ADPKD: autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung
Langfristige Betreuung von Patienten und Angehörigen

ADPKD: autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung

Übersichtsartikel
Ausgabe
2017/14
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.02919
Schweiz Med Forum 2017;17(14):330-335

Affiliations
a Medizinisches Kompetenzzentrum für ADPKD, Suisse ADPKD, Klinik Hirslanden, Zürich; b Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention, Universität Zürich; c Zentrum für Neuroradiologie, Klinik Hirslanden, Zürich; d Institut für Radiologie, Klinik Hirslanden, Zürich; e Helsana, Department of Health Sciences, Zürich

Publiziert am 04.04.2017

Die autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung ist eine familiäre, chronische Multisystemerkrankung mit erheblicher Morbidität und Mortalität, die eine ganzheitliche und langfristige Betreuung von Patienten und Angehörigen erfordert.

Einleitung

Die autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung («autosomal dominant polycystic kidney disease», ADPKD) ist eine multisystemische, monogene, vererbbare Erkrankung, die durch die Entwicklung von Zysten in beiden Nieren sowie durch variable extrarenale Organmanifestationen gekennzeichnet ist (Abb. 1). Charakteristisch für ADPKD ist die lange oligo- oder asymptomatische Phase bis in das Erwachsenenalter.
Abbildung 1: Die autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung ist charakterisiert durch polyzystische Nieren und variables Auftreten von ­zahlreichen extrarenalen Manifestationen. 
 A) Nephrektomiepräparate von einem 55-jährigen ADPKD-Patienten stammend (mit freundlicher Genehmigung von PD Dr. med. Markus K. Müller, ­Chefarzt, Chirurgische Klinik, Kantonsspital Frauenfeld, Spital Thurgau AG).
 B) Multisystemische Organmanifestationen von ADPKD.
Eine ganzheitliche Betreuung unter Berücksichtigung des bio-psycho-sozialen Umfeldes ist bei dieser fami­liären Erkrankung, die den Patienten und seine Angehörigen lebenslang begleitet, wichtig. Die progressive Niereninsuffizienz bis zur Nierenersatzpflichtigkeit, arterielle Hypertonie, Zysteninfektionen, Hämaturie, Polyurie, chronische Schmerzen, Trauer, Depression, Hirnaneurysmen, Arachnoidalzysten, Divertikulose, Hernien, Bronchiektasien, Leber-, Pankreas-, und Milzzysten sowie Herzklappenanomalien und die daraus folgenden Komplikationen sind bekannte Krankheitsmanifestationen. Die Reservekapazität der Nieren sowie die Fähigkeit der noch nicht betroffenen Nephrone, die Funktion zu steigern, führen dazu, dass die Nierenfunktion trotz lebenslangen Zystenwachstums und der begleitenden parenchymalen Entzündung und Fibrose erst spät messbar abfällt. Das Serumkreatinin und die daraus abgeleitete geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (GFR) ist beim jungen ADPKD-Patienten mit erhaltener GFR somit wenig geeignet, die Krankheitsprogression abzuschätzen. Das Nierenvolumen ist ein wichtiger Prognosefaktor zur Beurteilung der Krankheitsprogression.

Prävalenz und Erbgang

Die Prävalenz von ADPKD in der Allgemeinbevölkerung beträgt etwa 1:1000, wobei die Prävalenz von symptomatischer ADPKD tiefer ist. Die Krankheit wird auto­somal-dominant vererbt. Entsprechend sind Vater oder Mutter des betroffenen ADPKD-Patienten von der Krankheit betroffen, ausser es handelt sich um eine Neumutation, was in weniger als 10% der Fälle zutrifft. Der autosomal-dominante Erbgang bedingt, dass in ­jeder Generation Familienmitglieder betroffen sind und das Risiko für die Weitergabe der Krankheit vom ADPKD-betroffenen Elternteil zum Kind 50% beträgt, unabhängig vom Geschlecht des Kindes. ADPKD wird verursacht durch Mutationen im Gen PKD1 (lokalisiert auf Chromosom 16p13.3) oder PKD2 (Chromosom 4q21).

