Was tun beim Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz: ist Castle die Antwort?

Was tun beim Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz: ist Castle die Antwort?

Kurz und bündig
Ausgabe
2018/10
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2018.03236
Schweiz Med Forum 2018;18(10):216-217

Publiziert am 07.03.2018

Fokus auf … Heparin-induzierte ­Thrombozytopenie

Typ 1 (20%): Heparin-induzierte Plättchenaggregation ohne erhöhtes Thromboserisiko.
Typ 2 (80%): Bildung von Antikörpern gegen Plättchenfaktor 4 mit 30-fach erhöhtem Risiko, Thrombosen zu erleiden.
– Hohe Prätestwahrscheinlichkeit: Auftreten der Thrombozytopenie 5–10 Tage nach Beginn der Exposition oder 1–2 Tage nach Vorexposition, Abfall der Plättchenzahl um >30%, Thrombosen, keine andere Ursache für Thrombozytopenie (siehe den 4T-Score).
Diagnostik: HIT-Antikörper (limitierte Spezifität), bestätigt durch den sog. Serotonin-Release-Test.
JAMA. 2018;319(5):497–8. doi:10.1001/jama.2017.21898. Verfasst am 7.2.2018.

Praxisrelevant

Was tun beim Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz: Ist Castle die Antwort?

Die Empfehlungen zur Beantwortung dieser Frage sind heterogen, eine grosse Studie hatte aber keinen Unterschied im klinischen Verlauf von herzinsuffizienten PatientInnen mit Vorhofflimmern gefunden, die mit Rhythmus- versus lediglich Frequenzkontrolle behandelt wurden [1]. Die Castle-Studie berichtet nun, dass die Katheter-Ablation bei diesen Patient­Innen die Gesamtmortalität und die Progredienz der Herzinsuffizienz (Risiko der Re-Hospitalisation wegen Herzinsuffizienz) signifikant und eindrücklich senkte, dies bei einer sehr tiefen Komplikationsrate [2]. Kurz und bündig möchten wir diese zweifelsfrei sehr wichtige Studie bestätigt wissen, denn: Nur gut 12% der einschliessbaren PatientInnen wurden auch aufgenommen, zum Zeitpunkt des medianen Follow-up (gut 3 Jahre) waren nur deutlich weniger als 100 PatientInnen in jedem Studienarm, und eine Herstellerfirma kam für die Kosten auf und war für die «statistical ­quality control» verantwortlich.
1 N Engl J Med. 2008;358:2667–77. DOI: 10.1056/NEJMoa0708789.
2 N Engl J Med 2018;378:417–27.DOI: 10.1056/NEJMoa1707855
Verfasst am 6.2.2018 auf Hinweis von Herrn Prof. P. Ammann (St.Gallen).

Für ÄrztInnen am Spital

ADRENAAL: Welche Endpunkte sind entscheidend?

Seit mehr als 40 Jahren wird gefragt, ob Glukokortikoide, die sich wegen ihrer Eigenschaft als Stresshormone und antientzünd­liche Substanzen anbieten, den Verlauf des septischen Schocks verändern können. Die sog. ADRENAAL-Studie untersuchte – doppelblind mit Plazebo­infusion durchgeführt – den Effekt von 200 mg Hydrocortison kontinuierlich über 24 Stunden für maximal 7 Tage infundiert bei 3800 PatientInnen (5 Länder, 69 Zentren) mit septischem Schock. Hydrocortison hatte weder auf die 28-Tage- noch auf die 90-Tage-Mortalität (= der primäre Endpunkt) einen positiven, signifikanten Effekt. Allerdings (sekundäre Endpunkte) hielten sich PatientInnen der Hydrocortisongruppe im Median 2 Tage weniger lang auf der IPS auf (10 versus 12), erhielten einen Tag weniger ­mechanische Ventilations­unterstützung und brauchten etwas seltener eine Erythrozytentransfusion (37 versus knapp 42%). Bei Transfusionsbedürftigkeit gab es aber dann keinen Unterschied in der Menge des transfundierten Volumens. Bemerkenswert an der Studie ist, dass fast 70% der einschliessbaren Patient­Innen auch eingeschlossen wurden und fast keine für den «Follow-up» verloren gingen. Zudem war es – zunehmend selten im New England Journal of Medecine – eine sog. «investigator initiated» Studie. Die Hydrocortisoninfusion scheint also Ressourcen-schonend, aber kein Lebenselixier (in diesem Kontext) zu sein.
N Engl J Med. January 19, 2018, DOI: 10.1056/NEJMoa1705835, verfasst am 6.2.2018 auf Hinweis von Frau Prof. M. Christ-Crain (Basel).

