«Sister Mary Joseph’s nodule»
Erstmanifestation eines Endometrium- oder Ovarialkarzinoms

«Sister Mary Joseph’s nodule»

Der besondere Fall
Ausgabe
2020/1112
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2020.08350
Swiss Med Forum. 2020;20(1112):201-203

Affiliations
a Zuger Kantonsspital, Baar; b Klinikum Dritter Orden, München

Publiziert am 10.03.2020

Wir beschreiben den Fall einer Patientin mit «Sister Mary Joseph’s nodule». Dies ist ein umbilikaler Knoten, der als Hautmetastase eines intraabdominalen oder pelvinen Karzinoms auftreten kann.

Hintergrund

Der «Sister Mary Joseph’s nodule» (SMJN) ist ein umbilikaler Knoten, der als Hautmetastase eines intraabdominalen oder pelvinen Karzinoms auftreten kann. Er wurde 1928 erstmalig durch den amerikanischen Chirurgen, Dr. W. J. Mayo (1861–1939), beschrieben. Namensgeberin war seine Operationsassistentin Sister Mary Joseph Dempsey, die ihn auf die umbilikale Veränderung aufmerksam machte [1]. Meist tritt die Metastase im Spätstadium der zugrunde liegenden Tumorerkrankung auf. Sie kann sich allerdings auch als erstes klinisch fassbares Symptom manifestieren.

Fallbericht

Anamnese

Eine 75-jährige Patientin stellte sich im Oktober 2016 vor mit einer seit mehreren Monaten bestehenden vaginalen Schmierblutung bei einer ansonsten blutungsfreien Postmenopause seit etwa 20 Jahren. Die gynäkologische Anamnese war bis auf eine Extrauteringravidität 1970, zweimalige Sectio caesarea 1971 und 1973 sowie einen benignen Endometriumpolypen, der 1996 entfernt worden war, bland. Eine postmenopausale Hormonsubstitution wurde nie durchgeführt. Nebendiagnostisch lagen ein normokardes Vorhofflimmern unter peroraler Antikoagulation, eine chronische Niereninsuffizienz (KDIGO G2), eine arterielle Hypertonie und eine Adipositas permagna vor.

Status

75-jährige Patientin in gutem Allgemein- und adipösem Ernährungszustand (Body Mass Index 43,2 kg/m²). Blutdruck 140/79 mmHg, Puls 76 bpm, Temperatur 36,5 °C.
Bei der gynäkologischen Untersuchung zeigte sich in der spekulären Einstellung ein altblutig tingierter Fluor vaginalis. Die Portio war bei prolabierenden Vaginalwänden und Schmerzintoleranz seitens der Pa­tientin nicht einsehbar. Weder eine PAP-Entnahme noch eine «Pipelle de Cornier» waren möglich. In der transvaginalsonographischen Untersuchung kam ein vergrösserter Uterus mit inhomogenem, unscharf ­begrenztem und hoch aufgebautem Endometrium (19 mm) zur Darstellung. Ausserdem war im Bereich der rechten Adnexloge eine 9 cm grosse, echoleere, teils scharf und teils unregelmässig begrenzte zystische Struktur sichtbar.