Diagnosestellung

Die Diagnose wird beim Erwachsenen beim Vorliegen einer positiven Familienanamnese durch den Nachweis von polyzystischen Nieren gestellt. Die Familienanamnese ist positiv, wenn eine Bildgebung beim Vater oder bei der Mutter polyzystische Nieren zeigt, alternativ bei den Geschwistern, den eigenen Kindern oder bei Familienmitgliedern der 1. Generation (Onkel, Tanten). Die diagnostischen sonographischen Kriterien haben in diesen Fällen sehr hohe positive und negative prädiktive Werte (Tab. 1). Eine genetische Untersuchung ist bei Erfüllung der sonographischen Kriterien nicht notwendig, kann jedoch bei unklarem Phänotyp und möglicher Lebendnierenspende, Fami­lienplanung oder zur Evaluation einer Therapieindikation sinnvoll sein. Der genetische Nachweis einer pathogenen Mutation kann schwierig sein und gelingt in etwa 80% der Fälle. Zur Diagnoseetablierung kann es deshalb sinnvoll sein, die extrarenalen Organmanifestationen zu suchen, mit dem Vorbehalt, dass diese nicht ADPKD-spezifisch sind.
Tabelle 1: Die sonographischen Kriterien nach Pei-Ravine für die Diagnosestellung ADPKD bei Patienten mit positiver Familienanamnese.
AltersgruppeDiagnostisches KriteriumSensitivitätSpezifität
15–29≥1 Nierenzyste
≥2 Nierenzysten
≥3 Nierenzysten0,893
0,848
0,8170,971
0,994
1,000
30–39≥1 Nierenzyste
≥2 Nierenzysten
≥3 Nierenzysten
≥2 Nierenzysten / Seite0,980
0,964
0,955
0,8280,948
0,983
1,000
1,000
40–59≥1 Nierenzyste
≥2 Nierenzysten
≥3 Nierenzysten
≥2 Nierenzysten / Seite1,000
1,000
0,970
0,9000,939
0,982
0,981
1,000
≥604 Nierenzysten / Seite1,0001,000

Betreuung der ADPKD-Patienten

Kartierung der Symptome und Zeichen

Am Anfang der ADPKD-Behandlung steht eine Kar­tierung der Symptome und Zeichen der ADPKD-Erkrankung: das Alter bei der Diagnosestellung, die Umstände, welche zur Diagnose führten, die Frage nach vorgängiger Bildgebung der Hirngefässe, die ausführliche persönliche Anamnese, insbesondere erstma­liges Auftreten und Häufigkeit von Abdominal­schmerzen, Makrohämaturie, Infekte der Harnwege und Zysten, die Modalität der antihypertensiven Therapie, der bisherige Gebrauch von nephrotoxischen Sub­stanzen, die Dauer einer östrogenhaltigen Antikonzeption, die genaue Familienanamnese mit Darstellung des Familienstammbaums mit Erfassung des Alters zum Zeitpunkt der Nierenersatzpflichtigkeit 
sowie das Auftreten von Hirnblutungen bei ADPKD-betroffenen Familienangehörigen. Eine praktische Vorlage, die alle diese Aspekte ausführt und die Dokumentation erleichtert, ist frei verfügbar unter www.suisseadpkd.ch/download.
Zur Diagnosestellung und morphologischen Charakterisierung genügt meistens der Ultraschall. Polyzystische Nieren können morphologisch sehr variabel sein; trotzdem sollte die Diagnose ADPKD nochmals kritisch evaluiert werden, wenn die Zysten nur im Bereich der Nierenkapsel, aber nicht intraparenchymatös sind, Nierenzysten nur einseitig vorkommen oder viele kleine Nierenzysten vorhanden sind, die Niere aber insgesamt normal gross ist.
Laborchemisch genügt eine Standard-Blutuntersuchung mit Schätzung der GFR, ein Urinstatus und -sediment sowie die Bestimmung des Albumin/Kreatinin-Quotienten im Spoturin zur Abschätzung der Albuminurie.
Im Gespräch kann die zukünftige Vermeidung von nephrotoxischen Substanzen – insbesondere nichtste­roidale Antirheumatika (NSAR) und Kontrastmaterial für die Computertomographie(CT)-Untersuchung – besprochen werden sowie ein Rezept für nicht ne­phroto­xische Schmerzmittel ausgestellt werden. Eine ADPKD-Emergency-Karte, die im praktischen Kredit­kartenformat die wichtigsten Empfehlungen aufführt, kann bei der Patientenorganisation SwissPKD kostenlos bestellt werden.
Die Indikation zur ambulanten 24-h-Blutdruckmessung sollte grosszügig gestellt werden und, sofern nicht bereits vorhanden, ein Rezept für ein Blutdruckgerät mit Oberarmmanschette abgegeben werden.

