Asthma bronchiale im Erwachsenenalter
Update 2017

Asthma bronchiale im Erwachsenenalter

Übersichtsartikel AIM
Ausgabe
2017/08
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.02903
Swiss Med Forum. 2017;17(08):187-193

Affiliations
* Mitglieder der Arbeitsgruppe «Asthma» der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie: Prof. Dr. med. Pierre-Olivier Bridevaux, Sion;
PD Dr. med. Christian Clarenbach, Zürich; Dr. med. Christine Eich-Wanger, Zürich; Dr. med. Andreas Jung, Zürich; Prof. Dr. med. Jörg Leuppi, Liestal;
PD Dr. med. David Miedinger, Luzern; PD Dr. med. Alexander Möller, Zürich; Prof. Dr. med. Laurent Nicod, Lausanne; Dr. med. Geneviève Nicolet-Chatelain, Nyon; Dr. med. Thomas Rothe (Präsident), Davos; PD Dr. med. Alain Sauty, Lausanne; Prof. Dr. med. Claudia Steurer, Zürich

Publiziert am 21.02.2017

Asthma ist eine häufige Erkrankung in der ärztlichen Praxis. Die letzten Jahren haben klarer erkennen lassen, dass auch bei dieser chronischen Krankheit keine uniforme Therapie möglich beziehungsweise sinnvoll ist. Sie muss sich immer am individuellen Asthma-Phänotyp wie auch am aktuellen Grad der Asthmakontrolle orientieren.

Einleitung

Der Fokus in der Therapie des Asthmas richtete sich in den letzten Jahren zunehmend auf die Asthmakon­trolle. Damit kann der Lebensqualität der Patienten besser Rechnung getragen werden. Trotz der grossen finanziellen Ressourcen des Schweizer Gesundheitssystems wird eine gute bis zufriedenstellende Asthmakon­trolle bei den Betroffenen oft nicht erreicht [1]. Ein Verbesserungspotential ist also vorhanden.

