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Fokus auf ... primärer und sekundärer Mitralinsuffizienz
– Eine primäre, auch degenerativ genannte Insuffizienz ist Folge einer primären Anomalie des Mitralklappenapparates (z.B. Mitralklappenprolaps).
Bei primärer Insuffizienz ist ein direkt interventionelles Vorgehen indiziert bei klinisch kompatiblen Symptomen und gut definierten echokardiographischen Kriterien.
– Sekundäre, auch funktionell genannte Insuffizienzen sind Folge linksatrialer oder linksventrikulärer Veränderungen (z.B. einer Dilatation).
Im Gegensatz zu primären Formen sind hier Medikamente die erste Wahl: Betablocker, ACE-Hemmer, Angiotensinrezeptorblocker, Diuretika inklusive Aldosteronantagonisten u.a.m.*
Bei schweren Fällen oder inadäquatem Ansprechen auf Medikamente:
*In Tabelle 2 des «supplemental appendix» dieser Übersicht findet man eine umfassende, die aktuelle Evidenzlage berücksichtigende Zusammenstellung aller medikamentöser Optionen.
Daten von österreichischen Stellungspflichtigen (17-jährig) zeigen, dass 5% hyperop sind, während jeder vierte eine Myopie aufweist. Über die letzten vergangenen 35 Jahre entspricht dies fast einer Verdoppelung der Myopieprävalenz junger Erwachsener von 13,8 auf 24,4%, womit die Beobachtungen aus anderen epidemiologischen Studien bestätigt werden. Diese Zunahme ist unter anderem wegen der Assoziation mit anderen Augenpathologien wie peripheren Retinadegenerationen, Netzhautablösung, Katarakt und Glaukom relevant. Allerdings betrifft dies vor allem, wenn nicht ausschliesslich, die schwereren Myopieformen.
Autoantikörper gegen Interferone als Risikofaktor für einen schweren COVID-19-Verlauf
Das Spektrum der klinischen Symptomatologie (quantitativ, aber auch qualitativ) bei einem SARS-CoV-2-Infekt ist enorm, von asymptomatisch bis lebensbedrohlich. In einer Subgruppe von 101 von insgesamt knapp 1000 Patient(inn)en mit lebensbedrohlicher COVID-19-Pneumonie wurden neutralisierende IgG Autoantikörper gegen verschiedene Mitglieder der Interferongruppe (Typ I) gefunden, die bei asymptomatischen und milden Verläufen (n = 663) nicht vorhanden waren. In vitro war nachweisbar, dass diese Autoantikörper die Fähigkeit dieser Interferone, eine SARS-CoV-2-Infektion zu blockieren, hemmten. Anscheinend liegen genetisch bedingte, also vorbestehende Variabilitäten der Interferonimmunität vor, die sich im Krankheitsfall auf diese Art manifestieren können.
Ein ähnlicher Mechanismus erklärt auch einen Teil der schwereren klinischen Verläufe bei Tuberkulose und Staphylokokkeninfekten. Die Messung von solchen Autoantikörpern könnte also prognostisch und zur Individualisierung der Therapie wichtig werden, bei SARS-CoV-2, aber auch anderen Infektionskrankheiten.
Verfasst am 18.10.2020 auf Hinweis von PD. Dr. Eric Dayer, Lausanne.
Für Ärztinnen und Ärzte im Spital
Risiken der perkutanen Nierenbiopsie: höher als angenommen?
Seit die Nierenbiopsien unter Ultraschallkontrolle und semiautomatisch durchgeführt werden können, hat sich die frühere restriktive Praxis der Indikation (der meist intensive Diskussionen in einer interdisziplinären Fallbesprechung vorangingen) deutlich liberalisiert.
