Lungenemphysem
Eine der häufigsten nichtübertragbaren Erkrankungen

Lungenemphysem

Übersichtsartikel AIM
Ausgabe
2017/43
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.03078
Schweiz Med Forum 2017;17(43):917-924

Affiliations
Kantonsspital St. Gallen, St. Gallen
a Klinik für Pneumologie/Schlafmedizin; b Klinik für Thoraxchirurgie; c Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin

Publiziert am 25.10.2017

Das Lungenemphysem ist häufig, wird gelegentlich mit der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) vermischt oder gleichgesetzt und meist durch beeinflussbare Risikofaktoren verursacht. Gemäss der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehören COPD und Lungenemphysem zu den weltweit häufigsten nichtübertragbaren Erkrankungen. In den letzten Jahren sind verschiedene neue Verfahren der speziellen Emphysemtherapie entwickelt und etabliert worden.

Definition

Der Begriff «Lungenemphysem» stammt aus der Pathologie und ist definiert als permanente, abnormale Erweiterung der Lufträume distal der terminalen Bronchiolen. Es betrifft also respiratorische Bronchiolen, Alveolargänge, Alveolarsäcke und Alveolen, die als funktionelle Einheit «Azinus» zusammengefasst werden. Damit geht eine Zerstörung der Alveolarwände einher, wobei im Gegensatz zu bestimmten intersti­tiellen Pneumopathien keine Fibrose, sondern eine Rarefizierung der Alveolen und des Gefässbettes und somit der Gasaustauschfläche entsteht.

Morphologische Einteilung

Die verschiedenen Subtypen des Emphysems werden anhand der betroffenen Struktur des Lungenläppchens (= Azinus) definiert. Das «zentroazinäre» oder synonym «zentrilobuläre» Emphysem betrifft die re­spiratorischen Bronchiolen, also den proximalen Anteil des Azinus. Diese häufigste Form ist meistens mit dem Tabakrauchen assoziiert und öfter in den apikalen Lungenabschnitten lokalisiert. Beim «panazinären» oder synonym «panlobulären» Emphysem ist der gesamte Azinus betroffen. Dies kann einerseits die Endform eines Rauch-assoziierten Emphysems sein oder beispielsweise durch einen Alpha-1-Antitrypsinmangel verursacht werden. Beim «distal-azinären» oder «paraseptalen» Emphysem ist primär der Alveolargang betroffen.
Zusätzlich wird die Verteilung des Emphysems beurteilt. Es wird zwischen einem «homogenen» und einem «heterogenen» Emphysem unterschieden. Bei einem homogenen Emphysem sind die Lungenlappen eher gleichmässig «emphysematös» verändert, wohingegen beim heterogenen Emphysem ein Lungenlappen oder Segmente desselben deutlich stärker emphysematös verändert sind als andere Lungenareale. Neben der Pathologie der terminalen Atemwege und Alveolen gilt es zu beachten, dass das Emphysem häufig mit Pathologien der weiter proximalen Atemwege einhergeht – typischerweise Bronchialwandverdickungen, Bronchiektasien, Mukusimpaktation oder Bronchiolitiden. Die Kombination von veränderten Alveolen und Atemwegen ist verantwortlich für den variablen Grad einer assoziierten obstruktiven Ventila­tionsstörung. Diese Beziehung wird durch das «COPD-Venn-Diagramm» verdeutlicht (Abb. 1). Dieses beschreibt die Zusammenhänge respektive Überlappungen von chronischer Bronchitis, Emphysem, COPD, Asthma, Lungenfibrose und weiteren Konditionen mit einer Atemflussbehinderung.
Abbildung 1: Modifiziertes COPD-Venn-Diagramm (modifiziert gemäss [4]). Die Flächen der einzelnen Subgruppen sind nicht proportional zur Prävalenz. 
COPD = «chronic obstructive pulmonary disease»; IPF = «idiopathic pulmonary fibrosis»; CPFE = «combined pulmonary fibrosis and emphysema»; ACO = «asthma-COPD-overlap».

