Plastisch-Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie: Onkoplastische Chirurgie – Sicherheit und Ästhetik in einem?
Plastisch-Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie

Plastisch-Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie: Onkoplastische Chirurgie – Sicherheit und Ästhetik in einem?

Schlaglichter
Ausgabe
2017/0102
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.02850
Schweiz Med Forum 2017;17(0102):34-35

Affiliations
Universitatsspital Basel
a Plastische, Rekonstruktive, Ästhetische und Handchirurgie, b Klinik für Allgemeinchirurgie, c Brustzentrum

Publiziert am 10.01.2017

Die chirurgische Therapie des Mammakarzinomes wurde über die vergangenen Jahrzehnte immer weniger radikal.Bei der brusterhaltenden Therapie spielen neben der weiterhin prioritären onkologischen Sicherheit zunehmend auch ästhetische Anforderungen eine Rolle.

Hintergrund

Die radikale Mastektomie bei auch wenig fortgeschrittenem Mammakarzinom (mit Resektion der gesamten Brustdrüse, aller Lymphknoten sowie dem Pectoralis-Muskel) gehört bereits seit Jahrzehnten der Vergangenheit an. Eine wesentliche Veränderung in der operativen Therapie des Mammakarzinoms brachte die Erkenntnis, dass die brusterhaltende Tumorektomie mit anschlies­sender Bestrahlung der Mastektomie hinsichtlich Überleben gleichwertig ist [1].
Leider führt die brusterhaltende Therapie mit alleiniger Tumorektomie und konsekutivem Direktverschluss oft zu ästhetisch entstellenden Resultaten, dies vor allem bei Vorliegen eines ungünstigen Verhältnisses von Tumorgrösse zu Brustgrösse [2]. Um dieser Tatsache entgegenzuwirken, und unter dem Druck der zunehmend höheren Erwartung der Patientinnen an das ästhetische Ergebnis, wurden vermehrt plastisch-chirurgische Rekonstruktionstechniken zur Vermeidung solcher Deformitäten entwickelt. Der Begriff «Onkoplastische Chirurgie» (OCP) wurde bereits in den Neunzigerjahren geprägt, gewann jedoch vor allem in den letzten Jahren an Popularität [3]. Die darunter zusammengefassten Operationstechniken wurden durch Onko- und Plastische Chirurgen gemeinsam definiert.
Die entsprechenden Eingriffe werden häufig und idealerweise in Kooperation von Brustchirurgen aus der Chirurgie und Gynäkologie und Plastischen Chirurgen durchgeführt.
An zertifizierten Brustzentren, zu welchen jenes in ­Basel seit 2011 gehört, ist die Tumorentfernung die ­primäre Aufgabe des Brustchirurgen. Die Rekonstruktion – insbesondere wenn diese komplex ist – mit Mastopexie oder Mammareduktionsplastik und Anpassung der Gegenseite – gehört in die Domäne der Plastischen Chirurgie.

Onkologisch sicher?

Die onkologische Sicherheit mit tiefer Lokalrezidivrate und einem langen rezidiv- und krankheitsfreien Überleben hat Priorität gegenüber dem ästhetischen Re­sultat.
Histologisch tumorfreie Schnittränder sind das Ziel. Trotz intraoperativ durchgeführter Schnellschnitt­untersuchungen der Tumorränder zeigte sich in unserer hausinternen Serie mit 118 Frauen in der finalen Histologie eine Rate von 12% tumorbefallenen Schnitt­rändern für die Jahre 2011 bis 2015. Diese Zahl ist mit der internationalen Literatur vergleichbar und liegt eher im unteren Bereich [4]. Studien zeigen, dass Resektionspräparate im Rahmen der Onkoplastik eher tumorfreie Schnittränder aufweisen als bei konventioneller brusterhaltender Therapie. Als Begründung wird darauf hingewiesen, dass im Rahmen der onkoplastischen Chirurgie mehr «scheinbar normales» Gewebe reseziert wird und sich somit der Tumorabstand zusätzlich vergrössert und mit grösserer Wahrscheinlichkeit negative Resektionsränder erreicht werden [5].
Die Indikation zur brusterhaltenden Therapie wurde dank der OCP wesentlich erweitert. So kann auch Frauen mit einem grossen Primärtumor eine Brusterhaltung angeboten werden, wo noch vor zehn Jahren nur die Mastektomie in Frage gekommen wäre.

Rekonstruktion des Tumordefektes

Die Entscheidung zur geeigneten onkoplastischen ­Rekonstruktion basiert auf der Grösse und Form der Brust sowie der Grösse und Lokalisation des Tumors. An unserer Klinik wurde hierzu eine eigene Nomenklatur geschaffen.
Grundsätzlich unterscheiden wir vier Kategorien brust­erhaltender Therapie: die konventionelle Tumor­ektomie, die onkoplastische Tumorektomie, die onkoplastische Mastopexie und die onkoplastische Mammareduktionsplastik.

Konventionelle Tumorektomie

Bei der konventionellen Tumorektomie erfolgt nach Entfernung des Tumors ein Verschluss entweder über eine direkte Naht oder eine glanduläre Approximierung. Das verbliebene Brust- und Fettgewebe wird ­epifaszial und/oder subkutan mobilisiert und so verschoben, dass es den entstandenen Defekt auffüllt.
Die konventionelle Tumorektomie repräsentiert dabei die klassische brusterhaltende Therapie.

