Modernes Management von Hauttumoren
Wichtige Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Spezialisten und Hauttumorenzentren

Modernes Management von Hauttumoren

Übersichtsartikel AIM
Ausgabe
2017/33
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.03009
Schweiz Med Forum 2017;17(33):678-685

Affiliations
Dermatologische Klinik, UniversitätsSpital Zürich, Zürich

Publiziert am 16.08.2017

Hautkrebserkrankungen gehören zwar zu den häufigsten Malignomen beim Menschen, lassen sich aber in der Regel einfach rechtzeitig erkennen und kurativ behandeln. Die therapeutischen Möglichkeiten sind in den letzten Jahren wesentlich verbessert worden. Essentiell für das Management von malignen Hauttumoren und die klinische Forschung ist ein gut organisiertes Netzwerk aus Behandlungszentren und niedergelassenen Spezialisten.

Einleitung

Die Haut ist das Organ, das am häufigsten von mali­gnen Erkrankungen betroffen ist. Epitheliale Tumoren wie Basalzellkarzinome und spinozelluläre Karzinome sind so häufig, dass sie in den meisten Krebsregistern gar nicht erfasst werden. Das Melanom der Haut ist mit rund 2500 Neuerkrankungen pro Jahr die vierthäufigste Krebsart der Schweiz [1].
Hautkrebserkrankungen sind in den meisten Fällen einfach rechtzeitig zu erkennen und können in der ­Regel durch operative Massnahmen kurativ behandelt werden. Das Melanom der Haut steht im Fokus der neuen dermatoonkologischen Entwicklungen. Über die letzten fünf Jahre wurden neue immuntherapeutische Verfahren, Kinase-Inhibitoren und onkolytische Therapien entwickelt, die zu einer deutlichen Verbesserung der Langzeitprognose geführt haben [2].

Epitheliale Hauttumore

Rund 90% aller Hautmalignome sind epitheliale Tumore wie das Basalzellkarzinom (BCC) und das spinozelluläre Karzinom (SCC), die meist durch eine Exzision kurativ therapierbar sind.
Risikofaktoren für beide Malignome sind kumulative UV-Exposition, hohes Alter, sensible Haut auf UV-Strahlen (Hauttyp I und II), Immunsuppression und der Kontakt mit Arsen oder polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (z.B. beruflich). Daneben sind seltene genetische Erbkrankheiten wie das nävoide Basalzellkarzinom-Syndrom (Gorlin-Goltz-Syndrom), das Xeroderma pigmentosum und der Albinismus weitere Ri­sikofaktoren.
Entsprechend der Intensität der UV-Einstrahlung sind die bevorzugten Lokalisationen chronisch lichtex­ponierte Areale wie Kopf, Hals, Dekolleté, wobei eine Prädilektionsstelle für ein SCC die Unterlippe ist. Die Bevölkerung, insbesondere Personen mit Risikofaktoren, sollte unbedingt auf einen konsequenten Sonnenschutz achten. Somit gehört zu jeder dermatologischen Hautkrebsuntersuchung eine Beratung bezüglich UV-Schutzmassnahmen. Das heisst: Mittagssonne (11 bis 16 Uhr) meiden, Hut und langarmige Kleidung tragen und Sonnencreme mit Schutzfaktor 50+ an UV-exponierten Stellen grosszügig auftragen.
Nach der Exzision epithelialer Hauttumoren besteht ein hohes Risiko für Zweitmalignome; deshalb sind regelmässige, dermatologische Kontrollen je nach Befund in 6- bis 12-monatlichen Abständen indiziert [3, 4].

Basalzellkarzinom

BCC stammen von den Stammzellen der Haarfollikel ab und präsentieren sich klinisch je nach Typ unterschiedlich. Das klassische noduläre BCC (ca. 60% aller BCC) ­präsentiert sich als langsam wachsendes, hautfarbenes bis rötliches Knötchen, mit einem perlschnur­artigen Randsaum und Teleangiektasien. Die zentrale ­Ulzeration ist häufig. Das superfizielle BCC (oberflächliches BCC, Rumpfhautbasaliom) wächst als eher scharf begrenzte, leicht schuppende, rötlich-bräunliche makulöse Läsion. Das seltene szirrhöse BCC ähnelt klinisch ­einer Narbe mit infiltrierten atrophen Arealen mit Teleangiektasien und selten einer Ulzeration. Klinisch ist die Begrenzung dieses BCC-Typs schwer einzuschätzen [4].

