Perkutane koronare Interventionen nicht besser als Plazebo bei schwerer KHK

Perkutane koronare Interventionen nicht besser als Plazebo bei schwerer KHK

Kurz und bündig
Ausgabe
2018/0102
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2018.03177
Schweiz Med Forum 2018;18(0102):3-4

Publiziert am 03.01.2018

Fokus auf … Kupfermangel

– Kupfermangel ist meist Folge einer gastrointestinalen Malabsorption, z.B. Sprue, oder exzessiver Zinkzufuhr (Resorption von Zink in Konkurrenz zu Kupfer), selten angeboren (M. Menke).
– Da Kupfer im Duodenum resorbiert wird, ist heute die Magenbypass-Operation (Roux-en-Y) die wichtigste Ursache ge­worden.
– Weitere Ursachen: Valproat (Mechanismus unbekannt) und dentale Adhäsiva (Komplexierung).
– Klinische Manifestationen: komplexe Neurologie (Myelopathie, Polyneuropathie, Myopathie, Optikusneuropahtie), Anämie (normochrom, normozytär, seltener sideroblastär), allenfalls Leuko- und Thrombopenie.
– Diagnostik: Kupfer und Coeruloplasmin (letzteres wird in Abwesenheit von Kupfer schnell degradiert) im Serum tief.
– Akute Therapie: Kupferchlorid intravenös (fallweise herzustellen).
– Wichtigste Nahrungsquellen: schwarze Schokolade, Leber, Mandeln.
N Engl J Med. 2017;377(20):1977–84. 
doi: 10.1056/NEJMcpc1710564. 
Verfasst am 29.11.2017.

Praxisrelevant

Perkutane koronare Interventionen nicht besser als Plazebo bei schwerer KHK

Die sogenannte «COURAGE»-Studie [1] und Metaanalysen zeigten, dass eine koronare ­Intervention bei stabiler koronarer Herzkrankheit (KHK) nicht zu einer Reduktion der Mor­talität oder von Myokard­infarkten führt. Invasive koronare Interventionen bei stabiler KHK sollten also nach wie vor der Kontrolle von medikamentös nicht adäquat beherrschbaren Symptomen dienen.
Die nun publizierte «ORBITA»-Studie [2] wurde sensationellerweise doppel­blind randomisiert durchgeführt ­(Pa­tienten sediert und bezüglich Gehör isoliert, nachbetreuende Teams nach dem Verlassen des Katheterraums verblindet darüber, ob eine Koronardilatation stattgefunden hatte oder nicht). Die Resultate zeigen, dass bei schwerer koronarer Atheromatose (Stenosegrad >70%) ein invasives Vorgehen keinen besseren Effekt auf die ergometrische Belastbarkeit als die Plazebointervention (Herzkatheter­labor und diagnostische Koronarangiographie) ausübte.
Verständlich, dass ein solches Resultat eine heisse Proponenten- und Opponentendiskussion auslöst. Für ethische Kommissionen ist die Tatsache, dass eine solche invasive Therapie doppelblind untersucht werden kann, ebenfalls ein wichtiger Hinweis. Angeblich gibt es weltweit über 500 000 solcher Eingriffe bei dieser Patientengruppe. «Choosing (more) wisely» also auch hier?
1 N Engl J Med. 2007;356(15):1503–16.
2 Lancet. 2017 Nov 1. pii: S0140-6736(17)32714-9. doi: 10.1016/S0140-6736(17)32714-9. [Epub ahead of print].
Verfasst am 28.11.2017, auf Hinweis von Prof. Peter Rickenbacher (Basel/Bruderholz).