Asthma-Phänotypen

Asthma stellt kein homogenes Krankheitsbild dar, sondern ist ein Begriff, der wie ein Schirm verschiedene Phänotypen umfasst. Da heute therapeutische Strategien zur Verfügung stehen, die nur bei spezifischen Phänotypen Wirkung zeigen, muss bei Diagnosestellung auch eine Bestimmung des individuellen Asthma-Phänotyps erfolgen.
Die beiden häufigsten Phänotypen sind durch eine ­eosinophile Entzündung gekennzeichnet:
1. Das «early-onset» Asthma ist primär allergisch bedingt. Mit zunehmendem Alter können sich aber Allergie und Asthma teilweise abkoppeln, das heisst auch im Falle der Allergenkarenz sind Symptome vorhanden und müssen behandelt werden. Bei al­lergischem Asthma führt nicht nur Allergenkontakt zu akuten Symptomen, sondern oft auch virale Atemwegsinfekte. Rhinoviren können direkt akute Asthmabeschwerden auslösen, die virale Entzündung reduziert aber auch die Barrierefunktion der Mukosa, sodass der Kontakt mit Inhalationsallergenen zu einer stärkeren allergischen Reaktion führt [2]. Das «early-onset» Asthma, auch wenn es im Erwachsenenalter noch persistiert, ist durch Sym­ptome, die Ausdruck der bronchialen Hyperreakti­vität sind, gekennzeichnet. Dies sind nächtlicher Husten, morgendliche Beklemmung der Atmung, Auftreten eines akuten Bronchospasmus im Rahmen von intensiver körperlicher sportlicher Aktivität (Anstrengungsasthma) sowie der eigentliche perakute Asthmaanfall.
2. Beim «adult-onset» Asthma lässt sich in symptomatischen Phasen meist eine Bluteosinophilie nachweisen, die deutlich stärker als beim allergischen Asthma ausgeprägt ist, bei dem oft nur eine Spu­tumeosinophilie besteht. Beim adult-onset Asthma liegt in vielen Fällen parallel eine chronische hyperplastische eosinophile Sinusitis (CHES) vor. In diesem Rahmen können Nasenpolypen auftreten. In symptomatischen Phasen geht dabei oft der Geruchssinn verloren, unter ausreichender Steroidtherapie kommt er zurück (steroidsensitive Anosmie). Bei 40% der Menschen mit diesem Asthma-Phänotyp, bei denen auch Nasenpolypen vorhanden sind, besteht eine Intoleranz gegenüber Acetylsalicylsäure (ASS) und nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) vom COX-1-Hemmer-Typ (Morbus Widal). Der Mechanismus der eosinophilen Entzündung ohne Beteiligung einer IgE-vermittelten allergischen Reaktion wurde erst vor Kurzem aufgeklärt (Abb. 1) [3]. Zur Unterdrückung der eosinophilen Reaktion ist bei diesem Krankheitsbild oft ein interindividuell unterschiedlich ausgeprägter Steroidbedarf vorhanden. Wird er unterschritten, kann es spontan zu einer Exazerbation im Bereich der unteren, aber auch der oberen Atemwege kommen. Der Patient wird dann symptomatisch mit vermehrtem Nasensekret, Abnahme des Riechvermögens, Husten und zähem Auswurf, sodass oft fälschlicherweise von einer Infektexazerbation ausgegangen wird. Im Rahmen einer Verschlechterung infolge einer zu geringen Dosis therapeutischer Kortikosteroide kommt es auch zu einer progredienten Schwellung der bronchialen Mukosa, woraus eine Belastungsdyspnoe resultiert, also nicht Anstrengungs­asthma! In der Lungenfunktion findet sich dann eine auf Betastimulatoren nicht reversible Obstruktion. Auch die Anamnese kann fehlleiten, da in diesem Alterssegment viele Patienten früher geraucht haben. Die Gefahr der Verwechslung mit einer COPD ist gross. Der Nachweis einer Blut­eosinophilie sowie die Reversibilität der Obstruktion durch einen mehrtägigen Steroidstoss steroid trial») helfen, die richtige Diagnose zu stellen. Dieser Asthma-Phänotyp wird in der Literatur auch «inflammatory predominant type» [4] genannt und zeichnet sich durch eine Diskordanz des Ausmasses der eosinophilen Entzündung und typischer Asthmasym­ptome aus, das heisst klinische Zeichen einer bronchialen Hyperreaktivität fehlen oft. Aus diesem Grund wurde in der neuesten Auflage der interna­tionalen Asthma-Richtlinien (GINA) die bronchiale Hyperreaktivität aus der Asthmadefinition eliminiert [5].
