Mehr als eine Gedächtnislücke
Plötzliche antero- und retrograde Amnesie

Mehr als eine Gedächtnislücke

Was ist Ihre Diagnose?
Ausgabe
2018/05
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2018.03146
Schweiz Med Forum 2018;18(05):109-112

Affiliations
a Klinik für Kardiologie, Inselspital, Universitätsspital, Bern; b Service de Neurologie, CHUV, Lausanne; c Service de Cardiologie, CHUV, Lausanne

Publiziert am 31.01.2018

Fallbeschreibung

Eine 62-jährige Patientin mit anamnestisch bekanntem Widal-Syndrom (Asthma bronchiale, Nasenpo­lypen und Azetylsalizylsäure-Unverträglichkeit) wird bei uns vorstellig. Das Asthma der Patientin ist schwer einstellbar und hat in den letzten Jahren zahlreiche Kortikosteroidbehandlungen erforderlich gemacht. Bei einem chirurgischen Eingriff aufgrund der Nasenpolypen einige Monate vor ihrer Aufnahme wurde im Nasenabstrich eine Eosinophilie festgestellt.
Zwei Monate nach dem Eingriff weist die Patientin ­einen reduzierten Allgemeinzustand mit ungewöhn­licher Müdigkeit auf, weshalb sie tagsüber mehrere ­Nickerchen machen muss, und klagt über Parästhesien der oberen Gliedmassen. Beim Erwachen nach einem Nickerchen ist sie räumlich desorientiert und leidet an einer anterograden Amnesie (die Unfähigkeit, sich neue Informationen zu merken, Wiederholung derselben Fragen) sowie einer retrograden Amnesie in Bezug auf die vergangenen 4–6 Monate. In diesem Zustand wird sie mit Verdacht auf einen Schlaganfall in die Notfallstation des CHUV eingewiesen.
Bei ihrer Aufnahme ist die Patientin orientiert, zeigt jedoch eine anterograde Gedächtnisstörung mit einem «delayed recall» von 1/5 sowie eine retrograde Amnesie ohne Beeinträchtigung des Arbeitsgedächtnisses. Die übrige Untersuchung ist unauffällig. Eine zerebrale ­CT-Angiographie zeigt eine leichte Arteriosklerose der Karotissiphons ohne Ischämie- oder Hämorrhagie­anzeichen sowie symmetrische Perfusionskarten. Die initiale Laboruntersuchung weist auf Entzündungs­zeichen mit einer Leukozytose von 16 G/l, einem CRP-Wert von 50 mg/l und einer BSG von 60 mm/h hin. Die Gedächtnisstörungen sind innerhalb von weniger als 24 Stunden bei der Untersuchung der Patientin am Krankenbett abgeklungen.

Frage 1: Welches ist die in diesem Stadium unwahrscheinlichste Differenzialdiagnose bei plötzlicher Amnesie?


a) Transiente globale Amnesie
b) Schlaganfall / transitorische ischämische Attacke (TIA) mit Auswirkungen auf das limbische System
c) Epileptischer Anfall
d) Limbische Enzephalitis
e) Psychogene Amnesie
Die Patientin weist die Anzeichen einer plötzlichen antero- und retrograden Amnesie auf, was möglicherweise auf eine transiente globale Amnesie schliessen lässt. Das klinische Erscheinungsbild dieser Erkrankung ist hauptsächlich durch die Unfähigkeit gekennzeichnet, sich neue Informationen zu merken, was sich in stereotypen Fragen äussert, die ständig wiederholt werden. Mit Ausnahme der vorübergehenden Ge­dächtnisstörung bleiben alle anderen übergeordneten Funktionen (beispielsweise Sprachfähigkeit, die Ausführung willkürlicher zielgerichteter geordneter Bewegungen und der Wachzustand) erhalten. Aufgrund dessen stellt diese Diagnose bei der geringsten Ab­weichung eine Ausschlussdiagnose dar und es sind ­Zusatzuntersuchungen wie Aufnahmen des Gehirns mittels bildgebender Verfahren, vorzugsweise per ­Magnetresonanztomographie (MRT) und eventuell ein Elektroenzephalogramm (EEG) sowie eine Lumbalpunktion (LP) erforderlich, um andere Amnesieursachen auszuschliessen.
Eine ischämische Ursache von Gedächtnisstörungen ohne sonstige Auffälligkeiten des klinischen Status ist zwar selten, bei einem Schlaganfall beziehungsweise einer transitorischen ischämischen Attacke (TIA) mit Läsionen, die sich auf das limbische System (Hippocampus, vorderer Thalamus oder Gyrus cinguli) auswirken, jedoch möglich. Auch multiple kleine ischä­mische Schlaganfälle in beiden Gehirnhälften können ein derartiges klinisches Erscheinungsbild verursachen [1].
Ein fokaler epileptischer Anfall temporalen Ursprungs kann sich zwar in Form von Gedächtnisstörungen äus­sern, geht jedoch häufig mit anderen Manifestationen (Automatismen, Bewusstseinsstörungen) einher und tritt manchmal wiederholt und nur kurzzeitig auf.
Eine limbische Enzephalitis tritt subakut auf und kann mit Gedächtnisstörungen einhergehen, welche häufig mit Bewusstseinsstörungen und gelegentlich zusätzlich mit partiellen epileptischen Anfällen assoziiert sind.
Bei einer psychogenen Amnesie-Episode ist häufig ein Verlust der persönlichen Identität des Patienten oder eine Amnesie vornehmlich in Bezug auf als besonders schmerzlich empfundene Ereignisse zu beobachten.