Therapie

Bei den nodulären und szirrhösen BCC ist die chirurgische Entfernung die Therapie der Wahl. Dies entweder mit einem Sicherheitsabstand oder mittels mikro­skopischer Schnittrandkontrolle. Das superfizielle BCC kann – insbesondere in anatomisch unproblematischer Lokalisation – heute sehr gut alternativ mit Kryothe­rapie, Imiquimod-Creme oder photodynamischer Therapie behandelt werden. Die schnittrandkontrollierte Chirurgie erfolgt klassischerweise beim BCC an schwieriger Lokalisation (z.B. Augenlid) oder bei zu Invasion neigenden BCC-Typen (mikronodulärer, szirrhöser, basosquamöser Typ).
Als Alternative zu den chirurgischen Massnahmen eignet sich, besonders für Patienten ab dem 60. Lebensjahr, die Röntgenweichstrahlentherapie.
Medikamentöse Behandlungen mit Hedgehog-Inhibitoren (Vismodegib) bleiben den weit fortgeschrittenen oder metastasierenden BCC vorbehalten. Praktisch alle BCC sprechen darauf an. Diese Therapien müssen jedoch engmaschig durch den erfahrenen Dermato­onkologen überwacht werden [4].

Spinozelluläres Karzinom, aktinische Keratose, Keratoakanthom

Das SCC entsteht aus dem interfollikulären Plattenepithel der Haut. Dies typischerweise auf dem Boden eines Carcinoma in situ (aktinische Keratose oder Morbus Bowen), jedoch auch auf chronisch entzündeter oder normaler Haut.
Aktinische Keratosen sind sehr häufig und gehen in 0,025–1% pro Jahr in invasive Karzinome über, abhängig von kontinuierlicher UV-Exposition und individuellen Risikofaktoren. Klinisch präsentieren sich aktinische Keratosen als erythematöse Läsionen, die oft besser zu ertasten als zu sehen sind. Der M. Bowen ist klinisch eindrucksvoller und zeigt sich als eine relativ scharf begrenzte rötliche hyperkeratotische Plaque.
Die klinische Unterscheidung zwischen aktinischen Keratosen, dem M. Bowen und dem invasiven SCC ist oft schwierig, insbesondere bei hyperkeratotischen Läsionen. Fortgeschrittene Tumoren sind rötliche hyperkeratotische Noduli, die mehr oder weniger scharf begrenzt sind.
Eine Sonderform der epithelialen Hauttumoren stellt das schnell aufschiessende Keratoakanthom dar, welches sich spontan zurückbilden kann. Da es jedoch klinisch und histologisch sehr schwer von einem SCC unterschieden werden kann, wird es typischerweise ebenfalls proaktiv therapiert [3].

Therapie

Für die Therapie der aktinischen Keratosen stehen zahlreiche Behandlungsmethoden zur Verfügung: Physikalische Massnahmen wie die Kryotherapie mit flüssigem Stickstoff, die Radiotherapie und die photodynamische Therapie, wie auch medikamentöse Massnahmen mit Ingenolmebutat, Imiquimod oder topischem 5-Fluorouracil (5-FU).
Auch die Abtragung mit dem scharfen Löffel oder der Ringkürette ist eine gute Therapieoption, zumal sie ­zusätzlich die Möglichkeit zur histologischen Bestätigung der Diagnose bietet [5].
Das invasive SCC wird primär mit einem Sicherheits­abstand von 4 mm totalexzidiert. Dadurch können 95% aller Low-risk-SCC (Durchmesser <2 cm) rezidivfrei behandelt werden. Beim grösseren SCC (Durchmesser >2 cm), gilt es je nach Risikofaktoren einen grösseren chirurgischen Abstand zu wählen. Es kann auch hier schnittrandkontrolliert mit kleineren Sicherheitsabständen vorgegangen werden, damit mikroskopische Tumorausläufer entdeckt werden. Gut differenzierte SCC, insbesondere periorbital oder im Bereich der Nase, können auch sehr erfolgreich mit Röntgenweichstrahlen behandelt werden [3].
Risikofaktoren für eine Metastasierung beim SCC sind die Immunsuppression, besondere klinische Eigenschaften (Rezidivtumor, schnell wachsend, unscharfe Begrenzung, an radiotherapierter / chronisch entzündeter Stelle, an Ohren/Lippen) oder histologische Gegebenheiten (Tumordicke >4 mm, wenig differenziert, adenosquamöser/desmoplastischer/metaplastischer Subtyp, perineurale / Lymph- / Angioinvasion).
Je nach Risikoprofil empfiehlt sich ein Staging am Zentrumsspital zum Ausschluss einer Metastasierung. Die Chemoprophylaxe nach Totalexzision (mit Acitretin oder Nicotinamid) sollte interdisziplinär diskutiert werden, denn häufig betrifft das metastasierte SCC polymorbide Patienten [3, 5].

