Das obstruktive (und zentrale) Schlafapnoesyndrom
Meist gut behandelbar

Das obstruktive (und zentrale) Schlafapnoesyndrom

Übersichtsartikel AIM
Ausgabe
2018/23
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.03305
Swiss Med Forum. 2018;18(23):482-488

Affiliations
Klinik für Innere Medizin, Chefarzt Ambulante Medizinische Diagnostik, Kantonsspital Münsterlingen

Publiziert am 06.06.2018

Das obstruktive Schlafapnoesyndrom äussert sich klinisch vor allem durch unerholsamen Schlaf mit vermehrter Tagesschläfrigkeit und erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Einleitung

In den 60er Jahren wurde eine atmungsbedingte Schlafstörung («sleep-disordered breathing» [SDB]) erstmals beschrieben [1]. Der Begriff Schlafapnoe wurde erst 1973 geprägt [2], damals als Ursache einer Durchschlafstörung (Insomnie) angesehen, während heute die Schlaffragmentation vorwiegend als Ursache einer übermässigen Schläfrigkeit (Hypersomnie) angesehen wird. Erst 1981 wurde die Überdruckbehandlung «continuous positive airway pressure (kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck [CPAP]) eingeführt [3]. Laut dem Erstbeschreiber Prof. Colin Sullivan entstand die Erfindung aus einer Notsituation: Ein Patient mit schwerer Rechtsherzdekompensation bei nächtlichem Atemwegskollaps und Hypoxämie verweigerte eine Tracheotomie. So behalf man sich mit einer Maske und einem Respirator der Anästhesie und reduzierte für den Langzeitbedarf das Beatmungsgerät auf eine »blower machine» mit konstantem Druck und ohne CO2-Absorber, dafür mit einem Überdruckventil. Die Erkrankung wurde zu der Zeit aber noch als selten angesehen [4]. Grosse Beachtung fand 1993 eine der meist zitierten Untersuchungen auf dem Gebiet [5], die damals eine Prävalenz von 4% bei Männern mittleren Alters angab. In den letzten 30 Jahren folgte eine Flut von Artikeln zur Pathogenese, Physiologie, gesundheitlichen Folgen, Genetik, Epidemiologie und neuerdings Phänotypisierung der Schlafapnoe. Aufgrund der heute häufigeren Adipositas dürfte die Prävalenz deutlich höher liegen. Das hauptsächliche therapeutische Prinzip beim Schlafapnoesyndrom (OSAS), die Verminderung des Atemwegswiderstandes im Schlaf durch mechanische Erweiterung des kollabierbaren Muskelweichteilgewebes im Pharynx, bleibt bis heute stets dasselbe, ob mit Überdruck wie durch CPAP, mit Protrusion durch Kieferschienen oder Hypoglossusstimulation durch einen Schrittmacher.

Neue epidemiologische Daten 
aus der Schweiz

In einer populationsbasierten Datenbank der Universität Lausanne zeigte sich eine Prävalenz mittel- bis schwerer obstruktiver Schlafapnoe mit einem Apnoe-Hypopnoe-Index ([AHI]; = Anzahl Apnoen und Hypopnoen pro Stunde) von >15 von 23,4% bei Frauen und 49,7% bei Männern. Das Verhältnis Männer:Frauen von ca. 2:1 bestätigte frühere Ergebnisse [6]. Bei Probanden mit AHI >20 fand sich eine signifikante Assoziation für Hypertonie (Odds Ratio [OR] 1,6), Diabetes (OR 2,0), metabolisches Syndrom (OR 2,8) und Depression (OR  1,9) [7].
Trotz dieser Häufigkeit gibt es weiterhin keine generellen Empfehlungen für ein Screening, nicht einmal bei Patienten mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko. Lediglich bei anamnestischen Angaben von Schnarchen und Atempausen sowie Hinweisen für Tagesschläfrigkeit sind weitere Abklärungen zu empfehlen. Erst wenn durch obstruktive Apnoen bedingt auch Sym­ptome auftreten, sollte man vom OSAS sprechen. Wiederholt hat sich allerdings gezeigt, dass die Auswirkungen der Schlafapnoe individuell unterschätzt werden und dass auch bei leichteren Formen ein Benefit durch die Therapie erreicht wird [8, 9].
Auch zu einer Demenzabklärung gehört nicht routinemässig eine Schlafuntersuchung dazu, obwohl gestörter Schlaf sich ungünstig auf die Gedächtnisleistung auswirkt.