Frage 2: Welche Zusatzuntersuchung wäre in diesem Stadium am unangemessensten?


a) Eine klinische Überwachung
b) Eine Lumbalpunktion mit serologischer Untersuchung auf Herpes-Viren
c) Ein Schädel-MRT
d) Ein EEG
e) Eine Laboruntersuchung (hämatologische Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen, Blutwerte)
Angesichts des atypischen klinischen Erscheinungs­bildes von Gedächtnisstörungen mit Bewusstseinsstörungen, mehrere Tage zuvor aufgetretenen Parästhesien und Entzündungszeichen bei der Aufnahme ist eine klinische Überwachung unangemessen.
Daher wird die Patientin einer Lumbalpunktion zur Abklärung einer infektiös bedingten oder autoimmunen Enzephalitis unterzogen. Diese Untersuchung ist unauffällig. Da die serologischen Untersuchungen auf Herpes-Viren im Liquor ebenfalls negativ sind, kann diese Diagnose zuverlässig ausgeschlossen werden.
Infolgedessen wird ein Schädel-MRT angefertigt, welches multiple Schlaganfälle in beiden Gehirnhälften zeigt (Abb. 1). Zusätzlich wird ein epileptisches Geschehen als Ursache vermutet, weshalb ein EEG durchgeführt wird, das einen leichten Herdbefund rechts temporal im Gebiet der ischämischen Läsionen zeigt.
Abbildung 1: Magnetresonanztomographie des Schädels, Diffusionssequenz. Multiple, miteinander verbundene, ischämische Herde in beiden Gehirnhälften (weisse Pfeile). Eine kardioembolische oder arterio-arterielle embolische Genese kann aufgrund 
der Lokalisation der ischämischen Ereignisse ausgeschlossen werden, da diese nicht auf ein Gefässgebiet begrenzt sind.
Das grosse Blutbild ergibt eine Hypereosinophilie von 4,82 G/l (Normwert 0,05–0,3 G/l), was auf einen mög­lichen Parasitenbefall hinweist. Für diese Hypothese gibt es jedoch keine klinischen Anhaltspunkte (Reise, Verzehr roher Nahrungsmittel usw.) und die Ergebnisse der Stuhluntersuchung sind negativ (Echinokokkose, Toxocariasis, Strongyloidiasis, Distomatose, Trichinellose). Eine mögliche medikamentöse Ursache (nicht­steroidale Antirheumatika, Protonenpumpenhemmer, Antibiotikatherapie usw.) kann nicht gefunden werden, da die Patientin keines der oben genannten Medikamente einnimmt / eingenommen hat. Eine autosomal-dominante familiäre Eosinophilie kann aufgrund einer negativen Familienanamnese zuverlässig ausgeschlossen werden. Das Widal-Syndrom ist ebenfalls mit einer Eosinophilie assoziiert, jedoch üblicherweise mit niedrigeren Werten. Überdies ist eine leichte Eosinophilie der Patientin von 1 G/l (Normwert 0,05–0,3 G/l) anamnestisch bekannt und wird seit langem ambulant kontrolliert. Eine neoplastische Ursache ist ebenfalls denkbar, kann jedoch aufgrund eines Blutausstrichs ohne dysplastische Eosinophile oder Blasten ausgeschlossen werden.

