Diabetes bei Kindern und Jugendlichen
Grosse Herausforderung für das betreuende Diabetesteam

Diabetes bei Kindern und Jugendlichen

Editorial
Ausgabe
2017/46
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.03105
Schweiz Med Forum 2017;17(46):997

Affiliations
Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB)

Publiziert am 15.11.2017

Der Diabetes mellitus gehört zusammen mit Asthma und Epilepsie zu den häufigsten chronisch verlaufenden Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Die Dia­gnose bedeutet im pädiatrischen Alter praktisch immer eine sofortige und lebenslängliche Therapie und stellt das betreuende Diabetesteam oft vor eine grosse Herausforderung. Immer häufiger manifestiert sich die Erkrankung schon im Kleinkindes- und Vorschul­alter, wo unkontrollierbares Essverhalten, aber auch Insulin­injektionen und Blutzuckerselbstkontrollen sowie unerkannte Hypoglykämien häufig Ängste und Unsicherheiten der Eltern verursachen. Auch später im Primarschulalter sind die Kinder weniger unter der Aufsicht der Eltern, haben sehr unterschiedliche Aktivitäten und können ihren Diabetes noch nicht selbständig kontrollieren, dabei wird die Umgebung und die Schule gefordert. In der Pubertät dann kommen mit den körperlichen und psychosozialen Veränderungen noch einmal ganz andere Aspekte zum Tragen, gleichzeitig führen die hormonellen Gegenspieler trotz teilweise beträchtlichen Aufwands zu ausgeprägten Blutzuckerschwankungen mit häufigeren hypoglykämischen und ketoazidotischen Entgleisungen. Ganz typisch in der pädiatrischen Diabetologie ist die dauerhafte Notwendigkeit einer ständigen Insulinanpassung, gleichbleibende Dosierung respektive stabile Verläufe über mehrere Wochen gibt es praktisch nicht.
Durch neue Insulinpräparate und moderne Technologien konnte die Insulintherapie in den vergangenen Jahren immer näher an die Physiologie angepasst werden. Die individull sehr flexibel programmierbare Insulinpumpentherapie ist in der Pädiatrie in allen Altersgruppen weit verbreitet. Auch die Lebensqualität wird durch diese sehr schnell an die jeweiligen Verhältnisse adaptierbare Therapieform laut den meisten Studien verbessert. Noch mehr Sicherheit wird durch die Kombination der Insulinpumpe mit einer kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) erreicht, dadurch können auch postprandiale Verläufe und allfällige nächtliche Hypoglykämien durch ein integriertes Alarmsystem erkannt und korrigiert werden. Ganz aktuelle Systeme erlauben durch eine Kommunikation zwischen Sensor und Pumpe eine individuell einstellbare Hypoglykämie­abschaltung und der nächste Schritt wird ein vollständiges «closed loop»-System sein, welches durch dauernde Rückkoppelung von Blutzuckermessung auf Insulinfreigabe die Blutzuckerschwankungen minimieren wird. Das alles sind aber nur technische Hilfsmittel, der Dia­betes bleibt bestehen und mit ihm die dauernde Kontroll- und Therapiebedürftigkeit, die nur mit Compliance und Akzeptanz im Alltag umgesetzt werden können.
Die Betreuung diabetischer Kinder und Jugendlicher in einem interdisziplinär zusammengesetzten Team sollte heute Standard sein. Die qualifizierte Diabetesfachberatung (Pflege) sowie die Ernährungsberatung sind neben der pädiatrischen Endokrinologie dabei im Zentrum, ergänzt werden sie je nach Bedarf und Lebensphase durch Sozialberatung, Kinder- und Jugendpsychologie oder -psychiatrie. Ein adäquates Umfeld, Eltern, Geschwister, Schule und Freundeskreis, sind ganz wesentlich für die Akzeptanz und das Management dieser chronischen und im Alltag oft sehr aufwendigen Diagnose. Durch fortwährende Information, durch moderne Technologie und Therapieprinzipien und durch qualifizierte Begleitung der Kinder und Jugendlichen können schwere Hypoglykämien und Ketoazidosen deutlich reduziert, wenn nicht gar vermieden werden. Die Lebensqualität unter Typ-1-Diabetes hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert und auch diabetische Spätkomplikationen können früh erkannt und angegangen werden. Der in diesem Heft durch das Diabetesteam der Universitätskinderklinik in Genf verfasste «state of the art»-Review [1] beschreibt sehr gut und anschaulich die modernen Anforderungen und Richtlinien nach der Diagnosestellung.
Der Autor hat keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Prof. Dr. med. Urs Zumsteg
Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB)
Spitalstrasse 33
CH-4031 Basel
urs.zumsteg[at]ukbb.ch
1 Klee P, Dirlewanger M, Schwitzgebel VM. Behandlung von Typ-1-Diabetes im Kindes- und Jugendalter. Schweiz Med Forum. 2017;17(46):998–1008.