Merkelzellkarzinom

Das Merkzellkarzinom (MCC) ist ein sehr seltener, maligner und aggressiver Hauttumor, der wie das Melanom durch die Zunahme seiner Inzidenz ständig an Bedeutung gewinnt. Typischerweise sind Patienten im fort­geschrittenen Lebensalter (nach dem 60. Lebensjahr) und/oder immunsupprimierte Patienten (Organtransplantationsempfänger/Patienten mit Leukämien/Lymphomen) betroffen.
Für die Pathogenese ist das Merkelzellkarzinom-Virus von grosser Bedeutung. Dabei handelt es sich um ein Poliomavirus, das zusammen mit der UV-abhängigen Induktion der MCPyV-Mutation (in ca. 80% aller MCC) zur Pathogenese beiträgt. Davon unterschieden wird das seltenere MCPyV-negative MCC, bei dem man durch den Nachweis multipler UV-assoziierter Muta­tionen die chronische UV-Exposition als Hauptursache vermutet.
Klinisch manifestiert sich der Tumor als schnellwachsender, rötlicher und harter Knoten.

Therapie

Die primäre operative Behandlung wird üblicherweise durch eine lokale Radiotherapie ergänzt. Je nach Risikoprofil wird auch die Bestrahlung lokoregionärer Lymphknotenstationen in Erwägung gezogen. Auch bei diesem Hauttumor wird die Sentinellymphknotenbiopsie (SLNB) eingesetzt [6, 7].
Im Falle des metastasierten MCC standen früher ausschliesslich chemotherapeutische Massnahmen zur Verfügung, die nur kurzfristige Regres­sionen erzielen konnten. In den letzten Jahren sind immunmodulatorische Antikörper wie Pembrolizumab oder der ­Anti-PD-L1 ­Antikörper Avelumab erfolgreich eingesetzt worden. Somit gehört diese Erkrankung zu den Krebserkrankungen, bei denen die Immuntherapie einen deutlichen Fortschritt in der Behandlung erzielt hat [6].

Melanom

Melanome können durchaus schon im frühen Erwachsenenalter auftreten. Bei Frauen zwischen 20 und 30 Jahren sind sie die häufigste maligne Erkrankung [8].
Das mediane Erkrankungsalter des Melanoms liegt bei 53 Jahren, wobei 26% der erkrankten Menschen zum Zeitpunkt der Diagnose jünger als 50 Jahre sind [1].
Risikofaktoren für das maligne Melanom sind das Vorhandensein von über 100 Nävuszellnävi, multipler dysplastischer Naevi, positive Familien- oder Eigenanamnese für Melanom, Immunsuppression, heller Hauttyp, UV-Exposition und Sonnenbrände (besonders in der Kindheit) [8, 9].
Die Früherkennung von Melanomen ist wegen ihrer Neigung zur Metastasierung sehr wichtig. Selbstuntersuchungen der Haut durch die Patienten sollten regelmässig, also alle 3–6 Monate, stattfinden, um neu aufgetretene Veränderungen zu beurteilen. Es bieten sich zur klinischen Diagnostik drei Regeln an:
– das «ugly duckling sign»;
– die ABCD-Kriterien;
– die EFG-Kriterien (E = «elevated», F = «firm on palpation», G = «continuos growth») [9].
Die Dermatoskopie bleibt dem speziell dafür ausgebildeten Untersucher vorbehalten [10].