Abbildung 1: Inflammation bei den eosinophilen Asthmaphänotypen.
Das neutrophile Asthma ist vermutlich keine eigene Entität, da eine Neutrophilie im Sputum beziehungsweise in der Bronchiallavage über die Jahre meist nicht konstant nachweisbar ist. Sie kommt bei rauchenden Asthmatikern vor, im Rahmen einer bakteriellen Entzündung, aber auch wenn die Eosinophilie durch eine hochdosierte Steroidtherapie unterdrückt ist.
Asthma bei Adipösen, vor allem das «female obese» Asthma, hat in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit erfahren. Bei adipösen Frauen ohne Nachweis einer Allergie oder Eosinophilie, sind es teilweise mechanische Faktoren, die zu therapierefraktären Asthmasymptomen führen [7, 8]. Bedingt durch das Gewicht des Fettgewebes entsteht eine Thoraxkompression mit daraus resultierender Abnahme des Residualvolumens und Verengung der Bronchien. Beides führt zu Dyspnoe und exspiratorischer bronchialer Obstruktion. Eine drastische Gewichtsreduktion, zum Beispiel durch eine Magenbypass-Operation, führt zur Besserung der Symptome [9]. Kortikosteroide sollten bei diesen Patienten gemieden werden, da unter Steroid­therapie das Gewicht noch weiter zunimmt und mit einer diabetogenen Stoffwechsellage gerechnet werden muss.
Seit zwei Jahren wird das «Asthma-COPD-Overlap»-Syndrom (ACOS) als eigener Phänotyp beschrieben. Die Betroffenen leiden an einer COPD, erfüllen aber auch Kriterien eines Asthmas. Die Kriterien zur Diagnosestellung eines ACOS sind noch im Fluss. Aktuell wird verlangt, dass aus Tabelle 1 drei Hauptkriterien und eines der Nebenkriterien erfüllt sind [10]. Die Identifikation einer Asthmakomponente beim COPD-Patienten ist wichtig, da inhalative Steroide bei der COPD das Risiko einer Pneumonie erhöhen können, das heisst die Indikation im Einzelfall geprüft werden muss. Im Falle einer Asthmakomponente ist die Therapie mit inhalativen, in manchen Fällen auch mit oralen Steroiden jedoch unverzichtbar.
Tabelle 1: Diagnose-Kriterien des Asthma-COPD-Overlap-Syndroms (modifiziert nach [10]).
Major-Kriterien
Persistierende exspiratorische ­Atemflusslimitation (FEV1/FVC <70%) nach einem Broncho­spasmolyse-Test
oder
FEV1/FVC <LLN, wenn älter als 40 Jahre 
(LLN = «lower limit of normal» = 5%-Perzentile des Kollektivs)
Mindestens 10 pack-years ­Raucher-Anamnese
oder
Äquivalente Belastung: Luftverschmutzung (indoor, outdoor)
Dokumentierte Asthma-Anamnese vor dem 40. Lebensjahr 
oder
Bronchospasmolyse-Test mit Verbesserung der FEV1 >400 ml
Minor-Kriterien
Dokumentierte Anamnese für Atopie oder allergische Rhinitis
Positiver Bronchospasmolyse-Test mit Verbesserung der FEV1 >200 ml und 12% vom Baseline-Wert im Rahmen von 
mindestens 2 Konsultationen
Periphere Eosinophilie >0,3 G/l
Grundsätzlich sollten bei Erstmanifestation oder im Falle einer nachhaltigen Verschlimmerung eines Asthmas immer potentielle, am Arbeitsplatz vorhandene Auslöser erfragt werden. Bei Verdacht auf Arbeitsplatz-assoziiertes Asthma wird nach Rücksprache mit dem Patienten die zuständige Unfallversicherung informiert, damit eine arbeitsmedizinische Abklärung eingeleitet werden kann.

