Kurz und bündig
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Ausgabe
2020/0506
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2020.08463
Swiss Med Forum. 2020;20(0506):69-72

Publiziert am 28.01.2020

Damit Sie nichts Wichtiges verpassen: unsere Auswahl der aktuellsten Publikationen.

Fokus auf … Klinische Diagnose der Hüftgelenksarthrose

– Prävalenz 6% bei >60-Jährigen
– Familiäre Belastung, 2× häufiger bei Frauen
Röntgenbild für Diagnosestellung verzichtbar (Befunde mit schlechter Korrelation zur Klinik), für Operationsplanung aber dann zentral
– Anamnestisch erfragen: Familie? Schmerzen beim Treppensteigen oder Bergaufgehen? Vorbestehend schon andere Arthrosen (v.a. Knie)?
– Untersuch:
• Kauerstellung führt zu posterioren Schmerzen
• Leistenschmerzen bei passiver Abduktion oder Adduktion
• Abduktionsschwäche
• eingeschränkte Motilität in drei Ebenen*
• eingeschränkte Innenrotation
– Kommt eine andere Diagnose infrage («red flags»)?
• Alter <50 Jahre
• Entzündungszeichen
• Morgensteifigkeit von >30–60 Minuten
* Die Arbeit enthält instruktive Bilder zu den klinischen Untersuchungen.
Verfasst am 19.12.2019.

Praxisrelevant

Denosumab absetzen, aber wie?

Denosumab (Prolia®) ist ein monoklonaler Antikörper, der den von Osteoblasten synthetisierten sogenannten RANK-Liganden bindet und inaktiviert. Dadurch wird die Aktivierung der knochenresorbierenden Osteo­klasten blockiert. Denosumab führt klinisch zu einer schnellen Hemmung der Knochenresorptionsrate, ­einer Zunahme der Knochendichte und einer verminderten Frakturhäufigkeit vorwiegend von Wirbelfrakturen bei postmenopausalen Frauen. Leider ist sein ­Absetzen von einem sogenannten «rebound» gefolgt, charakterisiert durch eine schnelle Restimulierung der Knochenresorption mit nachfolgend zum Teil multipel auftretenden Wirbelfrakturen. Zur Verhinderung dieses «rebounds» werden Bisphosphonate empfohlen. Wann, wie häufig, welches? Laut einer Studie kann das parenterale Bisphosphonat Zoledronat, gegeben als einzelne intravenöse Injektion sechs Monate nach der letzten Denosumab-Dosis, eine Reaktivierung der Knochenresorption über weitere zwei Jahre verhindern.
J Bone Miner Res. 2019, doi.org/10.1002/jbmr.3853.
Verfasst am 27.12.2019.

Keine Betablocker wegen COPD

Wieder einmal erweist sich, dass man – bei knappen Zeitressourcen – auf die Lektüre von Metaanalysen verzichten sollte. Eine solche zum Effekt von Betablockern auf Mortalität und Exazerbationen bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) hatte ­einen Nutzen der Betablockade suggeriert [1]. Entsprechend der Faustregel, dass Metaanalysen die Resultate einer adäquat angelegten, prospektiven Studie nicht vorherzusagen vermögen [2], erwies sich ein lang­wirksames Metoprolol-Präparat als unwirksam in der ­Verhinderung von Exazerbationen bei COPD («BLOCK COPD», [3]). Bei je gut 260 etwa 65-jährigen Patient(inn)en mit relativ schwerer COPD (forcierte Einsekundenkapazität [FEV1] gut 40%, Exazerbationen im vorangehenden Jahr vorgekommen) hatte Metoprolol im Vergleich zu Plazebo keinen Effekt auf die Rate der und die Zeit bis zu Exazerbationen allgemein, führte aber leider zu vermehrt schweren Formen solcher Exa­zerbationen. 11 Todesfälle in der Metoprolol-Gruppe ­standen 5 Todesfällen unter Plazebo gegenüber, ein nichtsignifikanter Wert in dieser allerdings vorzeitig beendeten Studie. Betablocker sollten also nicht in der Indikation «COPD» allein verschrieben werden. Falls andere (gute) Gründe für eine solche bestehen, wie zum Beispiel tachykardes Vorhofflimmern, darf man sie wohl noch – vor allem bei leichteren COPD-Graden – verordnen.
2 N Engl J Med. 1997, doi.org/10.1056/NEJM199708213370806.
3 N Engl J Med. 2019, doi.org/:10.1056/NEJMoa1908142.
Verfasst am 16.12.2019.