Wie Schlafapnoe diagnostizieren?

Oft findet sich eine typische Eigen- und Fremdana­mnese mit unruhigem, nicht erholsamem Schlaf, Schnarchen, Atempausen und Tagesschläfrigkeit. Ein sehr guter und einfacher klinischer Score (NoSAS) wurde ebenfalls von der Lausanner Gruppe auf seine Voraussagekraft geprüft (Tab. 1) [10]. Der «Epworth Sleepiness Scale»-Fragebogen [11] wird häufig eingesetzt, er ist auch in deutscher Sprache validiert (Tab. 2) [12]. Gesunde weisen einen Score von 5,7 ± 3,0 auf [11]. Mehr als 10 Punkte gelten als erhöhte Einschlafneigung. Eine alleinige Pulsoximetrie genügt meist nicht für die ini­tiale Diagnostik. Besonders bei jüngeren Lungen-Gesunden ist die Sensitivität zu gering und bei positiven Befunden kann nicht zwischen obstruktiver und zen­traler Apnoe unterschieden werden (ungenügende Spezifität). Dies bedeutet, dass bei entsprechendem klinischem Verdacht sowohl bei negativen als auch positiven Ergebnissen eine Zusatzuntersuchung, eine re­spiratorische Polygraphie (RP) oder Polysomnographie folgen sollte. Geräte mit 2–3 Kanälen wie zum Beispiel das Apnea-Link™ korrelieren aber recht gut mit der RP. Letztere ermöglicht die Evaluation der Art und Schwere einer Schlafatemstörung. Ein OSAS mit AHI von 5–<15 pro Stunde wird als «mild», 16–<30 als «mittelschwer» und darüber als «schwer» betrachtet [13]. Die Symptome der Patienten sind aber klar stärker zu gewichten als die alleinige Anzahl Atemstörungen, die nicht gut mit der Symptomatik korreliert [12].
Tabelle 1: NoSAS-Score (adaptiert nach [10]).
Halsumfang, Adipositas (Body-Mass-Index [BMI]), 
Schnarchen, Alter, Geschlecht: Score von 0–17 Punkten, 
ab 8 Punkten hohe Vortestwahrscheinlichkeit
Halsumfang >40 cm4 Punkte
BMI >25–30 kg/m23 Punkte
BMI >30 kg/m25 Punkte
Schnarchen2 Punkte
>55 Jahre4 Punkte
Männlich2 Punkte
Unter 8 Punkte gilt als negativ für ein behandlungsbedürftiges OSAS (AHI >20). Die Sensitivität beträgt 79%, die Spezifität 69% der PPV 47% und der NPV 90% (Die Prävalenz in der Kohorte lag bei 40%).
OSAS = obstruktives Schlafapnoesyndrom, AHI = Apnoe-Hypopnoe-Index, PPV = positiver prädiktiver Wert, NPV = negativer prädiktiver Wert.
Tabelle 2: Epworth Sleepiness Score (adaptiert nach [11]).
Wie leicht fällt es Ihnen, in folgenden Situationen ­einzuschlafen?
1. Sitzen und Lesen
2. Fernsehen
3. Sitzen an einem öffentlichen Ort (Theater, Sitzung, Vortrag)
4. Als Mitfahrer in einem Auto während einer Stunde ohne Halt
5. Abliegen, um auszuruhen am Nachmittag, wenn es die Umstände erlauben
6. Sitzen und mit jemandem sprechen
7. Ruhig sitzen nach einem Mittagessen ohne Alkohol
