Colitis ulcerosa: ein weiterer Fortschritt?

Colitis ulcerosa: ein weiterer Fortschritt?

Und anderswo ...?
Ausgabe
2017/37
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.03015
Schweiz Med Forum 2017;17(37):781

Publiziert am 13.09.2017

Colitis ulcerosa: ein weiterer Fortschritt?

Fragestellung

Colitis ulcerosa, die durch blutige Diarrhoe gekennzeichnet ist, kann die Lebensqualität der Patienten stark beeinträchtigen. Zwar gibt es Behandlungen (Mesalazin, Steroide, Thiopurine, TNF-alpha-Blocker), jedoch ist eine Vielzahl an therapeutischen Möglichkeiten häufig ein Hinweis darauf, dass keine davon wirklich gut ist. Januskinasen (JAK) sind intrazelluläre Tyrosinkinasen. Die JAK-Signalwege regulieren die Syntheseaktivität zahlreicher an der Immunantwort beteiligter Substanzen wie γ-Interferon und sehr vieler Interleukine. Letztere sind an der Pathogenese von Colitis ulcerosa beteiligt. Tofacitinib ist ein kleines Molekül, das alle JAK, insbesondere jedoch JAK 1 und 3 hemmt. Wie wirksam ist es bezüglich der Einleitung einer Remission und ihrer Erhaltung bei Colitis ulcerosa?

Methode

Von 2012–2016 wurden drei randomisierte, doppelblinde, plazebokontrollierte Studien durchgeführt. In OCTAVE-Induction-1 und -2 wurden Patienten ab 18 Jahren mit mindestens seit 4 Monaten bestehender Colitis ulcerosa untersucht. Diese litten an moderater bis schwerer Colitis ulcerosa mit einem Mayo-Score von 6–12 (Score von 0–12) und einem Subscore für rektale Blutungen von 2–3 (Score von 0–3). Die Probanden wurden im Verhältnis von 4:1 randomisiert und erhielten 8 Wochen lang entweder 2 × täglich 10 mg Tofacitinib p.o. oder ein Plazebo. In Woche 0, 2, 4 und 8 wurde der Mayo-Teilscore (ohne endoskopischen Befund) ermittelt. Primärer Endpunkt war eine Remission mit einem Mayo-Gesamtscore von <2 nach 8 Wochen. Die Patienten, welche auf die Induktionstherapie angesprochen hatten, wurden in die Erhaltungsstudie OCTAVE Sustain eingeschlossen und im Verhältnis von 1:1:1 randomisiert. Sie erhielten entweder 2 × täglich 5 mg Tofacitinib, 10 mg Tofacitinib oder ein Plazebo. Die Erhaltungsstudie dauerte 52 Wochen und der primäre Endpunkt war eine Remission zum Studien­ende.

Resultate

In OCTAVE 1 wurden 122 Patienten unter Plazebo und 476 unter Tofacitinib eingeschlossen. In OCTAVE 2 waren dies 112 bzw. 479 Patienten. Nach 8 Wochen betrug die Remissionsrate unter Tofacitinib 18,5 bzw. 16% und unter Plazebo 8,2 bzw. 3,6% (p <0,001). In der Erhaltungsstudie (n = 198, 198 und 196) wurde in Woche 52 von 34,3% der Gruppe, die 2 × 5 mg und von 40,6% der Gruppe, die 2 × 10 mg Tofacitinib erhielt, eine Remission erreicht, gegenüber 11,1% in der Plazebogruppe. 10 Patienten der Erhaltungsgruppe mit 2 × 10 mg Tofacitinib erkrankten an Herpes zoster.

