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Fallbeschreibung
Aufgrund einer ausgeprägten Angst vor Ärzten hatte unsere Patientin ihre Einweisung ins Spital so lange wie möglich hinausgezögert. Schliesslich erfolgte die Zuweisung durch den Hausarzt wegen beidseitiger, chronischer Ulzera an den Unterschenkeln. Neben diesen fand sich in der Diagnoseliste der Patientin eine Adipositas Grad III.
Bei Eintritt sahen wir eine 50-jährige Patientin mit einem Körpergewicht von 151 kg und einem Body-Mass-Index (BMI) von 51,6 kg/m². Auf die Frage, ob sie schon einmal versucht habe abzunehmen, antwortete sie, dass sie seit ca. 1999 stetig an Gewicht zugenommen habe. Jegliche Versuche, Gewicht zu verlieren, seien gescheitert, und sie habe sich nun damit abgefunden, dass sie dick sei.
In der körperlichen Untersuchung fiel ein ausladendes, prall gespanntes Abdomen auf (Abb. 1). Im Gegensatz dazu waren Gesicht und Arme disproportional schlank, die Beine zeigten sich ödematös mit oben genannten Ulzera.
Unser erster Verdacht auf ein mit Aszites gefülltes Abdomen bestätigte sich sonografisch nicht. Es fand sich zwar ein flüssigkeitsgefülltes Abdomen, jedoch war perihepatisch keine freie Flüssigkeit darstellbar. CT-morphologisch zeigte sich eine riesige, einfach septierte, nicht infiltrierende zystische Raumforderung, welche das gesamte Abdomen und kleine Becken ausfüllte und die Organe verdrängte (Abb. 2).
Es handelte sich hier also keineswegs um eine schwere Adipositas, sondern um eine sehr langsam wachsende, zu diesem Zeitpunkt vermutet benigne Raumforderung des Ovars bei normwertigem CA-125. Durch die Kompression der Vena cava inferior kam es an beiden Unterschenkeln zum chronischen Ulcus cruris venosum.
Diskussion
Derart grosse Raumforderungen im Abdomen gehen häufig vom Ovar aus. Für seröse und muzinöse Zystadenome, gutartige Teratome und Eileiterzysten ist beschrieben, dass sie enorme Ausmasse annehmen können [1–3]. Differentialdiagnostisch ist aber zum Beispiel auch an mesenteriale Zysten, Lymphangiome, gastrointestinale Stromatumoren (GIST) oder grosse Pankreaspseudozysten zu denken [4–7]. Die endgültige Diagnose und der Ausschluss eines Borderline-Tumors oder Ovarialkarzinoms kann erst histologisch gestellt werden.
Das seröse Zystadenom ist nach der Endometriose die häufigste gutartige Raumforderungen des Ovars, gefolgt vom gutartigen Teratom [8]. Am häufigsten werden diese Neoplasien bei jungen Frauen zwischen dem 10. und 30. Lebensjahr diagnostiziert [9], sie kommen aber auch bei postmenopausalen Frauen vor. Das Risiko, histologisch trotz präoperativ benigne erscheinender Läsion ein Malignom zu finden, beträgt zwischen 0,3 und 0,5% [10].
In unserem Fall erfolgte die Exzision des zystischen Tumors sowie eine totale Hysterektomie und Adnexektomie beidseits. Es bestätigte sich die Diagnose zweier benigner seröser Zystadenome. Unsere Patientin war nach der Operation um ein 49,4 kg (rechts) und ein 4,4 kg (links) schweres Ovar erleichtert.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Kopfbild: Institut für Radiologie, Kantonsspital Graubünden
Dr. med.
Raphaela Hausammann
Fachärztin Innere Medizin
Kantonspital Graubünden
Loestrasse 170
CH-7000 Chur
raphaela.hausammann[at]ksgr.ch
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