Ophthalmologie: Die Ophthalmologie im Jahr 2016
Ophthalmologie

Ophthalmologie: Die Ophthalmologie im Jahr 2016

Schlaglichter
Ausgabe
2017/04
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.02886
Schweiz Med Forum 2017;17(04):0

Affiliations
Facharzt für Ophthalmologie, Meyrin

Publiziert am 24.01.2017

Welche Neuerungen für die Zukunft wichtig sind, ist häufig schwer zu beurteilen. Im Folgenden habe ich versucht zusammenzufassen, welche wichtigen Veränderungen die Ophthalmologie im Jahr 2016 erfahren hat.

Swiss Academy of Ophthalmology

Im Jahr 2016 wurde eine neue Akademie ins Leben gerufen. Diese stellt einen Zusammenschluss dynamischer Kollegen dar, die alle ein Ziel verfolgen: die Qualitäts­sicherung in unserem Fachbereich. Die Idee kam mir bereits vor 15 Jahren und ist nun konkret geworden. Ich wurde zum Vizepräsidenten der Akademie ernannt.
Der erste Schritt bestand in der Zusammenführung vieler lokaler Kongresse zu einem grossen nationalen Kongress. Der allererste wird vom 8.–10. März 2017 in Luzern stattfinden und ein qualitativ hochwertiges Programm bieten. Ich möchte noch einmal klarstellen, dass es dabei nicht darum geht, zu unserer nationalen Fachgesellschaft in Konkurrenz zu treten, sondern ­unserem Berufsstand eine neue Plattform auf neuen Grundlagen zur Verfügung zu stellen, indem wir unser Augenmerk vorrangig auf Qualität richten und Fortbildungen für Praxismitarbeiter einführen.
Für die Industrie besteht der Vorteil wiederum darin, ihre Bemühungen besser bündeln und somit die Weiterbildung effektiver unterstützen zu können.

Myopie

Vor Kurzem ist die Idee entstanden, Atropin-Augentropfen in sehr geringer Dosierung (0,01%) zu verab­reichen. Dadurch wird ein Fortschreiten der Myopie weiterhin gebremst, jedoch ohne die Nachteile der ­derzeit verwendeten 1%igen Atropin-Augentropfen wie Akkomodationslähmung und Pupillenerweiterung. Die 5-jährige in Ophthalmology[1] erschienene Studie, in der dies untersucht wurde, erscheint vielversprechend. Das Problem ist jedoch, dass Augentropfen mit dieser Atropinkonzentration noch nicht auf dem Markt erhältlich sind.

Glaukom

Die aktuellen internationalen Empfehlungen sehen die Anwendung von Prostaglandinen als Goldstandard vor. Das Problem besteht darin, dass der 20-jährige ­Patentschutz des hervorragenden Medikaments Xalatan® abgelaufen ist und nun entsprechende Generika auf dem Markt sind. Diese gibt es in zahlreichen Varianten, deren Eigenschaften und tatsächliche Wirksamkeit unbekannt sind. Überdies können die Apotheker jedes Mal ein anderes Substitutionsprodukt wählen, wodurch häufigere Kontrollen erforderlich werden und das Entgleisungsrisiko zunimmt. Glücklicherweise gibt es andere Produkte, die noch nicht gemeinfrei geworden sind.
Ein weiteres Problem ist das Konservierungsmittel. Am häufigsten wird Benzalkoniumchlorid verwendet. Dies ist jedoch toxisch für das Hornhautepithel und die Sklera. Da die Wirkung auf den Augeninnendruck am wichtigsten ist, wird dieser Nachteil häufig verschwiegen. So kann es vorkommen, dass sich ein Glaukompatient jahrelang Benzalkoniumchlorid auf die Hornhaut und die Sklera tropft, mit verheerenden Folgen.
Glücklicherweise verfügen wir heute über Produkte ohne Konservierungsmittel in Einzeldosen. Der einzige Nachteil besteht darin, dass diese für ältere Menschen häufig schwer zu handhaben sind.
Zur Diagnostik werden heute immer flächendeckender OCT-Geräte («Optical Coherence Tomography») eingesetzt, mithilfe derer die Papille und die umliegenden retinalen Ganglienzellen genauestens kontrolliert werden können. Es ist gut, sich in Erinnerung zu rufen, dass ein Glaukom nicht nur durch einen erhöhten ­Augeninnendruck gekennzeichnet, sondern eine komplexe Erkrankung ist, bei der die Papille eine sehr wichtige Rolle spielt.
Das grösste Problem ist nach wie vor die Compliance der Patienten. Die Beziehungen zwischen Privatärzten und ihren Patienten scheinen besser zu sein als bei den Universitätsdiensten, wodurch bei ersteren auch bessere Resultate zu verzeichnen sind.