Frage 3: Welche Untersuchung, die einen möglichen Einfluss auf die Prognose der Patientin hat, würden Sie als Nächstes durchführen?


a) Eine Bestimmung des Troponinwerts
b) Einen Doppler-Ultraschall der präzerebralen Arterien
c) Eine EEG-Kontrolle
d) Eine Knochenmarkbiopsie
e) Eine Biopsie zur Suche nach einer eosinophilen Gewebe­infiltration
Die an erster Stelle durchzuführende Untersuchung ist eine Bestimmung des Troponinwerts. Eosinophile sind kardiotoxisch mit direkter Auswirkung auf das Myokard, was eine der Hauptmorbiditäts- und Mortalitätsursachen bei Hypereosinophilie darstellt. Bei unserer Patientin ist der Troponinwert positiv mit 1700 ng/l (Normwert <14 ng/l) und die CK ist im Normbereich, weshalb eine Echokardiographie veranlasst wird; diese erweist sich als unauffällig. Abschliessend wird ein Kardio-MRT durchgeführt, das eine inferiore Hypo­kinesie mit einer nekrotischen/entzündlichen subendokardialen Läsion und einem Myokardödem zeigt (Abb. 2).
Abbildung 2: Ausgangs- (A–C) und Kontroll-Kardio-MRT (D–F); T2 map basal short axis (A+D), LGE basal short axis (B+E), LGE chamber view (C+F). A) Erhöhung der T2-Werte an der inferioren und Inferolateralwand (roter Pfeil) im Bereich des ­Myokardödems (T2 = 55–63 ms; NW <55 ms). B+C) Subendokardiales LGE im selben Gebiet (weisser Pfeil).
Das Kontroll-MRT nach der Behandlung zeigt eine Rückbildung des Ödems ([ D ] Normalisierung der T2-Werte im T2-Mapping), jedoch weiterhin eine späte Gadolinium-Anreicherung (E+F , weisser Pfeil), welche auf eine Fibrose hindeutet. 
LGE = «Late Gadolinium Enhancement» (späte Gadolinium-Anreicherung).
Die anderen Untersuchungen haben keinen direkten Einfluss auf die Prognose. Ein Doppler-Ultraschall der präzerebralen Arterien zur Abklärung eines Schlaganfalls als Ursache ist in dieser Situation aufgrund der Multifokalität der beidseitigen Schlaganfälle und des Fehlens einer Stenose respektive verdächtiger arteriosklerotischer Plaques in der zerebralen CT-Angiographie nicht zwingend erforderlich. Das bei der Aufnahme angefertigte EEG zeigt Herdbefunde, weshalb die erneute Durchführung eines Langzeit- oder Schlaf-EEGs angesichts des positiven klinischen Verlaufs nicht notwendig ist. Die Knochenmarkbiopsie ist der Goldstandard, um eine hämatologische Ursache der Hypereosinophilie abzuklären. Da jedoch keine dysplastischen Zellen oder Blasten im peripheren Blutausstrich nachge­wiesen wurden und Alternativdiagnosen existieren, ist diese Untersuchung nicht erforderlich. Eine Gewebebiopsie bringt zwar diagnostisch weiter, hat jedoch ­keinen Einfluss auf die Prognose. Überdies ist bei der Patientin ein HNO-Eingriff aufgrund ihrer Nasenpolypen erfolgt, bei dem im Abstrich bereits Eosinophile nachgewiesen worden waren.

