Angeborene Fehlbildungen des Herzens
Was Allgemeinärzte über Herzoperationen bei Kindern wissen müssen

Angeborene Fehlbildungen des Herzens

Übersichtsartikel
Ausgabe
2017/2627
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.02954
Schweiz Med Forum 2017;17(2627):570-578

Affiliations
Centre universitaire romand de cardiologie et chirurgie cardiaque pédiatrique, Centre hospitalier universitaire vaudois, Lausanne

Publiziert am 27.06.2017

Vor den Fortschritten der Herzchirurgie starben in der Mitte des letzten Jahrhunderts schätzungsweise 85% der Kinder mit einem Herzfehler während ihrer Kindheit an Herz-Kreislauf-Versagen oder Atemstillstand. Einige Jahrzehnte später hat sich dieses Verhältnis mit den heutigen Herzoperationen und Kathetereingriffen ins Gegenteil verkehrt und die überwiegende Mehrheit der Kinder erreicht das ­Erwachsenenalter. Dennoch kann nur selten die Rede von Heilung sein.

Einleitung

Bei Kindern mit Herzfehlern ist eine konstante Betreuung erforderlich, die häufig mit Eingriffen und Operationen zur Behandlung sekundärer Läsionen oder zur Korrektur von Restvitien einhergeht [1]. Dieser Review soll einen Überblick geben und die Richtlinien zur Überwachung und Behandlung dieser beständig wachsenden Population vorstellen.

Epidemiologie

Angeborene Fehlbildungen des Herzens gehören zu den häufigsten Fehlbildungen. Laut Daten von EUROCAT (Europäisches Netzwerk von Fehlbildungsregistern) sind schätzungsweise 28% der erfassten schweren angeborenen Fehlbildungen Herzfehler [2]. In der Schweiz werden jedes Jahr 900–1000 neue angeborene Fehlbildungen des Herzens diagnostiziert, von denen die Hälfte operiert werden muss. Die Prävalenz angeborener Herzfehler liegt derzeit bei ca. 8 Fällen pro 1000 Lebend­geburten [3].
Dank der Verbesserung der chirurgischen und interventionellen Techniken erreichen heute über 90% der betroffenen Kinder das Erwachsenenalter. Auch ihre Nachkommen dürften ein erhöhtes Risiko für angeborene Fehlbildungen des Herzens aufweisen [4]. Im Falle eines angeborenen Herzfehlers bei Verwandten ersten Grades ist das Risiko für weitere Fehlbildungen erhöht. Es variiert je nach Art des Herzfehlers, beträgt jedoch nach dem ersten betroffenen Kind 3 und nach dem zweiten 10% [5].

Ätiologien

Lange wurde vermutet, dass die meisten angeborenen Fehlbildungen des Herzens sporadisch auftreten. Die zunehmende Genauigkeit der Genanalysen hat jedoch einen deutlich stärkeren genetischen Zusammenhang ergeben als anfangs vermutet, da dieser bei ca. einem Drittel der Herzfehler zu finden ist [6]. ­Trisomie 21, 13, 18, das Mikrodeletionssyndrom 22q11, das Noonan- und das Williams-Syndrom sind mit Fehlbildungen des Herzens assoziiert. Mit den Fortschritten der Genomtechnologie und den neuen Sequenzierungsmethoden dürfte das Verständnis der Ursachen angeborener Herzfehler rasch zunehmen [7]. Immer häufiger wird bei einer entsprechenden Diagnose eine professio­nelle genetische Beratung empfohlen.
Andere Ursachen sind bestimmte Virusinfektionen im ersten Trimester (Röteln, Masern), chronische Erkrankungen der Mutter (Diabetes, Lupus) und exzessiver Alkoholkonsum oder die Einnahme bestimmter Medikamente (Antiepileptika, Antikoagulanzien, Lithium) während der Schwangerschaft.