Melanomtypen

Am häufigsten (70% aller primär kutanen Melanome) wird ein Melanom vom superfiziell-spreitenden Typ (SSM) diagnostiziert. Darauf folgen das noduläre Melanom (NM) mit 15% und das Lentigo-maligna-Melanom (LMM) mit 10–15%. In der weissen Bevölkerung kommt das akro-lentiginöse Melanom (ALM) mit 1–3% relativ selten vor, dieses findet sich häufiger bei Personen mit dunkler Hautfarbe (Hauttyp IV–VI) [11]. Die klinischen und histologischen Befunde dazu finden sich in den Abbildungen 1 und 2.
Abbildung 1: Klinik. A) Superfiziell-spreitendes Melanom am Unterschenkel von 2 cm Durchmesser. Es zeigen sich Satelliten­läsionen, welche das primär horizontale Wachstumsmuster repräsentieren. Jedoch ist aufgrund des knötchenartigen Aspektes ein beginnendes vertikales Wachstum zu vermuten. B) Thorakal gelegenes noduläres Melanom. Klinisch zeigt sich ein primär vertikal wachsender, scharf begrenzter, mehrfarbiger Knoten von 5 mm Durchmesser. Neben dem nodulären weist es auch einen makulären Anteil auf. C) Dieses Lentigo-maligna-Melanom liegt an der Wange und misst im Durchmesser 1,5 cm. Das LMM ist typischerweise eine flache leicht pigmentierte Läsion mit unregelmässiger Begrenzung. D) Dieses randständig stark pigmentierte akro-lentiginöse Melanom liegt an der Ferse mit einen Durchmesser von 3 cm. Die Ulzeration ist bereits von blos­sem Auge erkennbar.
Abbildung 2: Histologie. A) Superfiziell-spreitendes Melanom (SSM), 4× vergrössert, HE Färbung: Bei diesem SSM kommt es zur Invasion und Durchsetzung der Dermis durch atypische Melanozyten und Lymphozyten. Der Breslow beträgt 0,75 mm, man fand keine Ulzeration, dafür ist die Mitosenrate mit >1 pro mm 2 erhöht. Tumorstadium pT1b. B) Noduläres Melanom (NM), 1,5× vergrössert, HE Färbung: Die polymorphen Melanomzellen bei diesem NM reichen bis ins subkutane Fettgewebe. Unter anderem zeichnen das exophytische Wachstum und die entzündliche Stromareaktion ein NM aus. Durch den Breslow von 2,7 mm und die vorhandene Ulzeration ergibt sich das Tumorstadium pT3b. C) Lentigo-maliga-Melanom (LMM), 10× vergrössert, immunhistochemische Färbung mit HMB45: Mittels der gezielten immunhistochemischen HMB45-Färbung lassen sich die Melanomzellen (rot) bei diesem LMM in der basalen Epidermis wie auch in der Tiefe invasiv um den Haarfollikel erkennen. Man misst hier einen Breslow von >7 mm. Tumorstadium pT4a. D)  Akro-lentiginöse Melanom (ALM) 2× vergrössert, HE Färbung: Beim Schnitt durch das ALM ist die Ulzeration gut am radikalen Abbruch der epidermalen Strukturen zu erkennen. Die Invasionstiefe misst >4 mm, somit Tumorstadium pT4b.
Folgende Melanomtypen sind sehr selten (zusammen 5%) und oft selbst für den erfahrenen Dermatologen schwierig zu erkennen: das meist rötliche amelano­tische Melanom, das Schleimhautmelanom, das desmoplastische und das Uvea-Melanom [8, 12, 13].
Das Melanom der Uvea ist der häufigste okuläre Tumor und entsteht aus Melanozyten in der Iris, im Ziliarkörper oder in der Choroidea. Klinisch zeigt sich dieses am häufigsten durch ein verschwommenes Sehen, jedoch bleiben einige Patienten asymptomatisch bis zur Dia­gnose. Bei der Hälfte der Erkrankten kommt es im Verlauf zur Metastasierung und dies am häufigsten in die Leber [13].