Diagnosestellung

Kein einzelner Test ist in der Lage, die Diagnose Asthma mit ausreichender Sensitivität und Spezifität zu sichern. Die Diagnose ist immer ein Puzzle aus Informationen der Anamnese, der körperlichen Untersuchung sowie Tests wie Lungenfunktion, FeNO (exhaliertes Nitritoxid in der Ausatemluft), Allergietest, Methacholin-Provokation und Anstrengungsasthma-Test. Das Ansprechen auf die Asthmatherapie ist ein wichtiger Faktor, der im Nachhinein die Diagnose stützt. Allergien und/oder Asthma in der Familien- respektive Eigenanamnese, exspiratorisches Giemen bei der Auskultation, der Nachweis einer klinisch relevanten Sensibilisierung vom IgE-Typ sowie der Nachweis einer bronchialen Obstruktion1 in der Spirometrie [11] mit Reversibilität2 auf Betastimulatoren sind die Kernkriterien bei der Diagnosestellung.
1 Eine Obstruktion liegt dann vor, wenn der Quotient FEV1/FVC signifikant vermindert ist. Da dieser Wert altersabhängig ist, darf beim Asthma nicht wie bei der COPD erst dann von einer Obstruktion ausgegangen werden, wenn der Quotient FEV1/FVC weniger als 70% absolut beträgt. Eine Obstruktion liegt schon vor, wenn der Quotient unterhalb der 5%-Perzentile des Referenzkollektivs (LLN = «lower limit of normal») respektive unterhalb von 88% der individuellen Altersnorm gelegen ist.
Der Auskultationsbefund alleine kann beim Asthma fehlleiten. Zum einen gibt es die «silent chest» bei peripherer Obstruktion mit Fesselluft, zum anderen hat schon Rackemann [12] vor 70 Jahren festgehalten, dass nicht alles, was giemt, auch Asthma ist. Bei Unklarheiten ist eine pneumologische Beurteilung sinnvoll, um im Sinne einer Differenzialdiagnostik eine bronchopulmonale Aspergillose, ein Churg-Strauss-Syndrom, eine «vocal cord dysfunction» u.a. auszuschliessen.
Ein Allergietest muss korrekt interpretiert werden. Der Nachweis einer Sensibilisierung beweist nicht, dass ein vorhandenes Asthma auf einer allergischen Reaktion gegen dieses Allergen beruht. Bei der Hälfte der Sensibilisierten liegt eine klinisch latente Sensibilisierung vor [13]. Die Sensibilisierung kann zum Beispiel Ausdruck einer juvenilen allergischen Rhinokonjunktivitis sein. Für ein «adult-onset» Asthma mit perennealen Symptomen ohne saisonales Maximum hat eine Sensibilisierung auf Gräserpollen keine klinische Relevanz. Es gibt auch Mischformen von allergischem «early-onset» und eosinophilem «adult-onset» Asthma: Dann besteht zwar eine Allergie mit Asthmasymptomen im Falle einer Allergenexposition, selbst bei strikter Allergenkarenz ist aber eine eosinophile Entzündung, die einer Therapie mit Kortikosteroiden bedarf, vorhanden [14].