Befunde, Diagnose, Therapie

Aufgrund der Postmenopausenblutung und des trans­vaginalsonographisch suspekten Endometriums wurde im November 2016 eine Hysteroskopie und fraktionierte Curettage durchgeführt. Sie zeigte histopathologisch ein gut differenziertes endometrioides Adenokarzinom des Copus uteri. Es wurde die Indikation zur laparoskopischen Hysterektomie mit beidseitiger Adnexektomie gestellt, auch zur weiteren Dignitätsabklärung des suspekten zystischen Adnexbefundes.
Zwischenzeitlich erfolgte jedoch die notfallmässige Zuweisung der Patientin durch die betreuende Hausärztin aufgrund eines neu aufgetretenen grossflächigen Erythems des gesamten Unterbauchs mit einer ­kugeligen Induration im Nabelbereich (Abb. 1).
Abbildung 1: Grossflächiges Erythem des Unterbauchs mit Nabelinduration.
In der daraufhin durchgeführten Computertomographie (CT) des Thorax und Abdomens (Abb. 2) wurde eine verdickte, entzündlich imponierende, etwa 3 cm grosse Struktur im Nabelbereich sichtbar, die am ehesten einer chronisch-entzündlichen Nabelhernie entsprach. Die bereits in der transvaginalsonographischen Untersuchung sichtbare zystische Struktur in der rechten Adnexloge konnte im CT mit einem Durchmesser von 10 cm dargestellt werden und war verdächtig für ein seröses Zystadenom, wobei ein Ovarial­karzinom radiologisch nicht auszuschliessen war. Das endometrioide Adenokarzinom des Corpus uteri konnte computertomographisch nicht sicher abgegrenzt werden. Eine inguinale Lymphadenopathie beidseits mit einer maximalen Grösse bis zu 2,5 cm wurde beschrieben. Da ein Metastasenbefall der inguinalen Lymphknoten für ein endometrioides Adenokarzinom des Endometriums untypisch ist, wurde am ehesten von einer reaktiven inguinalen Lymphadenopathie im Rahmen der chronisch-entzündlichen Nabel­hernie ausgegangen. Von einer weiteren bioptischen Abklärung wurde abgesehen. Computertomographisch bestanden keine weiteren Hinweise für eine Metastasierung.
Abbildung 2: CT Abdomen mit Verdacht auf eine chronisch-entzündliche Nabelhernie bei verdickter, entzündlich wirkender Struktur im Nabelbereich.
Bei Verdacht auf eine chronisch-entzündliche Nabelhernie wurde eine antibiotische Therapie begonnen. Bei fehlender Regredienz der Nabelinduration respektive des Erythems erfolgte eine Nabelresektion mit Débridement und Faszienverschluss im Dezember 2016. Die Histologie des Nabels ergab ein endometrioides und teils klarzelliges Adenokarzinom, immunhistochemisch positiv für Östrogen- und Progesteronrezeptoren sowie Pax-8 mit perifokaler geringer, chronischer Entzündung und narbiger Fibrose, stellenweise bis in das subkutane Fettgewebe reichend. Der Befund wurde vollständig im Gesunden reseziert und war gut vereinbar mit einer Manifestation des endometrioiden Adenokarzinoms des Corpus uteri im Sinne eines SMJN.
Mittels Punchbiopsien des grossflächigen Erythems des Unterbauches konnte histopathologisch eine zum Teil spongiotische, zum Teil lichenoide Reaktion nachgewiesen werden, die mit einem lichenoiden Ekzem vereinbar ist. Eine weitere kutane Karzinomausbreitung konnte somit ausgeschlossen werden.
Gemäss interdisziplinärem Tumorboardbeschluss folgte im Januar 2017 eine untere und obere mediane Längslaparotomie zur erweiterten Hysterektomie nach PIVER III mit Adnexektomie beidseits, Resektion einer Vaginalmanschette, Adhäsiolyse, Omentektomie, pelviner und paraaortaler Lymphonodektomie sowie Revision des gesamten Abdomens. Hinsichtlich der inguinalen Lymphadenopathie wurden bildgeberische Kontrollen geplant.
