Eine Parotishypertrophie
Einige Differenzialdiagnosen

Eine Parotishypertrophie

Was ist Ihre Diagnose?
Ausgabe
2020/0708
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2020.08418
Swiss Med Forum. 2020;20(0708):119-121

Affiliations
a Service de médecine, Hôpital Riviera-Chablais, site de Monthey, Monthey; b Service de pneumologie, Hôpital du Valais, Sion; c Service d’ORL, ­Hôpital ­Riviera-Chablais, site de Monthey, Monthey

Publiziert am 11.02.2020

Ein Mann mit bekanntem Typ-1-Diabetes kommt wegen einer schmerzhaften Unterkieferschwellung zur Konsultation. Sie begann vor mehreren Wochen auf der rechten Seite und hat sich nun auf die linke Seite ausgebreitet.

Fallbeschreibung

Ein 41-jähriger Mann mit bekanntem Typ-1-Diabetes kommt aufgrund einer beidseitigen schmerzhaften Unterkieferschwellung zur Konsultation. Er berichtet, dass diese vor mehreren Wochen auf der rechten Seite begann und sich nun auf die linke Seite ausgebreitet hat. Sein Impfstatus ist unbekannt. Bei der klinischen Untersuchung ist er in gutem Allgemeinzustand und fieberfrei. Bei der Palpation ist eine symmetrische, schmerzhafte Parotishypertrophie festzustellen. Aus der Mündung des Stenon-Gangs tritt kein Eiter aus.

Frage 1: Welche Diagnose erscheint Ihnen ­unwahrscheinlich?


a) Akute Mumps-Parotitis
b) Sjögren-Syndrom
c) Akute bakterielle Parotitis
d) Parotishypertrophie aufgrund von Diabetes
e) Sarkoidose
Mumps wird von einem Paramyxovirus verursacht, das eine beidseitige schmerzhafte Parotisschwellung bewirkt. Zuvor treten meist grippeähnliche Sym­ptome auf.
Das Sjögren-Syndrom ist eine entzündliche Autoimmunerkrankung, gekennzeichnet durch Zerstörung der exokrinen Funktion der Speichel- und Tränendrüsen. Sie führt zu Augen- und Mundtrockenheit. Betroffen sind vor allem Frauen zwischen 40 und 50 Jahren. Die Parotisschwellung ist meist schmerzhaft und wird durch Nahrungsaufnahme verstärkt.
Bei einer akuten bakteriellen Parotitis treten die Symptome häufig einseitig auf. Sie betrifft hauptsächlich polymorbide, dehydrierte, alte Menschen. Die Patienten sind in schlechtem Allgemeinzustand, febril und an der Mündung des Stenon-Gangs tritt ­Eiter aus. Unser Patient ist jung und in gutem Allgemeinzustand mit beidseitigen Symptomen. Diese Fakten sprechen gegen eine akute bakterielle Parotitis.
Bei Diabetes, Alkoholmissbrauch oder Essstörungen kann der Patient eine beidseitige, schmerzlose, chronische Parotishypertrophie aufweisen.
Bei einer Sarkoidose können, auch wenn nur selten, die Parotiden befallen sein, was zu einer üblicherweise bilateralen Parotishypertrophie führt. Da das Parotisparenchym durch Granulome ersetzt wird, kann sich die Speichelsekretion langfristig verringern [1].
Die Laboruntersuchungen ergeben eine Panzytopenie und leicht auffällige Leberwerte. Der Wert des C-reaktiven Proteins ist niedrig. Serologische Untersuchungen zeigen eine frühere Mumpsinfektion, eine Infektion mit dem Zytomegalie- (CMV) und dem Epstein-Barr-­Virus (EBV). Tests auf Hepatitis A, B und C sowie das ­humane Immundefizienz-Virus (HIV) sind negativ.

Frage 2: Welche Untersuchung führen Sie als Nächstes durch?