Ätiologische Einteilung und Pathogenese

Kongenitales lobäres Emphysem

Dies ist eine seltene angeborene Entwicklungsstörung der unteren Atemwege, die zu einer Hyperinflation ­eines oder mehrerer Lungenlappen führt und oft mit weiteren Pathologien anderer Organsysteme assoziiert ist (vor allem kardiovaskulär). Die Therapie besteht meistens in der operativen Entfernung der betroffenen Areale.

Alpha-1-Antitrypsinmangel

Dabei kommt es durch ein gestörtes Gleichgewicht zwischen der Neutrophilen-Elastase und dem lungenprotektiven Elastasen-Inhibitor Alpha-1-Antitrypsin (AAT) zu einer progredienten Degradation des Lungenparenchyms mit der Folge eines Lungenemphysems. Typische Hinweise auf einen möglichen AAT-Mangel sind die folgenden Charakteristika: Alter <45 Jahre, Nichtraucher oder minimale Raucheranamnese, basale Prädominanz des Emphysems, positive Familienanamnese für ein Emphysem.

Weitere molekulare Risikofaktoren

Auch ein Mangel an Antioxidanzien, bestimmte Genpolymorphismen, eine Variabilität antioxidativer Enzyme, eine Metalloproteinasen-Dysregulation oder ein Elastasen-Überschuss können über das in diesen Fällen entstehende Ungleichgewicht zwischen schädigenden und protektiven Faktoren zu einem Lungenemphysem führen.

Schadstoffassoziiertes / berufsbedingtes Emphysem

Die mit Abstand häufigste Ursache des Lungenemphysems ist das Rauchen. Auch jegliche anderen inhalativen Noxen, die meistens berufsbedingt über längere Zeiträume inhaliert werden, sind als Auslöser bekannt (z.B. Feinstaub, Stäube, Gase, Dämpfe oder organische Antigene). Im Rahmen der durch die Inhalationsnoxen induzierten chronischen Entzündung kommt es zu einer Freisetzung von Proteasen inklusive Elastasen durch Leukozyten, welche wiederum die Schädigung des Lungenparenchyms zur Folge haben.

Overlap-Syndrome

Wie bereits angedeutet existieren verschiedene Mischformen zwischen anderen pneumologischen Entitäten mit dem Lungenemphysem. So spricht man beispielsweise von einer «combined pulmonary fibrosis and emphysema» (CPFE), wenn die Kombination aus Lungenfibrose und Lungenemphysem vorliegt. Die Mischform aus Asthma und COPD (mit oder ohne Lungenemphysem) wird als «asthma-COPD-overlap» (ACO) bezeichnet.

Pathophysiologische Konsequenzen

Aufgrund der Verminderung der für den Gasaustausch zur Verfügung stehenden Oberfläche beim Lungenemphysem nimmt mit zunehmender Ausprägung die Diffusionskapazität der Lunge ab. Dies kann in der Folge zur Hypoxämie führen. Auch die statischen und dynamischen Lungenvolumina können in unterschiedlichem Ausmass verändert sein – in Abhängigkeit des vorliegenden «Gesamtphänotyps» (Abb. 1). Durch die Verminderung der elastischen Rückstellkräfte («lung elastic recoil») des Lungenparenchyms wird eine bronchiale Obstruktion begünstigt. Je nach Ätiologie und Ausprägung von assoziierten Faktoren können verschiedene pathophysiologische Mechanismen das klinische Bild prägen und die gewählten Therapieoptionen beeinflussen:
– irreversible obstruktive Ventilationsstörung bei gleichzeitig vorliegender COPD;
– (teil-)reversible obstruktive Ventilationsstörung bei Vorliegen eines Asthma bronchiale beziehungsweise eines ACO;
– statische und/oder dynamische Hyperinflation;
– Veränderung der mukoziliären Clearance Mukus­impaktation;
– Veränderung des Lungenmikrobioms Infekte;
– Ventilations-/Perfusionsmismatch;
– pulmonale Hypertonie, WHO-Diagnosegruppe 3;
– Hypoxämie – Typ 1 respiratorisches Versagen;
– Hyperkapnie – Typ 2 respiratorisches Versagen.