Therapieziele, Asthmakontrolle 
und Monitoring

Es ist wichtig, dem Patienten zu vermitteln, dass Asthma heute meist so gut behandelt werden kann, dass im Alltag nur gelegentliche Symptome auftreten. Von einer guten Asthmakontrolle wird ausgegangen, wenn nicht mehr als zweimal in der Woche Symptome wahrgenommen werden und entsprechend ein kurz wirkender Betastimulator eingenommen werden muss und normale körperliche Aktivität, auch Alltagssport, nicht zu Husten und Atemnot führt. Die Asthmakon­trolle kann auch anhand von gezielten Fragen zu Asthmasymptomen mittels «Asthma Control Test» (ACT®), der in vielen Sprachen erhältlich ist [15], erfasst werden.
Die unspezifische Frage «Wie geht es Ihrem Asthma?» führt im Falle divergenter Einschätzungen von Arzt und Patient, was eine gute Asthmakontrolle bedeutet, zu Missverständnissen. Wurden die Therapieziele dem Patienten nicht vermittelt, orientiert er sich vielleicht an Asthmasymptomen eines Verwandten mit Asthma, den er in der Kindheit erlebt hat. Damals gab es noch keine suffiziente Medikation, das heisst Betroffene waren vor drei Dekaden oft noch symptomatisch. Entsprechend wird dies dann als der «normale» Zustand bei Asthma angesehen.
Die heute geltenden, hoch gesteckten Ziele der Asthmatherapie lassen sich bei bis zu 30% der Patienten nicht erreichen [16]. Bleibt der Patient also trotz ausgebauter Therapie symptomatisch, ist ein diagnostischer Algorithmus notwendig, in den der Pneumologe involviert werden sollte (Abb. 2) [17].
Abbildung 2: Vorgehen bei Therapie-refraktären Asthma­symptomen (aus Rothe T, Leuppi J und die Mitglieder der «Arbeitsgemeinschaft Asthma» der Schweiz. Ges. für 
Pneumologie. Management von Therapie-refraktären ­Asthmasymptomen. Schweiz Med Forum. 2015;15(24):573–9). ABPA = Allergische bronchopulmonale Aspergillose; ACOS = Asthma-COPD-Overlap-Syndrom; CSS = Churg-Strauss-
Syndrom; cF = Zystische Fibrose; EAA = Exogen allergische Alveo­litis; VCD = «vocal cord dysfunction» (Dysfunktion 
der Stimmbänder).
In einem ersten Schritt muss die Diagnose Asthma ­verifiziert werden. Bestätigt sich die Diagnose, liegt wahrscheinlich ein externer Faktor vor, der das Asthma kompliziert, also eine suffiziente Asthmakon­trolle verhindert («difficult-to-control» Asthma). Dazu gehören unter anderem eine unzureichende Inhala­tionstechnik, die Angst vor Kortison mit entsprechend reduzierter Adhärenz, eine chronische Sinusitis, Rauchen und persistierende Allergenexposition. Bei einer arbeitnehmenden Person mit unkontrollierbarem Asthma und persistierender beruflicher Allergen- respektive Reizstoffexposition sollte die Person der SUVA zur Prüfung zwecks Erlass einer Nichteignungsverfügung gemeldet werden.
Zigarettenrauchen reduziert das Ansprechen auf therapeutische Kortikosteroide [18] und erhöht die bronchiale Hyperreaktivität. In der Sprechstunde sollte man sich immer wieder die Inhalationstechnik demonstrieren lassen.
Werden keine komplizierenden Faktoren nachgewiesen beziehungsweise bringt die Behandlung derselben keine Besserung, muss von einem schweren therapie­refraktären Asthma ausgegangen werden. Trotz ausgebauter Therapie bleiben manche Patienten mit schwerem Asthma symptomatisch. Asthmakontrolle und Asthmaschweregrad sind aber nicht das Gleiche! Ein schweres Asthma kann gut kontrolliert sein, das heisst es besteht Beschwerdefreiheit unter ausgebauter Therapie. Ein Patient mit leichtem Asthma weist unter Umständen aber starke Asthmasymptome auf, zum Beispiel im Falle einer ungenügenden Therapie, bei ­Allergenexposition beziehungsweise im Rahmen eines viralen Atemweginfektes.
Auch bei guter Asthmakontrolle kann es plötzlich zu Exazerbationen kommen. Exazerbationen erkennt der Patient an häufigerer Atemnot, einem zunehmenden Bedarf an rasch wirkenden Notfall-Betastimulatoren respektive einem signifikanten Abfall des «peak flow». Für den Hausarzt existieren noch andere Parameter, um den Zustand des Patienten zu objektivieren: die spirometrische Kontrolle der FEV1 und die Bestimmung der Bluteosinophilenzahl im Differenzialblutbild. In der pneumologischen Praxis lässt die Messung des FeNO weitere Rückschlüsse zu. Wichtig ist es, die FEV1 nicht nur in symptomatischen Phasen zu kontrollieren, sondern auch, wenn es dem Patienten sehr gut geht. Nur so kann die individuell beste FEV1 erfasst werden, an der sich die langfristige Therapie mit orientiert. Sie liegt nicht genau bei 100% der Norm, da viele Menschen aufgrund der Gauss’schen Normalverteilung höhere oder tiefere Werte, als sie dem individuellen Mittelwert entsprechen, aufweisen. Sie kann aber auch deshalb unterhalb von 100% liegen, weil das Asthma zur Entwicklung eines Anteils fixierter Ob­struktion («airway remodeling») geführt hat.