Intraoperativ zeigte sich ein makroskopisch unauffälliger Uterus und eine unauffällige rechte Adnexe. Die linke Adnexe war deutlich vergrössert. Es lag kein Aszites vor. Die Revision des gesamten Abdomens ergab keinen makroskopischen Hinweis auf einen weiteren intraabdominalen Tumorbefall. Histopathologisch bestätigte sich ein mässig differenziertes endometrioides Adenokarzinom des Corpus uteri (pT1a, pN0 (0/49), L0, V0, G2) mit einer maximalen Infiltrationstiefe von 2 mm in das Myometrium bei einer Myometriumdicke von 6 mm. Keine Invasion des zervikalen Stroma oder der viszeralen Serosa, keine Infiltration der Parame­trien. Der zystische Adnexbefund rechts entsprach histologisch ebenfalls einem mässig differenzierten endometrioiden Adenokarzinom des rechten Ovars mit einer maximalen Ausdehnung von 15 mm, fokal bis an die serosale Oberfläche reichend (pT1c, pN0 (0/49), L0, V0, G2). Bei beiden Karzinomen konnte weder eine Blut- noch eine Lymphgefässinvasion nachgewiesen werden. Gemäss histopathologischem Bericht wird der Ursprung der beiden Karzinome als unabhängig von­einander beschrieben. Alle entnommenen Lymphknoten waren tumorfrei. Ebenso zeigte eine entnommene Spülzytologie keine auf maligne Neoplasie verdächtige Zellen.
Mit dem Vorliegen einer Hautmetastasierung, in diesem Falle eines SMJN bei gynäkologischem Doppelmalignom (Ovarial- und Korpuskarzinom), handelt es sich um ein FIGO-IV-Karzinom-Stadium. Aufgrund der Serosainfil­tration des Ovarialkarzinoms ist anzunehmen, dass der SMJN am ehesten als Metastase des Ovarialkarzinoms aufgetreten ist. Andererseits ist auch eine Ausbreitung des Endometriumkarzinoms mit Metastasierung entlang des Urachus zum Nabel und entlang des Ligamentum rotundum in beide Leisten möglich.
Bei postoperativer Fasziendehiszenz (Platzbauch) erfolgte eine Wundrevision und Versorgung mit Vakuum­verband. Im Verlauf wurde die Wunde mittels Sekundärnaht verschlossen.
Es folgte eine palliative Chemotherapie. Nach drei Zyklen Paraplatin zeigten sich im CT Thorax/Abdomen im Juni 2017 neu aufgetretene umschriebene peritoneale Flüssigkeitsansammlungen im linken Mittel- und Oberbauch. Eine CT-gesteuerte diagnostische Punktion und Sklerosierung schloss zytologisch malignitätssuspekte Zellen aus. Die Flüssigkeitskollektionen wurden am ehesten im Rahmen einer postoperativen Lymphozelenbildung interpretiert. Die palliative Chemotherapie wurde fortgesetzt.
Die bereits präoperativ beschriebene beidseitige ingui­nale Lymphadenopathie war initial unter der chemotherapeutischen Therapie in den CT-Verlaufskontrollen grössenstationär. Erstmals im März 2018 wurde eine Grössenzunahme beidseits, links bis maximal 7 cm, verdächtig auf Lymphknotenmetastasen, festgestellt. Ansonsten bestanden keine Hinweise für anderweitige Tumormanifestationen. Eine Anpassung der palliativen Chemotherapie mit Wechsel auf Taxane zeigte keine klinische Grössenregredienz, sodass im April 2018 eine beidseitige inguinale Lymphonodektomie folgte. Histologisch konnten Metastasen eines endometrioiden Adenokarzinoms nachgewiesen werden.
Die postoperativ durch die ausgedehnte und radikale Lymphonodektomie inguinal beidseits entstandenen Lymphozelen wurden symptomorientiert punktiert. Aufgrund der Komorbiditäten wurde auf eine weitere systemische Therapie verzichtet. Der Tumormarker CA 125 wurde vor der Diagnosestellung und wiederholt im Verlauf bestimmt und war stets normwertig. Die Patientin ist klinisch und radiologisch bis zum aktuellen Zeitpunkt in kompletter Remission (Stand Mai 2019).