Klinik

Die klinische Präsentation des Lungenemphysems hängt stark von der Ausprägung der verschiedenen pathologischen und pathophysiologischen Komponenten ab. Die Kardinalsymptome der COPD sind Dyspnoe (zunächst nur bei Anstrengung, später eventuell in Ruhe), chronischer Husten und chronische Sputumproduktion. Das häufigste Frühsymptom ist eine Anstrengungsdyspnoe. Wenn das Lungenemphysem der dominante Faktor ist, steht die Dyspnoe als Symptom im Vordergrund.

Diagnostik

Körperliche Untersuchung

Typische Befunde bei der körperlichen Untersuchung sind hypersonorer Klopfschall, verminderte oder abwesende Atemgeräusche («silent chest»), eine verminderte Zwerchfellbeweglichkeit und ein «Fassthorax». Es ist auch auf Zeichen einer zentralen Zyanose oder einer pulmonalen Kachexie zu achten.

Funktionelle Abklärung

Zur Basisdiagnostik gehören eine Spirometrie und eine Bodyplethysmographie zur Bestimmung der dynamischen respektive statischen Lungenvolumina sowie eine Messung der Diffusionskapazität. Zur Quantifizierung der meist vorliegenden Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit und zur Beurteilung einer möglichen Hypoxämie/Hyperkapnie können 6-Minuten-Gehtest, Spiroergometrie, Sit-To-Stand-Test und arterielle Blutgasanalyse (ABGA) herangezogen werden.

Labor

Eine einmalige Testung des AAT-Serumspiegels im Entzündungsfreien Intervall wird bei allen neu diagnostizierten COPD-Patienten empfohlen.

Bildgebung

Initial wird in den meisten Fällen ein Röntgen-Thorax als erste bildgebende Massnahme gewählt (Abb. 2).
Abbildung 2: Röntgenuntersuchung des Thorax (pa) eines Patienten mit Lungenemphysem (Kantonsspital St. Gallen) mit folgenden typischen Befunden: rasches «tapering» der ­Gefässstrukturen, vermehrte Strahlentransparenz der Lunge, abgeflachte Zwerchfelle, langer, schmaler Herzschatten, ­Horizontalstellung der Rippen.
Zur Bestätigung des Vorliegens eines Emphysems, zu dessen Quantifizierung, Beurteilung der Verteilung und Charakterisierung ist aber eine hochauflösende Computertomographie (HRCT) des Thorax notwendig (Abb. 3).
Abbildung 3: CT-Thoraces von 3 Lungenemphysem-Patienten (Kantonsspital St. Gallen): A) zentrilobulär, heterogen, oberlappenbetont (transversal/koronar); B) zentrilobulär, homogen, oberlappenbetont (transversal/koronar); C) panlobulär bei Alpha-1-Antitrypsin-Mangel («PiZZ»), Unterlappen (transversal/koronar).

Erweiterte bildgebende und endoskopische Verfahren vor einer Lungen­volumenreduktion