Abschätzung der Prognose

Bei der Abschätzung der Prognose geht es im Wesentlichen darum, Patienten mit einer progressiven Erkrankung zu identifizieren. Die Krankheit ist charakterisiert durch eine kontinuierliche Zunahme des Nierenvolumens, während die Nierenfunktion bis ins Erwachsenenalter oft stabil erhalten bleibt. Folglich kann die Krankheitsprogression in der Frühphase der Erkrankung nicht über die Nierenfunktion erfasst werden. Die Summe beider Nierenvolumina, im Englischen «total kidney volume» (TKV), ist ein ausgezeichneter Marker für die Krankheitsprogression und wenn seriell durchgeführt, kann das jährliche prozentuale Nierenwachstum als Goldstandard zur Abschätzung der Pro­gnose von ADPKD-betroffenen Patienten gemessen werden. Die sonographisch gemessene Längsachse und das errechnete Nierenvolumen mittels der Ellipsoidformel korrelieren gut mit den präziseren Magnet­resonanztomographie(MRT)-basierten Nierenvolumenmessungen. Die Autoren Irazabel und Kollegen haben gezeigt, dass mit der einmaligen Abschätzung des Nierenvolumens das zukünftige Nierenwachstum prognostiziert werden kann. Mit Hilfe eines Nomogramms (Körpergrösse adjustiertes Nierenvolumen [HtTKV] im Verhältnis zum Alter) können die Patienten in die ­sogenannte Mayo-Klassifikation eingeteilt werden (Abb. 2). Prognostisch ungünstig ist das Auftreten von urologischen Komplikationen, insbesondere das Auftreten einer Makrohämaturie und das Vorhandensein von Mutationen im Gen PKD1, die zu einem Abbruch des Lesevorgangs führen. Als eine praktikable klinische Faustregel kann die sonographisch gemessene Nierenlängsachse benutzt werden: Erwachsene Pa­tienten ­unter 50 Jahren mit einer Längenachse von 16,5 cm und mehr haben ein erhöhtes Risiko für einen progressiven Nierenfunktionsverlust. Für die MRT-basierte Nierenvolumenmessung ist kein Kon­trastmittel notwendig. Die Untersuchungsprotokolle für die MRT-Geräte der verschiedenen Hersteller sowie die Anleitung zur ­Messung des Nierenvolumens sind erhältlich unter www.suisseadpkd.ch/download.
Mayo-KlassifikationMannFrau
A−0,230,03
B−1,33−1,13
C−2,63−2,43
D−3,48−3,29
E−4,78−4,58
Abbildung 2: Die Abschätzung des Nierenfunktionsverlustes mittels des auf die Körpergrösse adjustierten Nierenvolumens (HtTKV) im Verhältnis zum Alter (Nachdruck mit freundlicher Genehmigung aus: Irazabal MV, Rangel LJ, Bergstralh EJ, Osborn SL, ­Harmon AJ, Sundsbak JL, et al. Imaging classification of autosomal dominant polycystic kidney disease: a simple model for selecting patients for clinical trials. J, Am Soc Nephrol. 2015;26(1):160–72.). 
Prognostizierter jährlicher Verlust der glomerulären Filtrationsfraktion (ml/min/1,73 m 2 ) gemäss Klassifikation A bis E («Mayo-Klassifikation»).