Beatmung ohne messbaren Einfluss auf kardiovaskuläre Endpunkte beim OSAS

Verschiedene Studien haben eine Assoziation zwischen kardiovaskulären Erkrankungen und dem Schlafapnoe-Syndrom (OSAS) – auch nach Korrektur für Komorbiditäten wie Adipositas – gezeigt. Als pathophysiologisch relevante Mechanismen werden unter anderem erhöhte katecholaminerge Aktivität, Insulinresistenz, intermittierenden Hypoxämien vermutet. Die Beatmung mit «positive airway pressure» (PAP) führte in der Tat zu einer ­bescheidenen Reduktion des Blutdruckes. Es gibt bereits Fachempfehlungen zur Anwendung von PAP, zum Beispiel zur Verhinderung von Rezidiven bei einem Schlaganfall oder ­einer transient ischämischen Attacke («American Heart Association» [AHA]/ «American Stroke Association» [ASA]). Eine Metaanalyse von 10 diesbezüglich kontrollierten und randomisierten Studien zeigt nun, dass eine PAP ohne Einfluss auf die gewählten Endpunkte (akute Koronarsyndrome, Schlaganfälle oder kardiovaskuläre bedingte Todesfälle) bleibt.
JAMA. 2017;318(2):156–66. 
doi: 10.1001/jama.2017.7967, 
Verfasst am 27.11.2017.

Neues aus der Biologie

Neuromodulation mit Ultraschall

Was hat es mit den angeblichen Ultraschall­attacken auf US-amerikanische Diplomaten in Havanna (Kuba) auf sich? James Bond oder doch etwas Reales? Könnte die Verhandlungsdelegation der Schweiz in Brüssel so (endlich?) gefügig gemacht werden? Möglich erscheint es, denn MRI-gesteuerte Ultrasonifikation zum Beispiel des extrapyramidalen Systems kann Bewegungsstörungen positiv beeinflussen, obwohl die Effekte des Ultraschalls – bei grösser Zielgenauigkeit zwar – etwas schwächer als elektromagnetische Impulse wirken. Fokussierter Ultraschall kann anscheinend auch Medikamenten-beladene Nanopartikel genau am gewünschten intra­zerebralen Zielort so verändern, dass das Medikament dort freigesetzt wird. Eine spannende Geschichte, mit möglichem Abususpotential …
Nature. 2017;551(7679):257–9. 
doi: 10.1038/d41586-017-05479-7. 
Verfasst am 28.11.2017.

Immer noch lesenswert

Klonalität von Kröpfen

Prof. Hugo Studer war langjähriger Ordinarius/Chefarzt für Innere Medizin am Inselspital und zusammen mit seinem Kollegen Prof. Werner Straub Förderer sehr vieler internistischer Kaderärzte. Ganz in der Berner Tradition war die Entstehung der vormals endemischen Kröpfe in der Schweiz eines seiner wichtigeren Forschungsinteressen. 1994 berichteten er und seine Mitarbeiter, dass Kröpfe tumorgenetisch heterogen sind, dass zum Beispiel polyklonale und mono­klonale Knoten nebeneinander exisi­tieren und dass monoklonale Knoten sich aus polyklonalen entwickeln können.
J Clin Endocrinol Metab. 1994;79(1):134–9. 
DOI: 10.1210/jcem.79.1.7517946. 
Verfasst am 27.11.2017.

Das hat uns gefreut

Willkommen im Club: Smarter Medicine in der Gastroenterologie

Trotz ökonomisch wahrscheinlich schmerzhafter Zurückstufung endo­skopischer Abklärungen hat sich die Schweizerische Gesellschaft für Gastroenterologie im Rahmen der «Smarter Medicine»-Inititative mit fachlich gut begründeten und lesenswerten Einsparungsvorschlägen geäussert. Zum Beispiel wird eine Kolonoskopie – bei qualitativ hochstehender Erstuntersuchung – bei fehlendem Neoplasienachweis nur noch alle 10 Jahre empfohlen. Bei Nachweis von Polypen ohne höhergradige Dysplasie sind es 5 Jahre.

Aus Schweizer Feder

Eisen einmal und nur jeden zweiten Tag ist besser!