8. Im Auto beim Stopp an Verkehrsampel während einigen Minuten
0: würde nie einschlafen
1: würde kaum einschlafen
2: würde möglicherweise einschlafen
3: würde mit grosser Wahrscheinlichkeit einschlafen
Range 0–24 Punkte («normal» bis 10 Punkte).
Bei Vorselektion von Patienten durch Hausärzte ist eine ambulante RP meist diagnostisch [15]. Die frühere Zurückhaltung besonders der amerikanischen Autoritäten gegenüber der RP ist zwischenzeitlich einer grös­seren Akzeptanz gewichen [16], wohl aufgrund der guten diagnostischen Genauigkeit der Polygraphie, aber auch wegen der einfachen Verfügbarkeit und relativ geringen Kosten. Aktuell werden Polygraphien als alleinige Leistung von diagnostischen Labors angeboten. Diese Praktik verkennt allerdings die Komplexität, die eine scheinbar «einfache Schlafapnoe» oftmals erreicht, erlaubt bei fehlendem Patientenkontakt lediglich eine «Fragebogen-Anamnese» und verwehrt denjenigen, die sich anschliessend um die betreuungs- und therapieassoziierten Probleme der Pa­tienten kümmern, die Einsicht in Originaldaten.
Die Polysomnographie gilt als diagnostischer Goldstandard (Abb. 1). Sie erlaubt durch Aufzeichnung des Elektroenzephalogramms (EEG) und der Korrelation von Aufwachreaktionen zu Elektromyographie(EMG)-Signalen, zusätzliche Aspekte wie komplexere Schlafatemstörungen (z.B. «upper airway resistanc syndrome» = atembedingte Schlaffragmentation ohne Apnoen und Hypopnoen), periodische Beinbewegungen im Schlaf («periodic limb movements in sleep» [PLMS]), REM-Schlaf assoziierte Parasomnien und die Schlafarchitektur und -effizienz zu beurteilen. Auch autonome Aufwachreaktionen (z.B. schlaffragmentierende Blutdruckschwankungen ohne klassische EEG-Arousals) lassen sich nur so erkennen und erfassen [15].
Abbildung 1: Polysomnographie: 5-Minuten-Ausschnitt mit 2 Apnoen, fehlenden Atemdruckschwankungen (orange), 8 Hypopnoen (blau), gemessen mit nasalen Kanülen, Sauerstoffentsättigungen (grün) und Aufwach(Arousal)-Reaktionen im Elektroenzephalogramm (EEG) mit Frequenzanstieg beim Ende der Apnoe. Aufgrund der frustranen Bewegungen im thorakalen und abdominalen Induktionssignal (RIP) bei fehlendem oder vermindertem Atemfluss handelt es sich um obstruktive Apnoen/Hypopnoen. Dieser Patient zeigte in der Auswertung einen Apopneo-Hypopnoe-Index (AHI) von 60/Stunde und einen Arousal-Index von 65/Stunde, d.h. dass der Schlaf häufiger als jede Minute einmal gestört wurde während der Nacht.
Ein Vorschlag eines diagnostischen Pfades findet sich in Abbildung 2.
Abbildung 2: Möglicher Abklärungspfad bei anamnestisch geäusserter «vermehrter Tagesmüdigkeit». OSAS = obstruktives Schlagfapnoesyndrom.