Der intrauterine Kreislauf und seine Veränderungen bei der Geburt

Das Herz und der Blutkreislauf entwickeln sich in rasantem Tempo. Rasch übernimmt das Herz die Blutversorgung, wodurch sich zunächst der Embryo und dann der Fötus entwickeln kann. Eine zu schwere ­Kardiomyopathie oder schwere Gefässfehlbildungen führen zu einem Kreislaufversagen in utero, wodurch es zu einer Fehlgeburt kommt.
Während der gesamten Schwangerschaft steht die Lunge nicht in Kontakt mit der Raumluft und ist somit nicht für den Gasaustausch (Aufnahme von Sauerstoff und Abgabe von Kohlendioxid) verantwortlich. Dieser erfolgt über die Plazenta (Abb. 1). Zwei Verbindungen ermöglichen es dem Blutfluss, die noch nicht funk­tionsfähige Lunge zu umgehen: das Foramen ovale (zwischen den beiden Vorhöfen) und der Ductus arteriosus (zwischen Pulmonalarterie und Aorta). Durch diese arbeiten die rechte und linke Herzhälfte gleichgeschaltet und parallel sowie mit identischem Druck, um die Durchblutung zu gewährleisten, wobei jede etwa die Hälfte der Blutmenge durch den Körper pumpt.
Abbildung 1: Der intrauterine Kreislauf.
FO = Foramen ovale; DA = Ductus arteriosus; RA = rechter Vorhof; LA = linker Vorhof; RV = rechter Ventrikel; LV = linker Ventrikel.
Mit der Geburt geht die Aufgabe des Gasaustausches von der Plazenta auf die Lungen über. Diese entfalten sich, wobei sich die Alveolen öffnen und mit Luft füllen. Das Blut strömt hinein. Der Sauerstoffgehalt im Blut (der im Mutterleib relativ gering ist) nimmt zu und bewirkt eine Kontraktion der Wand des Ductus arteriosus, der sich innerhalb weniger Tage schliesst. Dadurch wird das Blut aus dem rechten Herzen in den Lungenkreislauf gepumpt, wodurch das Volumen und der Druck im linken Vorhof steigen. Auf diese Weise wird eine Membran zwischen den beiden Vorhöfen, die wie eine Klappe funktioniert, gegen das Septum gedrückt und verschliesst das Foramen ovale. Innerhalb weniger Tage sind die beiden Kreisläufe voneinander getrennt und arbeiten hintereinander geschaltet. In den folgenden Wochen erhöht sich mit zunehmender Lungenreifung der Druck im linken Kreislauf, während er im rechten Kreislauf abnimmt.
Die Veränderungen des Blutkreislaufs gehen derart rasch vor sich und sind so lebenswichtig, dass eine engmaschige perinatale Kontrolle erforderlich ist. Es ist nicht überraschend, dass über die Hälfte der Apgar-Werte (ein zuverlässiger Prognosefaktor für die Vitalität von Neugeborenen) mit dem Blutkreislauf und der Sauerstoffsättigung (Hautfarbe, Schreien, Herzschlag, Atmung …) zusammenhängt.

Die häufigsten Herzfehler [8, 9]

Zu komplexe Fehlbildungen und schwere Kardiomyopathien führen zu einem frühzeitigen Zusammenbruch des Blutkreislaufs. Andere, die wahrscheinlich später in der Embryogenese entstehen, bilden Anpassungsmechanismen aus, die während des Lebens im Mutterleib funktionieren. Einige davon dekompensieren aufgrund der Veränderungen durch die Geburt (hauptsächlich sogenannte «ductusabhängige» Herzfehler) oder aufgrund einer späteren zu starken Myokardbelastung respektive durch übermässige Belastung des Gefässnetzes der Lunge.
Statistisch gesehen sind die häufigsten Herzfehler Ventrikelseptumdefekte (VSD), Vorhofseptumdefekte (ASD), ein persistierender Ductus arteriosus (PDA), die Pulmonalstenose, die Fallot-Tetralogie, die Aorten­isthmusstenose, die Transposition der grossen Gefäs­se und die Aortenstenose [10].
Konzeptuell gesehen können die meisten Herzfehler in grosse Kategorien unterteilt werden, die oft zusammenhängen: Fehlverbindungen, Kurzschlussverbindungen, Obstruktionen und Hypoplasien.

