Blutung in der Frühschwangerschaft
Häufiges Symptom führt zu seltener, potentiell ­bedrohlicher Diagnose

Blutung in der Frühschwangerschaft

Was ist Ihre Diagnose?
Ausgabe
2020/0506
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2020.08339
Swiss Med Forum. 2020;20(0506):83-85

Affiliations
Frauenklinik Luzerner Kantonsspital, Wolhusen

Publiziert am 28.01.2020

Eine 39-jährige Patientin (Gravida VI / Para III) wurde in der siebten Schwangerschaftswoche aufgrund einer vaginalen Blutung notfallmässig zugewiesen.

Fallbeschreibung

Notfallmässige Zuweisung einer 39-jährigen Patientin (Gravida VI / Para III) in der siebten Schwangerschaftswoche (SSW) aufgrund einer vaginalen Blutung, bei ­einer im Bereich der Cervix uteri darstellbaren Fruchthöhle mit Dottersack und erhöhten Entzün­dungs­werten.
Im Spital berichtete die Patientin über eine vaginale Schmierblutung und ziehende Unterbauchschmerzen seit dem Vorabend. Die Schmierblutungen hätten im Verlauf des Tages zugenommen und seien mittlerweile mensstark. Der Schwangerschaftstest zu Hause sei positiv ausgefallen. Bei der Vorstellung war die Patientin in rechnerisch 6+5 SSW. In der Anamnese finden sich drei Spontangeburten in den Jahren 2008, 2010 und 2013, ein Abortus completus in der 8. SSW 2015 und eine Tubargravidität mit Salpingotomie 2007. Bis auf die vaginale Blutung und leichte krampfartige Unterbauchschmerzen gab die Patientin keinerlei gynäko­logische Beschwerden an. Leichter schleimiger Husten plagte sie seit Beginn eines grippalen Infektes mit Fieber vor einigen Tagen.
Weitere Untersuchungen ergaben Folgendes:
– kreislaufstabile, afebrile Patientin in gutem Allgemeinzustand;
– Inspektion: unauffälliges äusseres Genitale;
– Speculum: mensstarke vaginale Blutung ex utero, Muttermund geschlossen;
– bimanuelle Palpation: Uterus anteflektiert, mobil, diskreter Portioschiebeschmerz, Adnexlogen beidseits leicht druckdolent;
– transvaginaler Ultraschall: im Bereich der Cervix uteri Fruchthöhle mit Dottersack von etwa 5 mm darstellbar, im Doppler hypervaskularisierte Zone im Bereich der Fruchthöhle, Endometrium von 16 mm; Adnexlogen beidseits unauffällig, keine freie Flüssigkeit im Douglasraum;
– Labor: Beta-HCG 3223 IU/l, Leukozyten 12,9 G/l, Erythrozyten 4,66 T/l, Hämoglobin 146 g/l, Hämatokrit 0,41, Thrombozyten 176 G/l, C-reaktives Protein 83 mg/l; Blutgruppe 0 Rhesusfaktor positiv.

Frage 1: Was ist Ihre Verdachtsdiagnose?


a) Abortus imminens
b) Abortus incompletus
c) Septischer Abortus incipiens
d) Septischer Abortus incompletus
e) Zervixschwangerschaft
Die erhöhten Entzündungswerte, der Portio-Schiebeschmerz und der Befund im Bereich der Cervix uteri könnten initial an einen septischen Abortus incipiens denken lassen. Die sonographischen Befunde bestätigten allerdings eindeutig die Diagnose einer ektopen Schwangerschaft im Bereich der Cervix uteri. Es zeigte sich eine aufgetriebene Cervix uteri mit einem leeren Kavum und hoch aufgebautem Endometrium. Diese Befunde sowie eine positive choriale Durch­blutung mittels Farbdoppler sind sonographische Hinweise für eine Zervixschwangerschaft. Bei einem Abort wäre ein eher vergrössertes Corpus uteri und eine entrundete Fruchtblase im Bereich der Zervix zu erwarten [1].
Wichtig ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass in der dia­gnostischen Abklärung eine vorgängige Sonographie sinnvoll hätte sein können. Dadurch wäre die Diag­nose bereits früher gestellt worden. Auf die bimanuelle Palpation, die in einem solchen Fall aufgrund des erhöhten Blutungsrisikos nicht empfohlen ist, hätte man somit verzichten können.
Die erhöhten Entzündungswerte wurden am ehesten mit dem durchgemachten grippalen Infekt in Verbindung gebracht.