Fortschritte in der Behandlung des ­Ovarialkarzinoms

Doppelstrangbrüche in der DNA können nach Strahlenschäden oder chemischen Einwirkungen (z.B. frühere Chemotherapie) auftreten. Wenn die homologen DNA-Reparationsvorgänge, bei denen die allseits bekannten BRCA1 und BRCA2, aber auch andere Mechanismen, wichtig sind, zum Beispiel bei BRCA-Mutationen defekt sind, wird die nicht homologe DNA-Reparatur durch die Poly-ADP-Ribose-Polymerase (PARP) wichtiger. Im Gegensatz zur homologen Reparatur ist diese aber nicht konservativ (keine Wiederherstellung der ursprünglichen DNA-Sequenz), sondern endet mit Verlust von DNA (siehe Abbildung) und führt damit sekundär zu potentiell onkogenen Zell­eigenschaften. Dies ist ein wesentlicher Grund für die gehäufte Entstehung solider Neoplasien wie dem Ovarialkarzinom. Drei verschiedene, oral applizierbare Hemmsubstanzen dieser PARP (die also die DNA-Defektheilung hemmen sollten) erwiesen sich nun als signifikant wirksam, gemessen am längeren krankheitsfreien Überleben, nachfolgend an die primäre Behandlung des Ovarialkarzinoms. Erwartungsgemäss waren die Effekte grös­ser bei Patientinnen, bei denen die homologen Re­parationsmechanismen defekt waren (BRCA1- und BRCA2-Mutationen, aber auch andere Mechanismen), bei denen der PARP-Reparaturmechanismus also aktiver und damit sensibler auf eine Hemmung wurde. Die Substanzen sind sehr teuer (bei 7000 CHF pro Monat) und myelosuppressiv.
Von den vielen DNA-Reparaturmechanismen sind hier nur die für das Verständnis der besprochenen Arbeiten relevanten Mechanismen vereinfacht dargestellt. Die homologe, u.a. BRCA-abhängige, perfekte Reparatur (links) nimmt die normale Gensequenz auf dem Schwesterchromosom als Vorlage. Dieser Vorgang kann nur stattfinden, wenn die DNA verdoppelt ist, die Zellen aber noch nicht geteilt sind. Falls dieser Prozess, z.B. durch genetische Alterationen der Reparaturenzyme oder bei enorm intensiven DNA-Schäden, gestört oder überfordert ist, kommt die nicht homologe Rekombination (rechts) zum Zuge: Eine Notfallübung mit Defektheilung und erhöhter Krebsentstehung. Die farbigen Linien stellen die Einzelstrang DNA-Abschnitte dar.
Verfasst am 20.12.2019.

Angiotensin II und Progression der Aorten­dilatation bei Marfan-Syndrom

Das Marfan-Syndrom ist Folge einer dominant ver­erbten Mutation im Fibrillin-Gen. Die Dilatation der Aortenwurzel und die drohende Aortenruptur oder Aortendissektion versucht man mittels Betablockade und damit Reduktion der Scherkräfte auf die Aortenwurzel/Aortenwand zu verhindern. Die Gabe eines ­Angiotensin-Rezeptor-Antagonisten (Irbesartan) an durchschnittlich 18-jährige Patient(inn)en mit Marfan-Syndrom (n = 104) reduzierte die Zunahme des Wurzeldurchmessers im Vergleich zu Plazebo (n = 88) über fünf Jahre signifikant (0,53 versus 0,74 mm/Jahr). Ermutigend – es bleibt zu hoffen, dass dann auch die Raten der erwähnten Komplikationen gesenkt werden. Die Arbeit ist mit dem pathophysiologischen Konzept kompatibel, das dem durch diese Medikamente hemmbaren Stoffwechselweg des exzessiv aktiven «tumor (oder «transforming») growth factor beta» (TGF-β) eine Progressionsrolle zuschreibt.
Verfasst am 28.12.2019.

Neues aus der Biologie

Physikalischer Trigger einer Lungenfibrose

Eine Zunahme von Bindegewebe («Fibrosierung») ist eine häufige, bislang therapeutisch schwer angehbare Folge auf Organschädigungen. Häufig führt die Fibrosierung zur terminalen Organdysfunktion, so auch bei der Idiopathischen Lungenfibrose. Ein Hauptgrund ­dafür dürfte die gestörte alveoläre Regeneration im Rahmen einer genetischen Prädisposition, aber auch von inhalativen Noxen sein. Als Folge der veränderten ­alveolären Regeneration respektive der dadurch sekundär gestörten alveolären Mikroarchitektur nehmen die lokalen Scherkräfte zu. Dieser physikalische Stress oder Trigger führt via eine «tumor (oder «transforming») growth factor»-Antwort zur Fibrosierung, die von der Lungenperipherie langsam bis in zentralere Lungenabschnitte zunimmt.
Verfasst am 27.12.2019.