Fehlverbindungen

Das bekannteste Beispiel für eine Fehlverbindung ist die Transposition der grossen Gefässe, bei der die Aorta und die Pulmonalarterie aus dem jeweils gegenüberliegenden Ventrikel entspringen (Abb. 2). Dadurch wird venöses Blut in die Aorta und arterielles Blut in die Pulmonalarterie gepumpt. Diese Fehlbildung, welche häufig vor der Geburt diagnostiziert wird, dekompensiert nach der Geburt mit dem beginnenden Lungenkreislauf und dem Verschluss der beiden ­intrauterinen Gefässverbindungen. Durch diesen werden die beiden Kreisläufe getrennt und es kommt zu einer vollständigen Asphyxie. Durch das Offenhalten der beiden Gefässverbindungen mittels Prostaglandin und das Einreissen des Vorhofseptums mit einem ­Ballonkatheter (Rashkind-Manöver) gelangt genügend Blut vom einen in den anderen Kreislauf, um eine ausreichende Sauerstoffversorgung des Körpers zu gewährleisten. Der Herzfehler muss rasch korrigiert werden, idealerweise in den ersten beiden Lebenswochen. Diese Operation am offenen Herzen ist schwierig, da hierbei die beiden Koronararterien vertauscht an der neuen Aortenwurzel angenäht werden müssen.
Abbildung 2: Normales Herz (A), Transposition der grossen Gefässe (B) und Korrektur durch «arterielle Switch-Operation». Zu beachten: Überführung der Koronararterien zur Neo-Aorta (C). RV = rechter Ventrikel; LV = linker Ventrikel.

Kurzschlussverbindungen (oder Shunts)

Da der rechte und linke Kreislauf mit unterschiedlich hohem Druck funktionieren, hat ein Shunt zwischen beiden Kreisläufen einen Blutfluss von der Herzseite mit hohem zur Herzseite mit niedrigem Druck zur Folge. Somit führen ein Vorhof- oder Ventrikelseptumdefekt beziehungsweise eine Kurzschlussverbindung zwischen Aorta und Pulmonalarterie (wie beim offenen Ductus arteriosus) zu einem sogenannten «Links-Rechts-Shunt». Dadurch gelangt zu viel Blut in den Lungen- und zu wenig in den Körperkreislauf.

Prätrikuspidale Shunts

Prätrikuspidale (vor der Trikuspidalklappe gelegene) Shunts, die typischerweise zwischen den Vorhöfen liegen, sind durch eine grosse Blutmenge bei geringem Druck gekennzeichnet. Dadurch entsteht eine starke Volumenüberlastung des rechten Herzens, jedoch dank dessen Dehnbarkeit ohne signifikante Blutdruck­erhöhung (mit steigendem Alter und abnehmender Dehnbarkeit der Gefässwände steigt der Blutdruck leicht an). Daher besteht keine Gefahr einer pulmonalen Hypertonie. Zusätzlich zur kontinuierlichen Herzüberlastung, die für Atemnot und rasche Ermüdbarkeit bei Belastung verantwortlich ist, gehören eine Vorhofdilatation mit Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflattern oder -flimmern zum Symptombild. Ohne Korrektur verringern signifikante Shunts (deren Verhältnis von Lungen- zu Systemperfusion, abgekürzt Qp/Qs, ≥1,5 beträgt) die Lebenserwartung der betroffenen Patienten um schätzungsweise zehn bis zwanzig Jahre. Die Korrektur dieser Fehlbildung durch die perkutane Implantation eines Schirmchens oder eine Operation wird bereits im Kindesalter empfohlen. Auch bei einem Shunt mit geringerer Perfusion kann ein Verschluss bei bestimmten beruflichen Tätigkeiten (wie Tiefseetauchen mit der Gefahr einer Gas­embolie) oder wenn das Risiko einer paradoxen Em­bolie besteht, empfehlenswert sein. Obgleich einige Studien nach dem Verschluss eines ASD das Abklingen von Migräne (aufgrund der Metabolisierung vasoaktiver Substanzen durch das Lungenparenchym) festgestellt haben, stellt diese bis dato keine alleinige Indikation dar.
Das persistierende Foramen ovale (PFO) ist keine Fehlbildung im eigentlichen Sinne, sondern resultiert vielmehr aus einem unvollständigen Verschluss. Meist ist es klein und ohne hämodynamische Auswirkungen oder in Ruhe (durch den Druck des linken Vorhofs) verschlossen und öffnet sich nur bei plötzlichem Druckanstieg im rechten Herzen, wie zum Beispiel beim Valsalva-Manöver. Die PFO-Prävalenz der Bevölkerung beträgt 20–25%. Durch das Risiko einer paradoxen Embolie gestaltet sich die Therapie dieser Anomalie schwierig und ist bis heute umstritten [11–14].