Frage 2: Welche Aussage zu Extrauteringraviditäten (EUG) ist falsch?


a) Zirka 1,5–2% aller Schwangerschaften sind nicht intrauterin.
b) Die häufigste Lokalisation einer EUG ist in der Tube, genauer gesagt im Infundibulum tubae uterinae.
c) Ihre Inzidenz ist in den letzten Jahren steigend.
d) Zur klassischen Symptomtrias gehören Amenorrhoe / positiver Schwangerschaftstest, Unterbauchschmerzen und vaginale Blutung.
e) Der Beta-HCG-Serumwert ist ein wichtiger Bestandteil der Diagnostik und Entscheidungskriterium für die Art der ­The­rapie.
Die EUG, also die Implantation einer Blastozyste aus­serhalb des Cavum uteri, kommt in 1,5–2% aller Schwangerschaften vor [2]. Die häufigste Lokalisation stellt dabei die Tuba uterina dar, wobei sich hier die Schwangerschaft in den meisten Fällen im Bereich der Ampulle einnistet. Die Einnistung der befruchteten Eizelle im Bereich der Cervix uteri stellt eine Rarität dar und wird mit einer Häufigkeit von unter 1% aller EUGs angegeben [3].
Leitsymptome einer EUG sind die vaginale Blutung, Unterbauchschmerzen, Amenorrhoe und ein positiver Schwangerschaftstest, die allerdings nicht alle zwingend vorliegen müssen.
Im Verlauf des diagnostischen Algorithmus ist die Bestimmung des Beta-HCG-Wertes im Serum unumgänglich. Die Höhe des Wertes in Zusammenschau mit der rechnerisch bestimmten Schwangerschaftswoche und dem sonographischen Untersuchungsbefund dienen als Entscheidungshilfe für das weitere diagnostische Vorgehen. Bei hochgradigem Verdacht auf eine EUG mit Handlungsbedarf, hat die Höhe des Beta-HCG-Wertes Einfluss auf den Therapieentscheid, da ab einem bestimmten Wert kein medikamentöses Vorgehen mehr indiziert ist.
Die Inzidenz einer ektopen Schwangerschaft im Allgemeinen und im Bereich der Cervix uteri im Speziellen ist steigend.

Frage 3: Welche der unten angeführten Angaben ist kein Risikofaktor für eine Zervixschwangerschaft?


a) Status nach (St. n.) In-vitro-Fertilisation
b) St. n. Curettage
c) St. n. tubarer EUG
d) St. n. Sectio caesarea
e) St. n. «pelvic inflammatory disease»
Die Ursachen für die Zunahme der Zervixschwangerschaften sind noch weitgehend ungeklärt.
Es gibt Risikofaktoren, die mit dem Auftreten in Zusammenhang stehen. Dazu gehören die Dilatation der Cervix uteri mit Curettage, das Ashermann-Syndrom, St. n. Sectio caesarea, künstliche Befruchtung sowie entzündlich bedingte Erkrankungen des weiblichen Genitaltraktes [1, 3].
Die Patientin liefert mit ihrer Eigenanamnese einige Risikofaktoren, die zur gestellten Diagnose passten. Der St. n. ektoper Schwangerschaft im Bereich der Tuba uterina erhöht das Risiko einer weiteren ektopen Schwangerschaft in diesem Bereich, wird in der Lite­ratur jedoch nicht als Risikofaktor für das Auftreten ­einer Zervixschwangerschaft aufgeführt. Die Patientin wurde über den Befund informiert und über das weitere Vorgehen und die Therapieoptionen aufgeklärt.

