Osteoporotische Wirbelsäulenfrakturen: neue Behandlung?

Osteoporotische Wirbelsäulenfrakturen: neue Behandlung?

Und anderswo ...?
Ausgabe
2017/04
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.02786
Schweiz Med Forum 2017;17(04):0

Publiziert am 24.01.2017

Osteoporotische Wirbelsäulen­frakturen: neue Behandlung?

Fragestellung

Die Osteoporoseprävalenz bei 50- bis 69-jährigen Frauen in den USA beträgt etwa 3,4 Millionen und 19 Millionen weisen eine verringerte Knochendichte des Schenkelhalses oder der Lendenwirbelsäule auf. Bei uns sind diese Zahlen wahrscheinlich propor­tional identisch. Das Langzeitrisiko für eine osteoporotische Fraktur bei einer 60-jäh­rigen Frau beträgt etwa 44%. Die erste Fraktur zieht ein erhöhtes Risiko für weitere Frakturen nach sich. Es gibt eine osteo­anabole Behandlung in Form eines Peptids, das an den Parathyroidhormonrezeptor 1 bindet: Teriparatid (Forsteo Patrone®). Abaloparatid hat dieselben Eigenschaften und eine grössere, jedoch vorübergehendere Rezeptoraffinität, wodurch es theoretisch eine stärkere anabole Wirkung als Teriparatid aufweisen müsste. Welche Wirkung hat Abaloparatid auf die Prävention neuer Wir­belsäulenfrakturen im Vergleich zu Plazebo und Teriparatid?

Methode

Die Studienteilnehmer waren 49- bis 89-jährige Frauen mit einem T-Score der Knochendichte ≤–2,5 und >–5 der Lendenwirbelsäule oder des Schenkelhalses sowie mindestens 2 Wirbel­säulenfrakturen oder einer atraumatischen Faktur des Oberarms, Kreuzbeins, Beckens, Oberschenkel- oder Schienbeinknochens in den vergangenen 5 Jahren. Sie wurden im Ver­hältnis von 1:1:1 randomisiert und erhielten 18 Monate lang einmal täglich entweder eine Abaloparatidinjektion s.c. (n = 824 analysiert), ein Plazebo (n = 821 analysiert) oder Teriparatid (n = 818 analysiert). Teriparatid konnte nicht verblindet werden, da es in Fertigspritzen abgegeben wird. Primärer Endpunkt war das Auftreten einer neuen Wirbelsäulenfraktur, welche anhand einer Röntgenauf­nahme von vorn und von der Seite durch gegenüber der Behandlung verblindeten Radiologen beurteilt wurde.

Resultate

Eine neue Wirbelsäulenfraktur trat bei 4 Patientinnen der Abaloparatid- (0,6%), 30 der Plazebo- (4,2%) und 6 der Teriparatidgruppe auf (0,8%). Eine nicht vertebrale Fraktur trat bei 18 Patientinnen der Abaloparatid-, 33 der Plazebo- und 24 der Teriparatidgruppe auf, p <0,001 bzgl. Wirbelsäulenfrakturen unter Abaloparatid vs. Plazebo und p <0,049 bzgl. nicht vertebraler Frakturen, RR 0,14 bzw. 0,57.

Probleme und Kommentar

Der Nachteil von Abaloparatid und Teri­paratid ist die tägliche s.c.-Injektion. Die Wirkung von Abaloparatid konnte aufgrund der geringen Frakturzahlen in den Gruppen nicht mit der von Teriparatid verglichen werden. Man könnte kritisieren, dass 821 Frauen 18 Monate lang nicht behandelt wurden, wobei anzumerken ist, dass viele Frauen mit Wirbel­säulenfraktur unbehandelt sind. Beide Therapien können zu Hyperkalzämie führen, ­welche bei 3,4% der Patientinnen unter Aba­loparatid und 6,4% unter Teriparatid auftrat (signifikant). Die Knochendichtemessung hat einen leichten Vorteil für Abaloparatid und eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu Plazebo gezeigt. Fazit: Abaloparatid ist in der Tat eine neue Waffe zur Osteoporosebehandlung, wenn bei der Therapiewahl die osteoanabole versus antiresorptive Wirkung entscheidend ist.
Miller PD, et al. JAMA. 2016;316:722–33.
http://jamanetwork.com/journals/jama/
article-abstract/2544640

Andexanet: ein effektives Antidot gegen neue orale Antikoagulanzien (NOAK)?