CPAP und Therapiealternativen

Die meisten Patienten werden mit CPAP versorgt, üblicherweise wird ein selbstadjustierender Modus (auto-CPAP) gewählt. Die Geräte sind sehr gut schallisoliert und lassen verschiedene Komforteinstellungen zur besseren Verträglichkeit zu. Warmluftbefeuchter schützen vor Austrocknung der Schleimhäute, beheizbare Schläuche verhindern Kondenswasser, eingebaute Chips erlauben eine Programmierung und differenzierte Langzeittherapiekontrollen. Teilweise wird die Therapieüberwachung bereits telemedizinisch unterstützt.
Je nach Patientenselektion wird die CPAP-Therapie in bis zu 30% nicht vertragen [17]. Mit individuell angepassten Kieferprotrusionsschienen [18] zeigt sich in einer Metaanalyse ein ausgezeichneter Therapieeffekt [19], auch hinsichtlich Beeinflussung des kardiovaskulären Risikos [20]. Die Kostenträger übernehmen in der Schweiz jedoch nur Materialkosten gemäss der Mittel- und Gegenständeliste (MiGeL) von CHF 500.– alle drei Jahre. Bei «Dysgnathie», das heisst Fehlentwicklungen der Zähne, des Kiefers oder Kausystems, können auch Zahnarzt- und Kieferorthopädiekosten geltend gemacht werden. Vorgängige Kostengutsprachen sind aber zwingend einzuholen.
Biofeedbackmethoden, die zum Beispiel eine nächtliche Rückenlage vermeiden helfen, beruhen auf kleineren Studien, müssen aber in der Regel selbst bezahlt werden. Daneben werden diverse alternative und wenig validierte Methoden (Gaumen-Spangen, Nasal-Stents, Biofeedbackmethoden für Seitenlage-Training u.a.) angeboten. Die Kräftigung der Rachenmuskulatur mit einem Instrument (z.B. Didgeridoo) [21] kann in Einzelfällen ausreichend wirken. Chirurgische Eingriffe im Bereich der Halsweichteile werden heute seltener durchgeführt, die Therapieresultate waren oft ungenügend. An videoendoskopischen Verfahren, die Vorhersage der operativen Resultate künftig zu verbessern, wird gearbeitet, prospektive randomisiert kontrollierte Untersuchungen sind noch nicht verfügbar [22]. Kieferothopädische und gesichtschirurgische Eingriffe mit Vorverlagerung von Ober- und Unterkiefer (maxillomandibuläres Advancement) als Maximalvariante können die obstruktive Schlafapnoe vollkommen heilen, sind aber belastend und ebenfalls Ausnahmen. Der Zungengrundschrittmacher ist erwiesenermassen wirksam [23], aber noch wenig verbreitet. Ein Grund dürften die hohen Kosten sein, ein anderer die Invasivität. Hingegen verschwindet die Schlafapnoe bei einem Grossteil der Patienten nach Gewichtsreduktion durch bariatrische Operationen [24]. Eine durch Lebensstil­modifikation erreichte Gewichtsreduktion ist sicherlich zu empfehlen, wird aber nur sehr selten anhaltend erreicht.

Schlafapnoe: oft banal, selten «zentral», manchmal «komplex»

Häufig stellt sich die Frage, wie mit beobachteten Atempausen bei asymptomatischen Betroffenen umzugehen ist, besonders bei erhöhtem kardiovaskulärem Gesamtrisiko. Bei Komorbiditäten wie pulmonaler Hypertonie [25], zum Beispiel aufgrund nächtlicher Hypoxie, bei Herzinsuffizienz, Obesitas-Hypoventilation, perioperativ nach Narkosen, bei Opiattherapie, neuromuskulären Erkrankungen sind vertiefte Kenntnisse der Materie nötig. Zentrale Schlafapnoe, das heisst Atem­aussetzer aufgrund eines fehlenden zen­tralen Atemantriebs beispielsweise in der Folge von zerebrovaskulären Ereignissen, bei Herzinsuffizienz, aber auch gemischte zentral-obstruktive Schlafapnoe ist therapeutisch deutlich anspruchsvoller und bedarf oftmals einer Therapieeinstellung mit Bilevel-Beatmung oder adaptiver Servoventilation im Schlaflabor unter direkter Supervision. Unter «komplexer» Schlafapnoe (heute ersetzt durch «treatment-emergent central sleep apnea») versteht man eine vorwiegend zentrale Schlafapnoe, die nach CPAP-Therapieeinleitung bei OSAS auftritt [26]. Grund dafür ist wohl eine ventilatorische Instabilität durch zu starken CO2-Washout des CPAP. Die Störung verschwindet in vielen Fällen innerhalb von 1–3 Monaten nach Beginn der CPAP-Behandlung spontan wieder oder kann bei Persistenz mit speziellen Therapiegeräten wie adaptiver Servoventilation behandelt werden. Mischbilder aus Ein- und Durchschlafstörungen sind therapeutisch herausfordernd, weil bei Insomnie Masken und Atemtherapiegeräte generell schlecht vertragen werden.

Unterschiedliche Symptome bei Männern und Frauen?