Onkoplastische Tumorektomie

Hier erfolgt die Rekonstruktion des entstehenden ­Defektes mit glandulären oder dermoglandulären ­Lappentechniken, die der individuellen Situation angepasst sind.
Zur Kategorie der onkoplastischen Tumorektomie zählen auch Volumenersatztechniken mit Gewebe von ­ausserhalb der Brust. Beispielsweise kann ein gestielter Musculus-latissimus-dorsi-Lappen zur Volumenaugmentation verwendet werden.

Onkoplastische Mastopexie

Wird zusätzliche Haut aus nicht onkologischen Gründen reseziert, entspricht dies einer onkoplastischen Mastopexie. Dabei können zirkumareoläre Mastopexien durchgeführt werden oder es wird eine dreieckförmige Haut­exzision bis zur Faszie in den unteren Quadranten vorgenommen. Als weitere Variante wird die Brustwarze mit oder ohne vaskulären Pedikel ­repositioniert. Da dies sehr häufig indiziert ist, fallen die meisten onkoplastischen Operationen unter diese Kategorie.

Onkoplastische Mammareduktion

Diese Methode ist oft bei Frauen mit grossen ptotischen Mammae indiziert. So kann eine Reduktion des Gesamtvolumens der Brust mit der Tumorektomie kombiniert werden. Die Tumorlokalisation ist massgebend für die Auswahl des Pedikels. Bei substantieller Reduktion von Fettvolumina und Haut wird die Anpassung der kontralateralen Seite empfohlen.
Für die erwähnten onkoplastischen Rekonstruktionsmethoden ist die Kenntnis der Blutversorgung der ­gesamten Brust inklusive der Haut essentielle Voraus­setzung. Äste der Arteria mammaria interna und der Arteria thoracica lateralis sind dabei die hauptversorgenden Gefässe.
Der Beitrag der Äste der posterioren Intercostalarterien erlaubt eine Verschiebung von grossen Lappenplastiken, ohne dass es zur Minderperfusion und Fettnekrose kommt. Letztere heilen unter Vernarbung mit Dellenbildung, was das ästhetische Resultat beeinträchtigen kann.
Bei der chirurgischen Planung steht das Grössenverhältnis von Tumor und Brust im Vordergrund. Eine Maximaltumorgrösse wird nicht genannt. Dank plastisch-rekonstruktiver Techniken ist eine Gewebe­verschiebung möglich, die einen möglichst optimalen Erhalt von Brustform und Symmetrie gewährleistet.

Zufriedenheit und Lebensqualität der Frau

Die OCP hat die Indikation zur brusterhaltenden Therapie wesentlich erweitert und vielen Frauen die Mastektomie erspart, die neben der höheren Morbidität auch psychisch mehr traumatisiert als eine Brust erhaltende Chirurgie.
Der Erhalt der Brustform und Symmetrie im Vergleich zur Gegenseite sind essentiell in Hinsicht auf das ästhetische Resultat und somit die Zufriedenheit und ­Lebensqualität der Frau. In welchem Ausmass sich die OCP auf die letzten beiden Punkte auswirkt, ist Gegenstand einer laufenden prospektiven Studie an unserer Klinik.

Schlussfolgerung

Onkologische Sicherheit hat Vorrang vor ästhetischen Anforderungen, muss aber mit den heutigen chirurgischen Techniken kaum noch ästhetische Kompromisse nach sich ziehen. Die OCP stellt eine elegante Verbindung zwischen sicherer Onkochirurgie und ästhetisch ansprechender Brustform dar. Im vergangenen Dezennium wurden differenzierte Techniken verfeinert und können heute im personalisierten Setting angeboten werden, um für jede Patientin das optimale Therapiekonzept zu finden.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Prof. Dr. med. Martin Haug
Universitatsspital Basel
Spitalstrasse 21
CH-4058 Basel
martin.haug[at]usb.ch
1 Early Breast Cancer Trialist’s Collaborative Group (EBCTCG). Effect of radiotherapy after breast-conserving surgery on 10-year recurrence and 15-year breast cancer death: meta-analysis of individual patient data for 10801 women in 17 randomised trials. Lancet. 2011; 378:1707–16.
2 Clough KB, Cuminet J, Fitoussi A, et al. Cosmetic sequelae after conservative treatment for breast cancer: Classification and results of surgical treatment. Ann Plast Surg. 1998;41:471–81.
3 Audretsch W, Rezai M, Kolotas C, et al. Onco-plastic surgery: «Target» volume reduction (BCT-mastopexy), lumpectomy, reconstruction (BCT-reconstruction), and flap-supported operability in breast cancer. Second European Congress on Senology, Breast Diseases, 1994; 139–57.
4 De La Cruz L, Blankenship SA, Chatterjee A, et al. Outcomes after Oncoplastic Breast-Conserving Surgery in Breast Cancer Patients: A Systematic Literature Review Annals of Surgical Oncology, 2016;23(10):3247–58.
5 Losken A, Dugal CS, Styblo TM, et al. A meta-analysis comparing breast conservation therapy alone to the oncoplastic technique. Annals of Plastic Surgery, 2014;72(2):145–9.