Posttrikuspidale Shunts

Bei diesen kommt es zu einer Volumen- (geringer als im Vorhofbereich) und Drucküberlastung des rechten Herzens sowie des Lungenkreislaufs. Dieser Hochdruck ist schädlich für die Lunge, deren Gasaustausch nur mit dünnen semipermeablen Membranen funk­tioniert. Um dem entgegenzuwirken, kommt es zu einer humoralen Kontraktion, einer Zellproliferation und schliesslich zu einer fibrösen Vernarbung der Kapillarwand. Diese Veränderungen, welche rasch von allein fortschreiten, führen schlussendlich zur Obstruktion des Kapillarnetzes und verringern seine Austauschleistung. Nach zwanzig oder dreissig Jahren führt die langsame «Zerstörung» des Gefässparenchyms zum Eisenmenger-Syndrom, gegen welches es kaum wirksame therapeutische Mittel gibt. Daher ist es wichtig, eine korrigierbare pulmonale Hypertonie nicht zu lange unbehandelt zu lassen.
Ein typisches, weil häufiges Beispiel für einen posttrikuspidalen Shunt ist der Ventrikelseptumdefekt (VSD) (Abb. 3). Einige sogenannte «restriktive» Shunts, bei denen das Blut zum Teil im linken Ventrikel verbleibt und somit lediglich ein partieller Anstieg des Lungendrucks erfolgt, schliessen sich in den ersten beiden Lebensjahren spontan von selbst. Hier ist eine Überwachung erforderlich und eine Operation nur dann indiziert, wenn der Shunt persistiert, der Lungendruck erhöht oder eine lokale Endokarditits aufgetreten ist. Nichtrestriktive VSD, die sofort eine pulmonale Hypertonie bewirken, müssen hingegen verschlossen werden. In manchen Fällen, wenn sich der Septumdefekt nicht in der Nähe der Herzklappen befindet, erfolgt der Verschluss mittels eines Schirmchens, meist handelt es sich jedoch um einen perimembranösen VSD (in Klappennähe), bei dem eine Operation am offenen Herzen erfolgen muss. Grosse Shunts werden üblicherweise zwischen dem 3. und 6. Lebensmonat verschlossen.
Abbildung 3: Ventrikelseptumdefekt und Links-Rechts-Shunt (Pfeil) führen zu einer Druck- und Volumenüberlastung in rechtem Ventrikel und Lunge.
Ein persistierender Ductus arteriosus (PDA) ist ein weiterer häufiger posttrikuspidaler Shunt, der eine Drucküberlastung des pulmonalen Gefässsystems zur Folge hat. Bei ausreichend grossen Kindern kann dieser durch einen perkutanen Eingriff verschlossen werden. Bei Frühgeborenen bleibt der Ductus arteriosus häufig offen. Die Hauptfolge dieser Fehlbildung ist eine unzureichende Perfusion der Bauchorgane, wodurch infolge Nekrose eine Perforation der Darmwand entsteht, welche zu einer Peritonitis führen kann. Während sich einige dieser Shunts durch eine Indometacinbehandlung (Prostaglandinantagonist) schlies­sen, ist diese in vielen Fällen nicht wirksam und es muss ein operativer Verschluss erfolgen.

