Fortschritte in der Osteoporosetherapie

Fortschritte in der Osteoporosetherapie

Kurz und bündig
Ausgabe
2017/50
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.03142
Schweiz Med Forum 2017;17(50):1113-1114

Publiziert am 12.12.2017

Fokus auf … erhöhtem Ferritin


– Erhöhte Ferritinspiegel meist im Rahmen einer Akutphasen-Reaktion (Infekt, Entzündungskrankheit), eines Alkoholüberkonsums, einer Lebererkrankung, Niereninsuffizienz und von Neoplasien.
– Eine normale Transferrinsättigung beim nüchternen Patienten schliesst eine Eisenüberlastung aus und spricht für eine reaktive Hyperferritinämie (s.o.).
– Unerklärte Ferritinerhöhungen >1000 μg/l müssen spezialärztlich weiter abgeklärt werden.
– Bei erhöhten Ferritinwerten und Transferrinsättigung (>45%) ist eine Hämochromatose wahrscheinlich und sollte zu einer genetischen Abklärung führen (initial HFE-Mutanten suchen).
BMJ 2015;351:h3692.
Verfasst am 21.10.17.

Praxisrelevant

Fortschritte in der Osteoporosetherapie

Romosozumab ist ein Vertreter monoklonaler Antikörper, die Sklerostin binden, dadurch den Knochenaufbau fördern und gleichzeitig die Knochenresorption hemmen (siehe erklärende Abb. 1A und 1B zum – komplexen – Wirkungsmechanismus).
Abbildung 1: Effekte von Sklerostin (A) und seiner Hemmung auf den Knochenstoffwechsel (B). 
Sklerostin ist ein osteozytäres Protein, welches den anabolen Stoffwechselweg via die komplexe Signalkaskade LRP/Wnt/Beta-Catenin hemmt. Dadurch wird die Osteoblastenaktivität gehemmt und via Abfall des Osteoprotegerins (löslicher Rezeptor des RANKL) die Osteoklastenaktiviät stimuliert und damit die Knochenresorption gefördert (A). Zum Verständnis der Wirkung der Anti-Sklerostin-Antikörper (und des Parathormones wie auch der körperlichen Belastung) wird es etwas kompliziert, weil man immer an den Effekt der doppelten Hemmung (mathematisch gesprochen: doppelt negativ) denken muss (B). Der Netto-Effekt ist eine Stimulierung der Differenzierung und Proliferation der Osteoblasten und eine Hemmung der Knochenresorption, wobei die Hemmung der Knochenresorption zeitlich die gesteigerte Knochenneubildung deutlich überdauert.
Romosozumab für 12 Monate (210 mg s.c. pro Monat) gefolgt von Denosumab oder gefolgt von Alendronat verminderte das Frakturrisiko vor allem für Wirbelkörperfrakturen bei osteoporotischen, postmenopausalen Frauen mit einer Fragilitätsfraktur signifikant. Der Effekt auf Wirbelfrakturen trat schneller (12–24 Monate) als auf nicht-verte­brale Frakturen (24–48 Monate, [1, 2]) auf. Eine weitere Studie verglich Romo­sozumab versus Teriparatid bei postmenopausalen Frauen, die unter Bisphosphonaten weitere osteoporotische Frakturen erlitten, und zeigte Vorteile für Romoszumab nach Massgabe des Anstiegs der Knochenmineraldichte im Schenkelhals [3]. Zusätzlich erfuhren wir, dass Romosozumab die Knochenstärke (gemessen mit der CT-basierten sog. «finite element analysis») in der Wirbelsäule und im Schenkelhals intensiver förderte als Teriparatid [4].
Nebenwirkungen von Romosozumab: Entzündungen an der Einstichstelle, Rhinitis, selten blockierende Antikörper (<1%), aber keine signifikanten Unterschiede in der kardiovaskulären Morbidität/Mortalität. Selten wurden auch in den Romosozumab-Gruppen Osteonekrosen des Kiefers und atypische Femurfrakturen beobachtet. Die Studienresultate gelten vorerst ausschliesslich für postmenopausale Frauen.
1 N Engl J Med 2016;375:1532–43. 
doi:DOI: 10.1056/NEJMoa1607948.
2 N Engl J Med 2017;377:1417–27.
doiDOI: 10.1056/NEJMoa1708322.
3 Lancet. 2017;390(10102):1585–94.
doi.org/10.1016/S0140-6736(17)31613-6.
4 J Bone Miner Res. 2017;32(9):1956–62. 
doi:DOI: 10.1002/jbmr.3176.
Verfasst am 20.10.17, auf Hinweis von Herrn Prof. C. Meier (Basel).