Frage 4: Welche Aussage zur Therapie der Zervixschwangerschaft ist richtig?


a) Bei günstig gelegenen Befunden und früher Diagnose kann man unter Umständen exspektativ vorgehen, da die Schwangerschaft sich im Verlauf durch das Wachstum nach intra­cavitär verlagern kann.
b) Eine operative Therapie ist umgehend einzuleiten, da die Blutungsgefahr gross ist und dies erhebliche Risiken für die Mutter haben kann.
c) Infolge von schweren Blutungen muss in etwa 5% aller Zervixschwangerschaften eine Hysterektomie vorgenommen werden.
d) Bei kreislaufstabilen Patientinnen wird die medikamentöse Therapie mit Methotrexat (MTX) einer operativen Therapie vorgezogen.
e) Bei der Gabe von MTX ist die Einnahme von Folsäure streng kontraindiziert, da dies den Therapieerfolg vermindert.
Aufgrund des guten Allgemeinzustandes, der moderaten Blutung und einem Beta-HCG <5000 IU/l, entschieden wir uns für die Einleitung einer konservativen ­Therapie im Sinne eines MTX-Multidose-Schemas. Dieses Vorgehen ist einem operativen Vorgehen, das mit ­einem hohen Blutungsrisiko vergesellschaftet ist, überlegen [4]. Demnach erhielt die Patientin MTX 1 mg/kg Körpergewicht i.m. Die Blutung und Unterbauchschmerzen waren regredient. An Tag 2 erhielt die Pa­tientin Leucovorin® (Folinsäure) 7,5 mg p.o., um die systemischen Nebenwirkungen von MTX einzudämmen.
Ein exspektatives Vorgehen ist bei einer derart eindeutigen Diag­nose, wie im beschriebenen Fall, nicht zu empfehlen, da mit zunehmendem Schwangerschaftsalter und Beta-HCG-Wert das Komplikationsrisiko steigt. Eine Verlagerung der Schwangerschaft ins Cavum uteri ist ausgeschlossen.
Die Patientin wurde am Folgetag in gutem Allgemeinzustand in die ambulante Behandlung entlassen.

Frage 5: Welche Aussage bezüglich Therapie mit MTX bei EUG ist falsch?