Eine Studie von französischen Nephrologen verweist nun auf die Risiken der modernen Biopsietechnik. Zwischen 2010 und 2018 wurden die Nebenwirkungen von mehr als 52 000 Biopsien von Eigennieren analysiert. Die Resultate sind leider doch einigermassen negativ überraschend: In 5% aller Fälle (knapp 2800 Patient[inn]en) folgte eine relevante Blutung, von welchen wiederum 5% (knapp 140 Patient[inn]en) transfusionsbedürftig waren. Eine relevante Blutung verdoppelte fast das Mortalitätsrisiko, wobei wohl die Blutung meist ein Zusatzfaktor und nicht die alleinige Ursache war.
Die Autoren präsentieren eine Risikobewertung («score»), die speziell hohe Blutungsrisiken voraussagen können soll. Hoffentlich hilft diese bei Gruppen mit hohem Risiko mit allen Mitteln zu versuchen, auch alternativ – ohne Biopsie – zur Diagnose zu gelangen (sorgfältige Differentialdiagnose, Biomarker u.a.m.).
Ein mütterlicher SARS-CoV-2-Infekt (von asymptomatisch bis schwer symptomatisch) in der Peripartalperiode löste in nur 2 von 100 New Yorker Neugeborenen eine schwach positive RT-PCR, aber keine klinischen Symptome aus. Bei schweren Infekten fand die Geburt etwa eine Woche früher statt. Die meisten Mütter hatten ein «rooming-in» durchgeführt und gestillt. Das Vorkommen, die klinische Bedeutung und Häufigkeit einer vertikalen Übertragung in früheren Stadien der Schwangerschaft bleiben unklar.
Das Nukleotidanalogon Remdesivir ist in vitro aktiv gegen SARS-CoV-2 und scheint gemäss früheren Publikationen die Erholungs- und Hospitalisationszeiten, aber leider nicht die 28-Tage-Mortalität – dies gemäss einer aktuellen Analyse der Weltgesundheitsorganisation (WHO) [1] – zu reduzieren. Es handelt sich um die sogenannte «Solidarity»-Studie mit mehr als 11 000 Patient(inn)en in 405 Spitälern in 30 Ländern. Auch die Wahrscheinlichkeit, intubiert zu werden, und die Dauer des Spitalaufenthaltes waren nicht signifikant unterschiedlich. Gleiche negative Verlaufsdaten liefert die Arbeit für Hydroxychloroquin, Lopinavir-Ritonavir und Interferontherapiemodalitäten. Der fehlende Effekt von Hydroxychloroquin wird (randomisiert, kontrolliert, aber offen durchgeführt) parallel bestätigt [2], während durch Remdesivir bei hospitalisierten Patienten mit SARS-CoV-2 (plazebokontrolliert, prospektiv, randomisiert) die Erholungsdauer doch abgekürzt werden konnte [3].
Die SARS-CoV-2-Pandemie hat in Ermangelung erprobter und breit getesteter Medikamente zu einer beschleunigten Zulassung von Medikamenten und diagnostischen Tests geführt. Aber aufgepasst: Beschleunigte Zulassungen sowohl in Europa («European Medicines Agency» [EMA]) als auch den USA («Food and Drug Administration» [FDA]) führten im Vergleich zu ordentlichen Zulassungen in einem Drittel der Fälle zur Zulassung von Medikamenten von niedriger therapeutischer Relevanz. Dies im retrospektiven Urteil von fünf unabhängigen, aber zum Teil staatlichen Beurteilungsgruppen. Zulassungen im Rahmen von COVID-19 waren (noch) nicht Gegenstand der Beurteilung.
Geringe Relevanz heisst wohl auch wenig Nutzen, enttäuschte Hoffnungen und unnötige Nebenwirkungen.
Einer der Schwanengesänge auf eine statistisch nicht signifikant ausgefallene Studie (selbst wenn ein sehr moderates p von lediglich <0,05 gewählt wird), ist oft, dass ein Trend zu … bestehe. Damit wird suggeriert, dass doch etwas daran sein könnte.