Obstruktionen

Obstruktionen können an mehreren Stellen rund um das oder im Herzen auftreten. Klassische Beispiele hierfür sind die Fallot-Tetralogie, die Aortenklappen- und die Aortenisthmusstenose (Abb. 4). Manche Ob­struktionen können durch eine Ballondilatation behoben werden. Meist müssen die Stenosen jedoch chirurgisch geweitet werden.
Abbildung 4: Aortenisthmusstenose. Korrektur durch Resektion des verengten ­Aortenabschnitts und direktes Annähen an die Aorta.
Eine Klappenstenose kann häufig durch die Öffnung der fusionierten Kommissuren (mittels Ballondilatation oder Operation) verbessert werden, wodurch man viele Jahre gewonnen hat, bevor ein radikalerer Eingriff mit Klappenersatz erfolgen muss. Ein prothetischer Klappenersatz ist bei Kindern im Wachstum problematisch, da der Prothesendurchmesser gleich bleibt und nicht vergrössert werden kann.
Bei der Aortenisthmusstenose kommt es, unter anderem durch die renale Steuerung des arteriellen Blutdrucks, zu einer Hypertonie der oberen Körperhälfte. Eine rasche Korrektur, häufig in den ersten Tagen nach der Geburt, zeigt die besten Erfolge bezüglich der späteren «normotensiven» Prognose der Kinder.

Hypoplasien

Die Hypoplasie einer Herzstruktur gehört zu den schwersten Herzfehlern, insbesondere dann, wenn eine Herzkammer vollständig fehlt. Ohne raschen Eingriff sterben die betroffenen Kinder, da beim Verschluss des Ductus arteriosus entweder die Lunge oder der Körper nicht mehr durchblutet werden.
Seitdem festgestellt wurde, dass das Blut auch ohne aktiv pumpende Herzkammer durch die Lungen getrieben werden kann, hat sich die Behandlung dieser Fehlbildungen radikal verändert. So kann in zwei Schritten (der erste im dritten Lebensmonat und der zweite im zweiten bis dritten Lebensjahr) ein sogenannter Fontan-Kreislauf (Abb. 5) angelegt werden. Dadurch erfolgt der gesamte venöse Rückfluss des Blutes passiv durch die Lunge, wodurch das Blut optimal mit Sauerstoff aufgesättigt wird.
Abbildung 5: Fontan-Kreislauf. Verbindung der Hohlvenen mit den Pulmonalarterien. Der venöse Rückfluss des Blutes erfolgt «passiv» (ohne aktiv pumpende Herzkammer) über das pulmonale Gefässsystem.
Aufgrund von bis dato ungenügender Langzeiterfahrungen ist die langfristige Prognose dieser «Einkammerherzen» ungewiss. Es wird angenommen, dass ihre Lebenserwartung gegenüber der eines normalen Herzens verringert ist und nach einigen Jahrzehnten eine Herztransplantation erforderlich wird.

Kombinierte Herzfehler

Hauptsächlich treten Shunts, Stenosen und Hypoplasien in Kombination auf. Der Prototyp dafür ist die Fallot-Tetralogie, bei der ein VSD mit einer Infundibulum-, Pulmonalklappen- und Pulmonalarterienstenose assoziiert ist (Abb. 6). Je stärker die rechtsventrikuläre Ausflussbahn verengt ist, desto mehr Blut fliesst unter Umgehung der Lunge vom rechten Ven­trikel direkt in die Aorta. Diese wiederum «reitet» über dem VSD. Der dadurch entstehende «Rechts-Links-Shunt» ist für die bei den betroffenen Kindern typische zen­trale Zyanose verantwortlich, die früher «Blausucht» genannt wurde. Die Korrektur besteht im Verschluss des VSD und der Erweiterung der Verbindung zwischen rechtem Ventrikel und Lunge. Ihr Zeitpunkt hängt von der Ausprägung der Zyanose ab. Je schwerer, desto früher der Eingriff. Wenn das Kind stabil ist, erfolgt dieser üblicherweise zwischen dem 3. und 8. Lebensmonat.
Abbildung 6: (A) Fallot-Tetralogie mit Ventrikelseptumdefekt (VSD) (1), Infundibulum­stenose (2) und offenem Ductus arteriosus (3). Aufgrund der Obstruktion durch die ­Infundibulumstenose besteht ein Rechts-Links-Shunt (blauer Pfeil) über den VSD. (B) Operative Korrektur mit Verschluss des VSD, Erweiterung des Infundibulums und Ligatur des Ductus arteriosus. Zu beachten: Veränderung der Farbe des Blutes in der Aorta.