Therapie des Asthmas

Die internationalen GINA-Asthmarichtlinien [5] definieren fünf Therapiestufen (Abb. 3). Lässt sich die Erkrankung mit den Stufen 1 beziehungsweise 2 kontrollieren, handelt es sich um ein leichtes Asthma. Ist dafür Stufe 3 notwendig, liegt ein mittelschweres Asthma vor. Entspricht die Therapieintensität den Stufen 4 oder 5, definiert dies das schwere Asthma. In Stufe 1 wird nur mit einem kurz wirkenden Betastimulator bei Bedarf therapiert, der nicht mehr als zweimal pro Woche nötig sein sollte. Besteht häufiger der Bedarf eines Notfallmedikaments, müssen niedrig dosierte inhalative Steroide fix dazu verordnet werden (Stufe 2). Gelingt damit keine ausreichende Asthmakontrolle, werden die inhalative Steroiddosis erhöht und/oder lang wirkende Betastimulatoren fix hinzugegeben. Der regelmässige Einsatz hoch dosierter inhalativer Steroide in Kombination mit lang wirkenden Betastimulatoren entspricht der Therapiestufe 4. Muss diese Therapie weiter ergänzt werden, zum Beispiel durch Biologika oder tägliche orale Kortikosteroide, entspricht dies dem Therapieniveau der Stufe 5.
Abbildung 3: Therapiestufen des Asthma nach GINA (modifiziert nach [17].
Abkürzungen: ICS = «inhaled corticosteroid» (inhalierbares Kortikosteroid); LABA = «long acting beta agonist» (lang wirksamer Betaagonist); SABA = «short acting beta agonist» (kurz wirksamer Betaagonist); LAMA = «long acting muscarinic antagonist» (lang wirksames Anticholinergikum); SMART = «Symbicort ® as Maintenance And Reliever Therapy»
Die entzündliche Aktivität des Asthmas ist nicht immer gleich. Insofern macht es Sinn und kommt auch dem Bedürfnis des Patienten entgegen, dass in stabilen Phasen eine Dosisreduktion versucht wird («step down»). Geht die Asthmakontrolle wieder langsam verloren, muss die Therapie analog zu den GINA-Therapiestufen intensiviert werden («step up»). Im Falle einer akuten Verschlechterung (Exazerbation) ist in vielen Fällen ein Steroidstoss indiziert. Danach kann wieder mit der Therapiestufe, die zuvor ausreichend war, fortgefahren werden.
Um orale tägliche Kortikosteroide zu sparen, steht für das schwere allergische Asthma als Biologikum der Anti-IgE-Antikörper Omalizumab (Xolair®) zur Verfügung, für das schwere eosinophile Asthma der Anti-Interleukin-5-Antikörper Mepolizumab (Nucala®). Beim Einsatz beider Präparate muss die Limitatio beachtet und der Antrag von einem Spezialisten gestellt werden.
Montelukast ist eine orale Substanz, die in allen Therapiestufen Einsatz finden kann. Allerdings fällt die Wirkung interindividuell sehr unterschiedlich aus. Mit diesem Leukotrien-Rezeptorantagonisten lässt sich unter Umständen die Dosis inhalativer Kortikosteroi­de reduzieren. Beim schweren eosinophilen «adult-onset» Asthma gelingt es manchmal sogar, damit die Intoleranzreaktion gegen ASS und NSAR zu unterdrücken [20].
Sowohl beim allergischen «early-onset» wie auch beim nicht allergischen eosinophilen «adult-onset» Asthma findet sich häufig eine entzündliche Mitbeteiligung der oberen Atemwege, weshalb man von «united airways» spricht. Zur Asthmatherapie gehört dann eine Behandlung der Nase und Sinus, vorzugsweise mit nasalen Steroiden. Dies trägt zur Verbesserung der Asthmakontrolle bei [21]. Beim allergischen Asthma stellen Allergenkarenzmassnahmen einen integralen Bestandteil der Therapie dar, Milbensanierungsmassnahmen eingeschlossen [22]. Die Indikation zu einer Allergen-Immuntherapie sollte ebenfalls evaluiert werden [23]. Bei leicht- bis mittelschwerem Asthma, vor allem bei noch jüngeren, idealerweise monosensibilisierten Patienten erweist sich die Allergen-Immuntherapie als sinnvolles Prinzip [24], auch die sublinguale Therapie bei Milbenallergie [25].
Die Therapie mit Medikamenten per inhalationem wird aufgrund der vielen verschiedenen Wirkstoffe und Applikatoren immer komplexer. Sie sollte deshalb so einfach als möglich gestaltet werden, maximal zweimal täglich, und eine korrekte Instruktion der ­Inhalationstechnik wie spätere Demonstrationen derselben sind unabdingbar.
Die oben beschriebenen Therapiestufen stellen die Basistherapie des Asthmas dar. Auch unter einer solchen Medikation kann es aber zu einer akuten Verschlechterung kommen. Im Falle einer leichten Exazerbation führt eine Vervierfachung der Dosis inhalativer Steroi­de oft zur Besserung [26]. In der Praxis ist dies schwierig, da heute meist Kombinationspräparate aus lang wirkenden Betastimulatoren und inhalativen Steroiden eingesetzt werden. Eine Vervierfachung der Betastimulatorendosis käme einer Überdosis gleich. Eine Ausnahme stellt die Kombination aus einem topischen Steroid und niedrig dosiertem Formoterol (6 µg) dar, da hier der Betastimulatorenanteil sehr tief dosiert ist, sodass bis 12 Hübe täglich erlaubt sind. Das sogenannte SMART®-Prinzip («Symbicort® as Maintenance And Reliever Therapy») sieht vor, dass der Patient, der in stabilen Phasen beispielsweise mit zwei Hüben Symbicort® pro Tag fix behandelt wird, beim Auftreten von Atemnot nicht mit einem kurz wirkenden Betastimulator, sondern mit Symbicort® bei Bedarf inhaliert. Damit liess sich zeigen, dass die Zeit bis zur ersten schwereren Exazerbation verlängert werden kann und unter dem Strich sogar die mittlere Steroiddosis gesenkt wird [27]. Führt die massive Erhöhung der inhalativen Steroid­dosis nicht schnell zu einer Besserung, ist ein oraler Steroidstoss indiziert. Er wird in den meisten Fällen in einer Dosis von 40 mg Prednisolon-Äquivalent pro Tag für drei bis zehn Tage eingesetzt, bis die individuell beste FEV1 nach Bronchospasmolyse wieder erreicht wird.
Zu diesem Zeitpunkt ist die bronchiale Hyperreaktivität meist noch sehr hoch, das heisst schon kurze Zeit nach Bronchospasmolyse kann die FEV1 wieder absinken, der Patient wieder symptomatisch werden. In dieser Phase nach dem oralen Steroidstoss empfiehlt es sich, noch für ein bis zwei Wochen höhere Dosen inhalativer Steroide und symptomatisch vermehrt Betastimulatoren einzusetzen. Inhalative Steroide senken die bronchiale Hyperreaktivität wirkungsvoller als orales Kortison.

