Frozen shoulder
Ursachen, Diagnostik und Therapie

Frozen shoulder

Übersichtsartikel AIM
Ausgabe
2018/17
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2018.03262
Schweiz Med Forum 2018;18(17):377-382

Affiliations
Orthopädie Sonnenhof, Bern

Publiziert am 24.04.2018

Zahlreiche Menschen suchen im Laufe ihres Lebens wegen Schmerzen und einer Bewegungseinschränkung in der Schulter einen Arzt auf. Der Leidensdruck ist oft gross und die genaue Ursache häufig unklar.

Definition und Begriffe

Unter einer Schultersteife versteht man eine Bewegungseinschränkung im Glenohumeralgelenk. In der englischen Literatur werden die Begriffe «frozen shoulder», «stiff shoulder» und «adhesive capsulitis» verwendet, in der französischen Sprache findet man die Bezeichnungen «épaule gelée» und «capsulite rétractile». Die von Duplay geprägte und später auch vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) und vielen Ärztinnen und Ärzten gerne verwendete Diagnose «Periar­thropathia humero scapularis» [1] sollte nicht mehr gebraucht werden. Sie ist unspezifisch und wurde früher oft zur Beschreibung von Schulterschmerzen unklarer Ursache eingesetzt. Heutzutage stehen gute klinische Tests und bildgebende Untersuchungen zur Verfügung, mit denen die meisten Schulterschmerzen einer bestimmten Pathologie und damit einer präziseren Dia­gnose zugeordnet werden können.

Einteilung und Ätiologie

In der Literatur wird zwischen der primären und sekundären Schultersteife unterschieden.
Bei der primären oder idiopathischen Schultersteife ist die Ursache nicht bekannt. Abgesehen von der ­Bewegungseinschränkung und den Schmerzen ist die Schulteruntersuchung unauffällig und die Röntgenaufnahmen sind normal. Es gibt aber zahlreiche Krankheiten, die mit der primären Schultersteife ­assoziiert werden und als prädisponierende Faktoren gelten. Dazu gehören der Diabetes mellitus, die Hypothyreose, die koronare Herzkrankheit, Erkrankungen der Lunge (Tuberkulose, Emphysem), neurologische Störungen (Morbus Parkinson, zerebrovaskulärer Insult), Dupuytren-Kontrakturen, Tumorleiden und die Behandlung mit Metalloprotease-Inhibitoren.
Eine Schultersteife wird als sekundäre Schultersteife bezeichnet, wenn ein Auslöser bekannt ist. Dieser kann eine intraartikuläre, kapsuläre, extraartikuläre oder neurologische Pathologie sein [2]. Häufig ist die Ursache eine längerdauernde Ruhigstellung des Gelenks nach einem Trauma (posttraumatische Schultersteife) oder nach einer Operation (postoperative Schultersteife).

Epidemiologie

Die Inzidenz der idiopathischen Schultersteife wird mit 2–5% angegeben. Bei Diabetikern liegt sie bei 10%. Die Erkrankung tritt typischerweise im Alter von 40–60 Jahren auf. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. In 20–40% der Fälle werden beide Schultern befallen. Rezidive sind selten.
Die Inzidenz der posttraumatischen Schultersteife ist nicht bekannt. Jene der postoperativen Schultersteife hängt von mehreren Faktoren ab. Offene Eingriffe mit längerer Ruhigstellung stellen ein grösseres Risiko dar als arthroskopische Eingriffe mit einer funktionellen Nachbehandlung. Schultern, die vor der Operation schon steif waren, sind stärker gefährdet. Die postoperativen Schmerzen können auch eine Rolle spielen. Die Schwierigkeit bei der Beurteilung der postoperativen Schultersteife liegt darin, zwischen einem normalen und einem pathologischen Verlauf unterscheiden zu können. Gemäss Literatur tritt bei 5–32% der Patientinnen und Patienten nach einer offenen Rotatorenmanschettennaht eine Schultersteife auf. Bei einer arthro­skopischen subakromialen Dekompression, einer Akromioklavikular(AC)-Gelenkresektion oder einer Stabilisation liegt das Risiko bei 2–5% [3]. Die Patienten müssen deshalb präoperativ im Aufklärungsgespräch auf die Gefahr einer Schultersteife aufmerksam gemacht werden.

Pathomechanismus

Histologische Untersuchungen und die bei einer Ar­throskopie sichtbare Hyperämie der Gelenkkapsel deuten auf einen entzündlichen Prozess hin. Zytokine scheinen eine zentrale Rolle zu spielen. Im Kapselgewebe konnten grössere Mengen «transforming growth factor» (TGF), «tumor necrosis factor α» (TNF-α) und «platelet derived growth-factor» (PDGF) nachgewiesen werden. Quantitative digitale Röntgenuntersuchungen zeigten auf der betroffenen Seite eine Verminderung der Knochendichte und Radionuklid-Scans eine vermehrte Radioisotopenaufnahme. In der Arthro-Ma­gnetresonanztomographie (Arthro-MRT) können ein verdicktes Rotatorenintervall, eine verkürzte und verdickte inferiore Gelenkkapsel und ein kleiner Rezessus axillaris beobachtet werden. Intraoperativ findet man einen engen Gelenkraum und bei einer sekundären Schultersteife Verwachsungen zwischen der Rotatorenmanschette und der Unterfläche des Acromions, des korakoakromialen Ligaments und des kurzen Bizeps-/Coracobrachialis-Muskels. Zudem gibt es Adhäsionen zwischen der Unterfläche des Deltoideus und dem Humeruskopf. Für die Schmerzen werden Neurotransmitter in der Gelenkkapsel verantwortlich gemacht [4].