Rechtsventrikulärer Ausflusstrakt (oder RVOT für «right ventricular outflow tract»)

Fehlbildungen des Infundibulums und der Arterien (am Übergang der Ventrikel zu den grossen Gefässen) kommen häufig vor. Bei der Operation werden üblicherweise die funktionsfähigsten Strukturen (Myokard, Herzklappe, Nativgefässe) mit dem linken Kreislauf verbunden (der hohem Druck und hoher Belastung ausgesetzt ist), wodurch der rechte Kreislauf benachteiligt ist. Somit ist es nicht verwunderlich, dass zahlreiche natürliche oder erworbene Probleme im Bereich des rechtsventrikulären Ausflusstrakts entstehen.
Die chronische Pulmonalklappeninsuffizienz ist in diesem Zusammenhang das häufigste Restvitium. Sie tritt typischerweise nach der Korrektur einer Fallot-Tetralogie auf, wenn der zu enge rechtsventrikuläre Ausflusstrakt mit einem einfachen Patch erweitert wurde. Somit gibt es quasi keine funktionsfähigen Klappen und der Rückfluss erfolgt frei. Dies geht zehn bis zwanzig Jahre gut, bis die Volumenüberlastung zu einer starken Dilatation des rechten Ventrikels und ventrikulären Arrhythmien im Zusammenhang mit einer zu starken Wandspannung führt. Durch die Implantation einer biologischen Klappenprothese (am rechtsventrikulären Ausflusstrakt; sie ist gegenüber mechanischen Prothesen zu bevorzugen) kann diese Entwicklung aufgehalten und zum Teil korrigiert werden. Das Aufkommen perkutan implantierbarer Prothesen hat zu einer liberaleren Indikationsstellung für die Implantation des ersten Klappenersatzes geführt, da durch die «valve-in-valve»-Technik die Zahl der üblichen Reoperationen abnimmt. Die Operationsindikation beruht auf zahlreichen Kriterien. Die wichtigsten (z.B. das enddiastolische Volumen) sind mittels Magnetresonanztomographie feststellbar. Die Prothesen haben bei geringer Druckbelastung eine Lebensdauer von zirka fünfzehn Jahren, bevor sie erneut ausgetauscht werden müssen.

Funktionelle Herzgeräusche

Herzgeräusche entstehen durch Turbulenzen des Blutstroms im Herz- oder Gefässinneren. Sie treten infolge eines beschleunigten Blutstroms aufgrund einer Ob­struktion oder in einer physiologischen Engstelle des Herzens bei einer Volumenüberlastung auf oder infolge einer Regurgitation. Ein geschultes Ohr ist in der Lage, die einfachen Strömungsphänomene zu erkennen, die als «funktionelle» Herzgeräusche bezeichnet werden und bei vielen Kindern ohne pathologischen Hintergrund auftreten. Eine erhöhte Herzfrequenz (aufgrund einer Anämie, Fieber oder nach körperlicher Belastung) reicht aus, damit diese entstehen oder stärker werden. Bei Neugeborenen treten mit dem Verschluss des Ductus arteriosus folgenlose Herzgeräusche entlang der Pulmonalarterien auf, die mit zunehmender Lungenreifung in den Tagen und Wochen nach der Geburt wieder abklingen. Allgemein sind viele in den ersten Lebenstagen (und einige danach) festgestellte Herzgeräusche gutartig und erfordern keine Behandlung oder anderweitige Massnahmen.
Bei Zweifeln bezüglich der Art eines Herzgeräuschs wird eine Echokardiographie durchgeführt, um dessen Herkunft festzustellen und gegebenenfalls eine Therapie vorzuschlagen.