Für Ärztinnen und Ärzte am Spital

Noch ein weiteres, dafür ein billiges Medikament bei Entlassung nach Herzinfarkt?

Die prospektive, plazebokontrollierte Gabe von Colchicin (1× 0,5 mg/Tag) innerhalb von 30 Tagen nach erlittenem Herzinfarkt führte nach einer medianen Nachbeobachtung von knapp zwei Jahren (22,6 Monaten) zu einer absoluten Risikoreduktion, ein kombiniert gewähltes, weiteres kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden, von 1,6% («number neede to treet» [NNT] ungefähr 64 bei einem p = 0,02). Hintergrund der Idee: Die Progression der Atheromatose nach einem Indexereignis wird durch (mit Colchizin gehemmte) Entzündungsmechanismen gefördert [1]. Siehe dazu auch den positiven Effekt des Interleukin-1-β-Hemmers Canakinumab [2], aber auch den fehlenden Nutzen von Methotrexat in vergleichbarer Indikation [3].
1 N Engl J Med. 2019, doi.org/10.1056/NEJMoa1912388.
2 N Engl J Med. 2017, doi.org/10.1056/NEJMoa1707914.
3 N Engl J Med. 2019, doi.org/10.1056/NEJMoa1809798.
Verfasst am 28.12.2019.

Aus Schweizer Feder

Die moderne Vermessung einer ­alten ­Kompli­kation

Seit Fuller Albright wissen wir, dass ein lange bestehender primärer oder sekundärer Hyperparathyreoidismus zu einer erhöhten Knochenresorption mit ­Verdünnung der Kortikalis und Ersatz durch Binde­gewebe, mitunter auch zu Knochenzystenbildung (Osteitis fibrosa cystica) führt. Albright realisierte auch das erhöhte Risiko einer postoperativen Hypokalzämie («hungry bone») nach Parathyreoidektomie in Abhängigkeit der Schwere der Knochener­krankung [1]. Die Knochenresorption mit multipler Zystenbildung kann auch als (nicht neoplastische) Tumormasse imponieren. Makroskopisch haben diese «Tumoren» einen braunen Aspekt wegen Einblutung in die Zysten (Hämosiderin, sog. Braune Knochen­tumoren).
Aufgrund der häufigen Kalziumbestimmungen sehen wir heute viel mehr frühe als lang bestehende Formen von Hyperparathyreoidismen und die fachlichen Diskussionen kreisen oft um «Was tun bei oder mit diesem asymptomatischen Hyperparathyreoidismus?». Umso verdienstvoller ist, dass sich die Endokrinologie­gruppe um Prof. C. Schmid am Universitätsspital Zürich die Mühe nahm, acht Fälle der selten gewordenen Osteitis fibrosa cystica zusammenzustellen und mit Natriumfluor-PET/CT zu untersuchen [2]: Median wiesen alle diese Patient(inn)en viel mehr als klinisch ­vermutbar, nämlich 8 (!), Braune Tumoren auf. In Bestätigung von Albright benötigten sieben der acht Patient(inn)en eine Behandlung wegen eines postoperativen «hungry bone syndrome». Obwohl Knochenschmerzen bei fast allen präoperativ im Zentrum standen, war das klinische Leitsymptom eines Patienten nur eine Gingivaschwellung, bei einem weiteren war anscheinend eine zystoide Formation radiologisch zufällig in der Ulna entdeckt worden.
2 J Bone Miner Metab. 2019, doi.org/10.1007/s00774-019-01059-z.
Verfasst am 22.12.2019.