Krankheitsmodifizierende Behandlung 
mit Tolvaptan

Therapeutisch standen bisher die Blutdruckkontrolle und die Behandlung der Komplikationen (Zysteninfekte, Zystenblutungen) im Vordergrund. Statine und mTOR-Hemmer haben sich in klinischen Studien als wirkungslos herausgestellt, ein möglicher klinischer Einsatz wie Metformin in den nächsten Jahren ist nicht zu erwarten, und für die endgültige Beurteilung der Wirksamkeit der Somatostatine sind grössere Studien notwendig. Somit stand bis heute keine den Krankheitsverlauf modifizierende Therapie zur Verfügung.
Seit November 2016 ist Tolvaptan (Jinarc®) in der Schweiz kassenzulässig zur Therapie der ADPKD-Erkrankung. Tolvaptan fördert die renale Ausscheidung von freiem Wasser und wird deshalb als Aquaretikum bezeichnet. Das «first-in-class» Medikament blockiert selektiv den Vasopressin-2(V2)-Rezeptor im distalen Sammelrohr und hebt somit die physiologische Wirkung von Vasopressin (Synonym: Antidiuretisches Hormon [ADH]) auf. Entsprechend kommt es zu einer ausgeprägten Polyurie, insbesondere bei normaler Nierenfunktion.
Die Therapieeffizienz von Tolvaptan zur Behandlung von erwachsenen ADPKD-Patienten mit rascher Krankheitsprogression wurde in einer randomisierten, multizentrischen, doppelblinden, plazebokontrollierten Studie (TEMPO 3:4) geprüft. Es wurden dazu 1445 ADPKD-Patienten im Alter von 18 bis 50 Jahren mit einer geschätzten Kreatininclearance von ≥60 ml/min/1,73 m2 (nach der Cockcroft-Gault-Formel) und einem TKV von >750 ml 1:2 Plazebo versus Tolvaptan randomisiert. Der primäre Endpunkt war das prozentuale Nierenwachstum. Über einen Beobachtungszeitraum von drei Jahren betrug die jährliche Zunahme des Nierenvolumens 2,8% in der Tolvaptangruppe und 5,5% in der Plazebogruppe. Zudem wurden der Nierenfunk­tionsverlust und die ADPKD-assoziierten Komplikationen wie Nierenschmerzen, Harnwegsinfektionen und Makrohämaturien im Vergleich zur Plazebogruppe vermindert. In Subgruppenanalysen gab es keinen Hinweis, dass Patienten mit fortgeschrittener ADPKD einen grös­seren oder kleineren Effekt durch Tolvaptan hatten.
Als häufige unerwünschte Nebenwirkungen von Tolvaptan wurden Polyurie, Pollakisurie, Nykturie, Mund­trockenheit, Schwindel und Durst beobachtet (Tab. 2). Im Mittel betrug die mittlere tägliche Urinausscheidung 4–5 Liter, wobei die Urinausscheidung abhängig von der Tolvaptandosis und der GFR war. Somit haben Patienten mit hoher Dosis und sehr guter Nierenfunktion eine deutlich höhere Urinausscheidung als Patienten mit niedriger Dosis und tiefer GFR. Vorwiegend in den ersten 18 Studienmonaten trat in der Tolvaptangruppe zudem eine Häufung von Leberenzymerhöhungen auf, welche nicht im Zusammenhang mit dem Vorhandensein von Leberzysten stand.
