Schenkelhalsfrakturen: Muss sofort operiert werden?
Verschiedene Hinweise suggerieren, dass eine Operation bei Schenkelhalsfrakturen innert sechs Stunden zu einem besseren Verlauf führen würde. Das hat, unter anderem, zur Konsequenz geführt, dass die orthopädischen Traumatolog(inn)en mitten in der Nacht – wenn die Operationssaalkapazitäten es dann zulassen – operieren müssen. Laut der HIP-ATTACK-Studie werden sie aber in Zukunft durchaus auch zuwarten dürfen und ausgeschlafen die Operation durchführen können. Von gut 27 000 evaluierten wurden schliesslich nur knapp 3000, aber gut vergleichbare Patient(inn)en randomisiert entweder innerhalb von sechs Stunden oder weniger schnell (im Schnitt nach 24 Stunden) operiert. Die 90-Tage-Mortalität und eine Reihe perioperativer Komplikationen waren in beiden Gruppen identisch. Allerdings traten in der schnell operierten Gruppe weniger Delirien auf (9 vs. 12%) und die Hospitalisationszeit war (erwartungsgemäss) leicht kürzer (10 vs. 11 Tage). Schnelles Operieren ist also sicher, jedoch insgesamt der unter weniger Zeitdruck vorgenommenen Operation nicht überlegen. Mit grosser Wahrscheinlichkeit ist die schnelle Operation auch stressiger und vielleicht relevant für die Burnout-Epidemie unter Ärzt(inn)en. Der ökonomische Druck favorisiert potentiell jedoch die schnellere Variante.
Senkt «low-dose»-Aspirin das Karzinomrisiko bei Patienten mit chronischer Hepatitis B oder C?
Ja! Dies gemäss einer Analyse in Schweden (Hepatitis-Register) mit einer medianen Beobachtungszeit von fast acht Jahren. Bei Einnahme von Azetylsalizylsäure (Aspirin®) in einer Dosierung von <160 mg pro Tag traten nach dieser Zeit in 4% der Fälle hepatozelluläre Karzinome auf, während ohne Einnahme von Azetylsalizylsäure die Häufigkeit doppelt so hoch (8,3%) war. Diese inverse Korrelation zwischen Krebshäufigkeit und Einnahme von Azetylsalizylsäure hing auch von der Einnahmedauer – quasi je länger, desto besser – ab. Gastrointestinale Blutungen traten anscheinend nicht häufiger unter Azetylsalizylsäure auf. Diese Resultate sind eindrücklich. Angesichts der dekadenlangen Debatte über den Einfluss von Azetylsalizylsäure und anderen nichtsteroidalen Antirheumatika auf beispielweise gastrointestinale Tumoren würde man eine prospektive Interventionsstudie begrüssen, obwohl einige plausible Mechanismen zur therapeutischen Wirkung bestehen.
Würden Sie Aspirin® trotzdem in dieser Indikation verschreiben? Teilen Sie doch Ihre Schlussfolgerungen mit (office@medicalforum.ch, Stichwort: Kurz und bündig: «low-dose»-Aspirin)! Wir werden sie oder ein Destillat der Meinungen in unserer Leserecke publizieren.
Wir haben kurz und bündig eben gerade auf die schwierige Evidenzsuche in der Ernährungsmedizin hingewiesen. Unser Rat war, sich ernährungsmässig wie bei Aktieninvestitionen zu verhalten [1]. Diversifikation: Von vielem etwas, von nichts zu viel.
Laut Beobachtungen in drei verschiedenen Kohorten in den USA (insgesamt mehr als 170 000 Frauen und mehr als 40 000 Männer, alle ohne Diabetes und vorbestehend bekannte koronare Herzkrankheit) konnte von einem moderaten Eierkonsum (bis zu einem Ei pro Tag, plus verborgene Eierkomponenten in diversen Nahrungsmitteln) kein negativer Effekt auf das Risiko nachgewiesen werden, eine kardiovaskuläre Erkrankung zu erleiden. Bei Asiat(inn)en könnte das Risiko gar vermindert sein. Der Follow-up betrug bis zu mehr als 32 Jahre [2]! Aufgrund der Kohortenzusammensetzung waren Gesundheitsberufe (und damit das Gesundheitsbewusstsein?) übervertreten.
Für eine Normalpopulation gilt wohl: moderaten Eierkonsum nicht mehr – wie oft vormals – verteufeln.
