nicht selten im Normbereich. Die syphilitische Hepatitis verläuft häufig klinisch inapparent und fulminante Verläufe sind selten [5]. Zur Diagnose führen in der Regel die Anamnese und das typische palmo-plantare Exanthem, das bei ca. 90% der Fälle auftritt [2]. Auch eine Lymphadenopathie kann im Einzelfall vorliegen, was bei unserem Patienten jedoch nicht der Fall war. Pathophysiologische Erklärungsmuster umfassen eine direkte erregerbedingte oder immunologisch vermittelte Schädigung der Hepatozyten. Das histologische Bild der syphilitischen Hepatitis ist nicht klar definiert, auch ein molekularpathologischer Nachweis aus dem Präparat gelingt nicht immer [1, 3].
In der Literatur beschriebene Merkmale umfassen beispielsweise primär unspezifische inflammatorische Veränderungen, Kupferzell-Dysplasie, fokale Nekrosen, makrovesikuläre Steatose oder cholestatische Veränderungen [1–4]. Der histopathologische Befund ist im vorliegenden Fall mit einer syphilitischen Hepatitis vereinbar.
Die eidgenössische Kommission für Sexuelle Gesundheit hat im 2015 aktualisierte Empfehlungen zur Diagnostik und Behandlung der Syphilis veröffentlicht [6]. Bei diesem Patienten gehen wir aufgrund der Anamnese, den klinischen Befunden und den serologischen Resultaten von einer sekundären Frühsyphilis aus. Zu dieser gehört auch die syphilitische Hepatitis. Nach Behandlung mit Penicillin G gehen in der Regel auch die Transaminasen und Cholestaseparameter deutlich zurück, wie in unserem Fall beobachtet.
Bei – wie in unserem Fall – Vorliegen einer unklaren Hepatopathie steht die Syphilis-Diagnostik nicht an erster Stelle. Hier ist der Ausschluss einer viralen, autoimmunen oder metabolisch-toxischen Lebererkrankung im Vordergrund.
Im vorliegenden Fall ergaben sich weder Hinweise für eine Virushepatitis noch für eine autoimmune Lebererkrankung. Mit den vorab genannten Antikörpertests, der Bildgebung mittels MRCP und dem histologischen Befund konnte eine autoimmune Hepatopathie ausgeschlossen werden. Hinweise für eine Hämochromatose fanden sich nicht.
Differentialdiagnostisch können wir eine alkoholisch bedingte Co-Ätiologie der beschriebenen laborchemischen und histologischen Veränderungen nicht ausschliessen. Für eine toxische Komponente sprechen der angegebene regelmässige Alkoholkonsum und die beim Patienten isoliert erhöhten γ-GT-Werte, die auch nach Abschluss der antibiotischen Behandlung persistierten.
Das Wichtigste für die Praxis
Bei der Abklärung einer unklaren Hepatopathie sollte bei entsprechender Risikokonstellation auch an eine syphilitische Hepatitis gedacht werden. Dabei sind neben der Laboruntersuchung eine repetitive Anamnese und klinische Untersuchung im Verlauf essentiell.
Disclosure statement
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Korrespondenz
Prof. Dr. med. Michael Bodmer Chefarzt Medizinische Klinik Zuger Kantonsspital AG Landhausstrasse 11 CH-6340 Baar michael.bodmer[at]zgks.ch
Literatur
1 Aggarwal A, Sharma V, Vaiphei K, Duseja A, Chawla YK. An unusual cause of cholestatic hepatitis: syphilis. Dig Dis Sci. 2013;58(10):3049–51.
2 Baveja S, Garg S, Rajdeo A. Syphilitic hepatitis: an uncommon manifestation of a common disease. Indian J Dermatol. 2014;59(2):209.
3 Huang J, Lin S, Wan B, Zhu Y. A systematic literature review of syphilitic hepatitis in adults. J Clin Transl Hepatol. 2018;6(3):306–9.
4 Lee M, Wang C, Dorer R, Ferguson L. A great masquerader: acute syphilitic hepatitis. Dig Dis Sci. 2013;58:923–5.
5 Lo JO, Harrison RA, Hunter AJ. Syphilitic hepatitis resulting in fulminant hepatic failure requiring liver transplantation. J Infect. 2007;54(3):e115–7.
6 Itin P, Bosshard P, Toutous-Trellu L, et al. Syphilis: Diagnostik und Behandlung – Aktualisierte Empfehlungen der Eidgenössischen Kommission für Sexuelle Gesundheit. Swiss Medical Forum.2015;19:459–65.