Bei einer internen Erhebung der Lungenliga Schweiz fiel auf, dass bei der zu erwartenden Prävalenz des OSAS von Männern:Frauen von 2:1 statt 33% nur ca. 20% der Geräteverschreibungen an Frauen erfolgte. Dabei wurde spekuliert, ob die Symptomatik des OSAS bei Frauen weniger gut erkannt werde. Während sich bei Männern das OSAS vorwiegend durch Tagesschläfrigkeit äussert, zeigt sich die Symptomatik bei Frauen gelegentlich vielfältiger und weniger auf alleinige Tagesschläfrigkeit fokussiert, zum Beispiel mit Begleitsymptomen wie vermehrter Reizbarkeit, Adynamie oder Depression [27]. Das Risiko eines OSAS steigt bei Frauen postmenopausal deutlich an.

Obstruktives Schlafapnoesyndrom 
und kardiovaskuläres Risiko

In der «Sleep Heart Health»-Studie mit über 6000 Pa­tienten zeigte sich eine Assoziation von Hypertonie, Schlaganfall und Gesamtsterblichkeit mit obstruktiver Schlafapnoe [28]. Die wiederholt gezeigte Assoziation von OSAS und kardiovaskulärer Morbidität lässt auf günstige Effekte einer Therapie hoffen. Sehr viele Beobachtungsstudien weisen auch auf einen Nutzen der Behandlung hin, in Metaanalysen und einer eigenen randomisiert kontrollierten Langzeitstudie [29] lässt sich eine klinisch relevante Blutdrucksenkung nachweisen, ebenso sind zum Beispiel Rezidive des Vorhofflimmerns unter Therapie seltener. Eine oft zitierte kontrollierte, aber nicht randomisierte Untersuchung zeigte eine massive Risikoerhöhung für kardiovaskuläre Endpunkte bei unbehandeltem OSAS verglichen mit behandelten Patienten oder Menschen ohne OSAS [30]. Kontrollierte Studien für die Primärprävention kardiovaskulärer Ereignisse bei symptomatischen OSAS-Patienten existieren allerdings nicht und in der Sekundärprävention konnte bisher bei wenig symptomatischen Patienten kein sicherer Nutzen gezeigt werden [31, 32]. Ethische Prinzipien erlauben keine randomisierten Studien, da symptomatischen Patienten nicht über Jahre eine «sham-CPAP» Behandlung zugemutet werden kann. Immerhin wurde in Post-hoc-Analysen ein prognostischer Nutzen bei den Patienten mit einer durchschnittlichen nächtlichen Therapietreue >4 Stunden gezeigt, was durchaus als Motivation für eine möglichst gute Compliance herangezogen werden soll.
Wir empfehlen bei vollkommen asymptomatischen Menschen mit Zufallsbefund einer Schlafapnoe (z.B. entdeckt während Narkoseeinleitung oder bei alleiniger Angabe von Atempausen bei Bettpartnern) keine Therapie, stellen jedoch bei erhöhtem kardiovaskulärem Risiko und bereits milder Symptomatik die Therapieindikation grosszügig.

Führt Schlafapnoe zu einer Rechtsherz­belastung?

Lungengefässhochdruck verursacht durch eine Erkrankung der Lunge oder Atmung wird als «Gruppe 3» pulmonale Hypertonie definiert. Die repetitiven Apnoen bei obstruktiver Schlafapnoe führen meist nur zu leichten Sauerstoffentsättigungen und damit auch selten zu einer klinisch relevanten pulmonalen Hypertonie. Allerdings sind Komorbiditäten wie chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) oder Adipositas häufig, sodass je nach Patientenselektion rund 50% ­aller Schlafapnoepatienten eine zumindest leichte ­pulmonale Hypertonie aufweisen [25]. Therapeutisch empfehlen sich eine bestmögliche Korrektur der Schlafatemstörung und Vermeiden von Hypoxämie in der Nacht unter anderem mit zusätzlicher Sauerstoffzugabe zur CPAP-Therapie, wobei kaum Daten zu klinisch relevanten Endpunkten verfügbar sind [25]. Eine Ausnahme bilden die Therapieeffekte bei Obesitas-Hypoventilation, wo durch eine Normalisierung der Schlafatemstörung ein Cor pulmonale rekompensiert werden kann. Die Therapieeinstellung ist aufwändig und muss oft kurz-stationär unter nächtlicher CO2- und Sauerstoffüberwachung erfolgen.

Darf man CPAP bei Herzinsuffizienz verschreiben?

