Hepatologie: Nichtalkoholische Fettleber­erkrankung: Schluss mit der Banalisierung!
Hepatologie

Hepatologie: Nichtalkoholische Fettleber­erkrankung: Schluss mit der Banalisierung!

Schlaglichter
Ausgabe
2018/0102
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2018.03132
Schweiz Med Forum 2018;18(0102):10-12

Affiliations
Service de Gastroentérologie et Hépatologie, Hôpitaux Universitaires de Genève, Genève

Publiziert am 03.01.2018

Die nichtalkoholische Fettlebererkrankung ist eine Hepatopathie, deren Häufigkeit stetig zunimmt, die jedoch den ärztlichen Grundversorgern und der Bevölkerung zu wenig bekannt ist.

Hintergrund

Die nichtalkoholische (metabolische) Fettlebererkrankung («non-alcoholic fatty liver disease» [NAFLD]) ist eine nicht übertragbare Krankheit, deren Häufigkeit zunimmt und die in den westlichen Ländern zwischen 25 und 30% der Bevölkerung betrifft. Unter dem Begriff NAFLD wird ein ganzes Spektrum von Lebererkrankungen zusammengefasst: Die harmloseste Form ist die «einfache» Fettleber (einfache Steatose), die sich ­jedoch zu einer nichtalkoholischen Steatohepatitis (NASH), Leberfibrose und schliesslich zu fortgeschrittenen Stadien wie Zirrhose und hepatozellulärem Kar­zinom entwickeln kann. Aufgrund der häufigen ­Assoziation mit Typ-2-Diabetes (T2D), Adipositas und anderen Faktoren des metabolischen Syndroms geht die NAFLD mit einer erhöhten Mortalität einher. Die NASH ist darüber hinaus – besonders im Zusammenhang mit einer Leberfibrose oder -zirrhose – mit einer erhöhten Mortalität aufgrund von Leberkrankheiten und hepatozellulärem Karzinom verbunden.
Ungeachtet dieser beunruhigenden epidemiologischen Daten bleibt die NAFLD eine von den ärztlichen Grundversorgerinnen und Grundversorgern verkannte Pathologie, möglicherweise aufgrund des Mangels an zuverlässigen epidemiologischen Daten und eindeutigen Diagnose- und Behandlungsempfehlungen [1]. Wie im Folgenden dargelegt, stehen nunmehr aktuelle epidemiologische Studien und Empfehlungen zur Verfügung, mithilfe derer das Risiko der Patienten, eine fortgeschrittene NAFLD zu entwickeln, besser eingeschätzt werden kann. Darin werden auch Strategien beschrieben, um diese Patientinnen und Patienten besser zu identifizieren und zu behandeln.