Die häufigsten Mutationen beim Melanom

Die häufigsten drei Genmutationen (BRAF, NRAS und NF1) tragen durch Aktivierung des MAP-Kinase-Signalübertragungsweges zur Proliferation und zum Über­leben der Tumorzellen bei (Abb. 3). 50 Prozent aller ­kutanen Melanome sind BRAF-mutiert. Das mutierte NRAS-Gen findet sich bei ca. 20% der kutanen Melanome und bei 5–10% der Schleimhautmelanome. Eine Mutation im Tumorsuppressorgen NF1 führt, durch den Wegfall des hemmenden NF1-Proteins, ebenfalls zu einer Aktivierung im MAPK-Signalweg. Dieses wird in 25–46% aller Melanome mit BRAF- und NRAS-«wildtype» gefunden. Bei «triple-wildtype»-Melanomen findet man keine der drei bisher beschriebenen Genmutationen. Dort sucht man nach dem mutierten GNAQ-Gen oder nach CKIT-Mutationen (meist beim ALM oder Schleimhautmelanom).
Abbildung 3: Die verschiedenen Wirkungsorte der Kinase-Inhibitoren und Immuntherapeutika.
Die «targeted therapy» mit BRAF- und MEK-Inhibitoren blockiert die Zellproliferation durch eine gezielte Hemmung des MAPK-Signalübertragungsweges in der Tumorzelle. Das Ziel der Immuntherapie ist die Blockierung von den immunsuppressiven ­Rezeptoren PD-1 oder CTLA-4, was zu einer T-Zell-Aktivierung und Bekämpfung der Tumorzellen führt. Die Proteine NRAS, BRAF, MEK und ERK gehören dem MAPK-Signalweg an, welcher zu Wachstum und Überleben der Zelle führt. 
Abkürzungen: MAPK = Mitogen-aktivierte Proteinkinase-Kaskade; PD-1 = Programmed Cell Death Protein-1; 
PD-L1 = PD-1-Ligand; CTLA-4 = Cytotoxic T-lymphocyte Antigen-4; MHC = Major Histocompatibility Complex
Beim Uvea-Melanom konnten folgende zwei Mutationen bisher am häufigsten nachgewiesen werden: GNAQ und GNA11. Diese codieren ein G-Protein und führen ebenfalls zur Aktivierung des MAPK-Signalweges [13, 14].

Diagnostik

Besteht nun der klinische Verdacht auf ein Melanom, sollte dies umgehend komplett exzidiert werden. Falls nicht selbst durchgeführt, sollte die Exzision innert zwei Wochen möglich sein. An anatomisch kritischen Stellen wie Gesicht oder Fusssohle ist eine Probebiopsie vor der Exzision zu erwägen. Retrospektive Untersuchungen zeigen keine Verschlechterung der Prognose durch ­vorangehende Probebiopsien im Vergleich zur primären Totalexzision [8].
Prognostische Faktoren, die aus der histologischen Evaluation abgeleitet werden können, bestimmen das therapeutische Vorgehen (Tab. 1). Dazu gehört die Tumordicke nach Breslow (in Millimetern), die Mitoserate sowie die Ulzeration. Selbstverständlich müssen die therapeutischen Massnahmen an die medizinische Gesamtsituation des Patienten (Komorbiditäten und Alter) angepasst werden.
Tabelle 1: Nach histologischem Befund abgestimmtes Vorgehen in Therapie und Nachsorge (modifiziert nach [8]).
InvasionstiefeTherapeutisches VorgehenNachsorgeuntersuchungen
Melanoma in situNachexzision mit 0,5 cm SicherheitsabstandKlinisch: Haut und LK 6-monatlich,
nach 3 Jahren alle 12 Monate
Breslow <1 mm Nachexzision mit 1 cm SicherheitsabstandKlinisch: Haut und LK 6-monatlich,
nach 3 Jahren alle 12 Monate
Breslow ≥1 mm oder
>0,8 mm mit Ulzeration
– <2 mm: Nachexzision mit 1 cm Sicherheits­abstand
– >2 mm: Nachexzision mit 2 cm Sicherheits­abstand
– SLNB als Staging-Massnahme in Betracht 
ziehen (an Zentrumsspital)
– Klinisch: Haut und LK 3-monatlich,
nach 3 Jahren alle 6,
nach 5 Jahren alle 12 Monate
– Bildgebung: Ultraschall LK 12-monatlich
– Labor: Protein S-100
Breslow >4 mm oder
Status nach LK-Metastasen
– PET-CT oder Ganzkörper-CT vor der SLNB ­vornehmen (Staging)
– Falls keine Fernmetastasen: Nachexzision 2 cm und SLNB
– Falls Metastasen: weiteres Vorgehen evaluieren bezüglich Systemtherapie
– Klinisch: Wie bei Breslow >1mm
– Bildgebung: PET-CT / Ganzkörper-CT 
12-monatlich über 5 Jahre
– Labor: Protein S-100
LK = Lymphknoten; SLNB = Sentinellymphknotenbiopsie
Die SLNB fordert besonders hohe Ansprüche an eine qualitativ hochstehende Interaktion der beteiligten Fachdisziplinen und sollte deshalb universitären Zen­tren vorbehalten bleiben. Wesentlich dabei ist unter ­anderem der direkte Vergleich der Histologie des Sentinellymphknotens mit dem Primärtumor.
Auch die Aufarbeitung des Sentinellymphknotens und der nuklearmedizinischen Verfahren müssen gut aufeinander abgestimmt sein. Nach älteren Empfehlungen wurde beim Nachweis von Mikrometas­tasen im Sentinellymphknoten auf jeden Fall eine Lymphadenektomie im betroffenen Bereich durchgeführt. Diese Empfehlungen sind nach neuesten Ergebnissen nicht mehr haltbar. Insbesondere bei kleinen Mikrometastasen sind diese Massnahmen nicht notwendig [8].
Zahlreiche grosse prospektive randomisierte klinische Studien untersuchen gegenwärtig den Effekt von neuen Medikamenten in der adjuvanten Situation. Die Er­gebnisse liegen bereits teilweise vor [15]. Deshalb ist es notwendig, dass die Patienten in spezialisierten Zen­tren kompetent beraten werden.
Die Behandlung des uvealen Primärtumors im Auge kann vorerst Bulbus-erhaltend erfolgen mittels einer Protonen-Bestrahlung [13].