Andexanet bindet an den freien Faktor-Xa-hemmenden Anteil der NOAK und hebt ihre Wirkung somit auf. 67 ältere Patienten unter NOAK mit gastrointestinalen, Hirn- oder anderweitig lokalisierten Blutungen erhielten Andexanet als Bolus sowie an­schliessend als zweistündige Infusion. Die Faktor-Xa-Hemmer-Konzentration sank sofort und die hämostatische Wirkung wurde bei ~80% der Patienten als hervorragend beurteilt. Jedoch traten 18% thrombotische Ereignisse auf … eine schmale Gratwanderung. Die FDA dürfte die Zulassung erteilen, sobald weitere Daten vorliegen, da die Studie noch läuft.
Connolly SJ, et al. N Engl J Med. 2016;375:1131–41.

Prostatakarzinom: nur ein PSA-Test?

Bekanntermassen ist eines der Risiken häufigerer PSA-Tests die steigende Biopsiezahl mit potentiellen Komplikationen wie Infektionen und Blutungen. Im Rahmen der Physicians’ Health Study wurden von 1982–1984 Tausende von PSA-Tests durchgeführt. Das Follow-up betrug 30 Jahre. Anscheinend lässt sich anhand des PSA-Werts zu Studieneinschluss das Risiko für ein tödliches Karzinom gut vorhersagen. Bei 50- bis 54-jährigen Patienten betrug die Inzidenz für ein tödliches Karzinom 3,1%, wenn der PSA-Wert im oberen Bereich der Perzentile (>2,1 ng/ml) lag, bei Werten unterhalb des Medians (0,9 ng/ml) jedoch nur 0,3%. Bei 55- bis 59-jährigen Patienten betrug die Inzidenz für ein tödliches Karzinom bei Werten >3 ng/ml 5,5%, bei Werten unterhalb des Medians (<1 ng/ml) jedoch 0,4%. Die USPSTF geht davon aus, dass bei einem Wert von <1 ng/ml mit 60 Jahren keine späteren PSA-Tests mehr erforderlich sind. Eine gute Nachricht, die gut dokumentiert zu sein scheint …
Preston MA, et al. J Clin Oncol. 2016;34:2705–11.

Papierkrieg und PC

60 Hausärzte haben an einer Studie über ihre Zeitaufteilung in der Praxis teilgenommen. Von 430 Stunden Beobachtungszeit wurden 50% mit der Eingabe von Daten in die elektronische Krankengeschichte und anderen Verwaltungsaufgaben und lediglich 27% im direkten Kontakt mit den Patienten verbracht. In 20 Jahren kümmern sich vielleicht Roboter um die Patienten, weil die Hausärzte ausschliesslich mit Verwaltungsaufgaben beschäftigt sind … Ein Sieg für die Technokraten der Medizin, die selbst nie einen ­Patienten zu Gesicht bekommen …
Sinsky C, et al. Ann Intern Med. 2016;165:753–60.
doi:10.7326/M16-0961

Niedrig dosierte Acetylsalicylsäure, hohes kardiovaskuläres Risiko und 
untere gastrointestinale Blutung

295 Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko unter niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (AAS), die an einer unteren gastrointestinalen Blutung litten, wurden untersucht. 60% nahmen AAS weiterhin ein, während es 40% absetzten. Während des 2-jährigen Follow-up trat bei 7% der Patienten ohne und 18% mit AAS ein Blutungsrezidiv auf. Hingegen kam es bei 33% der Patienten ohne und bei 21% mit AAS zu einem schweren kardiovaskulären Ereignis. Man könnte die Entscheidung, ASS weiterzunehmen oder abzusetzen, von der Schwere der Blutung abhängig machen, was in dieser Studie nicht getan wurde …
Chan FKL, et al. Gastroenterol. 2016;151:271–7.