Frage 4: Welche Diagnose ist in diesem Stadium am wahrscheinlichsten? Multifokale Schlaganfälle in Verbindung mit:


a) Churg-Strauss-Syndrom
b) Wegener-Granulomatose
c) Mikroskopischer Polyangiitis
d) Paraneoplastischem Syndrom (Trousseau-Syndrom)
e) Primärer Vaskulitis des zentralen Nervensystems
Aufgrund des klinischen Erscheinungsbildes ist eine Churg-Strauss-Vaskulitis angesichts der Hypereosinophilie mit Asthma und Nasenpolypen in der Vorgeschichte der Patientin sowie dem Eosinophilennachweis bei der ambulanten Biopsie und der typischen kardialen Beteiligung am wahrscheinlichsten.
Die Wegener-Granulomatose ist eine Vaskulitis der kleinen Blutgefässe mit nekrotischen Granulomen. Das klinische Erscheinungsbild ist hauptsächlich durch HNO-, Lungen- und Nierenbeschwerden gekennzeichnet, wobei auch systemischere Manifestationen möglich sind, welche das Nervensystem und das Herz betreffen, was jedoch seltener der Fall ist.
Die mikroskopische Polyangiitis ist eine nekrosierende Vaskulitis der kleinen Blutgefässe ohne Granulome. Das klinische Erscheinungsbild ist durch Nieren-, Urogenital- und Lungenbeschwerden gekennzeichnet. Ferner können Beschwerden des Verdauungstrakts, periphere neurologische und dermatologische Störungen auftreten. Eine kardiologische Beteiligung kommt hingegen nur sehr selten vor.
Bei Gefässläsionen in unterschiedlichen Gebieten, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten entstanden sind, ist stets an eine embolische Ursache im Herzen oder der Aorta, Hyperkoagulabilität, wie beispielsweise beim Trousseau-Syndrom bei zugrundeliegender Neoplasie, und last but not least, an eine Vaskulitis zu denken. Bei unserer Patientin kann eine zugrundeliegende Neoplasie anhand der klinischen und radiologischen Untersuchung zuverlässig ausgeschlossen werden.
Und schliesslich spricht die Beteiligung mehrerer Organe (Gehirn, Nasennebenhöhlen, Myokard) gegen eine isolierte Vaskulitis des zentralen Nervensystems.

Frage 5: Welche Behandlung ist am ehesten angezeigt?


a) Eine alleinige Kortikosteroidbehandlung
b) Eine alleinige Behandlung mit Azathioprin/Mycophenolat-Mofetil
c) Eine Behandlung mit Kortikosteroiden und Rituximab
d) Eine Behandlung mit Kortikosteroiden und Cyclophosphamid
e) Eine Behandlung mit Kortikosteroiden und Azathioprin/­Mycophenolat-Mofetil
Die Patientin erhält eine Kortikosteroidbehandlung, da diese den Goldstandard bei der Therapie des Churg-Strauss-Syndroms darstellt. Zusätzlich muss eine kortisonsparende immunmodulierende Behandlung erfolgen, um die mit einer Langzeitkortikoidtherapie verbundenen Komplikationen zu vermeiden. Bei unserer Patientin begannen wir auf Anraten des Immunologieteams eine Cyclophosphamidbehandlung.