Zentrale und obstruktive Schlafapnoe sind häufig bei Herzinsuffizienz und mit einer schlechteren Prognose vergesellschaftet. Eine nächtliche Sauerstofftherapie kann zentrale Ereignisse verhindern und die linksven­trikuläre Auswurffraktion verbessern; ein Überlebensvorteil konnte jedoch bisher dadurch nicht gezeigt werden. Die Behandlung der Schlafapnoe bei Herz­insuffizienz ist empfohlen. Aufgrund der Behinderung des venösen Rückstroms durch CPAP sind hohe Therapiedrucke aber unter Umständen kontraindiziert. Der Nutzen der Behandlung bei Herzinsuffizienz-assoziierter Cheyne-Stokes-Atmung wird kontrovers beurteilt. Bei Patienten mit einer eingeschränkten links-ventrikulären Auswurffration (LVEF) und Cheyne-Stokes­-Atmung wurden bisher adaptive Servoventilations­geräte eingesetzt, welche die Atemunregelmässigkeit zuverlässig beheben konnten. Leider ergab kürzlich eine randomisierte Untersuchung, dass diese Beatmungsart (bei LVEF <45% und überwiegend zentraler Schlafapnoe) zu einer erhöhten Mortalität führt. Bis auf Weiteres ist deshalb adaptive Servoventilation in dieser Indikation kontraindiziert [33].

Fahreignung und OSAS?

Die Verlässlichkeit und Selbsteinschätzung der Betroffenen spielt bei der Gesamtbeurteilung eine fundamentale Rolle. Patienten mit einer dokumentiert wirksamen CPAP-Therapie ohne residuelle Tagesschläfrigkeit dürfen Personenwagen lenken. Falls Zweifel bestehen, kann als objektive Untersuchung ein multipler Wachbleibe-Test (MWT) angeordnet werden. Dabei muss der Explorand während 4×40 Minuten über den Tag verteilt in einem dunklen Raum ohne Ablenkung versuchen, wach zu bleiben. Lenker von Privatfahrzeugen unter 3,5 Tonnen sollten im MWT in allen Durchgängen mindestens 20 Minuten lang wach bleiben, für Berufschauffeure werden mindestens 34 Minuten gefordert. Die Wertung von ­Microsleep-Episoden, das heisst im EEG erkennbarer Schlaf während 15 oder weniger Sekunden, ist noch offen, bei Berufschauffeuren sollte der MWT nach Therapieanpassung und Optimieren der Schlafhygiene innerhalb von 3 Monaten wiederholt werden. Entsprechende für die Schweiz geltende Richtlinien sind in dieser Zeitschrift kürzlich erschienen [34].

Ausblick

Die Physiologie, die zu vermehrtem Atemwegskollaps und OSAS prädisponiert, ist erst teilweise bekannt [35]. Sicherlich spielt die Anatomie mit engen Verhältnissen im Rachen eine Rolle, weiter sind jedoch der Muskeltonus im Schlaf, der kritische Verschlussdruck (d.h. der Druck, bei dem die oberen Atemwege kollabieren), die Arousal-Schwelle («Weckbarkeit des Gehirns») und die Sensibilität der Chemosensoren auf CO2, der sogenannte «loop gain» von Bedeutung [36]. Diese Parameter beim Patienten zu kennen, würde bei einer individuellen Therapie helfen. Die Messungen sind technisch möglich, aber aufwändig, und werden bisher nicht in der Routine angewandt. Eine Heterogenität zeigt sich auch in der Symptomatik. In einer Cluster-Analyse bei CPAP-naiven adipösen Menschen mittleren Alters fand sich eine Gruppe mit «Schlafstörungen», das heisst Insomnie, Schwitzen, nächtlichem Erwachen, Erstickungsgefühl (33%), eine zweite, wenig symptomatische Gruppe, die aber am häufigsten mit Hypertonie assoziiert war (25%) und eine dritte mit der «klassischen» Tagesschläfrigkeit (42%) [37]. Gegebenenfalls liegen diesen Phänotypen genetische Unterschiede zugrunde. Wie in anderen Gebieten der Medizin zeigt sich ein Trend zu verstärkter Individualisierung der Dia­gnostik und Therapie mit entsprechend vermehrtem Aufwand. Verbesserungen von Masken und Geräten, Vereinfachung der Therapiekontrollen mithilfe der Telemedizin sind hilfreich, werden jedoch keine fundamentalen Veränderungen mit sich bringen. Medikamentöse Behandlungen wie Kalium-Kanal-Blocker stehen im Tierversuchstadium des «proof of concept» und damit noch weit von einer klinischen Zulassung entfernt. Die kontraintuitiven Resultate der SERVE-HF- Studie mit erhöhter Mortalität der Servoventilation trotz günstigem Effekt auf die Cheyne-Stokes-Atmung und der nicht dokumentierbare Nutzen der CPAP-Therapie in der kardiovaskulären ­Sekundärprophylaxe trotz gross angelegter prospektiv kontrollierter Kohorte müssen erst noch aufgearbeitet und verstanden werden. Dennoch darf man weiterhin davon ausgehen, dass bei stark symptomatischen Schlafapnoepatienten, die in diese Studien nicht eingeschlossen werden durften und die mit den respiratorischen Parametern und den autonomen Funktionen auf die Behandlung ansprechen, von einer CPAP-Therapie auch prognostisch ein Nutzen zu erwarten ist.