Dies sind zwar keine Argumente gegen die Grippeimpfung …

Gut bekannt ist, dass die Protektion der Grippe­impfung von Jahr zu Jahr schwankt (zwischen 10 und 90%). Leider lag die Schutzwirkung in den Jahren 2004 bis 2016 im Wesentlichen immer unter lediglich 60%.
Mit der Impfung will man Antikörper induzieren, die an das Hämagglutinin der Influenzaviren binden und dadurch verhindern, dass sich Hämagglutinin an seinen Zellrezeptor der Wirtszelle bindet. Da das Hämagglutinin eine sehr hohe Mutationsrate aufweist, muss der ideale Impfstoff jedes Jahr neu massgeschneidert werden und wir gingen wohl alle bislang davon aus, dass beim Impfversagen die Auswahl der Sequenz eben nicht optimal war oder dass die Viren während einer Epidemie weiter mutieren.
Es gibt aber noch weitere, neu erkannte Gründe:
– die Vakzinestämme können während ihrer Passage auf Eiermedium weiter mutieren und dadurch eine Immunantwort aus­lösen, welche die infizierende Influenza­stämme nicht neutralisieren kann;
– die erste Influenzainfektion im Kindes­alter bestimmt die spätere Krankheitsanfälligkeit respektive Vakzinewirkung mit;
– die Impfantwort scheint auch durch die Frequenz der Einzelimpfungen mitbestimmt respektive abgedämpft.
Diese und andere wichtigen Beobachtungen müssen in der Entwicklung besserer Vakzinestämme sobald wie möglich mitberücksichtigt werden!
Science. 2017;357(6357):1222–3. 
doiDOI: 10.1126/science.357.6357.1222.
Verfasst am 27. 10.17.

Immer noch lesenswert

Die Leber produziert das Fibrinogen

P. W. Straub, längjähriger Ordinarius für Innere Medizin an der Universität Bern und engagierter Chef(-Redaktor) der Schweizerischen Medizinschen Wochenschrift, beschrieb während seines Aufenthaltes als Forschungsassistent in Brüssel, dass die Fibrinogenproduktion in hepatischen Zellen in vitro mit einer Immupräzipitationsmethode nachgewiesen werden kann. Er bewies damit, dass die Leber das Produk­tionsorgan für das Fibrinogen ist.
Diese Arbeit hat er als Einzelautor publiziert und zu jener Zeit ohne Abkürzungshilfe für Schnelleser, das heisst, noch ohne «abstract»! Es lohnt sich, die ganze Arbeit zu lesen, sie ist konzis und sehr gut geschrieben.
J Clin Invest. 1963;42(1):130–6. 
doi: 10.1172/JCI104690.
Wiedergelesen am 27.10.17.