a) MTX kann zu systemischen Veränderungen führen, daher ist eine Bestimmung des Hämatogramms und der Leber- und Nierenwerte vor und im Verlauf der Therapie obligat.
b) Eine chirurgische Intervention im Verlauf ist fast immer ­notwendig, da die MTX-Gabe zu einer Ausstossung des Schwangerschaftsmaterials führt und sich dadurch das Blutungsrisiko minimiert, meistens allerdings noch Restmaterial verbleibt.
c) Kommt es im Verlauf der Therapie zu einer schweren Blutungskomplikation, kann eine Ligatur der Arteriae uterinae notwendig werden.
d) Nach der Gabe von MTX sollte eine sichere Empfängnis­verhütung für etwa drei Monate vorgenommen werden.
e) Zur systemischen Gabe kann zusätzlich oder alleine transvaginal und intraamnial MTX oder Kaliumchlorid verabreicht werden.
Die Therapie mit MTX ist ein elegantes und weitgehend sicheres Vorgehen. MTX hemmt als Folsäure-Antagonist die DNA-Synthese und hat somit systemische zyto­toxische Wirkung. Daher ist eine Kontrolle des ­Hämatogramms, der Leber- und Nierenwerte vor und im Verlauf der Therapie unumgänglich. Des Weiteren sollte bis drei Monate nach Einnahme von MTX, aufgrund seiner teratogenen Wirkung, eine Schwangerschaft verhindert werden. MTX kann systemisch oder, neben Kaliumchlorid auch transvaginal, intraamnial verabreicht werden [4].
Der Therapieerfolg liegt, abhängig von Gestationsalter und Höhe des Serum-HCG, bei über 80%. Selten kommt es unter MTX-Therapie zu starken Blutungen und in ledig­lich 1% der Fälle muss aufgrund einer Zervixschwangerschaft eine Hysterektomie vorgenommen werden [1].
Es gibt allerdings verschiedene Konstellationen, die ein alternatives Vorgehen notwendig machen. Kommt es im Verlauf der Therapie zu schweren Blutungen, gibt es verschiedene Therapieoptionen. Dazu zählen beispielsweise die Ligatur von Ästen der Arteria uterina, eine Tamponade der Cervix uteri mittels Foley-Katheter oder eine Embolisation der Arteriae uterinae [5]. Diese Methoden können entweder alleine zur Blutungskontrolle oder bei Versagen der medikamentösen Therapie vor einer vorsichtigen (Saug)-Curettage angewandt werden.
Am dritten Tag wurde bei unserer Patientin erneut das Beta-HCG im Serum bestimmt, das mittlerweile auf 1106 IU/l gesunken war. Dieses Resultat machte die erneute Gabe von MTX unnötig. Im Ultraschall zeigte sich kein Hinweis auf Restmaterial nach anamnestisch stattgehabter Ausstossung.
Die Patientin stellte sich weiter wöchentlich zur Beta-HCG-Kontrolle vor und erfreulicherweise konnte in der vierten Woche ein Beta-HCG-Wert von 0 gemessen werden. Nach Bestätigung eines nicht nachweisbaren Beta-HCG-Wertes eine Woche später waren die Kon­trollen abgeschlossen.

Diskussion

Beim vorliegenden Fall handelt es sich um eine wirkliche Rarität der gynäkologischen Praxis. Trotz seltenen Auftretens sind eine frühe Diagnose und sichere Therapie wichtig, um schwerwiegende Blutungskomplikationen zu vermeiden.
Eine Verkennung als Abortus incipiens mit konsekutiver Abortcurettage hätte möglicherweise eine schwere, bedrohliche Blutung auslösen können. Ektope Schwangerschaften stellen trotz heutiger früherer Diagnose dank guter Ultraschalltechniken und quantitativer HCG-Bestimmung im Serum nach wie vor einen wichtigen Faktor für die maternale Morbidität und Mortalität dar. Eine korrekte Diagnose und zielgerichtete Therapie sind daher von herausragender Wichtigkeit, um Komplikationen zu vermeiden.

Antworten:


Frage 1: e; Frage 2: b; Frage 3: c; Frage 4: d; Frage 5: b.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Dr. med. Simone Aichner
Frauenklinik
Luzerner Kantonsspital
Spitalstrasse
CH-6000 Luzern
simone.aichner[at]luks.ch
1 Bolla D, Lanz S, Müller MD, Raio L. Zervikale Narbenschwangerschaft: immer häufiger aber trotzdem oft verpasst. FHA. 2014;2:35–8.
2 Barnhart KT. Clinical practice. Ectopic pregnancy. N Engl J Med. 2009;361(4):379–87.
3 Murji A, Garbedian K, Thomas J, Cruickshank B. Conservative management of cervical ectopic pregnancy. J Obstet Gynaecol Can. 2015;37(11):1016–20.
4 Verma U, English D, Brookfield K. Conservative management of nontubal ectopic pregnancies. Fertil Steril. 2011;96(6):1391–5.
5 Zakaria MA, Abdallah ME, Shavell VI, Berman JM, Diamond MP, Kmak DC. Conservative management of cervical ectopic pregnancy: utility of uterine artery embolization. Fertil Steril. 2011;95(3):872–6.