Zugang zu Gesundheitsversorgung – auch für Asylsuchende und Flüchtlinge
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Zugang zu Gesundheitsversorgung – auch für Asylsuchende und Flüchtlinge

Editorial
Ausgabe
2016/4950
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2016.02835
Schweiz Med Forum 2016;16(4950):1057

Affiliations
Sektion Impfempfehlungen und Bekämpfungsmassnahmen, Eidgenössisches Departement des Innern, Bundesamt für Gesundheit,
Abteilung Übertragbare Krankheiten

Publiziert am 06.12.2016

Die zunehmende Anzahl Flüchtlinge, die in der Schweiz Asyl beantragen, stellt auch an das Gesundheitswesen besondere Anforderungen. Infektionskrankheiten bei Flüchtlingen stellen für die Schweizer Bevölkerung grundsätzlich keine Gefahr dar. Flüchtlinge sind nicht häufiger krank. Abhängig vom Ursprungsland kommen aber andere Krankheiten als in der Schweizer Bevölkerung gehäuft vor. Die Tuberkulose ist wohl die bekannteste Infektionskrankheit bei Flüchtlingen, insbesondere bei denjenigen aus Ländern mit einer hohen Prävalenz. Asylsuchende werden deshalb beim Eintritt in ein Empfangszentrum systematisch auf spezifische Symptome befragt und bei Verdacht auf eine Tuber­kuloseerkrankung werden weitere Abklärungen durchgeführt. Die Tuberkulose ist in der ansässigen Bevölkerung seit vielen Jahrzehnten rückläufig trotz gros­ser Anzahl an Flüchtlingen aus Ländern mit hoher Prä­valenz.
Wie mit erkrankten Asylsuchenden und Flüchtlingen in der ärztlichen Praxis vorgegangen werden soll, zeigt der Artikel von Notter et al. [1] in dieser Ausgabe des Swiss Medical Forum. Er liefert eine praktische Übersicht, an welche Krankheiten bei erwachsenen Flüchtlingen zu denken ist und wie sie diagnostiziert und ­behandelt werden sollen. Eine gute Anamnese, gefolgt von der Überlegung, welche Krankheiten im Ursprungsland gehäuft vorkommen, sind wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Behandlung. Der nationale Telefondolmetschdienst kann helfen, sprachliche Hindernisse zu überbrücken.
Damit Asylbewerber und Flüchtlinge, die meistens aus Ländern mit einem schwachen Gesundheitssystem stammen, nicht an impfverhütbaren Krankheiten erkranken, ist neben einer allfälligen Therapie auch eine Überprüfung des Impfstatus wichtig. Anamnestisch ist es jedoch oft nicht möglich, den aktuellen Impf­status zu erfahren. Im Artikel von Tarr et al. [2] in vorliegender Ausgabe des Swiss Medical Forum erfahren Sie, wie in der Praxis diese Personen gemäss dem Schweizerischen Impfplan geimpft werden sollen. Impfungen sind besonders bei Kindern und Bewohnern von Flüchtlingszentren wichtig, um Ausbrüche zu verhindern.
Die Kostendeckung der Gesundheitsversorgung ist für Asylsuchende, vorläufig aufgenommene Ausländer ­sowie anerkannte Flüchtlinge sichergestellt. Seit dem Jahr 2011 hält die Verordnung über die Krankenver­sicherung fest, dass auch alle Nothilfeberechtigten obligatorisch krankenversichert werden. Dies ist Voraussetzung, um den Zugang zum Gesundheitssystem zu gewährleisten.
Die praktischen Orientierungshilfen in beiden Artikeln unterstützen die Grundversorger, damit Erkrankungen rasch diagnostiziert und adäquat behandelt werden und bei Bedarf auch geimpft wird. Dies ist nicht nur aus Sicht der öffentlichen Gesundheit sinnvoll, sondern wird auch den Bedürfnissen der Asylsuchenden und Flüchtlinge gerecht.
Dr. med. Mark Witschi, MPH
Leiter Sektion Impfemp­fehlungen und ­Bekämpfungsmassnahmen
Eidgenössisches
Departement des Innern Bundesamt für Gesundheit
Abteilung Übertragbare Krankheiten
Schwarzenburgstrasse 157
CH-3003 Bern
mark.witschi[at]bag.
admin.ch
1 Notter J, Labhardt N, Hatz C, Wallnöfer A, Vollgraff M, Ritz N, et al. Infektionen bei erwachsenen Flüchtlingen. Schweiz Med Forum. 2016;16(49–50):1067–74.
2 Tarr P, Notter J, Sydow V, Wirz S, Wallnöfer A, Vollgraff M, et al. Impfungen bei erwachsenen Flüchtlingen. Schweiz Med Forum. 2016;16(49–50):1075–79.