Neues aus der Biologie

«Liquid Biopsy» zur Früherkennung solider Tumore

Wir haben bereits das Konzept der «liquid biopsy» (Früherkennung von Tumoren durch Mutationsanalysen zellfreier, im Blut zirkulierender DNA) vorgestellt [1]. Eine neue, faszinierende Studie erweitert diese Technik um den Einbezug gewisser zirkulierender Tumorproteine (CancerSeek®, Kosten geschätzt etwa 500 Dollars [2]). Der Test hatte bei einer Reihe von epithelialen Tumoren, die noch nicht klinisch fassbar metastasiert waren, eine Detektionsrate von fast 100% (Ovar) bis 30% beim Mammakarzinom. Beim notorisch schwer früh zu diagnostizierenden Pankreaskarzinom betrug die Detektionsrate 70%. Eindrücklich ist die Spezifität: Lediglich 1% falsch positiver Resultate (DNA/Protein-Analyse kompatibel mit Neoplasie, aber – noch? – kein Tumornachweis). Die präklinische Phase vieler epithelialer Tumore beträgt viele Jahre, z.B. beim Pankreaskarzinom 15–20 Jahre [3]! Ab wann also wird dieser Test positiv, wie häufig, womit und wie lange wird ein Patient bildgebend nachkontrolliert werden, um den Tumor auch makroskopisch zu diagnostizieren und im heilbaren Stadium zu entdecken? Der Preis und die Resultate des Tests erscheinen sehr attraktiv … wenngleich die klinische Umsetzung noch einiger Vorarbeiten bedarf.
1 Schweiz Med Forum. 2017;17(50): 1113–4, doi.emh.ch/10.4414/smf.2017.03142.
2 Science. 18 Jan 2018: eaar3247doi: 10.1126/science.aar3247.
3 Clin Cancer Res. 2012;18(22): 6339–47.doi:10.1158/1078-0432.CCR-12-1215.
Verfasst am 6.2.2018 auf Hinweis von Herrn Prof. G. Waeber ­(Lausanne).

Immer noch lesenswert

Pseudohyperaldosteronismus als Folge eines gestörten peripheren ­Kortisolstoffwechsels

1979 berichteten Maria New und Mitarbeiter über die schwierigen metabolischen Studien in einer Familie von Navajo-Indianer, in der Fälle von Pseudohyperaldosteronismus («mineralocorticoid excess syndrom») auftraten. Anscheinend kam die ganze Gross­familie zusammen mit dem Medizinmann des Stammes mit in das Stoffwechselzentrum in New York! Bei diesen Fällen handelte es sich, wie später ­gezeigt wurde, um eine autosomal-rezessive negative Mutation der 11-β-OH Steroiddehydrogenase (siehe «Wussten Sie?»).
J Clin Endocrinol Metab. 1979;49(5):757–64. DOI:10.1210/jcem-49-5-757, verfasst am 7.2.2018.