a) Eine Bestimmung der SSA- und SSB-Antikörper
b) Eine RT-PCR des Speichels auf das Mumpsvirus
c) Eine Thorax-Röntgenaufnahme
d) Keine, da Sie davon ausgehen, dass die Parotishypertrophie aufgrund des Diabetes entstanden ist
e) Die Anlage einer Bakterienkultur von aus der Mündung des Stenon-Gangs entnommenem Speichel
Die SSA- und SSB-Antikörper werden beim Verdacht auf das Sjögren-Syndrom bestimmt. Unser Patient weist weder Mund- noch Augentrockenheit auf. Daher erscheint uns diese Diagnose unwahrscheinlich, weshalb wir die Antikörperbestimmung nicht durchführen. Bei Infektion mit dem Mumpsvirus sind die IgM-Werte fünf bis sieben Tage nach Symptombeginn positiv, während dies bei einer RT-PCR anhand einer Speichelprobe nach einem bis elf Tagen der Fall ist [2]. Unser Patient klagt seit mehreren Wochen über Symptome. Durch eine negativen RT-PCR wäre es daher nicht möglich, einen Mumps auszuschliessen. Aufgrund der weiter oben angeführten Argumente ist eine Bakterienkultur nicht gerechtfertigt. Bei Diabetes ist die Parotishypertrophie progressiv, schmerzlos und ihre Grösse verändert sich nicht.
Obgleich dies nur selten vorkommt, bleibt eine Sarkoidose mit Parotisbeteiligung möglich, weshalb wir eine Thorax-Röntgenaufnahme anordnen. Sie zeigt prominente Lungenhili und eine interstitielle Pneumopathie. Die Untersuchung wird durch ein CT Thorax-Abdomen ergänzt, das viele Adenopathien im oberen Me­diastinum und beiden Lungenhili, ein interstitielles Infiltrat sowie eine Splenomegalie zeigt (Abb. 1).
Abbildung 1: Koronarer Schnitt im Thorax-CT.

Frage 3: Welchem Facharzt weisen Sie den Patienten zur Durchführung weiterer Untersuchungen zu?


a) Einem Hals-Nasen-Ohrenarzt (HNO)
b) Einem Pneumologen
c) Einem Ophthalmologen
d) Einem Rheumatologen
e) Einem Hämatologen
Die klinischen Symptome und die Bildgebung legen den Verdacht einer Sarkoidose mit den möglichen ­Differenzialdiagnosen Tuberkulose, Lymphom oder pilzbedingte Infektion nahe. Die Sarkoidosediagnose muss mittels geeigneter zytologischer Untersuchungen bestätigt werden.
Der HNO-Arzt kann eine Biopsie der akzessorischen Speicheldrüsen durchführen, mit der es in 60% der Fälle bei Befall der Speicheldrüsen möglich ist, die Sarkoidosediagnose zu stellen [1]. Erstere erfolgt unter Lokalanästhesie mittels einer 2 mm grossen Inzision an der Innenseite der Unterlippe. Ein Pneumologe kann eine broncho-alveoläre Lavage, eine Biopsie der Bronchialschleimhaut und/oder eine transbronchiale Biopsie, eine Feinnadelpunktion unter endo­bronchialem Ultraschall (EBUS) oder eine Kryobiopsie durchführen.
In etwa 25% der Sarkoidosefälle besteht eine Augenbe­teiligung. Beim Heerfordt-Syndrom ist die Parotitis mit ­einer Uveitis und einer Fazialislähmung assoziiert. In diesem Fall muss der Patient später einem Ophthalmologen zugewiesen werden. Ein Rheumatologe kann hinzugezogen werden, wenn der Patient über Gelenkschmerzen klagt. Das Löfgren-Syndrom ist eine akute Form der Sarkoidose, das durch eine Symptomtrias aus Gelenkschmerzen/Arthritis, Erythema nodosum und bihilärer Lymphadenopathie gekennzeichnet ist.
Ein Lymphom ist unwahrscheinlich. Ein primäres Lymphom der Ohrspeicheldrüse ist selten und in 1–8% der Fälle liegt eine sekundäre Infiltration vor [3].
Der Patient wird dem Pneumologen zugewiesen. Die Lungenfunktion ist unauffällig. Es werden eine Bronchoskopie mit Biopsie der Bronchialschleimhaut, eine transbronchiale Biopsie, eine EBUS-gestützte Fein­nadel­aspiration des Mediastinums sowie eine bronchoalveoläre Lavage durchgeführt. Die histopathologische Untersuchung zeigt eine granulomatöse, nicht nekrotisierende Entzündung (Abb. 2). Es werden keine Myzelien oder Mykobakterien festgestellt. Die Proben enthalten keine Tumorzellen. Infolgedessen wird die Diagnose einer Sarkoidose gestellt. Der Ophthalmologe schliesst eine Augenbeteiligung aufgrund der Sarkoidose aus. Der HNO-Arzt führt einen Ultraschall durch, um das Parotis­parenchym darzustellen und einen Tumorprozess auszuschliessen.
Abbildung 2: Transbronchiale Biopsie mit epitheloiden ­Riesenzellgranulomen ohne Nekrose (Färbung mit Häma­toxylin-Eosin, 100-fache Vergrösserung).