Patientenschulung

Zur Asthmatherapie gehört immer eine Patientenschulung, die das Erlernen der richtigen Inhalations­technik, Kenntnis der Medikamente und von Aller­genkarenzmassnahmen und die Vermittlung eines Asthma-Selbstmanagement umfasst. Selbstmanagement bedeutet, dass der Patient erlernt, Verschlechterungen selber zu erkennen und bei beruflichen oder ferienbedingten Abwesenheiten von daheim auch selber medikamentös intervenieren zu können. Dazu ist die Abgabe eines individualisierten Asthma-Aktionsplanes nötig. Das Asthma-Tagebuch enthält einen ­solchen Plan auf der Basis des sogenannten Ampelschemas, der manuell ausgefüllt werden kann. Die grüne Phase heisst «weiterfahren mit der bisherigen Medikation». Gelb steht für eine leichte Verschlechterung, die eine Erhöhung der Dosis an Inhalativa erfordert. Orange weist auf eine stärkere Exazerbation mit der Notwendigkeit eines oralen Steroidstosses hin. Rot bedeutet einen Notfall mit Sprechdyspnoe, fehlendem Ansprechen auf Notfall-Betastimulatoren und Abfall der Sauerstoffsättigung gemessen mittels Spot-Pulsoxy­metrie. Sofort sollten 50 mg Prednison-Äquivalent eingenommen, Ventolin® wiederholt eingesetzt und der Transport zu einem Spitalnotfall organisiert werden. Der Aktionsplan muss individuell auf der Basis von konkreten Asthmasymptomen, des Peak flow oder aber der täglich effektiv eingesetzten Symbicort®-Dosis (bei Verwendung des SMART®-Prinzips) ausgefüllt werden.
Asthma-Tagebuch sowie die Patienteninformation «Besser mit Asthma leben» sind bei der Lungenliga Schweiz erhältlich und wurden von Mitgliedern der Arbeitsgruppe «Asthma» der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie erarbeitet.
Mit den beschriebenen Massnahmen lässt sich heute sowohl die Lebensqualität der Betroffenen verbessern wie auch die Asthmamortalität wirkungsvoll senken.
Der Text wurde freundlicherweise von Dr. med. Christian Buol, 
Facharzt allgemeine Innere Medizin in Davos, gegengelesen.
Dr. med. Thomas Rothe
CA Medizin & Pneumologie
Zürcher RehaZentrum Davos
CH-7272 Davos Clavadel
thomas.rothe[at]zhreha.ch