Permissive Hypotonie bei älteren Patienten auf der Intensivstation
Vasopressoren werden auf den Intensivstationen häufig und auch kombiniert appliziert, um den in den meisten Richtlinien empfohlenen arteriellen Mitteldruck von 65 mm Hg (bei >65-Jährigen darüber) zu erreichen und zu erhalten. Ob sich die bekannte Toxizität der Vasopressoren bei Definition dieses Blutdruckziels prognostisch kontraproduktiv auswirken könnte, wurde noch nicht spezifisch untersucht. In einer prospektiven, randomisierten, multizentrischen (n = 65 Zentren) britischen Studie wurde die Sterblichkeit nach 30 Tagen von über 65-jährigen Intensivpatient(inn)en getestet. Knapp 2600 Patient(inn)en wurden 1:1 entweder nach den klassischen Guidelines oder nur mit einem Blutdruckzielwert von 60–65 mm Hg und entsprechend geringeren Vasopressorendosis und -dauer behandelt. In dieser nicht verblindeten Studie zeigte sich weder ein signifikanter Unterschied in der Mortalität nach 30 Tagen noch bei anderen ernsthaften Nebenwirkungen. Die Studienhypothese war, dass die permissive Hypotonie die Mortalität signifikant reduzieren würde. Auch wenn dies nicht der Fall war, sind weniger ambitiöse Blutdruckziele (60–65 mm Hg) und tiefere Vasopressorenexpositionen in dieser Patientengruppe wohl auch vertretbar.
Fortschritte für die nichtinvasive Frühdiagnose des Morbus Alzheimer
Die gegenwärtige Diagnostik des Morbus (M.) Alzheimer ist teuer und invasiv und umfasst Analysen von Amyloid-beta 42, totalem Tau- und phosphoryliertem Tau-Protein im Liquor sowie eine PET-basierte Bildgebung von Amyloid-beta- und Tau-Protein-Aggregaten im Gehirn. Die Messung einer hyperphosphorylierten Form des Mikrotubuli-assoziierten Tau-Proteins (P-tau181) im Plasma mit einem speziellen Immunoassay zeigte, dass schon bei sogenannter leichter kognitiver Einschränkung erhöhte Werte im Plasma gefunden werden, Werte, die bei schwereren Graden respektive Progredienz der Alzheimer-Demenz progressiv anstiegen. Differentialdiagnostisch liegt der Wert der Bestimmung darin, dass bei Nicht-Alzheimer-Demenzformen die Werte normal oder deutlich tiefer ausfielen. Die Plasmakonzentrationen von P-tau181 korrelierten gut mit den Liquorkonzentrationen und konnten die Positivität des Tau-PETs zuverlässig voraussagen [1, 2]. Eine zusätzliche Arbeit zeigt mittels einer differenzierten Analyse, dass die verschiedenen Phosphorylierungsarten von Tau spezifisch mit strukturellen, neurodegenerativen wie auch klinischen Merkmalen der Alzheimer-Demenz assoziiert sind. Zwei Phosphorylierungsarten (P-tau205 und eben P-tau181) steigen bereits mit der ersten Ablagerung von Beta-Amyloid an und sind bis zu 20 Jahre vor der Ausbildung von Tau-Aggregaten (die zusammen mit dem Beta-Amyloid die neurofibrillären Plaques oder Neurofibrillenbündel bilden) schon erhöht [3].
Diese letzte Beobachtung der langen Entwicklungszeit gibt Hoffnung für eine wirksame in die Tau-Pathologie eingreifende Therapie. Generell sind die drei Arbeiten zur nichtinvasiven Diagnostik und Differentialdiagnostik ein mehr als ersehnter Lichtblick.
Was ist schonender für Zwillinge: normale Geburt oder Sectio?
Angesichts der im Rahmen im häufiger in Anspruch genommenen In-vitro-Fertilisationen kommt es zu einer Zunahme von Zwillingsschwangerschaften. Darum ist es gut, sich wieder einmal dieser Arbeit zu erinnern, wenn sie auch nicht so lange zurückliegt wie oft in dieser Unterrubrik üblich.
Je etwa 1400 Frauen mit Zwillingen, wovon der erste (früher A genannte) Zwilling in Kopflage sein musste, brachten ihre Kinder entweder natürlich vaginal oder per Sectio zur Welt. Bei beiden Gruppen war die Geburt geplant und fand durchschnittlich am Ende der 35. Schwangerschaftswoche statt. Bei der vaginal gebärenden Gruppe wurde im Geburtsverlauf in zwei von fünf Fällen doch eines der beiden oder häufiger beide Kinder per Sectio zur Welt gebracht. So blieben noch 783 normale Geburten beider Zwillinge (3 von 5). Die Sectio war weder bezüglich fetaler Mortalität und Morbidität noch hinsichtlich der mütterlichen Gesundheit der geplanten vaginalen Entbindung überlegen.