Das hat uns weniger gefreut

Kongenitale Malformationen und Thyreostatika in der Frühschwangerschaft

Die Behandlung der Hyperthyreose (meist M. Basedow) in der (Früh-)Schwangerschaft ist sehr anspruchsvoll. Deshalb besteht die ­dringende Empfehlung, die Hyperthyreose bei Frauen im gebärfähigen Alter oder sicher bei bestehendem Kinderwunsch definitiv (v.a. chirurgisch) zu behandeln. Eine nicht oder insuffizient behandelte Hyperthyreose führt zu erhöhter Abortrate, im Falle der Überbehandlung zu kindlichem Hypothyreoidismus und Strumabildung [1]. Propylthiouracil (in der CH: Propycil®) wurde bislang dem Methimazol (in der CH: Néo-Merkazol®) wegen Aplasia cutis und Atresien der Choanen bzw. dem Ösophagus (assoziiert mit Letzterem) vorgezogen. Eine koreanische Studie findet, dass die Prävalenz von Malformationen unter ­Thyreostatika absolut gesehen etwas mehr als 1,3% höher ist als ohne (number needed to harm: ca. 75). Zwar etwas weniger für Propylthiouracil als für Methimazol, aber leider – im Vergleich zu früheren, nun nicht mehr haltbaren Erwartungen – immer noch signifikant.
1 Drug Safety. 2000;23(3):229–44. 
doi.org/10.2165/00002018-200023030-00005
2 Ann Int Med. 23 january 2018 doi:10.7326/M17-1398
Verfasst am 6.2.2018 auf Hinweis von Frau Prof. M. Christ-Crain (Basel).

Aus schweizerischer Feder

Welche bariatrische Magenoperation?

Die häufigsten bariatrischen Magenoperationen bei morbider Adipositas sind die lapa­roskopisch durchgeführten Schlauchmagen­operation («sleeve gastrectomy») und der eigentliche Magen-Bypass (Roux-en-Y). Erstere wird als technisch einfacher, schneller durchführbar und komplikationsärmer betrachtet. Ist sie auch gleich wirksam? Gemäss der SM-Boss-Studie aus der Schweiz (R. Peterli und Mitarbeiter [1]) gibt es nach einem 5-jährigen Follow-up keine signifikanten Unterschiede im operativ induzierten Gewichtsverlust zwischen diesen beiden Methoden. Die Resultate werden in der gleichen ­Ausgabe des JAMA [2] durch eine Studie aus Finnland bestätigt.
1 JAMA. 2018;319(3):255–65doi:10.1001/jama.2017.20897
2 JAMA. 2018;319(3):241–54.doi:10.1001/jama.2017.20313
Verfasst am 6.2.2018 auf Hinweis von Herr Prof. M. Braendle (St. Gallen)

Antwort auf das «Wussten Sie?» von letzter ­Woche (SMF Heft 9/2018)

Die Frage betraf den Wirkungsmechanismus der Lakritze, richtig ist Antwort 4. Die in der Lakritze (im Gummi arabicum, dem sog. Süssholz) enthaltene Glyzyrrhetinsäure verursacht einen sogenannten Pseudohyperaldosteronismus («apparent mineralocorticoid excess»). Die Patienten präsentieren sich mit Hypertonie, Volumenexpansion, metabolischer Alkalose und Hypokaliämie. Sie «sehen» also so aus wie ein Patient mit einem echten Conn-Syndrom. Allerdings sind labor­chemisch dann Renin und Aldosteron supprimiert. Interessant ist nun, dass das zirkulierende Kortisol mit gleicher Affinität an den Mineralokortikoid-Rezeptor bindet wie das 1000-mal «seltenere» ­Aldosteron. Der Körper hat deshalb einen Mechanismus entwickelt, der ihn vor diesem Kortisol-Überschuss schützt. Mit einem in den Mine­ralocorticoid-sensitiven Geweben (u.a. im Sammelrohr der Niere) exprimierten Enzym (11-β-OH-Steroiddehydrogenase) wird das Kortisol lokal ins Kortison inaktiviert (de-hydroxyliert). Die Glyzyrrhetinsäure hemmt nun dieses Enzym, weniger Kortisol wird inaktiviert, stimuliert den Mineralocorticoid-Rezeptor und wirkt dann «wie» Aldosteron. Siehe auch «Immer noch lesenswert».
Glycyrrhiza glabra (Süssholz). © Lianem | Dreamstime.com
© Antonio Gravante | Dreamstime.com