Nachbetreuung nach einem Eingriff 
am Herzen

Operationen und Kathetereingriffe sind nur selten kurativ, obgleich die Prognose bei bestimmten Herzfehlern wie ASD und VSD mit derjenigen von Personen mit normalem Herzen übereinzustimmen scheint. Daher ist eine medizinische Nachbetreuung für quasi jeden operierten Patienten unerlässlich. Neben den zahlreichen Rest- oder iatrogenen Vitien, die nach einem chirurgischen Eingriff bestehen können, entwickeln sich bei der grossen Mehrheit der Patienten Herzrhythmusstörungen. Diese entstehen durch die Grunderkrankung, eine persistierende Druck- oder Volumenüberlastung der Vorhöfe oder Ventrikel sowie Operationsnarben. Bereits durch die Eröffnung und das Wiederannähen eines Vorhofes, um Strukturen im Herzinnern zu erreichen, entsteht ein Leitungshindernis, das einen Makro-Re­entry-Kreislauf zur Folge haben kann, der wiederum zu Vorhofflattern oder -flimmern führt. Dasselbe kann im Ventrikelbereich geschehen, kommt jedoch glücklicherweise seltener vor. Die Kryoablation vorbestehender oder aus den Eingriffen resultierender pathologischer Kreisläufe, die Implantation einfacher Herzschrittmacher oder von Resynchronisationsschrittmachern sowie interner Defibrillatoren nehmen beständig zu, um den aufgrund chronischer Herzerkrankungen steigenden Bedarf abzudecken.

Endokarditisprophylaxe

Die Gefahr für eine bakterielle Endokarditis ist für die Mehrheit der Personen mit angeborenem Herzfehler, gleich ob mit oder ohne Operation, lebenslang erhöht [15]. Am höchsten ist sie die ersten sechs Monate nach einer Operation oder einem Kathetereingriff bis zur Endothelialisierung der Nähte und gegebenenfalls des Fremdmaterials.
Im Jahr 2015 wurden neue Prophylaxeempfehlungen veröffentlicht (Tab. 1 und 2) [16]. Die Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie empfiehlt zusätzlich eine Prophylaxe bei Ventrikelseptumdefekten und persistierendem Ductus arteriosus. Die von der Schweizerischen Herzstiftung erstellten und an die Patienten ausgegebenen Prophylaxeausweise gründen derzeit auf diesen Empfehlungen [17].
Tabelle 1: Indikationen für die Prophylaxe einer bakteriellen Endokarditis bei angeborenen Herzfehlern [16].
Klappenprothesen, einschliesslich per Kathetereingriff ­implantierter Prothesen, oder bei Verwendung prothetischen Materials für Klappenplastiken
Frühere Endokarditiden
Patienten mit angeborenen Herzfehlern:
– zyanogene Herzkrankheiten
– alle mit operativer oder herzkathetergestützter Prothesenimplantation korrigierten Herzfehler in den ersten 6 Monaten nach der Korrektur oder bei Restshunt bzw. residueller Klappeninsuffizienz lebenslang
Tabelle 2: Interventionen, die eine Endokarditisprophylaxe erfordern (angepasst gemäss ESC-Leitlinien [16]).
Zähne und ZahnfleischHNOGastrointestinaltrakt, ­Urogenitaltrakt, GynäkologieHaut
Behandlung des Zahnfleischs oder des periapikalen Zahnbereichs oder Perforation der MundschleimhautEingriff zur Behandlung
einer InfektionEingriff zur Behandlung
einer InfektionEingriff zur Behandlung
einer Infektion
Allgemein sind eine gründliche Mund- und Zahnhy­giene sowie die Gesunderhaltung der Haut wichtige Massnahmen der Risikoprävention. Überdies sollten Tätowierungen und Piercings, insbesondere von Zunge und Schleimhäuten, vermieden werden.

Sportliche Aktivitäten

Sportliche Aktivitäten, Sportunterricht und das Tragen schwerer Lasten (Rucksack, Ranzen) sind in den ersten sechs Wochen nach der Operation eines angeborenen Herzfehlers untersagt. Leichte körperliche Betätigung wie tägliches Spazierengehen wird jedoch ab der zweiten Woche nach der Operation empfohlen. Danach werden die Kinder, ausser bei schwerer Herzinsuffizienz, wieder zu körperlicher Betätigung ermutigt. Die Art und Intensität der Aktivitäten hängt ab von der zugrunde liegenden Erkrankung, dem Operationsresultat, einer eventuellen Medikamenteneinnahme – insbesondere von Antikoagulanzien – und ist mit dem pädiatrischen Kardiologen abzusprechen. Tiefseetauchen ist prinzipiell bei allen Kindern mit schwerem angeborenen Herzfehler, selbst nach einer Korrektur, kontraindiziert.
Diesbezüglich wurden von der «European Association for Cardiovascular Prevention and Rehabilitation» und der «Association for European Paediatric Cardiology» spezifische Empfehlungen veröffentlicht [18].