Tabelle 2: Die Häufigkeit der unerwünschten Nebenwirkungen gemäss der Zulassungsstudie TEMPO 3:4. Die meisten Nebenwirkungen sind auf den Wirkmechanismus von Tolvaptan zurückzuführen.
Unerwünschte Nebenwirkungen
(Anzahl Patienten mit Ereignis, %)Tolvaptan
(N=961)Plazebo
(N=483)
Durst531 (55,3)99 (20,5)
Polyurie368 (38,3)83 (17,2)
Nykturie280 (29,1)63 (13,0)
Kopfschmerzen240 (25,0)120 (24,8)
Pollakisurie223 (23,2)26 (5,4)
Mundtrockenheit154 (16,0)59 (12,2)
Diarrhoe128 (13,3)53 (11,0)
Fatigue131 (13,6)47 (9,7)
Schwindel109 (11,3)42 (8,7)
Polydipsie100 (10,4)17 (3,5)
Die Verschreibung von Tolvaptan für die Indikation ADPKD ist an Bedingungen geknüpft („Limitatio“) und bedingt eine Kostengutsprache durch den Vertrauensarzt des Kostenträgers. Eine Vorlage für die Kostengutsprache ist erhältlich unter www.suisseadpkd.ch/download. Erwachsene ADPKD-Patienten mit einer dokumentierten Krankheitsprogression und einer GFR von >30 ml/min/173 m2 sowie einem Nierenvolumen von >750 ml qualifizieren sich für die Therapie. Diese sollte vorzugsweise an einem Sonntag in der niedrigsten Dosis begonnen werden. Die erste Dosis sollte möglichst früh am Morgen eingenommen werden, die zweite Dosis am frühen Nachmittag, damit der polyurische Effekt in der Nacht gemildert ist. Die Dosis sollte langsam (in mehreren Monatsschritten) auf die höchste vom Patienten tolerierte Dosis gesteigert werden. Bei mehr als zwei Nykturieepisoden sollte die Dosis reduziert werden, wenn das allgemeine Wohlbefinden des Patienten stark beeinträchtigt ist. Um einer Dehydrierung vorzubeugen, sollten die Patienten angehalten werden, bis zum frühen Vormittag mindestens 1,5 Liter Wasser zu trinken. Bei Grippesymptomen, Diarrhoe und Erbrechen sollte die Therapie pausiert werden. Die Leber­enzymwerte müssen in den ersten 18 Monaten monatlich kontrolliert werden; bei einer Erhöhung ist die Therapie auszusetzen und kann erst nach einer Normalisierung der Leberwerte wieder begonnen werden. Die jährlichen Therapiekosten für Tolvaptan betragen 25 650 CHF, unabhängig von der Dosis. Die Verordnung darf nur durch Spitäler mit einer Abteilung für Nephrologie und durch einen Facharzt FMH der Nephrologie erfolgen.