Das Wichtigste für die Praxis

• Die Diagnose des obstruktiven Schlafapnoesyndroms (OSAS) beruht auf Anamnese, klinischer Untersuchung und einer respiratorischen ­Polygraphie oder Polysomnographie durch Somnologen, Neurologen, Pneumologen, bei vorwiegend Schnarchen auch durch Otorhinolaryngologen. Die Vorselektion erfolgt am besten durch Allgemeinmediziner.
• Vermehrte Tagesmüdigkeit oder -schläfrigkeit aufgrund der Schlaffragmentation ist der wichtigste Behandlungsgrund, Einflüsse auf das kardiovaskuläre Risiko sind aufgrund vieler Hinweise günstig, randomisierte Studien mit harten Endpunktion in Primär- und Sekundärprävention liegen jedoch nicht vor.
• Das OSAS ist meist gut behandelbar, «continuous positive airway pressure» (CPAP) findet in etwa 70% Langzeitanwendung. Alternativen sind Kieferprotrusionsschienen und individuelle Lösungen, z.B. Seitenlagetraining. Mit bariatrischen Operationen wird oft eine so ausgeprägte Gewichtsreduktion erreicht, dass die Schlafapnoe verschwindet, bei sehr gros­sen Tonsillen kann das OSAS operativ behoben werden.
• Allgemeine schlafhygienische Massnahmen und Meidung abendlichen Alkoholkonsums sowie Gewichtskontrolle durch gesunden Lebensstil sollten stets angesprochen werden.
• Bei Vorliegen von Herzinsuffizienz oder pulmonalem Hochdruck ist Vorsicht und eine Therapie unter differenzierter Kontrolle geboten. Zentrale Schlafatemstörungen bei zerebrovaskulärer Insuffizienz, z.B. nach Schlaganfall, können auf eine Therapie ebenfalls ansprechen, die Betreuung dieser Patienten ist ungleich aufwändiger. Bei älteren Menschen können die Schwere der Symptomatik und der Therapiebedarf abnehmen.
• Künftige Entwicklungen zielen auf eine bessere Phänotypisierung der Schlafapnoe z.B. hinsichtlich Atemwegs-Kollapsibilität, Sensiblitität für CO2, Physiognomie u.a. und damit auf eine Individualisierung der Therapie. Einflüsse der Schlafapnoe und deren Therapie auf das kardiovaskuläre Risiko, den Metabolismus, das autonome Nervensystem bleiben zu erforschen.
Dank an Prof. Dr. Malcolm Kohler, Klinikdirektor Pneumologie, ­UniversitätsSpital Zürich, für wertvolle Anregungen zum Kapitel «Ausblick».
Der Autor hat keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Prof. Dr. med.
Robert Thurnheer
Klinik für Innere Medizin
Chefarzt Ambulante ­Medizinische Diagnostik
Spitalcampus 1
CH-8596 Münsterlingen
robert.thurnheer[at]stgag.ch
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