AMD und blaues Licht

Ein Faktor für die altersbedingte Makuladegeneration (AMD) scheinen die Auswirkungen blauen Lichts zu sein. Daher wurden von der Industrie Brillengläser mit Blaulichtfiltern entwickelt. Diese habe ich persönlich getestet und festgestellt, dass sie trotz des Filters das Sehen nicht beeinträchtigen. Es kündigt sich jedoch bereits die nächste Verbesserung an: Filter, welche die gewünschte Wellenlänge ohne Blaufärbung der Brillengläser herausfiltern.

Optos und Augenhintergrund­untersuchung

Eine weitere technische Neuerung verbreitet sich rasch: ein Gerät, mit dem man ohne vorherige Pupillenerweiterung eine Panoramaaufnahme des Augenhintergrunds erstellen kann. Dies ist sehr nützlich für Patienten mit Diabetes, denen bei unauffälligem Augenhintergrund alle zwei Jahre und bei diabetischer Retinopathie jedes Jahr eine Augenhintergrunduntersuchung empfohlen wird. Das Wichtigste ist, dass durch das Gerät eine Pupillenerweiterung vermieden wird, die zu Blendempfindlichkeit und in manchen Fällen sogar zu Verkehrsunfällen führen kann.

Katarakt

Die Welt der Kataraktchirurgen ist in Aufruhr. Wer heute nicht über einen Femtolaser verfügt, ist nichts als ein Amateur. Dabei handelt es sich um ein Gerät, mit dem bei einer Kataraktoperation die Vorderkapsel mit höchster Perfektion eröffnet werden kann, während die chirurgische Eröffnung von Hand nur beinahe ­perfekt ist. Komparative Studien sind uneindeutig und die Kosten für das Gerät sehr hoch. Derzeit bleibt es also lediglich denen vorbehalten, die bereit sind, Tausende von Franken für eine geringfügige Verbesserung auszugeben.
Dies soll natürlich nicht heissen, dass diese Technik uninteressant wäre, ebnet sie doch den Weg für robotergesteuerte Operationen. Ein Traum! Meiner bescheidenen Meinung nach jedoch ein unnützer, da ein guter Chirurg ebenfalls in der Lage ist, eine Kataraktoperation in einer akzeptablen Zeit mit für einen chi­rurgischen Eingriff erstaunlich hoher Erfolgsrate durchzuführen. Die Kataraktoperation ist die häufigste und sicherste aller medizinischen Operationen [2, 3].
Leider ist es der Ophthalmologie nicht gelungen, der Gerätebulimie der «Da Vinci»-Roboter zu entrinnen. Letztere haben sich jedoch als Flop erwiesen. Fazit: eine unnütze Neuerung.
Abschliessend lässt sich sagen, dass das Jahr 2016 uns einige Neuerungen gebracht hat, die ich für Sie in ­wenigen Zeilen zusammenfassen wollte. Ich hoffe, dies ist mir gelungen.
Der Autor hat keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen 
im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Dr. med. Albert Franceschetti
Spécialiste en ophtalmologie
Avenue J.-D.-Maillard 1
CH-1217 Meyrin
albert[at]franceschetti.net
1 Franzko AC, Lu Q, Tan D. Five-year trial on atropine for treatment of myopia. Ophthalmology. 2016,123:391–99.
2 H+ Faktenblatt „Ambulante Behandlungen im Spital: Zweite H+ Erhebung vom August 2010“
3 Kauh CY, Blachley TS, Lichter PR, Lee PP, Stein JD. Geographic Variation in the Rate and Timing of Cataract Surgery Among US Communities. JAMA Ophthalmol. 2016 Mar;134(3):267–76.