Behandlung der arteriellen Hypertonie

Die arterielle Hypertonie ist eine sehr häufige Komplikation der ADPKD-Erkrankung und ist positiv assoziiert mit dem Nierenvolumen. In einer Landmarkstudie konnten amerikanische Forscher zeigen, dass bei ADPKD-Patienten im Alter von 15 bis 49 Jahren mit einer GFR grösser als 60 ml/min/1,73 m2, welche mittels ACE-Hemmer oder einer Kombination von ACE-Hemmern mit AT2-Blockern in einem Zielblutdruckbereich von 95/60 bis 110/75 mm Hg im Vergleich zu Patienten mit einem Zielblutdruck von 120/70 zu 130/80 mm Hg eine langsamere Nierenvolumenzunahme sowie eine verstärkte Reduktion der linksventrikulären Masse und der Albuminurie aufwiesen. Ob auch Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung im CKD Stadium 3 von einer tiefen Blutdruckeinstellung profitieren, ist nicht klar. Zu beachten ist, dass in der Schwangerschaft ACE-Hemmer und AT2-Blocker kontraindiziert sind; Alpha-Methyldopa ist empfohlen zur Behandlung der Hypertonie in der Schwangerschaft.

Behandlung von Zystenniereninfekten

Patienten mit einer bakteriellen Infektion der polyzystischen Nieren präsentieren sich oft in einem reduzierten Allgemeinzustand mit Fieber, Malaise und abdominalen Schmerzen. Der Urinstatus und die Nierensonographie sind meist nicht zielführend, die Bildgebung mittels CT oder MRT hilft nicht zur Lokalisation des Infektes oder zum Nachweis eines Abszesses, ausser es ­stehen Voraufnahmen als Vergleich zur Verfügung. Mittels der 18F-FDG-PET/CT-Untersuchung ist es möglich, einen Abszess in Zystennieren nachzuweisen; ein fehlender Nachweis schliesst jedoch ein Zysteninfekt nicht aus. Eine aufwändige und teure ­18F-FDG-PET/CT-Untersuchung ist nur bei fehlendem oder ungenügendem Ansprechen auf die Antibiotikatherapie zur Detektion eines Abszesses empfohlen. Fettlösliche Antibiotika wie Fluorochinolone und Trimethoprim-Sulfamethoxazol sind die Mittel der ersten Wahl. Bei fehlendem Ansprechen kann auf ein breit wirksames Antibiotikum umgestellt werden. Es besteht die Gefahr, dass ein zu spät oder nicht ausreichend therapierter Zystenniereninfekt eine Nephrektomie notwendig macht und damit die Nierenfunktion stark reduziert wird.

Screening zur Detektion von rupturgefähr­deten intrakraniellen Aneurysmen

Die Prävalenz von intrakraniellen Aneurysmen beträgt zirca 10% (versus 2–3% in der Allgemeinbevölkerung). Die Inzidenz für Aneurysma-assoziierte Hirnblutungen ist jedoch tief. Ein generelles Screening wird von den meisten Experten nicht empfohlen und bleibt speziellen Situation vorbehalten, wie z.B. bei Piloten, vor geplanter Transplantation und in Familien mit gehäuftem Auf­treten von Aneurysmen. Kleine Aneurysmen (<7 mm) ­benötigen keine jährlichen Kontrolluntersuchungen. Es empfiehlt sich, die Indikation zur Bildgebung mit den betroffenen Patienten sorgfältig zu besprechen und beim Nachweis von Aneurysmen die Rupturgefährdung anhand der Aneurysmaform, -grösse und -lokalisation sowie die Therapiemodalitäten – vorzugsweise in einem multidisziplinären neurochirurgischen-neuroradiologischen Board – zu evaluieren.