NAFLD: Neuigkeiten zur Epidemiologie und Diagnose

Eine aktuelle Metaanalyse von 86 Studien aus 22 Ländern zeigt, dass die Gesamtprävalenz der NAFLD bei 25% liegt (24% in den europäischen Studien), bei einem Anteil an Adipositas- und Diabetespatienten von 51 respektive 23% [2]. Die adjustierte leberbedingte Mortalität und die Gesamtmortalität sind bei NAFLD- und NASH-Patienten im Vergleich zu einer Kontrollpopulation erhöht.
Diese beunruhigenden epidemiologischen Daten veranlassten die internationalen Fachgesellschaften dazu, Empfehlungen zur Diagnose und Behandlung der NAFLD auszuarbeiten. Die europäischen Diabetologie-, Adipositas- und Hepatologie-Gesellschaften veröffentlichten daraufhin gemeinsam – ein seltener Vorgang – einschlägige Diagnose- und Behandlungsempfehlungen [3]. Demnach sollten alle Patienten mit metabolischem Syndrom auf eine allfällige NAFLD untersucht werden, und zwar mithilfe der Messung der Leberwerte und ­einer Lebersonografie (Abb. 1). Ein metabolisches ­Syndrom wird dabei definiert als das Vorliegen von mindestens drei der folgenden fünf Faktoren: Nüchternblutzucker erhöht oder T2D, Hypertriglyze­ridämie, HDL-Cholesterin erniedrigt, Bauchumfang erhöht und arterieller Bluthochdruck. Bei abnormen Leberwerten oder falls die Abdomensonografie auf eine Fettleber hinweist, muss mithilfe nichtinvasiver Methoden ­untersucht werden, ob eine Leberfibrose zugrunde liegt. Den ärztlichen Grundversorgern stehen nichtinvasive, auf klinischen Routinemarkern beruhende Tests zur Verfügung, etwa der NAFLD-Fibrose-Score (http://nafldscore.com/), der das Alter, den BMI, eine allfällige Insulinresistenz, die Blutkonzentration der Transaminasen, die Thrombozyten-Konzentration und das Serumalbumin berücksichtigt, oder der FIB-4-Score, der aufgrund des Alters, der Transaminasen und der Thrombozyten-Konzentration berechnet wird. Auch wenn diese Scores nicht perfekt sind, ermöglichen sie doch die unmittelbare Stratifizierung des Risikos einer fortgeschrittenen Lebererkrankung. Falls bei einem Patienten ein Score berechnet wird, der auf ein nicht vernachlässigbares Fibroserisiko hindeutet, sollte er an die Fachärztin respektive den Facharzt überwiesen werden, damit eine transiente Elastografie (beispielsweise mittels Fibroscan®) vorgenommen und eine Hepatopathie anderer Ursache ausgeschlossen werden kann. Wenn sich der Verdacht auf signifikante Fibrose aufgrund der Elastografie bestätigt, muss zur endgül­tigen Diagnose eine Leberbiopsie erfolgen. Diese Untersuchung bleibt diesbezüglich der Goldstandard, trotz des Risikos von Komplikationen, das allerdings gering ist.
Abbildung 1: Diagnosealgorithmus bei Verdacht auf NAFLD (modifiziert nach [3]). 
ALAT = Alanin-Aminotransferase; ASAT = Aspartat-Aminotransferase; GGT = Gamma-Glutamyltransferase.
Die starke epidemiologische Assoziation von T2D und NAFLD wurde ebenfalls geklärt. Die genannte Metaanalyse bestätigte die enge Assoziation zwischen T2D und NAFLD: Die Prävalenz von T2D betrug 23% bei NAFLD-Patienten und 44% bei NASH-Patienten [2]. Umgekehrt weisen rund 60% der Diabetikespatienten eine NAFLD auf. Vor diesem Hintergrund untersuchten Kwok et al. etwa 2000 Patienten mit Diabetik mittels Elastografie auf eine signifikante Fibrose und stellten fest, dass 18% der T2D-Patienten daran litten; bei 12% der Diabetikespatienten mit normalem Transaminasenwert wies die Elastometrie auf eine signifikante Fi­brose hin [4]. Diese Ergebnisse unterstreichen, dass die Früherkennung einer NAFLD bei Diabetikespatienten besonders wichtig ist (auch im Falle normaler Leberwerte), ebenso wie die Früherkennung von Insulinresistenz oder T2D bei NAFLD-Patienten.