Leserecke

Dieses Bild hatten wir im «Kurz und bündig» des Swiss  Medical Forum (SMF 2019;19(49–-50/2019 [1] verwendet, um den gegenwärtigen Verjüngungsstrategien einen historischen Bezug zur Verjüngung von Odysseus bei seiner Rückkehr zu geben. Einige Leser haben uns auf den korrekten Zusammenhang aufmerksam gemacht. Stellvertretend publizieren wir hier gerne den Kommentar von Herrn Prof. Franco de’Clari (Lugano) und bedanken uns für die Zusen­dungen:
«Dieses Mosaik zeigt Odysseus, der sich an den Mast seines Schiffes binden liess, um den betörenden und gefährlichen Gesang der Sirenen hören zu können, ohne in der Lage zu sein, auf ihre Insel zu gelangen – was er wohl mit dem Leben bezahlt hätte. Seine Gefährten mussten sich währenddessen die Ohren mit Wachs verschliessen, um weder die Sirenen noch die allfälligen Beschwörungen Odysseus’, ihn loszubinden, zu hören (Odyssee, Gesang XII, 165–200).
Bemerkenswert an dem römischen Mosaik aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. (Bardo-Museum Tunis) ist, dass Odysseus und seine Gefährten – bis auf einen – blond gelockt sind, während der Grossteil der Griechinnen und Griechen heutzutage dem mediterranen Typ angehört und dunkle Augen und Haare hat (wenn dies ausnahmsweise nicht der Fall ist, handelt es sich meist um eine Blondierung). Dieses Detail könnte ein Hinweis darauf sein, dass König Odysseus von Ithaka ein Dorer war, also einem in vorgeschichtlicher Zeit nach Griechenland eingewanderten indogermanischen Volk angehörte».
Mosaikszene aus Homers Odyssee im Bardo Museum in ­Tunis, Tunesien (© Fotokon | Dreamstime.com).
1 Swiss Med Forum. 2019, doi.org/10.4414/smf.2019.08429.

Nicht ganz ernst gemeint

Welche Ärzte fahren was, wie und wie schnell?

Die Auswertungen der Verkehrsstrafen von 2004 bis 2017 in Florida (5432 Ärztinnen und Ärzte erhielten total 14 560 Strafzettel) und ein Vergleich der Bestraften mit den öffentlich zugänglichen ärztlichen Berufsregistern zeigt Folgendes:
– Am schnellsten fuhren Orthopäden* (zum Zeitpunkt der Bestrafung im Schnitt ca. 28 km/h zu schnell).
– Die meisten Luxusfahrzeuge (zum Zeitpunkt der Strafe) wurden von Kardiologen gesteuert.
– Die Wahrscheinlichkeit, als Arzt die zugelassene Geschwindigkeit zu überschreiten, war nicht grösser als in einer Kontrollgruppe von Nicht-Ärzten.
Ärzte sind zwar nicht schneller mit dem Auto unterwegs als Nicht-Ärzte, gewisse Fachspezialisten haben es jedoch eiliger als andere (© John Roman | Dreamstime.com).
* Psychiater wiesen jedoch individuell die eindrücklichsten Ausschläge nach oben auf.
Verfasst am 28.12.2019.

Wussten Sie?

1) Die drei häufigsten Ursachen der chronischen Pan­kreatitis sind (mehrere richtige Antworten möglich):
A Chronische Glukokortikoidtherapie
B Nikotinabusus (>35 «packyears»)
C Genetische Ursachen
D Nichtsteroidale Antirheumatika
E Alkoholüberkonsum (>5 «drinks»/Tag)
2) Patienten mit chronischer Pankreatitis sollten wie folgt auf die Entwicklung eines Pankreaskarzinoms untersucht werden (MRI):
A Jährlich
B Alle 5 Jahre
C Kein Screening, da Pankreaskarzinom nicht gehäuft
D Kein Screening, da kein Effekt auf Verlauf bewiesen
E Screening beschränkt auf hereditäre Pankreatitis

Antworten zu diesen Fragen:


Richtig sind 1 B, C und E sowie 2 D und E.
Vor allem Alkoholüberkonsum, aber auch Nikotinabusus sind die wichtigsten Ursachen. In 30–80% ­aller Fälle ist die Diagnose allerdings nicht klar (idiopathische Pankreatitis), wobei die Pro­zentzahlen am höheren Ende allenfalls nur für sinoasiatische Menschen zutreffen. Etwa bei der Hälfte der ungeklärten Pan­kreatitiden liegen erworbene Mutationen/Polymorphismen (u.a.) in den Genen des Trypsin-Inhibitors oder im Gen des auch bei der Zystischen Fibrose mutierten Gens (CFTR, «cystic fibrosis transmembrane regulator») vor. In 1% der Fälle handelt es sich um eine hereditäre, autosomal-dominante vererbte Pankreatitis, mit einer Mutation des kationischen Trypsinogen-Gens (PRSS1). Diese Patient(inn)en haben eine speziell hohe Rate an sekundären Pankreaskarzinomen (7% aller Fälle im Alter von 70 Jahren). Bei anderen Formen der chronischen Pankreatitis treten Karzinome auch gehäuft auf (1,8% aller Fälle 10 bzw. in 4% 20 Jahre nach Diagnosestellung), der Wert und die Konsequenzen eines Screenings sind aber unklar.
Verfasst am 22.12.2019.
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