Langzeitbetreuung von ADPKD-betroffenen Patienten und deren Angehörigen

Die ADPKD-Erkrankung ist eine familiäre Erkrankung und betrifft aufgrund des autosomal-dominanten Erbganges etwa die Hälfte aller Familienmitglieder. Bei der Behandlung eines Familienmitgliedes sollte auch immer die Familiensituation berücksichtigt werden. In einigen Familien wird mit der Erkrankung offen umgegangen, Kinder werden über die Möglichkeit der Erkrankung informiert und die Familienmitglieder wissen gut über den Gesundheitszustand anderer ADPKD-betroffener Familienmitglieder Bescheid. In anderen Familien wird die Krankheit tabuisiert und verheimlicht, oft vor dem Hintergrund, dass Eltern sich schuldig fühlen für die ADPKD-Erkrankung ihrer Kinder.
Bei ADPKD-Patienten mit Kinderwunsch sollten das Thema der Vererbung und die Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin sachlich angesprochen werden, damit Betroffene eine informierte Entscheidung treffen können. ADPKD ist sehr selten ein Grund, auf Nachwuchs zu verzichten, oft wird eine Betreuung während der Schwangerschaft gewünscht. Eine Polkörperanalyse kann bei weiblichen ADPKD-Patienten mit Kinderwunsch in der Schweiz durchgeführt werden, der ­finanzielle und zeitliche Aufwand ist beträchtlich. Zunehmend besteht das Bedürfnis, eine Präimplanta­tions­diagnostik im Ausland durchzuführen. Auf östrogenhaltige Kontrazeptiva sollte verzichtet werden, da diese das Wachstum von Leberzysten fördert.
SwissPKD, die Schweizer Gesellschaft polyzystischer ­Nierenerkrankung (wwws.swisspkd.ch) vertritt die Interes­sen von ADPKD-Patienten in der Schweiz. Sie ­unterstützt die Patienten-Selbsthilfe durch Informa­tionsaustausch und den Aufbau von Netzwerken von Betroffenen. Die jährlichen Informationsveranstal­tungen für ADPKD-betroffene Patienten und deren An­gehörige informiert über die neuesten Entwicklungen, bietet Gelegenheit, sich auszutauschen, und stärkt das Gemeinschafts­gefühl. Daneben fördert SwissPKD das öffentliche Bewusstsein für die Bedürfnisse und Belange von PKD-betroffenen Patienten und deren Angehörigen.
Die progressive Niereninsuffizienz führte bisher ohne Therapie zur Nierenersatzpflichtigkeit bei circa 50% der Patienten in der sechsten Lebensdekade. Neben der Behandlung der Niereninsuffizienzkomplikationen ist es wichtig, das Thema der Nierentransplantation anzusprechen. ADPKD-Patienten sind in der Regel aufgrund milder oder keiner kardiovaskulärer Krankheiten gute Kandidaten für die Nierentransplantation. Eine Lebendnierentransplantation vor Erreichung der Dialysepflichtigkeit ist anzustreben. Aufgrund der Familiensituation – Geschwister, Eltern und allenfalls Kinder sind von ADPKD betroffen – ist es sehr wichtig, genügend Zeit für die Evaluation eines möglichen Lebendnierenspenders einzuplanen, weshalb wir empfehlen, das Thema bei einer ungefähren GFR von 20 ml/min/1,73 m2 anzusprechen.

Das Wichtigste für die Praxis

• Die autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD) ist eine monogene, vererbbare, chronische Multisystemerkrankung mit variabler intra- und interfamiliärer Krankheitsprogression.
• Die familiäre Krankheit begleitet den Patienten und seine Angehörigen lebenslang, weshalb eine langfristige ganzheitliche Betreuung unter Berücksichtigung des bio-psycho-sozialen Umfeldes wichtig ist.
• Progressive Niereninsuffizienz bis zur Nierenersatzpflichtigkeit, arterielle Hypertonie, Zysteninfektionen, Schmerzen, Depression und Hirnaneurysmen sind häufige und wesentliche Krankheitsmanifestationen.
• Die Summe beider Nierenvolumina («total kidney volume», TKV) ist ein Marker zur Abschätzung der Krankheitsprogression. Die glomeruläre Filtrationsfraktion (GFR) bleibt oft in der Frühphase der Erkrankung stabil, weshalb die Nierenfunktion nicht geeignet ist zur Abschätzung der Prognose von jungen Erwachsenen.
• Die konsequente antibiotische Behandlung von Nierenzysten- und Harnwegsinfektionen, das Vermeiden von nephrotoxischen Substanzen und östrogenhaltigen Antikonzeptiva sowie die frühzeitige Planung der Nierenersatztherapie sind wichtige Behandlungsgrundsätze.
• Mit Tolvaptan steht seit November 2016 in der Schweiz eine wirksame und kausale Therapie zur Verlangsamung der progressiven Niereninsuffizienz zur Verfügung. Erwachsene Patienten mit einem Nierenvolumen von >750 ml, einer GFR von >30 ml/min/1,73 m2 und Zeichen einer raschen Krankheitsprogression qualifizieren sich für die Therapie.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Prof. Dr. med. Andreas Serra, MPH
Medizinisches Kompetenzzentrum für ADPKD
Suisse ADPKD
Klinik Hirslanden,
Witellikerstrasse 40
CH-8032 Zürich
info[at]adpkd.ch
– Pei Y, Obaji J, Dupuis A, Paterson AD, Magistroni R, Dicks E, et al. Unified criteria for the ultrasonographic diagnosis of ADPKD.
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