Jüngstes Beispiel ist die randomisiert kontrollierte Untersuchung (sog. Generation-100-Studie aus Norwegen) des Effektes eines Übungsprogrammes mittlerer und hoher Intensität auf die Mortalität etwa 72-jähriger Senior(inn)en (geschlechtsmässig gleichverteilt). Keine der beiden Gruppen wies gegenüber der sich nach eigenem Gutdünken bewegenden Gruppe statistische Vorteile bezüglich des primären Endpunktes, der Mortalität jeglicher Ursache, auf.
Bedenklich ist die affirmative Wortwahl: «All cause mortality was 37% lower in the high intenstiy group compared to controls and 49% lower when high intensity was compared with medium intensity. These differences were not statistically significant».
Im gleichen Heft kommen die Autor(inn)en nochmals zu Wort und sprechen – durch nichts gebremst – die allgemeinen Nutzen auf die Gesundheit an. Zumindest haben sie Pech gehabt: nämlich den falschen Endpunkt gewählt.
Die akute Bergkrankheit tritt vorwiegend nach schnellem Aufstieg auf höhere Lagen auf. Damit assoziiert und einen Teil der Symptome wie Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Sehstörungen erklärend ist ein Hirnödem. Kann man durch erhöhte Oberkörperlage (+30 Grad) im Schlafen durch Limitierung des zerebral gerichteten Blutflusses diese Symptome bessern? Anscheinend nicht, denn bei 134 Berggängern, die in der Capanna Regina Margherita auf dem Monte Rosa (4554 m. ü. M.) übernachteten, führte eine Schlafposition mit erhöhter Oberkörperlage nicht zu einer relevanten Reduktion der Symptome der akuten Bergkrankheit. Also: Lieber in Zermatt bleiben und bequem horizontal schlafen!
Cannabiskonsum in der Schwangerschaft und Autismus
Cannabiskonsum ist anscheinend häufiger und auch in vielen Ländern legalisiert geworden. Frauen setzen den Cannabiskonsum oft in der Schwangerschaft fort mit potentiellen Nachteilen für ihr Kind: Eine retrospektive Analyse aller Lebendgeburten von 2007 bis 2012 in Ontario (Kanada) zeigt statistisch signifikante Risikoerhöhungen für Kinder, an Autismus, Intelligenzeinschränkungen oder Lernstörungen zu leiden [1]. Die statistische Stringenz ist für Autismus am stärksten (plus 50% Risikoerhöhung). Erinnert sei hier an die im «Kurz und bündig» aus Ausgabe 45–46 [2] vorgestellte Vermutung, dass Azetaminophen während der Schwangerschaft zu frühkindlichen Entwicklungsstörungen, namentlich einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), führen könnte.
Reinfektion mit genetisch unterschiedlichen SARS-CoV-2
Gegenwärtig gibt es weltweit einige wenige Berichte über isolierte Reinfektionen mit SARS-CoV-2. Während bei den ersten vier Fällen anscheinend ein genetisch identisches Virus den Reinfekt verursachte, fielen bei dem symptomatischen Patienten aus der vorliegenden Arbeit deutliche genetische Unterschiede auf. Der Patient war im April und Ende Mai mit positiven RT-PCR-Tests an COVID-19 erkrankt und dazwischen zweimal negativ getestet worden. Eine Anti-SARS-CoV-2-Serologie (IgG/IgM) war positiv, allerdings wurde nur einmal – neun Tage nach Symptombeginn beim Reinfekt – getestet und keine Untersuchung veranlasst, ob es sich um neutralisierende Nukleokapsid-Antikörper handelte. Ob der Erstinfekt also eine adäquate und persistierende Immunantwort auslöste, bleibt offen.
Die vorsichtig argumentierenden Autoren beobachteten, dass der zweite Infekt schwerere Symptome hervorrief, was wieder die Diskussion um eine mögliche antikörperabhängige Stimulation (nach Primoinfekt oder Impfung) aktivieren dürfte.
Das «Kurz und bündig» gibt es noch aktueller «online first» unter medicalforum.ch sowie als Podcast unter emh.ch/podcast oder in Ihrer Podcast-App unter «EMH Journal Club»!