Diskussion

Das Churg-Strauss-Syndrom (CSS) wurde erstmalig im Jahr 1951 beschrieben und im Jahr 2012 gemäss der re­vidierten Chapel-Hill-Nomenklatur in eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis umbenannt. Dabei handelt es sich um eine systemische Erkrankung mit chronischer Rhinosinusitis, Asthma und Hypereosinophilie von üblicherweise über 1,5 G/l [1]. Zusammen mit der Wegener-Granulomatose und der mikroskopischen Polyangiitis wird sie den ANCA-assoziierten Vaskulitiden zugeordnet. Das CSS ist die seltenste der drei Erkrankungen mit einer Prävalenz von ca. 11/1 000 000 Einwohnern. Es ist durch eine Vaskulitis der kleinen und mittleren Gefässe gekennzeichnet. Das Durchschnittsalter bei Diagnosestellung beträgt 40 Jahre und es gibt keine geschlechts- oder abstammungsspezifische Häufung [2, 3]. 
Die Ursache wird als idiopathisch angesehen, obgleich mehrere Studien mögliche auslösende Faktoren wie Allergene, Infektionen oder Medikamente untersucht haben. Am stärksten sind dabei kortisonsparende Behandlungen wie Leukotriene oder monoklonale anti-IgE-Antikörper in den Fokus geraten, die heute als mögliche Auslöser für ein zugrundeliegendes CSS anerkannt sind. Auch die Erbanlagen mit bestimmten immungenetischen Markern, welche mit einem erhöhten CSS-Risiko oder einem Schutz vor der Erkrankung assoziiert sind, spielen wahrscheinlich ebenfalls eine Rolle. Weitere an der Entstehung des CSS beteiligte Faktoren sind die Eosinophilen, die Neutrophilen sowie die T- und B-Lymphozyten. Die Eosinophilie ist jedoch das Hauptmerkmal der Pathophysiologie und zählt gemäss einigen Klassifikationen zu den Diagnosekriterien [4]. Ferner ist anzumerken, dass die Erkrankung hauptsächlich mit den gegen Myeloperoxidase (MPO) gerichteten antineutrophilen zytoplasmatischen Antikörpern (ANCA) assoziiert ist. In einigen Studien wurde nachgewiesen, dass Patienten mit ANCA-positivem CSS eher an Vaskulitiden und Patienten mit ANCA-negativem CSS eher an eosinophilen Gewebeinfiltrationen leiden. Dies hat bei ANCA-positiven Formen das typische klinische Erscheinungsbild von Vaskulitiden der kleinen Gefässe mit Polyneuropathien oder Glomerulonephritiden, jedoch weniger Herz-, Lungen- oder gastroin­testinalen Beschwerden zur Folge. Dabei gilt jedoch zu beachten, dass durchschnittlich 40% der CSS ANCA-­positiv sind. Ein anderer möglicher Faktor sind die IgG4-Antikörper. Seitdem in einer Studie bei aktivem CSS ein höherer IgG4-Serumspiegel nachgewiesen wurde, wächst die Liste der IgG4-assoziierten Erkrankungen rasch an.
Die am häufigsten beeinträchtigten Organe sind die Lungen, die Haut, das kardiovaskuläre System, das gastrointestinale System, die Nieren sowie das periphere und zentrale Nervensystem. Die von den Eosinophilen und Neutrophilen sezernierten Mediatoren und pro­inflammatorischen Zytokine sind direkt für die Ge­webeläsionen verantwortlich. Ferner sind die Anti-MPO-ANCA beteiligt, welche, jedoch nicht zwingend, Gefässschäden verursachen. In den meisten Fällen ­verläuft das CSS in drei klinischen Phasen. Es beginnt mit einer Prodromalphase, welche durch Asthma (bei >90% der Patienten) und Allgemeinsymptome gekennzeichnet ist. Darauf folgt die eosinophile Phase mit ­einer peripheren Hypereosinophilie und als Letztes die klinische Phase mit Organschädigungen durch eosinophile Gewebeinfiltrationen oder Vaskulitiden. Die Diagnosestellung erfolgt anhand der sechs Kriterien des «American College of Rheumatology (1990)» mit Asthma, Eosinophilie >10%, Neuropathie, Lungeninfiltraten, Anomalien der Nasennebenhöhlen und bioptisch nachgewiesenen eosinophilen Gewebeinfiltrationen. Für eine Diagnosestellung müssen mindestens vier dieser Kriterien zutreffen.
Histologisch gesehen, liegt bei der Autopsie eine Sym­ptomtrias aus eosinophiler Gewebeinfiltration, nekrotisierender Vaskulitis und Granulombildung vor [5, 6].
Die Prognose des CSS ist unbehandelt durch eine 50%ige Mortalität nach drei Monaten gekennzeichnet, was der Wegener-Granulomatose gleichkommt. Durch die Kortikosteroidbehandlung hat sich die Prognose jedoch deutlich verbessert. In einer französischen Studie konnten Faktoren für eine ungünstige Prognose identifiziert werden, von denen die fünf wichtigsten im «five factor score» oder FFS zusammengefasst wurden. Dieser umfasst erhöhte Kreatininwerte, eine Proteinurie von >1 g/24 h, eine gastrointestinale Beteiligung, Herzbeschwerden und eine ZNS-Beteiligung [7].
Eine hochdosierte Kortikoidtherapie ist der Goldstandard bei der Behandlung, durch welche die Eosinophilie rasch abklingt. Zusätzlich wird, um Kortison zu sparen, eine immunmodulierende Therapie begonnen, wobei Cyclophosphamid die Behandlung erster Wahl darstellt. Bei Therapieresistenz gegen die Standardbehandlung können auch andere Immunmodulatoren wie Azathioprin oder Mycophenolat-Mofetil zur Anwendung kommen. In aktuellen Studien wird ferner Rituximab als Behandlungsmöglichkeit bei schweren oder refraktären Erkrankungsformen diskutiert, da dessen Wirksamkeit bei der Wegener-Granulomatose und der mikroskopischen Polyangiitis bereits erwiesen ist. Mehrere kleine Studien deuten tendenziell auf eine Wirksamkeit beim CSS hin, ihr Evidenzgrad ist ­jedoch gering [8–10].
Eine neurologische Beteiligung ist häufig und die Beeinträchtigung des peripheren Nervensystems zählt zu den Diagnosekriterien. Eine ZNS-Beteiligung ist ­jedoch sehr viel seltener und es muss zwischen einer Gefässläsion im Gehirn und einer kardioembolischen Genese infolge einer Herzbeteiligung unterschieden werden.
Bei unserer Patientin ist die Ursache für die Gedächtnisstörungen wahrscheinlich sowohl in den multiplen Schlaganfällen beider Hirnhälften als auch in den ­temporalen Herdbefunden zu suchen. Daher erhält sie eine antiepileptische Behandlung (mit Levetiracetam [Keppra®]) sowie Clopidogrel 75 mg 1×/Tag. Bei dieser ­Patientin ist aufgrund der inferioren Hypokinesie der entzündlichen subendokardialen Läsion eine kardioembolische Genese der Schlaganfälle am wahrscheinlichsten. Eine Vaskulitis des ZNS ist angesichts der ­akuten neurolo­gischen und monophasischen Manifestation weniger wahrscheinlich. Überdies wurde eine zerebrale Angiographie durchgeführt, die keine typischen Vaskulitisanzeichen («perlenkettenartige Arterien») aufwies. Diese Untersuchung erfolgte jedoch bereits eine Woche nach Behandlungsbeginn. Bei unserer Patientin entschieden wir uns dafür, die wahrschein­liche kardiale Ursache mit einer immunsuppressiven Therapie und einem Thrombozytenaggregationshemmer zu behandeln. Unter der Behandlung waren weder klinisch noch im Kontroll-Schädel-MRT nach drei ­Monaten Rezidive zu verzeichnen. Die Laborwerte erholten sich ebenfalls rasch mit einer Normalisierung der Eosinophilen nach Behandlungsbeginn.

