Verlängerte Behandlung bei venöser Thromboembolie: Azetylsalicylsäure oder Rivaroxaban?

Verlängerte Behandlung bei venöser Thromboembolie: Azetylsalicylsäure oder Rivaroxaban?

Und anderswo ...?
Ausgabe
2017/35
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.02992
Schweiz Med Forum 2017;17(35):729

Publiziert am 30.08.2017

Verlängerte Behandlung bei venöser Thromboembolie: Azetylsalicylsäure oder Rivaroxaban?

Fragestellung

Die venöse Thromboembolie ist nach Myokardinfarkt und Schlaganfall die dritthäufigste kardiovaskuläre Todesursache. Die Antikoa­gulation, idealerweise durch neue orale Antikoagulanzien, sollte mindestens 3 Monate fortgesetzt werden. Bei unprovozierter (spontaner) venöse Thromboembolie beträgt das Rezidivrisiko nach Absetzen der Antikoagulation pro Jahr ca. 10%. Eine längere therapeutische Antikoagulation ist möglich, geht jedoch natürlich mit einem Blutungsrisiko einher, wodurch ein gewisser Widerstand gegen diese Option besteht. Gibt es nach dem Absetzen der Antikoagulation eine Übergangslösung, d.h. eine verlängerte Antikoagulation in geringerer Dosierung mit potentiell geringerem Risiko? Diese Frage wurde in der EINSTEIN-CHOICE-Studie geklärt.

Methode

Die eingeschlossenen Patienten waren >18 Jahre alt und hatten eine symptomatische venöse Thromboembolie erlitten. Alle hatten zuvor 6–12 Monate eine Antikoagulation in Form ­eines Vitamin-K-Antagonisten oder eines neuen direkten oralen Antikoagulans‘ erhalten. Sie wurden in einem Verhältnis von 1:1:1 auf 3 Gruppen randomisiert. (1.) 20 mg Rivaroxaban täglich. (2.) 10 mg Rivaroxaban täglich. (3.) 100 mg Azetylsalizylsäure täglich. Die Studiendauer betrug 12 Monate. Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war eine Kombination aus einer erneuten symptomatischen oder tödlichen venöse Thromboembolie-Episode oder unerklärtem Tod, bei dem eine Lungenembolie nicht auszuschliessen war. Weitere Wirksamkeitsendpunkte waren das Auftreten eines Myokardinfarkts, Schlaganfalls oder einer systemischen Embolie. Der Sicherheitsendpunkt war eine schwere Blutung (Hämoglobin­abfall um 20 g/l, Transfusion von 2 Erythrozytenkonzentraten oder Tod durch Blutverlust).

Resultate

1046 Patienten erhielten 20 mg Rivaroxaban täglich und wurden laut Studienprotokoll analysiert, 1063 erhielten 10 mg Rivaroxaban täglich und 1069 Azetylsalizylsäure. Das Durchschnittsalter betrug 58 Jahre. Ca. 60% der venöse Thromboembolie waren provoziert (nach chirurgischen Eingriffen o.a.). Der primäre Wirksamkeitsendpunkt trat bei 17 Patienten der Gruppe mit 20 mg Rivaroxaban (1,5%), 13 der Gruppe mit 10 mg Rivaroxaban (1,2%) und 50 der Azetylsalizylsäure-Gruppe (4,4%) ein; p = 0,001. Zu einer schweren Blutung kam es bei 0,5, 0,4 bzw. 0,3% der Patienten.

