Ischialgie: Pregabalin?

Ischialgie: Pregabalin?

Und anderswo ...?
Ausgabe
2017/34
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.02989
Schweiz Med Forum 2017;11(34):703

Publiziert am 23.08.2017

Ischialgie: Pregabalin?

Fragestellung

Eine Ischialgie ist durch Gesässschmerzen ­gekennzeichnet, die ins Bein ausstrahlen und u.U. mit Lumbalgien einhergehen. Neben diesen Symptomen treten mitunter auch Sensibilitätsstörungen, Muskelschwäche und Hypo-/Areflexie auf. Pregabalin ist bei bestimmten neuropathisch bedingten, insbesondere post­herpetischen oder diabetischen Schmerzen wirksam. Es wirkt auf die Kalziumkanäle und verringert die Freisetzung bestimmter Neurotransmitter. Daher erscheint es logisch, die Wirkung von Pregabalin auf ischi­algische Schmerzen zu untersuchen. Das Ziel der PRECISE-Studie (Pregabaline in Addition to Usual Care for Sciatica) war es, diese Fragestellung klären.

Methode

Die Studie war randomisiert, doppelblind und plazebokontrolliert. Die eingeschlossenen Patienten wurden von einem Studienarzt untersucht, der das klinische Bild einer Ischialgie bestätigte. Die Schmerzen mussten mindestens eine der folgenden Eigenschaften aufweisen: in einem bestimmten Dermatom auftreten, bis unterhalb des Knies ausstrahlen, mit sensorischen Defiziten oder verminderten Reflexen einhergehen. Die Symptome mussten eine Woche bis ein Jahr lang bestanden haben. Die Probanden wurden im Verhältnis von 1:1 randomisiert, um eine Initialdosis von 150 mg Pregabalin/Tag mit einer Höchstdosis von 600 mg/Tag oder ein Plazebo zu erhalten. Während der ersten acht Wochen des Follow-up wurden sie bis zu 9 ×/ Woche untersucht. Physiotherapie- sowie Analgetikabehandlungen gemäss WHO-Stufenschema waren zugelassen. Primärer Endpunkt waren die durchschnittlichen Schmerzen (Skala von 0–10) in den 24 Stunden vor dem Zieldatum nach 8 Wochen. Die Patienten wurden bis Woche 52 nachbeobachtet.

Resultate

106 Patienten wurden nach dem Intention-to-Treat-Prinzip in die Pregabalin- und 101 in die Plazebogruppe eingeschlossen. Zu Studienbeginn betrug die Schmerzintensität in der Pregabalingruppe 6,3 ± 1,8 und unter Plazebo 6,1 ± 1,9. Nach 8 Wochen war sie auf 3,7 bzw. 3,1 zurückgegangen (n.s.). Auch in Woche 52 gab es keine Unterschiede zwischen den Gruppen.

Probleme und Kommentar

Bei über 84% der Patienten bestand die Ischialgie seit <3 Monaten. Es ist bekannt, dass sich die Schmerzen bei ⅓ der Patienten nach 2 Wochen und bei ¾ nach 3 Monaten bessern. Daher ist die Wirksamkeit eines Medikaments nach 8 Wochen schwer zu beurteilen. Ein anderes Problem besteht darin, dass Patienten mit einer Ischialgie häufig an einer Kombination neuropathischer Schmerzen, die durch Pregabalin gelindert werden könnten und nozizeptiver Schmerzen (Wirbelsäulenarthrose), die nicht auf die Behandlung ansprechen, leiden. Die Studie erlaubt keine Unterscheidung zwischen beiden Schmerzarten. Pregabalin ist nicht frei von Nebenwirkungen (insbesondere Schwindel) und scheint somit bei Ischialgie nicht indiziert zu sein. Negative Resultate sind häufig sehr nützlich, um unwirksame und nebenwirkungsbehaftete Behandlungen zu vermeiden!
Mathieson S, et al. N Engl J Med. 2017;376:1111–20.

Wer hat die besten Arterien der Welt?

Forscher haben herausgefunden, dass die Tsimane, ein Amazonasvolk aus Bolivien, die gesündesten Arterien haben. 700 der >40 Jahre alten Ureinwohner wurden einem CT unterzogen, um Anzeichen von Koronarverkalkung festzustellen. Die Resultate wurden mit einer Population aus Industrieländern verglichen. 85% der Tsimane wiesen keine Koronarver­kalkung auf, im Vergleich zu lediglich 14% der Amerikaner. Ihr Geheimnis: 4–7 Stunden körper­liche Betätigung täglich, niedriger Blutdruck, kein Tabakkonsum. Es können nicht alle im Amazonasgebiet Boliviens leben!
Kaplan H, et al. Lancet. 2017;389(10080):1730–9.

Resorbierbare Stents: 
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Die FDA hat eine Warnung bezüglich eines resorbierbaren Stents (CGT1 Bioabsorbable Vascular Scaffold) ausgesprochen, der im Juli 2016 zugelassen worden war. Nach 2 Jahren traten bei 11% der Probanden mit dem resorbierbarem Stent schwere kardiovaskuläre Ereignisse auf, gegenüber 8% bei Patienten mit einem Everolimus freisetzenden Metallstent. Auch die Zahl der Stent-Thrombosen war beim resorbierbaren Stent doppelt so hoch. Handelt es sich hierbei um einen Klasseneffekt oder ist der Anstieg durch genau diesen Stent-Typ bedingt? Die Vorstellung eines Stents, der sich nach ­getaner Arbeit auflöst, ist jedoch verlockend!
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2017;166(8):547–56.

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