Probleme und Kommentar

Wahrscheinlich ist Tofacitinib eine zusätzliche Waffe gegen Colitis ulcerosa mit einem kleinen, oral verabreichten Molekül, selbst wenn die Remissionsrate nach 8 Wochen nicht sehr hoch ist. 8 Wochen sind jedoch eine sehr kurze Zeit, um die Ausheilung eines entzündeten und ulzerierten Darms zu erreichen … In der Erhaltungsgruppe waren die Resultate beeindruckender, diese enthielt jedoch per definitionem ausschliesslich Patienten, die auf die Induktionstherapie angesprochen hatten. Nichtsdestotrotz sollte erwähnt werden, dass in der Erhaltungsgruppe 44 und 35,7% der Patienten unter Tofacitinib sowie 23% unter Plazebo aufgrund fehlender Wirksamkeit und Nebenwirkungen aus der Studie ausgeschieden waren. Ein gewisser Fortschritt, jedoch noch kein Paradigmenwechsel …
Sandborn WJ, et al. N Engl J Med. 2017;376(18):1723–36.

11-jähriges Follow-up nach Behandlung von HER2-positivem Brustkrebs: 1 oder 2 Jahre Trastuzumab?

Nachdem sie eine vollständige Behandlung aufgrund von Brustkrebs im Anfangsstadium erhalten hatten (Operation, Chemotherapie, Strahlentherapie) erhielten 1702 Patientinnen entweder ein oder zwei Jahre lang eine adjuvante Therapie mit dem Anti-HER2-Antikörper Trastuzumab. 11 Jahre später wurde ersichtlich, dass die Verlängerung der Trastuzumabbehandlung auf zwei Jahre in Bezug auf das rezidivfreie Überleben (69% in beiden Gruppen) keinerlei Nutzen erbracht hatte. Gute medizinische und wirtschaftliche Neuigkeiten!
Cameron D, et al. Lancet. 
2017;389(10075):1195–205.

NSAR und Myokardinfarkt: Gefahr?

Eine Metaanalyse von 4 Studien an >61 000 Patienten mit und 385 000 ohne Herzinfarkt hat ziemlich beunruhigende Resultate ergeben. Im Vergleich zu Personen, die keine NSAR einnahmen, betrug die OR für einen Myokard­infarkt nach nur einwöchiger NSAR-Einnahme bei Celecoxib 1,24, bei Ibuprofen 1,48, bei Diclofenac 1,5 und bei Naproxen 1,53. Dies muss Patienten mit koronarer Herzkrankheit mitgeteilt werden!
Bally M, et al. BMJ.2017;357:j1909

Bleibelastung und IQ

Bei 1000 Kindern in Neuseeland wurde von 1972–3 die Blutbleikonzentration gemessen. Ihr Durchschnittswert betrug 11 ± 4,6 µg/dl (zulässiger Normwert: 9 µg/dl bei Männern und 7 µg/l bei Frauen). Im Alter von 38 Jahren wurden sie komplexen Tests unterzogen: IQ, Sprachverständnis, Gedächtnis usw. Nach der Bereinigung um sozioökonomische Faktoren und IQ der Mutter stellte sich heraus, dass der IQ mit jeder Erhöhung der Bleibelastung um 5 µg/dl um 1,7 Punkte abnahm war. Das Gedächtnis und bestimmte kognitive Tests waren ebenfalls beeinträchtigt. Wenn man sieht, unter welchen Bedingungen Kinder in der Dritten Welt auf Müllhalden arbeiten und elektronische Komponenten verbrennen, kann man sich nur um sie sorgen. Was tun?
Reuben A, et al. JAMA. 2017;317(12):1244–51.

Osteoporosefrakturen unter ­Antikoagulation: Dabigatran oder ­Vitamin-K-Antagonist?

Vitamin-K-Antagonisten stören die Carboxylierung von Glutamatresten und hemmen die Aktivierung von Proteinen der Knochenma­trix, wodurch laut einer früheren Studie Frakturen begünstigt werden. In einer Kohorte von 8152 Patienten, die aufgrund von nicht-valvulärem Vorhofflimmern Antikoagulanzien erhielten, verringerte die Einnahme von Dabigatran im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten das Frakturrisiko: Bei einem ca. 500-tägigen Follow-up betrug es 0,7 vs. 1,1 pro 100 Patientenjahre. Gut zu wissen!
Lau WC, et al. JAMA. 2017;317(11):1151–8.