Mit der HRCT können die bereits genannten morphologischen Subtypen genauer differenziert werden. In der Evaluation einer Lungenvolumenreduktion (LVR) ist ein HRCT notwendig, um das Emphysem zu dia­gnostizieren, zu charakterisieren und die Verteilung zu dokumentieren. Weiterhin kann mittels HRCT die Integrität der interlobären Fissuren beurteilt werden (Abb. 4). Es dient auch dazu, potentielle strukturelle Kontraindikationen auszuschliessen. Mit den heute gängigen CT-Techniken kann auch eine Quantifizierung des Emphysems durchgeführt und anhand derer Homogenität respektive Heterogenität nachgewiesen werden (Abb. 5).
Abbildung 4: CT-Thorax, transversal. A) Der weisse Pfeil markiert eine durchgehende Interlobärfissur. B) Der weisse Pfeil ­markiert das mediale Ende einer unterbrochenen Interlobärfissur.
Abbildung 5: Farbliche Darstellung der Emphysem-Verteilung mittels CT-3D-Rekonstruktion (Kantonsspital St. Gallen).
A) Darstellung der Gewebsdichte anhand der Hounsfield-Einheiten (HU). 
 B) Darstellung von Perfusion (rot) und Emphysem (blau).
Mit einer Perfusionsszintigraphie in SPECT-CT-Technik kann die anteilige verbleibende Funktion der emphysematösen Areale anhand der Perfusion beurteilt werden (Abb. 6).
Abbildung 6: SPECT-CT (Kantonsspital St. Gallen). Der apikale linke Unterlappen zeigt keine Perfusion und stellt daher ein mögliches Ziel für eine Lungenvolumenreduktion dar.
Eine Bronchoskopie mit «Chartis®»-Messung (Abb. 7) dient zur Messung beziehungsweise zum Ausschluss einer «Kollateralventilation», die zur Auswahl des angepassten LVR-Verfahrens wichtig ist (siehe unten).
Abbildung 7: Chartis ® -Messung mit Darstellung einer fehlenden Kollateralventilation, erkennbar am Rückgang der Luftflusskurve gegen Null über die Zeit (Kantonsspital St. Gallen).

Therapie

Basistherapie

Die Basistherapie des Lungenemphysems richtet sich primär nach der Ätiologie und den individuell beteiligten pathophysiologischen Mechanismen.
Essentiell sind die Elimination jeglicher inhalativer Noxen, allen voran der Rauchstopp, weiterhin die optimale pharmakologische und nichtpharmakologische Therapie der COPD (diesbezüglich verweisen wir auf die aktuelle GOLD-Richtlinie 2017, siehe auch Abb. 8). Insbesondere ist auf die Wichtigkeit und Wirksamkeit einer ambulanten oder stationären pulmonalen Rehabilitation hinzuweisen.
Abbildung 8: Algorithmus zur Therapie des Lungenemphysems. 
LVR = Lungenvolumenreduktion; RV = Residualvolumen; TLC = totale Lungenkapazität; FEV1 = Einsekundenkapazität; mMRC = Modified Medical Research Council; 6MWT = 6-Minuten-Gehtest; DLCO = CO-Diffusionskapazität; LVEF = ­linksventrikuläre Ejektionsfraktion; sPAP = systolischer Pulmonalisdruck; HRCT = hochauflösende Computer­tomographie; LVRS = chirurgische Lungenvolumenreduktion.
Indikationen für eine Substitution bei nachgewiesenem AAT-Mangel mit dem Ziel, die Progression des Lungenemphysems zu verlangsamen, sind die folgenden (alle müssen erfüllt sein):
– AAT-Mangel der Genotypen «PiZZ», «PiZ0», «Pi00» oder «PiSZ»;
– erniedrigte AAT-Serumspiegel;
– Nie- oder Ex-Raucher/in;
– progredientes Lungenemphysem trotz optimaler sonstiger Therapie der COPD.
Bei chronischer Mukusimpaktation aufgrund einer Veränderung der mukoziliären Clearance können ­analog zur Bronchiektasentherapie eine regelmässige ­Inhalationstherapie mit hypertoner Kochsalzlösung und eine Sekretmobilisierung mittels verschiedener Hilfsmittel (z.B. Flutter) indiziert sein. Eine pulmonale Hypertonie (PH) im Rahmen des Lungenemphysems entspricht der WHO-Gruppe 3. Hervorzuheben ist, dass diese Form der PH typischerweise nicht mit spe­zifischen Medikamenten für pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH) behandelt wird. Bei Vorliegen einer chronischen Ruhehypoxämie respektive Typ 1 respiratorischem Versagen kann je nach Schweregrad eine Dauersauerstofftherapie indiziert sein. Bei chronischer Hyperkapnie respektive Typ 2 respiratorischem Versagen kann eine langfristige nichtinvasive Ventilation (NIV) indiziert sein.

