Intraperikardialer Tumor
Seltene Ursache einer Dyspnoe

Intraperikardialer Tumor

Coup d'œil 1
Ausgabe
2020/1922
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2020.08446
Swiss Med Forum. 2020;20(1922):340-341

Affiliations
Universitätsklinik für Herz- und Gefässchirurgie, Inselspital, Universität Bern

Publiziert am 06.05.2020

Ein 73-jähriger, übergewichtiger Patient wurde wegen einer Dyspnoe NYHA II–III und leichter, in Ruhe auftretender Palpitationen kardiologisch untersucht.

Hintergrund

Wir berichten über einen Fall eines riesigen intraperikardialen Herz-Lipoms bei einem 73 Jahre alten Patienten, das bei einer Echokardiographie im Rahmen einer kardiologischen Untersuchung wegen progredienter Belastungsdyspnoe gefunden wurde.

Fallbeschreibung

Ein 73-jähriger, übergewichtiger (Body-Mass-Index 33 kg/m2) Patient wurde wegen einer Dyspnoe der funktionellen Klasse NYHA II–III und leichten, in Ruhe auftretenden Palpitationen kardiologisch untersucht. Als kardiovaskuläre Risikofaktoren waren eine arterielle Hypertonie, Dyslipidämie und ein Nikotinabusus (10 Packyears) bekannt.
Im Thoraxbild fiel der deutlich vergrösserte Herzschatten auf (Abb. 1).
Abbildung 1: Konventionelles Thoraxröntgenbild mit dem deutlich vergrösserten Herzschatten. Keine Anhaltspunkte für Infiltrate oder Metastasen. Keine Zeichen der Herzinsuf­fizienz.
Die transthorakale Echokardiographie zeigte eine knapp normale linksventrikuläre Funktion mit einer Auswurfleistung von 59%. Es konnte keine intrakar­diale Pathologie beobachtet werden, jedoch wurde eine riesige intraperikardiale Raumforderung dargestellt, die den rechten Vorhof deutlich komprimierte und die Vena (V.) cava superior nahezu obliterierte. Im Magnetresonanztomogramm (MRT) fand sich eine ­in­traperikardiale, hypodense Raumforderung mit ­einem maximalen Durchmesser von 10,5 × 12 × 11 cm angrenzend an den rechten Vorhof, das interatriale Septum, den linken Vorhof sowie das Perikard (Abb. 2). Der Tumor erschien in den T1- und T2-gewichteten Aufnahmen hyperintens, was für Fettgewebe sprach. Zudem war die V. cava superior vom Tumor ummauert und nahezu obliteriert.
Abbildung 2: Magnetresonanzuntersuchung mit Verlagerung der grossen Gefässe nach links durch den grossen, intra­perikardialen Tumor (*).
Obwohl die Charakteristik der Raumforderung auf ein Lipom hindeutete, war in der Differentialdiagnose ein Liposarkom nicht auszuschliessen. Bei symptomatischem Patienten aufgrund der ausgeprägten Herzkompression war die Indikation zur Tumorresektion allerdings ohnehin gegeben.
Vor der geplanten Tumorexzision wurde eine Koronarangiographie durchgeführt, die eine koronare Zweigefässerkrankung zeigte.
Die Indikation zur Tumorresektion und Bypassversorgung war gegeben. Der Eingriff erfolgte durch eine mediane Sternotomie. Nach Eröffnung des Perikardes zeigte sich die grosse Raumforderung als abgekapselt mit glatter Oberfläche, makroskopisch eindeutig wie ein Lipom aussehend. Das Herz und die grossen thorakalen Gefässe ­waren eindrücklich in die linke Thoraxhälfte verdrängt (Abb. 3).
Abbildung 3: Intraoperativer Situs nach Eröffnung des ­Perikardes. L = Lipom, VCS = Vena cava superior, Ao = Aorta ascendens, rV = rechter Vorhof.
Der Tumor konnte ohne relevante hämodynamische Kompromittierung des Herzens nicht mobilisiert ­werden, sodass die weiteren Schritte an der Herz-Lungen-Maschine durchgeführt wurden. Bei der Freipräparation zeigte sich, dass der Stiel der grossen Raumforderung im Bereich der interatrialen Grube mit dem Vorhofseptum verbunden war. Da der Tumor sich hinter der V. cava superior auch in den Sinus transversus erstreckte (hinter der Aorta ascendens und dem Truncus pulmonalis), musste für die vollständige Exzision die ummauerte und massiv komprimierte V. cava superior durchgetrennt werden. Danach liess sich der ­Tumor praktisch stumpf aus dem Sinus transversus zurückziehen. Die Resektion konnte so in toto erfolgen Die durchtrennte V. cava superior wurde nach der Tumorresektion End-zu-End anastomisiert. Abschlies­send wurde die zweifache aortokoronare Revaskularisation mit der linken Arteria mammaria und einem Venensegment durchgeführt.
Das Gesamtgewicht von 1400 g des Resektats entsprach der im MRT gemessenen Grösse (Abb. 4).
Abbildung 4: In toto Resektat mit einem Gewicht von 1,4 kg.
Die Histologie bestätigte den Verdacht eines Lipoms. Dank der negativen In-situ-Fluoreszenz-Untersuchung (FISH) für MDM2 konnte ein Liposarkom ausgeschlossen werden.
Der weitere Verlauf war bis zum Auftreten eines passageren Vorhofflimmerns weitgehend unauffällig. Der Patient konnte am neunten postoperativen Tag in eine stationäre Rehabilitationsklinik austreten. Nach zehn Monaten wurde bei vermutlich vorbestehendem symptomatischen Sick-Sinus-Syndrom noch ein Zweikammer-Schrittmachersystem implantiert. Ein Jahr nach dem Eingriff ist der Patient bei guter Gesundheit, die Anstrengungsdyspnoe ist weitgehend verschwunden und ein Tumorrezidiv konnte echokardiographisch ausgeschlossen werden.

Diskussion

Primärtumoren des Herzens sind mit einer Inzidenz zwischen 0,0017 und 0,056% in Autopsieberichten extrem selten [1]. Intraperikardiale und intrakardiale Lipome machen ungefähr 21% aller Primärtumoren des Herzens aus, werden aber in der Literatur selten beschrieben [2]. Sie können aus dem Perikard, Myokard oder Endokard entstehen [3–7]. Die meisten Lipome sind asymptomatisch und meist Zufallsbefunde in Bildgebungen wie Echokardiographie, MRT oder Computertomographie [4]. Symptome sind von der Tumorlokalisation abhängig und können Müdigkeit, Dyspnoe, Synkopen, Brustschmerzen, Palpitationen oder plötzlicher Herztod sein [5–8]. In aller Regel können solche Tumoren ohne Herz-Lungen-Maschine pro­blemlos entfernt werden. Aufgrund der Grösse des ­Tumors, der retrokavalen Ausdehnung bis in den Sinus transversus und der hämodynamischen Instabilität bei Manipulation an dem Tumor bei unserem Fall wurde die Entfernung an der extrakorporalen Zirkulation durchgeführt. Nachkontrollen werden in regelmässigen Abständen weitergeführt.
Wir danken Herrn Dr. J. Schönberger und Herrn Prof. H. von Tengg, Institut für Radiologie des Inselspitals, für die Vermittlung der Bilder.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Thierry Carrel
Universitätsklinik für
Herz- und Gefässchirurgie
Inselspital
CH-3010 Bern
thierry.carrel[at]insel.ch
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