Systemische Therapie beim metastasierten Melanom

In den letzten sieben Jahren wurden zahlreiche Medikamente für die Behandlung des fortgeschrittenen Melanoms zugelassen. Dazu gehören die Immuntherapeutika Ipilimumab (Anti-CTLA-4-Antikörper), Pembroli-
zumab und Nivolumab (Anti-PD-1-Antikörper) sowie die Kinase-Inhibitoren Dabrafenib, Vemurafenib, Cobimetinib und Trametinib (BRAF- und MEK-Inhibitoren).
Die Immuntherapeutika (auch Checkpoint-Inhibitoren genannt) blockieren in der Regel inhibitorische Oberflächenrezeptoren auf T-Zellen und lösen systemische Immunantworten aus, die auch das Nebenwirkungsprofil dieser Antikörper erklären.
Kinase-Inhibitoren (auch «targeted» bzw. gezielte Therapie genannt) blockieren das katalytische Zentrum der onkogen wirkenden Tyrosinkinasen [8].
Besondere Aufmerksamkeit verdient das kürzlich in der Schweiz zugelassene T-VEC (Talimogene laherparepvec [IMLYGIC®]). Dabei handelt es sich um ein onkolytisches, replizierendes Virus, das gentechnologisch modifiziert wurde und intraläsional ­appliziert wird. Die aktuelle Zulassung gilt für nicht operable Metastasen beim Stadium-III- und Stadium-IVa-Melanom. Das Medikament wird jedoch im Rahmen von klinischen Studien auch in Kombination mit Immuntherapeutika untersucht [16].
Chemotherapeutika kommen noch selten zum Einsatz, wenn die oben genannten Therapieoptionen und klinische Studien nicht infrage kommen.
Eine ganze Reihe von neuen Medikamenten sind aktuell in Entwicklung für die Behandlung verschie­dener Melanome. Dazu gehören im Bereich der Kinase-In­hibitoren die Pan-BRAF-Inhibitoren, ERK-Inhibitoren und andere kleine Moleküle, die in Signal-
übertragungswege eingreifen, sowie eine ganze Reihe von neuen immunmodulatorisch wirkenden Substanzen wie Anti-LAG-3, Anti-TIM oder GITR-Agonisten [17].
Die medizinische Versorgung und Betreuung im Rahmen von klinischen Studien ist im Vergleich zur Betreuung ausserhalb von klinischen Studien von sehr hoher Qualität. Deshalb sollte vor dem Start einer Systemtherapie der Einschluss in einer klinischen Studie geprüft werden [18].
Eine besondere Herausforderung für die Systemtherapie stellen Uvea-Melanome dar. Sie reagieren sehr schlecht auf die bis jetzt zur Verfügung stehenden Medikamente. Deswegen sollten diese Patienten primär im Rahmen von klinischen Studien behandelt werden.
Aktuelle Ansätze beinhalten den Einsatz von Pan-BRAF- oder ERK-Inhibitoren, spezielle Methoden einer lokalen Perfusionstherapie, aber auch neue immunmodula­torische Medikamente wie rekombinant hergestellte lösliche T-Zell-Rezeptoren, die das melanozytäre Differenzierungsantigen GP100 erkennen (IMCgp100) [13].
Leider ist die Forschungstätigkeit im Bereich des metastasierenden Uvea-Melanoms nicht sehr hoch, was auch damit zusammenhängt, dass die Erkrankungen sehr selten sind. Die Dermatologische Klinik des UniversitätsSpitals Zürich wird sich im Jahr 2017 vermehrt dieser Patienten annehmen und mehrere klinische Studien für dieses Patientenkollektiv aktivieren.