Lungenvolumenreduktion

Es existieren verschiedene Verfahren der LVR zur Behandlung des schweren Lungenemphysems mit Lungenüberblähung. Die Differentialindikation zu solchen Techniken ist Zentren mit entsprechender Erfahrung vorbehalten. Hervorzuheben ist, dass aktives Rauchen eine klare Kontraindikation für alle spezialisierten Formen der Emphysemtherapie darstellt. Eine interdisziplinäre Diskussion («Emphysem-Board») zwischen Pneumologen, Radiologen, Thoraxchirurgen und interventionellen Pneumologen zur Auswahl des geeigneten Verfahrens ist empfohlen.

Chirurgische Lungenvolumenresektion

Die erste Form war die chirurgische LVR («lung volume reduction surgery» [LVRS]), die im Jahr 1957 erstmalig durchgeführt wurde. Dabei wird ein- oder beidseitig ein peripherer, vom Emphysem stark betroffener Lappenanteil reseziert. Initial wurde der Eingriff bilateral via Sternotomie durchgeführt. Heutzutage erfolgt dies uni- oder bilateral, aber vor allem thorakoskopisch. Die LVRS braucht eine Intubationsnarkose und ist mit einer gewissen Morbidität und Mortalität behaftet. Der NET-Trial konnte die initial ausserordentlich guten Resultate nicht bestätigen, woraufhin die Häufigkeit der LVRS signifikant abnahm. Dies führte in den letzten Jahren zur Entwicklung weniger invasiver, teils reversibler, endoskopischer Verfahren zur LVR.

Bronchoskopische Lungenvolumenreduktion

Endobronchiale/intrabronchiale Ventile («endo­bronchial valves», «intrabronchial valves»)
Die bronchoskopische Einlage von Einwegventilen wurde 2002 erstmalig beschrieben. Diese werden in die Segmentbronchien des am meisten emphysematösen Lungenlappens eingelegt. Dadurch kann Luft bei Exspiration aus dem betroffenen Lappen entweichen, jedoch bei Inspiration nicht mehr hinein gelangen (Abb. 9). Dies führt zu einer Atelektase dieses Lappens, falls keine kollaterale Ventilation zwischen den benachbarten Lappen besteht. Die Atelektase lässt intrathorakalen Platz für die restlichen, funktionelleren Lungenanteile freiwerden. Die Ventilbehandlung von einzelnen Segmentbronchien kann nicht effizient sein, da die Segmente gegeneinander nicht abgedichtete anatomische Strukturen sind. Hauptkomplikationen nach Ventileinlage sind COPD-Exazerbationen, Hämoptoe, Ventildislokation und Pneumothorax (bis 20%, meistens innerhalb der ersten 4 Tage). Der postinterventionelle Pneumothorax tritt häufiger bei Patienten mit guter Atelektasenbildung auf und ist somit auch eine Art Erfolgsprädiktor. Diese Patienten haben häufig guten klinischen Erfolg, vorausgesetzt der Pneumothorax wird adäquat behandelt. Ventile sind die einzige reversible bronchoskopische Methode zur LVR.
Abbildung 9: Endobronchiale Ventile in den Segmentbronchien des rechten ­Oberlappens (Kantonsspital St. Gallen).
Spiralen («coils»)
Bei dieser Methode werden Nitinol-Spiralen endo­skopisch in alle Subsegmente eines Lungenlappens implantiert. Dabei wird die Volumenreduktion durch eine Kompression des Lungenparenchyms durch die sich nach der Implantation zusammenziehenden Spiralen erreicht (Abb. 10). Typischerweise wird dieser Eingriff nach einem Intervall von zirka zwei Monaten auch auf der Gegenseite durchgeführt. Pro Lappen und Hemithorax werden 10–14 Spiralen implantiert. Hauptkomplikationen sind COPD-Exazerbationen, Hämoptoe, transiente Thoraxschmerzen, Pneumonie und Pneumothorax (meistens in den ersten Wochen nach der Intervention). Aufgrund der Irreversibilität dieser Methode werden allfällige spätere chirurgische Massnahmen zumindest schwieriger durchführbar.
Abbildung 10: «Coils» in beiden Oberlappen 
(Kantonsspital St. Gallen).