Probleme und Kommentar

Im Vergleich zur Azetylsalizylsäure hatte Rivaroxaban in einer Dosis von 20 oder 10 mg täglich also eine signifikante Reduktion des primären Endpunkts bei Patienten zur Folge, die nach Absetzen der «Full-dose»-Antikoagulation ein weiteres Jahr behandelt wurden. Die Wirksamkeit war bei beiden Dosierungen identisch. Die NNT, um eine venöse Thromboembolie-Episode zu vermeiden, betrug in den Rivaroxaban-Gruppen 33 bzw. 30. Die Nichtunterlegenheit der 10 mg-Dosis konnte nicht formal bewiesen werden, da die Studie nicht über die erforderliche statistische Aussagekraft verfügt. Natürlich bleibt noch die Frage nach dem Preis von Rivaroxaban im Vergleich zur Azetylsalizylsäure, angesichts des Wirksamkeitsunterschieds dürfte sich diese jedoch nicht stellen …
Weitz JI, et al. N Engl J Med. 2017;376:2111–22. http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1700518

Verbot von Transfettsäuren und Spital­einweisungen aufgrund kardiovaskulärer Erkrankungen

Eine Studie hat die Myokardinfarkt- und Schlaganfallraten in den Gemeinden (Counties), die Transfettsäuren in Restaurants verboten haben, mit denen verglichen, wo diese weiterhin erlaubt sind. Drei Jahre nach dem Verbot war sowohl bei Männern als auch bei Frauen ein Rückgang der Spitaleinweisungen aufgrund der o.g. Erkrankungen um 6% festzustellen. Im Jahr 2015 hat die FDA die Lebensmittelhersteller ab Mitte 2018 zum Verzicht auf partiell hydrierte Fettsäuren verpflichtet. Dies wird offensichtlich funktionieren!
Brandt EJ, et al. JAMA Cardiol. 2017.

Kurzzeitsteroidtherapie: nicht so harmlos wie gedacht!

Bei 1,5 Millionen Patienten, von denen 21% eine Kurzzeitsteroidtherapie (<30 Tage) erhalten hatten, wurden die Nebenwirkungen der Behandlung untersucht. Das Resultat war nicht gerade beruhigend … Im Vergleich zu Nichtanwendern erlitten die Patienten unter Steroiden 1,8 Septitiden gegenüber 1 Sepsis/ 1000 Patientenjahren, 4,6 vs. 2,4 TVT und 21,4 vs. 14,3 Frakturen/1000 Patientenjahren. Die Probanden dienten als ihre eigene Kontrollgruppe. So war ihre Sepsis-, TVT- und Fraktur­inzidenz während der 30-tägigen Behandlung signifikant höher als in den 30 Tagen zuvor. Je kürzer die Behandlung, desto besser …
Waljee AK, et al. BMJ. 2017;357:j1415.

Niereninsuffizienz: welche Osteoporosemedikamente von Nutzen?

Die Knochenbeschwerden bei chronischer Niereninsuffizienz sind äusserst komplex. Welche Osteoporosemedikamente sind in diesem Fall von Nutzen? Eine Metaanalyse von 13 Studien und >10 000 Patienten hat dies­bezüglich folgendes unerfreuliches Fazit gezogen: (1.) Bisphosphonate können die Abnahme der Knochendichte bei transplantierten Pa­tienten verlangsamen, ihre Wirkung auf Frakturen ist jedoch ungewiss. (2.) Raloxifen könnte Wirbelsäulenfrakturen verhindern, verbessert jedoch nicht die Knochendichte. (3.) Die Auswirkungen von Teriparatid und Denosumab auf Knochendichte und Frakturen sind unklar. Überdies wurden 12 Studien von der Pharmaindustrie finanziert oder die Finanzierungsquelle ist unbekannt. Gute Studien müssen folgen …
Wilson LM, et al. Ann Intern Med. 2017;166(9):649–58.

Spätdyskinesie: Erfolg mit einem ersten Medikament?

Die FDA hat Valbenazin, einen Monoamin-Transporter-2-Inhibitor, bei Spätdyskinesie im Erwachsenenalter zugelassen. Die Erkrankung kann die Lebensqualität extrem beeinträchtigen. Bei 230 Patienten verringerte die Behandlung die unwillkürlichen Bewegungen nach 6-wöchiger Einnahme im Vergleich zu Plazebo signifikant. Die häufigste Nebenwirkung war Schläfrigkeit. Wenn sich die Resultate bestä­tigen, könnte dies einen echten Fortschritt bedeuten.
FDA News Release. Posted 04/11/2017.