Frage 4: Welche bei dem Patienten festgestellte Anomalie wird bei Sarkoidose nicht beschrieben?


a) Die Thrombopenie
b) Der Diabetes
c) Die Leukopenie
d) Die Splenomegalie
e) Die auffälligen Leberwerte
Sarkoidose kann auf die Leber übergreifen und somit zu auffälligen Leberwerten, einer Hepatomegalie und in seltenen Fällen zu einer Leberzirrhose führen. Sie kann überdies die Milz betreffen, wodurch eine Splenomegalie entsteht. Bereits damit sind die Anämie, die Leuko­penie und die Thrombopenie zu erklären. Es wird kein Zusammenhang zwischen Diabetes und ­Sarkoidose beschrieben. Eine Pankreasbeteiligung ist selten.

Frage 5: Welche Behandlung erscheint Ihnen indiziert?


a) Keine
b) Eine systemische Kortikoidtherapie
c) Azathioprin
d) Infliximab
e) Methotrexat
Der Verlauf einer Sarkoidose ist meist spontan günstig. Ist eine Behandlung indiziert, werden systemische Kortikoide als Therapie erster Wahl verschrieben. Bei einer Parotisbeteiligung wird eine Behandlung lediglich bei persistierender Parotisschwellung mit Mundtrockenheit empfohlen [3]. Bei unserem Patienten ist die Schwellung nach mehreren Wochen abgeklungen, und er klagt nicht über Mundtrockenheit. In seinem Fall muss entschieden werden, ob die Lungenbeteiligung eine Behandlung erfordert. Dazu müssen der Schweregrad der Sarkoidosesymptome, die funktionellen Auswirkungen in Form von mehreren Lungenfunktionstests, die Wahrscheinlichkeit einer Organbeteiligung, insbesondere des Herzens, sowie die Ausweitung der Infiltrate auf das Lungenparenchym abgeklärt werden. Liegt kein Infil­trat des Lungenparenchyms vor und die Lungenfunk­tionstests sind unauffällig, beobachtet man in 60–80% der Fälle eine Spontanremission. Als Massnahme erster Wahl wird lediglich eine Kontrolle empfohlen. Bei fortgeschritteneren Stadien mit verminderter Lungenfunktion und wenigen oder fehlenden Symptomen wird zwei Jahre lang alle drei bis sechs Monate eine pneumologische Kontrolle empfohlen, um eine Progression behandeln zu können. Bei starken Symptomen und schlechter Lungenfunktion ist eine sofortige systemische Kortikoidtherapie indiziert. Unser Patient weist weder Atemprobleme, noch eine verminderte Lungenfunktion auf. Es wird keine Behandlung begonnen, jedoch eine Kontrolle nach drei Monaten vereinbart.
Antimetabolite, wie Azathioprin, Methotrexat, Leflunomid oder Mycophenolat-Mofetil (MMF) gehören zur «Second- und Third-Line»-Therapie bei Versagen oder starken Nebenwirkungen der Kortikosteroidtherapie. Infliximab wird bei nicht kontrollierbarer extrapulmonaler Sarkoidose empfohlen [4].