Eine chronische Hepatitis C weist in der Allgemeinbevölkerung eine Prävalenz von etwa 1% (Schweiz 0,7%) auf, mit zunehmender Tendenz in einigen Ländern. Sie ist eine wichtige Ursache der Leberzirrhose und des hepatozellulären Karzinoms. Angesichts der Tatsache, dass die Erkrankung prinzipiell heilbar ist, stellt sich die Frage nach der Screening-Strategie. Gemäss den neuesten Empfehlungen der «US Preventive Services Task Force» (USPSTF) sollen deshalb alle 18- bis 79-Jährigen unabhängig von Risikofaktoren einmalig gescreent werden mit Bestimmung der Anti-Hepatitis-C-Virus-(HCV-)Antikörper, bei Positivität gefolgt vom HCV-RNA-Nachweis mittels der RT-PCR-Methode («reverse transcription-polymerase chain reaction»). Für die USA wird geschätzt, dass 4,1 Millionen Personen eine aktuelle oder abgelaufene Hepatitis-C-Infektion aufweisen (also dann HCV-Antikörper-positiv sind), wobei dann schätzungsweise 2,4 Millionen davon auch HCV-RNA-positiv sein dürften. In der Schweiz gibt es auch Überlegungen, eine solche Strategie zu adoptieren, doch werden noch objektiv ungelöste Fragen der Machbarkeit in der ambulanten Medizin und die Kosten-Nutzen-Frage studienmässig untersucht. Da die Zunahme von chronischer Hepatitis C in den USA vorwiegend in diversen indigenen Populationen und nach intravenösem Drogenabusus auftritt, ist auch möglich, dass ein Screening in der Schweiz mit einer differenzierteren Strategie erfolgreicher sein könnte.
Demenz-Screening bei Hämodialyse-Patienten: Welches ist der beste Test?
Leider sind kognitive Defizite bei Patient(inn)en mit terminalem Nierenversagen, namentlich unter Hämodialyse, häufig, scheinen aber nicht generell abgeklärt und gesucht zu werden. In einer neurokognitiv gut charakterisierten Hämodialyse-Population von 150 Patient(inn)en (u.a. mit Aufmerksamkeitstesten, Testung des kognitiven Gedächtnisses, Testen der Qualität von Ausführungsfunktionen) hatte das sogenannte «Montreal Cognitive Assessment» (MoCA) unter fünf geprüften Screening-Tests die mit Abstand höchste Sensitivität. Im Besonderen war es besser und genauer als der Minimal-Mental-Status.
Den MoCA-Test finden Sie unter https://www.mocatest.org. Es gibt eine Reihe von Webseiten für eine deutsche, französische oder italienische Fassung.
Im Vergleich zur Zeit vor 1980 (mit ausgewerteten Studienresultaten bis 2015) ist die Suizidalität bei Ärztinnen und Ärzten gefallen. Allerdings bleibt ein seit den 50er Jahren deutlicher geschlechtsabhängiger Unterschied in der Suizidmortalität bestehen: Im Vergleich zu Nichtärztinnen ist das Risiko für Ärztinnen signifikant höher (sog. «odds ratio» = 1,46), während dieses bei Ärzten im Vergleich zu Nichtärzten signifikant tiefer («odds ratio» = 0,67) ist. Suizidalität ist eine tragische Folge vieler Umstände und Faktoren. Diese Zahlen sind ein Appell, in deren Identifikation und Prävention die spezifische Situation der Ärztinnen speziell zu berücksichtigen.
Welche Infekte sind am häufigsten mit einer Colitis ulcerosa assoziiert (mehr als eine Antwort könnte richtig sein)?
A Enterococcus faecalis
B Amöben
C Zytomegalie-Viren
D Giardia lamblia
E Clostridioides difficile
Antwort:
Clostridioides difficile (früher: Clostridium difficile) ist der häufigste Infekt bei entzündlichen Darmerkrankungen und führt auch häufig zu einer Exazerbation derselben. Eine Zytomegalie-(CMV-)Kolitis ist häufig assoziiert mit einer Colitis ulcerosa und eine CMV-Reaktivierungs-Kolitis wird vor allem nach Glukokortikoidbehandlung wegen Colitis ulcerosa beobachtet. Richtig sind also die Antworten C und E.
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