Reisen

Von vielen Ärzteteams wird empirisch empfohlen, nach einer Operation drei Wochen abzuwarten, bevor eine lange Reise unternommen wird. Im Flugzeug (selbst in der Druckkabine) fällt die arterielle Sauerstoffsättigung (unabhängig von der Ausgangssättigung) um ca. 8% ab. Dies wird im Allgemeinen von allen Patienten ohne Zyanose oder schwere Anämie gut ohne zusätzliche Sauerstoffgabe vertragen. Tiefe Ve­nenthrombosen treten bei ca. 10% der Passagiere von Langstreckenflügen auf. Bei Personen mit erhöhtem Thromboserisiko (bei zyanogenen Herzkrankheiten, Polyzythämien) sollten Präventionsmassnahmen wie subkutane Heparininjektionen und das Tragen von Stützstrümpfen mit dem pädiatrischen Kardiologen besprochen werden [19, 20].

Höhenaufenthalte

Mit zunehmender Höhe nimmt der Luftdruck ab, wodurch die Sauerstoffsättigung bereits in einer Höhe von etwa 2500 m auf 90% zurückgeht. Das Herz kompensiert diesen Mangel durch eine Erhöhung der Herzfrequenz und der Kontraktilität des Myokards. Auf vaskulärer Ebene kommt es zu einer Verengung der Lungengefässe und zunächst zu einer peripheren Vasodilatation, auf die eine Vasokonstriktion folgt [21]. Bezüglich der Anpassung des Herzens und Kreislaufs an die Höhe bestehen grosse Unterschiede zwischen einzelnen Personen, weshalb eine individuelle Anpassung der Empfehlungen erforderlich ist. Mit Ausnahme von Kindern mit pulmonaler Hypertonie oder schweren zyanogenen Herzkrankheiten bestehen, selbst bei nicht korrigierten Herzfehlern, bezüglich Aufenthalten im Mittelgebirge (max. 2000–2500 m) keine Einschränkungen. Ein Aufenthalt über 2500 m ist für beide oben genannten Patientengruppen kon­traindiziert [21]. Wenn keine bedeutsamen Restläsionen oder eine pulmonale arterielle Hypertonie bestehen, ist ein Höhenaufenthalt nach chirurgischer Korrektur wieder möglich. Für längere Aufenthalte in grosser Höhe (über 2500 m) wird ein etappenweiser Aufstieg empfohlen, bei dem pro Tag nicht mehr als 300–400 m Höhenunterschied bewältigt werden sollten [21].

Schlussfolgerungen

Die Betreuung angeborener Herzfehler geht heute weit über den pädiatrischen Fachbereich hinaus und betrifft alle medizinischen Disziplinen. Obgleich sie auch weiterhin von Fachspezialisten organisiert werden muss, sollten heute alle Ärzte Kenntnisse über angeborene Fehlbildungen des Herzens sowie die entsprechenden Empfehlungen besitzen.

Das Wichtigste für die Praxis

• Angeborene Fehlbildungen des Herzens gehören zu den häufigsten Fehlbildungen.
• Dank der Fortschritte der Kardiologie und Herzchirurgie ist die Lebenserwartung von Patienten mit Herzfehlern deutlich gestiegen.
• Das Verständnis der Pathophysiologie dieser Fehlbildungen ist unerlässlich für ihre Versorgung vom Neugeborenen- bis ins Erwachsenenalter.
• Die Betreuung der Patienten, die weit über den pädiatrischen Fachbereich hinausgeht, erfordert die Kenntnis einiger Empfehlungen, auf die in diesem Beitrag eingegangen wird.
Prof. Dr. med. René Prêtre
Centre Hospitalier ­Universitaire Vaudois
46 Rue du Bugnon
CH-1211 Lausanne
rene.pretre[at]chuv.ch
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