Prostatakarzinom nach 10 Jahren: Überwachung, Operation oder Strahlentherapie?

Prostatakarzinom nach 10 Jahren: Überwachung, Operation oder Strahlentherapie?

Und anderswo ...?
Ausgabe
2017/10
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.02837
Schweiz Med Forum 2017;17(10):229

Publiziert am 08.03.2017

Prostatakarzinom nach 10 Jahren: Überwachung, Operation oder Strahlentherapie?

Fragestellung

Die Behandlung des klinisch lokalisierten PSA-detektierten Prostatakarzinoms bleibt kontrovers. Durch den PSA-Test hat die Zahl der entdeckten Prostatakarzinome stark zugenommen, der tatsächliche Nutzen ist jedoch noch immer unklar, da viele Prostatakar­zinome entweder indolent oder disseminiert sind. Andere entwickeln sich langsam und die Patienten sterben mit, aber nicht durch Prostatakrebs. Die ProtecT-Studie mit einem medianen Follow-up von 10 Jahren sollte herausfinden, welche Therapieoption bezüglich der prostatakrebsspezifischen, der Gesamtmortalität, der Inzidenz von Metastasen und der Progression der Erkrankung bei einem ­lokalisierten Prostatakarzinom die beste ist: aktive Überwachung, Operation oder Strahlentherapie?

Methode

545 Patienten wurden auf die Gruppe mit ­aktiver Überwachung, 533 auf die mit radi­kaler Prostatektomie und 545 auf die mit Strahlentherapie randomisiert. Das Durchschnittsalter betrug 62 Jahre (50–69 Jahre) und der mediane PSA-Wert 4,6 ng/ml (3–19,9). 77% wiesen Tumoren mit einem Gleason-Score von 6 (Score von 6–10, wobei 10 für ein aggressives Karzinom steht) und 76% Tumoren im T1c-Stadium auf. Die Gruppen wurden nach Alter, Gleason-Score und PSA-Wert bei der ersten Biopsie stratifiziert. Natürlich wussten Ärzte und Patienten, welcher Gruppe sie angehörten. Der PSA-Wert wurde im ersten Jahr alle 3, danach alle 6–12 Monate ­bestimmt, um in der Überwachungsgruppe ggf. eine radikale Prostatektomie durchführen zu können. Die Strahlentherapiepatienten erhielten 3–6 Monate vor der Bestrahlung eine anti-androgene Behandlung. Bei den operierten Patienten wurde bei einem PSA-Wert von 0,2 ng/ml eine neoadjuvante Strahlentherapie durchgeführt.

Resultate

Es traten 17 prostatakrebsspezifische Todesfälle auf, davon 8 in der Überwachungs-, 5 in der Operations- und 4 in der Strahlentherapiegruppe (n.s.). Metastasen traten hingegen signifikant häufiger bei Patienten in der Überwachungs- (33 Patienten = 6,4/1000 Patientenjahre) als in der Operations- (13 = 2,4/1000 ­Patientenjahre) und in der Strahlentherapiegruppe auf (16 = 3/1000 Patientenjahre). Auch die Progressionsraten waren in der Überwachungsgruppe höher als in den anderen Gruppen.

Probleme

Das Studienprotokoll wurde vor etwa zwanzig Jahren entwickelt. Seitdem hat sich die Behandlung stark verändert und die Operations- und Strahlentherapietechniken wurden verbessert. Das Follow-up ist zu kurz, um langfristige Voraussagen treffen zu können. Interessanterweise war die Mortalität unter Strahlentherapie günstiger als bei radikaler Prostatektomie.

Kommentar

Patienten mit lokalisiertem Prostatakarzinom stehen vor einer schwierigen Entscheidung. Für einige Monate oder Jahre ohne therapie­assoziierte Nebenwirkungen (Impotenz, Verdauungsstörungen, Inkontinenz) müssen sie das Risiko von Metastasen und eine stärkere Progression der Erkrankung akzeptieren. Übrigens mussten sich 25% der Patienten der Überwachungsgruppe nach 3 und 50% nach 10 Jahren infolge der regelmässigen PSA-Tests einer radikalen Prostatektomie unterziehen. Angesichts der prostatakrebsspezifischen Morta­lität kann man sich jedoch gestatten, nach der Diagnose in Ruhe über die Art der Behandlung nachzudenken. Übrigens ist in derselben Ausgabe auf Seite 1425 ein Artikel über die Behandlungsfolgen aus Patientensicht erschienen, der wichtige Informationen enthält.
Hamdy FC, et al. N Engl J Med. 2016;375:1415–24.
doi: 10.1056/NEJMoa1606220

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http://www.fda.gov/Drugs/DrugSafety/ucm526206.htm

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