Nachdem ab Januar 2018 für die parenterale Eisenzufuhr eine Kostengutsprache einiger Krankenkassen erforderlich wird, ist es gut, sich über die optimale perorale Eisenzufuhr zu (re-)informieren. In vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützten Studien untersuchten M. Zimmermann und MitarbeiterInnen (ETH Zürich) den Effekt des Dosisinter­valles eines oralen Eisenpräparates auf die Eisenresorption. Mittels sorgfältiger eisen­kinetischer Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass mit einer Einmaldosis (nüchtern/morgens) – nur jeden zweiten Tag appliziert – eine signifikant höhere kumulative Eisenresorption von plus 34% erreicht wurde (getestet für 60 mg Eisensulfat). Der Grund dafür liegt in der Tatsache begründet, dass zu häufige Eisenapplikationen in der Leber die Synthese des sogenannten Hepcidin ­stimulieren. Hepcidin ist ein negativer Re­gulator (Hemmer) der duodenalen Eisenaufnahme und der Eisenfreisetzung aus den ­eisenspeichernden Zellen. «Choosing wisely (and cost-effectively)», auch hier!
Lancet Haematol. 2017 Nov;4(11):e524–e533. 
doi: 10.1016/S2352-3026(17)30182-5. 
Verfasst am 27.11.2017, auf Hinweis von 
Prof. Michael Brändle (St.Gallen).

Für ÄrztInnen am Spital

Wie alt dürfen Erythrozyten sein?

Erythrozyten (Abb. 1) können bis zu 49 Tage (4 °C) aufbewahrt werden (www.blutspende.ch), aber die Mortalität und Morbidität von intensivmedi­zinischen, chirurgischen und traumatologischen PatientInnen korrellierte positiv mit der zunehmenden Lagerungsdauer der Erythrozytenkonzentrate. Dabei wurden unter anderem negative Folgen der Konservierungstechnik ­inkriminiert. Darum kommen die Resultate der randomisierten, doppelblinden TRANSFUSE-­Studie (knapp 5000 PatientInnen, 59 Zentren, 5 Länder) nun als Beruhigung, denn die 90-Tage-Mortalität intensivmedizinischer («critically ill») PatientInnen unterschied sich nicht, wenn Konzentrate mit einer Lagerungsdauer von knapp 12 Tagen mit solchen von gut 22 Tagen verglichen wurden.
Abbildung 1: Elektronenmikroskopische Aufnahme einer Gruppe von Erythrozyten 
(© CDC/ Janice Haney Carr (2005), Nachdruck mit freundlicher Genehmigung).
N Engl J Med. 2017;377(19):1858–67. 
doi: 10.1056/NEJMoa1707572. 
Verfasst am 29.11.2017.

Die Leserecke

In der Besprechung der Resultate des Didgeridoo-Spiels auf das Schlafapnoe-Syndrom hatten wir uns ignorant über den Mechanismus gezeigt [1]. Erfreulicherweise teilt uns Prof. Daniel F. à Wengen (Binningen) den plausiblen Grund für die Wirkung mit:
«Das regelmässige Spielen eines Didgeridoo ­fordert und fördert die Muskulatur des ­Pharynx. Insbesondere die Zirkuläratmung ist muskulär anspruchsvoll. Durch Kräftigung der pharyn­gealen Muskulatur wird deren Stabilität verbessert und damit die Kollapsneigung im Schlaf reduziert. Die Effizienz ist belegt. Falls weiterhin Schlafapnoe und/oder Schnarchprobleme vorliegen, wäre der nächste sinnvolle Schritt, die Weichteile der Nase, also die Nasenseitenwände, zu erweitern und zu stabilisieren. Dies kann zum Beispiel mit dem Titaniumimplantat «Breathe-Implant» erreicht werden. Es hält die engste Stelle des gesamten Atemwegs, die inneren ­Nasenklappe, offen. Damit wird auch die oft notwendige CPAP-Maske signifikant besser ­toleriert, weil die Druckeinstellungen des CPAP-Geräts wesentlich tiefer und damit angenehmer eingestellt werden können.»
Herzlichen Dank!

1 Krapf R. Kurz und bündig. Schweiz Med Forum. 2017;17(48):1058.