Experimentelle Methoden

– Bronchoskopische thermale Dampf-Ablation («bronchoscopic thermal vapor ablation»)
Dabei wird Wasserdampf in den entsprechenden Lungenlappen instilliert. Dadurch kommt es zu einer Entzündungsreaktion mit konsekutiver Vernarbung und dadurch Retraktion des Lungenparenchyms mit in der Folge einer Volumenreduktion. Für diese Methode existiert noch wenig Evidenz, weiterhin ist sie mit einer relevanten Komplika­tionsrate assoziiert (meistens in Form einer schweren lokalen Inflammation mit prolongiertem Spitalaufenthalt). Auch hier wurde analog zum Pneumothorax bei den Ventilen beobachtet, dass Patienten mit postinterventionellen Komplikationen längerfristig eine höhere klinische Erfolgsrate aufwiesen. Diese Form der Therapie ist aktuell in der Schweiz noch nicht standardmässig verfügbar.
– Biologische Lungenvolumenreduktion («biologic lung volume reduction»)
Dabei wird ein synthetisches Polymer in die Bronchien instilliert, welches über Remodeling und Narbenbildung zur Atelektase führt. Das Nebenwirkungsprofil ist vergleichbar mit dem der Dampf-Ablation. Auch diese Methode befindet sich noch in der experimentellen Phase und ist noch nicht standardmässig verfügbar.

Ausblick

Zurzeit werden weitere neue interventionelle Verfahren der LVR erforscht und die beschriebenen Methoden weiterentwickelt. Durch diesen raschen Fortschritt werden die therapeutischen Optionen bei schwerem Lungenemphysem kontinuierlich erweitert. Eine Herausforderung für die betreuenden Ärztinnen und Ärzte wird sein, die individuell am besten geeignete Therapieform für den einzelnen Patienten zu bestimmen, wobei die Wichtigkeit der interdisziplinären Diskussion hervorzuheben ist.

Das Wichtigste für die Praxis

• Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ist eine der häufigsten Erkrankungen und oft mit einem Lungenemphysem assoziiert.
• Das Lungenemphysem ist definiert als permanente, abnormale Erweiterung der Lufträume distal der terminalen Bronchiolen.
• Der Verteilungstyp ist für die Therapie wichtig: Generell eignen sich ­heterogen verteilte Emphysemveränderungen besser für Lungenvo­lumenreduktions(LVR)-Methoden als homogene.
• Ein Emphysem tritt fast ausschliesslich bei Rauchern auf. Nichtraucher mit einer COPD sind kaum davon betroffen.
• Mit zunehmender Ausprägung nimmt die Diffusionskapazität der Lunge ab. Dies kann zur Hypoxämie bei Belastung oder bereits in Ruhe führen. Therapeutisch kann gemäss Kriterien Heimsauerstoff eingesetzt werden. Bei Alpha-1-Antitrypsin-Mangel soll die Indikation zur Augmentationsbehandlung geprüft werden.
• Im konventionellen Thoraxbild lässt sich ein Emphysem bei Gefässrarefizierung und Zeichen der Überblähung vermuten. Zur Bestätigung, Quantifizierung, Beurteilung der Verteilung und Charakterisierung ist eine hochauflösende Computertomographie (HRCT) des Thorax notwendig.
• Tabakstopp und stadiengerechte Behandlung der COPD kommen an erster Stelle.
• Nach Ausschöpfen aller Basismassnahmen und verbleibenden Symptomen können spezifische interventionelle Therapien zur LVR indiziert sein: chirurgisch («LVRS») oder endoskopisch («Ventile» oder «Coils»). Eine interdisziplinäre Diskussion («Emphysem-Board») zwischen Pneumologen, Radiologen, Thoraxchirurgen und interventionellen Pneumologen zur Auswahl des geeigneten Verfahrens ist empfohlen.
• Weitere Methoden, z.B. die Vaporisationsbehandlung, werden zurzeit erforscht.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Dr. med. Frank Rassouli
Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie
Klinik für Pneumologie
und Schlafmedizin
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
CH-9007 St. Gallen
frank.rassouli[at]kssg.ch
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