Diskussion

Der SMJN umschreibt eine Hautmetastase im Nabel­bereich ausgehend von einem intraabdominalen oder pelvinen Karzinom. Die Inzidenz des SMJN ist gering. Lediglich bei 1–3% aller Karzinome wurde ein SMJN beschrieben [2]. In 52% der Fälle ist der Primarius gastro­intestinalen Urspungs (Magen-, Kolon-, Pankreaskarzinom) und in 28% gynäkologischen Ursprungs (Ovarial- oder Korpuskarzinom). In 15–29% der Fälle bleibt der Primärtumor unbekannt [3]. Der Tumor scheint lymphogen, hämatogen, per continuitatem oder über em­bryonale Strukturen (Urachus) zu metastasieren [4]. Auch nach laparoskopischen Eingriffen wurden Nabelmetastasen beschrieben, wobei durch die Trokareinstichstelle der Tumor direkt implantiert wurde [5].
Ein SMJN kann sich klinisch in Aussehen, Konsistenz und Schmerzhaftigkeit variabel präsentieren. Er wird oft als derber, geröteter, gelegentlich schmerzhafter umbilikaler oder paraumbilikaler Knoten mit gelegentlicher Sekretion beschrieben. Auch Ulzerationen können auftreten und seine Grösse variiert von 0,5–15 cm [6]. Insbesondere bei bekannten Karzinom­erkrankungen im Abdomen oder kleinen Becken ist bei Veränderungen im Nabelbereich neben typischen Differentialdiagnosen wie Nabelhernie, Lipom oder ­Infekt auch an ein SMJN zu denken. Selten kann die ­kutane Läsion als erstes Zeichen einer malignen Erkrankung auftreten oder sich gar als erster Hinweis für ein Malignomrezidiv präsentieren. Alleine eine histopathologische Abklärung erlaubt eine definitive Diagnosestellung.
Die Prognose nach Diagnosestellung eines SMJN ist mit einer durchschnittliche Lebenserwartung von zehn bis elf Monaten infaust [7]. Ein radikales operatives Vorgehen mit adjuvanter Chemotherapie zeigt eine bessere Prognose mit höherer Lebenserwartung, verglichen mit einem alleinigen operativen oder alleinigen chemotherapeutischen Therapieansatz [8].

Das Wichtigste für die Praxis

• Veränderungen im Nabelbereich können die erste Manifestation einer Karzinomerkrankung im Abdomen oder kleinen Becken sein.
• Bei bekannten Karzinomerkrankungen ist bei Nabelveränderungen an eine Metastasierung oder an ein Rezidiv zu denken.
• Das klinische Erscheinungsbild ist variabel. Häufig tritt im Nabelbereich ein derber, geröteter, teils schmerzhafter Knoten auf. Ulzerationen und/oder Sekretion können auftreten.
• Nur eine histopathologische Abklärung erlaubt eine definitive Dia­gnose­stellung.
• Ein SMJN ist selten und geht mit einer infausten Prognose einher.
Die Autoren bedanken sich für das CT-Bild beim Institut für Radiologie des Zuger Kantonsspitals unter der Leitung von Dr. med. Christian Blumer und für die histopathologischen Befunde beim Institut für Pathologie des Luzerner Kantonsspitals unter der Leitung von Prof. Dr. med. Joachim Diebold.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Dr. med. Mareike Roth
Spital Männedorf
Asylstrasse 10
8708 Männedorf
m.roth[at]
spitalmaennedorf.ch
1 Albano EA, Kanter J. Sister Mary Joseph’s nodule. N Engl J Med. 2005;352(18):1913.
2 Piura B, Meirovitz M, Bayme M, Shaco-Levy R. Sister Mary Joseph’s nodule originating from endometrial carcinoma incidentally detected during surgery for an umbilical hernia: a case report. Arch Gynecol Obstet. 2006;274(6):385–88.
3 Fratellone PM, Holowecki MA. Forgotten node: a case report. World J Gastroenterol. 2009;15(39):4974–5.
4 Sharma A, Sharma V. Image Diagnosis: Sister Mary Joseph nodule. Perm J. 2014;18(2):e132–e132.
5 Geller SA, de Campos FPF. Sister Mary Joseph nodule: it does not bode well. Autops case reports. 2014;4(3):5–7.
6 Tso S, Brockley J, Recica H, Ilchyshyn A. Sister Mary Joseph’s nodule: an unusual but important physical finding characteristic of widespread internal malignancy. Br J Gen Pract. 2013;63(615):551–2.
7 Powell FC, Cooper AJ, Massa MC, Goellner JR, Su WP. Sister Mary Joseph’s nodule: a clinical and histologic study. J Am Acad Dermatol. 1984;10(4):610–5.
8 Renner R, Sticherling M. Sister Mary Joseph’s nodule as a metastasis of gallbladder carcinoma. Int J Dermatol. 2007;46(5):505–7.