Antworten:


Frage 1: e. Frage 2: a. Frage 3: a. Frage 4: a. Frage 5: d.
Wir möchten Dr. med. Karampera, Prof. Dr. med. Michel und Dr. med. Vincenti für ihre Beteiligung an diesem Beitrag sowie der radiologischen Abteilung des CHUV für die Beurteilung des Falles und die ­Abbildungen danken.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Giancarlo Spano, dipl. Arzt
Assistenzarzt
Inselspital
Universitätsspital Bern
Freiburgstrasse 8
CH-3010 Bern
Giancarlo.spano[at]insel.ch
 1 Michel P, Beaud V, Eskandari A, Maeder P, Demonet JF, Eskioglou E. Ischemic Amnesia: Causes and Outcome. Stroke. 2017;48(8):2270–3.
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 3 Mahr A, Guillevin L, Poissonnet M, Aymé S. Prevalences of polyarteritis nodosa, microscopic polyangiitis, Wegener’s granulomatosis, and Churg-Strauss syndrome in a French urban multiethnic population in 2000: a capture-recapture estimate. Arthritis Rheum. 2004;51(1):92–9.
 4 Sada KE, Amano K, Uehara R, Yamamura M, Arimura Y, Nakamura Y, Makino H; Research Committee on Intractable Vasculitides, the Ministry of Health, Labour and Welfare of Japan. A nationwide survey on the epidemiology abd clinical features of eosinophilic granulomatosis with polyangiitis (Churg-Strauss) in Japan. Mod Rheumatol. 2014;24(4):640–4.
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 7 Mahr A, Moosig F, Neumann T, Szczeklik W, Taillé C, Vaglio A, Zwerina J. Eosinophilic granulomatosis with polyangiitis (Churg-Strauss): evolutions in classification, etiopathogenesis, assessment and management. Curr Opin Rheumatol. 2014;26(1):16–23.
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10 Mohammad AJ, Hot A, Arndt F, Moosig F, Guerry MJ, Amudala N, et al. Rituximab for the treatment of eosinophilic granulomatosis with polyangiitis (Churg-Strauss). Ann Rheum Dis. ­2016;75(2):396–401.