Diskussion

Sarkoidose ist eine granulomatöse multisystemische Erkrankung ungeklärter Ursache. Sie ist wahrscheinlich multifaktoriell bedingt, was genetische, umweltbedingte und infektiöse Faktoren mit einschliesst. In über 90% der Fälle verläuft sie mit Lungenbeteiligung. In Fallstudien wurde von einer klinisch signifikanten Parotisbeteiligung bei etwa 6% der Patienten berichtet [3].
Für eine beidseitige Parotitis gibt es viele Ursachen. Ist sie durch eine Infektion bedingt, gilt es, neben Mumps- eine HIV- sowie Hepatitis-B- und -C-Infektion abzu­klären. Ultraschall ist die Untersuchung der Wahl zur Darstellung des Parotisparenchyms. Bei einer sarkoidosebedingten Parotitis kann er ein inhomogenes Parenchym mit multiplen, hypoechogenen, für Speicheldrüsenentzündungen typischen Verschattungen zeigen. Ferner dient Ultraschall zum Ausschluss raumfordernder Prozesse und eventuell zur Steuerung einer Zytopunktion. Trotz ihrer Seltenheit ist die Sarkoidose eine mögliche Differenzialdiagnose bei Parotitiden.
Zur Be­­stätigung der Sarkoidosediagnose ist meist die ­Biopsie eines Organs nötig. Beim Löfgren-, Heerfordt-Syndrom oder bei asymptomatischen beidseitigen hilären Adenopathien ist dies bei klinischer Überwachung des Patienten nicht zwingend erforderlich. In der histologischen Untersuchung sucht man nach nichtverkäsenden Granulomen.
Bei einer Sarkoidosediagnose muss eine extrapulmonale Beteiligung, insbesondere des Herzens, der Augen und der Haut, abgeklärt werden (Tab. 1).
Tabelle 1: Systemische Auswirkungen der Sarkoidose und deren Prävalenzen [9, 11].
Hautbeteiligung (35%)Lupus pernio, Erythema nodosum, papulöse, noduläre oder plaqueförmige Läsionen
Augenbeteiligung (25–80%)Uveitis anterior
Herzbeteiligung (5%)Überleitungsstörungen, ventrikuläre Tachykardie, ventrikuläre Extrasystolen
Nervenbeteiligung (10%)Hirnnervenlähmung, Kopfschmerzen, Ataxie, Krampfanfälle, kognitive Störungen, Schwäche
Leberbeteiligung 
(histologischer Befund 60–90%)Auffällige Leberwerte, schwere Hepatitis, portale Hypertonie, hepatopulmonales Syndrom
Milzbeteiligung 
(histologischer Befund 24–53%)Splenomegalie
Beteiligung des Verdauungstrakts (<1%)Schluckbeschwerden, Passagestörungen, Magenschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, vorzeitiges Sättigungsgefühl, Gewichtsverlust, Diarrhoe, Bauchschmerzen, Mal­absorption, gastrointestinale Blutungen
Knochen- und Gelenkbeteiligung (10%)Üblicherweise symmetrische Polyarthritis
NierenbeteiligungHyperkalzämie (11%), Hyperkalziurie (40%), granulomatöse interstitielle Nephritis, Glomerulopathie
Die Entscheidung, eine Behandlung zu beginnen, ist komplex und erfordert mehrere Facharztmeinungen. Sie berücksichtigt die Beteiligung der einzelnen Organe, die Schwere ihrer Schädigung, den Erkrankungsverlauf sowie potentielle Nebenwirkungen der Behandlung.

Antworten:


Frage 1: c; Frage 2: c; Frage 3: b; Frage 4: b; Frage 5: a.
Wir danken Dr. med. Stéphane Yerly von der Abteilung für Histozytopathologie des Walliser Spitals, Frau Dr. med. Emmanuelle Zanetti-Galletti, Ophthalmologin in Monthey und Dr. med. Pierre-Antoine Nicklaus von der Abteilung für Radiologie des Spitals Monthey für ihre wertvolle Zusammenarbeit.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Muriel Salamin, dipl. Ärztin Service de médecine
Hôpital riviera-chablais
Site de Monthey
CH-1870 Monthey
muriel.salamin4[at]
gmail.com
 1 Mandel L. Salivary Gland Disorders. Med Clin North Am. 2014; 98(6):1407–49.
 2 Jent P, Berger C, Streit S, Sommerstein R, Mumps – vorbei und vergessen? Swiss Med Forum. 2018;18(41):832–5.
 3 Geraint J, Sharma P, Parotid gland sarcoidosis. Sarcoidosis vasculitis and diffuse Lung diseases. 2000;17:27–32.
 4 Baughman RP, Drent M, Kavuru M, Judson MA, Costabel U, du Bois R et al. Infliximab therapy in patients with chronic sarcoidosis and pulmonary involvement. Am J Respir Crit Care Med. 2006;174: 795–802.
 5 Spagnola P, Rossi G, Trisolini R, Sverzellati N, Baughmann R, Wells A, Pulmonary sarcoidosis. Lancet Respir Med. 2018;6:389–402.
Ergänzende Literatur
 6 Mandel L, Surattanont F, Bilateral Parotid swelling: A review. Oral surgery, oral medicin, oral pathology. 2002;93:221–37.
 7 Longo N, Ghaderi M, Primary Parotid gland sarcoidosis: Case report and discussion of diagnosis and treatment. Ear Nose Throat Journal. 2010;89(4):E6–10.
 8 King T, Flatherty K, Hollingsworth K, Clinical manifestations and diagnosis of pulmonary sarcoidosis. UpToDate. 2018.
 9 Iannuzzi MC, Rybicki B, Terstein AS, Sarcoidosis. N Engl J Med. 2007;357:2153–65.
10 Baughman RB, Grutters JC, New treatment strategies for pulmonary sarcoidosis: antimetabolites, biological drugs, and other treatment approaches. Lancet Respir Med. 2015;3:813–22.
11 Lyko C, Bart PA, Pruvot E, Prior J, Waeber G, Sarcoïdose extrapulmonaire: entité méconue? Rev Méd Suisse. 2010;6:2056–60.