Neues aus der Biologie

Induktion transgener Stammzellen: ein Meilenstein

Ein 7-jähriger Knabe leidet an einer schweren (junktionalen) Form einer Epidermiolysis bullosa. Diese Krankheit ist Folge der Mutation eines Laminin-Gens (wichtig für die Integrität von Basalmembranen) und galt bislang als unheilbar; die meisten Patienten erreichen die Adoleszenz nicht. Die Lebensqualität ist durch die chronischen Haut- und Schleimhautwunden und die Entwicklung von Plattenepithelkarzinomen massiv eingeschränkt. Der Knabe wird in einem deutschen Verbrennungszentrum wie folgt behandelt: Aus einer Hautbiopsie in der ak­tuell nicht befallenen Inguinalregion wird in vitro eine primäre Keratinozytenkultur ­hergestellt und diese mit einem Retrovirus (ML-RV), der das korrekte Laminin-Gen enthält, infiziert. Dann werden auf Fibrin oder Kunststoffsupport Keratinozyten-Transplantate produziert und diese dann konsekutiv an verschiedenen befallenen Hautstellen ­implantiert. Nach einer Hospitalisation von etwa 5 Monaten wird der Knabe mit 80% der Körperoberfläche wiederhergestellter Epidermis entlassen, Folgeuntersuchungen bis 21 Monate nach dem ersten Transplantat zeigen ein Fehlen von Blasen, eine gute Verbindung zwischen Epidermis-Dermis und Resistenz gegenüber mechanischem Stress. Die spätere, genetische Analyse zeigt, dass sich transgene (das transplantierte Gen enthaltende) kutane Stammzellen gebildet hatten, die zur Rege­neration der gesamten Epidermis befähigt sind. Diese Methode könnte sich als beispielgebend für andere kombinierte Ex-vivo-Zell- und Gentherapieformen etablieren, mit dem Ziel, Reparatur respektive Regeneration von Geweben mit transgenen Stammzellen zu induzieren.
Nature. 2017;551(7680):327–32.
Verfasst am 24.11.17, auf Hinweis von 
PD Dr. Daniel Waldvogel (Luzern).

«Liquid biopsy» – in neuer Bedeutung

In der Zytopathologie hat die Asservierung der mittels Abstrich (z.B. Zervix) gewonnenen Zellen in flüssigen Medien die Qualität der zu befundenden Zellen verbessert (im Vergleich zum klassischen Ausstrich mit Fixation in der Praxis). Diese sozusagen «liquid biopsy» bekommt nun eine neue Bedeutung: Durch die Analyse von zirkulierender Tumor-DNS versucht man zu einer besseren Frühdiagnose zu kommen, mit der Hoffnung, die Prognose zu verbessern.
Im Spezialfall der Epstein-Barr-Virus(EBV)-­assoziierten Epipharynxkarzinome haben chinesische Forscher bei 20 000 Männern nach EBV-DNS im peripheren Blut gesucht. Sie konnten in dieser grossen Kohorte zuverlässig Frühstadien von Epipharynxkarzinomen entdecken. Die Prognose könnte sich dadurch verbessern, allerdings wurden zum Vergleich historische Kontrollen herangezogen. Diese Arbeit ist ein «proof-of-principle» für die klinische Konsequenzen dieser neuen Technologie. Wir sind gespannt auf deren Anwendung bei anderen Tumorformen, unter anderem auch in der Früherkennung allfälliger Rezidive (Tumornachsorge).
N Engl J Med 2017; 377:513–22.
doi:10.1056/NEJMoa1701717.
Verfasst am 27.10.17.

Für ÄrztInnen am Spital

Liegend geht’s bei Erstgebärenden besser

Gemäss der randomisierten kontrollierten BUMPES-Studie ist es vorteilhafter, wenn die erstgebärenden Frauen (3093 Schwangere, >16 Jahre alt) mit Epiduralanästhesie bei den Wehen im Stadium 2 sich hinlegen und nicht aufrecht (sitzen) bleiben. Das Stadium 2 ist definiert durch die Zeit zwischen dilatiertem Muttermund (10 cm) und der Geburt des Kindes. Dadurch kommt es signifikant häufiger zu spontanen vaginalen Geburten ohne negative Kurz- und Langzeitfolgen für Kind und Mutter.
BMJ 2017;359:j4471.
Verfasst am 21.10.17.