NAFLD: Neuigkeiten zur Behandlung

Angesichts des engen Zusammenhangs zwischen den Lebensgewohnheiten, dem metabolischen Syndrom und der NAFLD schlagen alle internationalen Empfehlungen als Mittel erster Wahl zur Behandlung der NAFLD die Umstellung der Ernährungs- und Lebensgewohnheiten vor. Der genaue Nutzen und die Umsetzbarkeit dieser Massnahmen im Rahmen einer NAFLD waren jedoch nicht vollständig geklärt. Eine prospektive Studie von Vilar-Gomez et al. mit 293 NASH-Pa­tienten [5] zeigte allerdings den Nutzen und die Grenzen dieses Ansatzes: Die durchschnittliche Gewichtsabnahme betrug 4,6 kg, und lediglich 30% der Patienten hatte am Ende des 52-wöchigen Beobachtungszeitraums abgenommen. Zudem musste eine Gewichtsabnahme von 7% erreicht werden, um einen Rückgang der NASH zu erreichen; um die Fibrose signifikant zu verringern, war eine Gewichtsabnahme von mindestens 10% nötig. Vor diesem Hintergrund besteht ein grosses Interesse an der Entwicklung neuer Therapien; mehrere Wirkstoffe werden derzeit in klinischen Phase-II- oder Phase-III-Studien getestet. Aber auch bereits zugelassene Arzneistoffe zeigen bei NAFLD eine positive Wirkung: Beispielsweise wurde für Pioglitazon ein histologischer Nutzen bei nichtdiabetischen NAFLD-Patienten nachgewiesen, jüngst wurde für diesen Wirkstoff auch eine Verringerung der Leberfibrose bei Patienten mit NASH und Diabetes gezeigt, auch wenn diese Ergebnisse noch bestätigt werden müssen [6]. Da der Einsatz von Pioglitazon jedoch durch die Nebenwirkungen eingeschränkt ist, werden zurzeit zahlreiche andere Wirkstoffe getestet.

Diskussion

Die nichtalkoholische Fettlebererkrankung ist eine häufige Hepatopathie. Sie betrifft ein Viertel der Weltbevölkerung und geht mit beträchtlichen Komplikationen einher. Angesichts der starken Assoziation mit den diversen Faktoren des metabolischen Syndroms wird die Diagnose und Behandlung dieser Patientinnen und Patienten zu sehr hohen Kosten für das Gesundheitssystem führen. Nur durch einen multidisziplinären Ansatz können jene Patientinnen und Patienten frühzeitig erkannt werden, für die das Risiko einer ungünstigen Entwicklung besteht und die deshalb überwacht und fachärztlich behandelt werden müssen.
Der Autor hat keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Dr. med. Nicolas Goossens
Service de Gastroentérologie & Hépatologie
Hôpitaux Universitaires
de Genève
4, rue Gabrielle-Perret-Gentil
CH-1211 Geneva 4
nicolas.goossens[at]hcuge.ch
1 Blais P, Husain N, Kramer JR, Kowalkowski M, El-Serag H, Kanwal F. Nonalcoholic fatty liver disease is underrecognized in the primary care setting. Am J Gastroenterol. 2015;110:10–4.
2 Younossi ZM, Koenig AB, Abdelatif D, Fazel Y, Henry L, Wymer M. Global epidemiology of nonalcoholic fatty liver disease-Meta-analytic assessment of prevalence, incidence, and outcomes. Hepatol Baltim Md. 2016;64:73–84.
3 European Association for the Study of the Liver (EASL), European Association for the Study of Diabetes (EASD), European Association for the Study of Obesity (EASO). EASL-EASD-EASO Clinical Practice Guidelines for the management of non-alcoholic fatty liver disease. J Hepatol. 2016;64:1388–1402.
4 Kwok R, Choi KC, Wong GLH, Zhang Y, Chan HLY, Luk AOY, et al. Screening diabetic patients for non-alcoholic fatty liver disease with controlled attenuation parameter and liver stiffness measurements: a prospective cohort study. Gut. 2016;65:1359–68.
5 Vilar-Gomez E, Martinez-Perez Y, Calzadilla-Bertot L, Torres-Gonzalez A, Gra-Oramas B, Gonzalez-Fabian L, et al. Weight loss through lifestyle modification significantly reduces features of nonalcoholic steatohepatitis. Gastroenterology. 2015;149:367–78.e5; quiz e14–15.
6 Cusi K, Orsak B, Bril F, Lomonaco R, Hecht J, Ortiz-Lopez C, et al. Long-term pioglitazone treatment for patients with nonalcoholic steatohepatitis and prediabetes or type 2 diabetes mellitus: a randomized trial. Ann Intern Med. 2016;165:305–15.