Ausblick

In den letzten Jahren sind die therapeutischen Möglichkeiten bei malignen Hauttumoren, insbesondere beim Melanom und dem MCC, wesentlich verbessert worden. Das Melanom hat sich zu einer Vorreitererkrankung für die Entwicklung zielgerichteter Behandlungsoptionen und der Immuntherapie entwickelt. Die Erfolge sind eindrücklich, jedoch besteht Verbesserungspotential, insbesondere bei der Auswahl der Patienten für die einzelnen Therapieoptionen, durch die Etablierung geeigneter Biomarker und bei der Vermeidung beziehungsweise Behandlung von Nebenwirkungen. Eine ganze Reihe von neuen Molekülen sind in der präklinischen respektive frühen Phase der klinischen Entwicklung und müssen so schnell wie möglich in das aktuelle Therapieschema integriert werden.
Somit besteht erheblicher Bedarf an aufwendiger klinischer Forschung, wobei der Forschungsprozess durch einen umfangreichen translationalen Teil, auch mithilfe von Biobanken, unterstützt werden muss.
In diesem Umfeld ist es essentiell, dass in der Schweiz spezialisierte Behandlungszentren etabliert werden, die sich in Netzwerken organisieren. Niedergelassene Ärzte, Onkologen wie Dermatologen, werden gebeten, sich an eines der Zentren anzuschliessen und – bevor sie die Patienten mit fortgeschrittenen Hauttumoren mit den bereits zugelassenen Medikamenten behandeln – abzuklären, ob ein Patient nicht besser im Rahmen einer klinischen Studie behandelt werden kann. Auch bei Behandlungen ausserhalb von klinischen Studien ist die Betreuung im Zentrum sinnvoll, weil nur dort entsprechende Gewebe- und Blutproben in einer Biobank gesammelt werden können.

Das Wichtigste für die Praxis

• Jeder praktizierende Arzt trägt zur Früherkennung von Hautkrebs bei.
• Die relevantesten Risikofaktoren des Melanoms sind: Hauttyp I–II, >100 Naevi, Immunsuppression, positive Familienanamnese, UV-Exposition.
• Auffällige, neu gewachsene oder sich verändernde Hautveränderungen, die >4–6 Wochen nicht abheilen biopsieren.
• Die histologische Beurteilung bestimmt die Therapie und Prognose.
• Ein Melanom >1 mm oder bei pT1b >0,75 mm sollte einem Zentrumsspital zur Nachexzision und Evaluation der Sentinellymphknotenbiopsie zugewiesen werden.
• Die intensive klinische und experimentelle Forschung zu Hautkrebserkrankungen führte in den letzten Jahren zu neuen Medikamenten, die bei guter Lebensqualität einen nachgewiesenen Einfluss auf das Gesamtüberleben des Patientenkollektives ermöglichen.
• Trotz der Zulassung einiger neuer Medikamente sollten klinische Studien weitergeführt werden: Dies zur Evaluierung von Nebenwirkungen, zur Erkennung von Non-Responders und zur individuellen Anpassung der Therapien.
• Somit wird eine Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Spezialisten und Hauttumorzentren immer wichtiger, um den Patienten die optimal abgestimmte Therapie anbieten zu können.
Prof. Dummer has intermittent, project focused consulting and/or advisory relationships with Novartis, Merck Sharp & Dohme (MSD), Bristol-Myers Squibb (BMS), Roche, Amgen, Takeda, Pierre Fabre outside the submitted work. The other authors haven’t reported any financial support or other potential conflict of interest relevant to this article.
Prof. Dr. med.
Reinhard Dummer
Stv. Klinikdirektor
Hautkrebszentrum
Dermatologische Klinik
UniversitätsSpital Zürich
Gloriastrasse 31
CH-8091 Zürich
reinhard.dummer[at]usz.ch
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