Klinische Präsentation

Bei der idiopathischen Schultersteife beschreiben die meisten Patientinnen und Patienten einen spontanen Beginn von Schulterschmerzen, die vor allem nachts, in Seitenlage und bei Bewegungen auftreten. Typisch sind auch einschiessende Schmerzen bei raschen Bewegungen, wie beispielsweise beim Griff zum Telefon oder beim Auffangen eines herunterfallenden Gegenstandes. In Ruhe und bei Arbeiten vor dem Körper sind viele Patienten schmerzfrei. Die Bewegungseinschränkung wird meistens erst später wahrgenommen. Sie kann mehr oder weniger ausgeprägt sein und die Betroffenen im Alltag mitunter stark behindern. Oft berichten die Patienten, dass sie Mühe haben, sich zu kämmen oder das Parkticket aus einem Automaten zu nehmen. Oft können Frauen den Büstenhalter nicht mehr schliessen und Männer das Hemd nicht mehr in die Hosen stopfen. Bei einer ausgeprägten Schultersteife kann schon der Griff zum Gesäss erschwert sein.
Viele Patientinnen und Patienten erwähnen einen Sturz oder eine Distorsion der betroffenen Schulter einige Wochen oder Monate vor Beginn der eigentlichen Symptome. Meistens handelte es sich dabei um eine leichte Verletzung mit nur kurzdauernden Beschwerden, die spontan oder unter einer Selbsttherapie wieder verschwanden. Erst beim Auftreten der Schultersteife erinnern sich die Betroffenen wieder an den Unfall und vermuten einen Zusammenhang zwischen dem früheren Ereignis und der Schultersteife. Wenn das Trauma nicht gemeldet und keine relevante strukturelle Läsion nachgewiesen wurde, lehnen die Versicherer in der Regel die Unfallkausalität für die Schultersteife ab.
Bei einer postoperativen Schultersteife kann der Bewegungsumfang von Anfang an schlecht sein oder nach einem normalen Verlauf abnehmen. Im ersten Fall sind die Patientinnen und Patienten oft schmerzarm und nur durch die Bewegungseinschränkung gestört. Die Ursache ist meistens eine ausgedehnte Vernarbung in den verschiedenen Gleitschichten. Im zweiten Fall dominieren die Schmerzen und der Verlauf kann ähnlich sein wie bei der primären Schultersteife.

Diagnostik

Die Diagnose der Schultersteife kann häufig schon während der Anamnese gestellt werden. Die klinische Untersuchung und eine adäquate Bildgebung sind jedoch unerlässlich.

Klinische Untersuchung

Der normale Bewegungsumfang der Schulter variiert beträchtlich. Frauen sind in der Regel beweglicher als Männer und der Bewegungsumfang nimmt im Alter ab. Entsprechend sollte die Diagnose nicht anhand von Absolutwerten, sondern aufgrund der Seitendifferenz gestellt werden. Dazu müssen beide Schultern untersucht werden.
Der aktive globale Bewegungsumfang hängt einerseits vom Bewegungsausmass im Schultergelenk und im skapulothorakalen Gleitlager und andererseits von der Kraft ab. Er kann bei einer ausgedehnten Rotatorenmanschettenruptur stark vermindert sein, obwohl die Schulter selber gut beweglich ist. Zur Diagnose einer Schultersteife muss deshalb der passive glenohumerale Bewegungsumfang gemessen werden.
Dazu kann sich der Untersucher hinter den Patienten stellen, mit einer Hand die Scapula fixieren und mit der anderen Hand den Arm des Patienten führen. Bei ­einer normal beweglichen Schulter kann der Arm in der Scapula-Ebene aus der Ruhestellung bis zur Horizontalen abduziert werden (Abb. 1A). Bei einer steifen Schulter ist der glenohumerale Abduktionswinkel deutlich kleiner als 90° (Abb. 1B). Die Rotationsamplitude kann bei leicht abgespreiztem Arm gemessen werden. Der Unterarm dient als Zeiger für die Winkelmessung, die horizontale Lage entspricht der Neutralstellung. Bei einer normal ­beweglichen Schulter kann der Arm aus dieser Stellung heraus etwa 90° nach oben (Aussenrotation) und etwa 60° nach unten (Innenrotation) gedreht werden (Abb. 2A und 3A). Bei einer steifen Schulter sind diese Werte viel kleiner (Abb. 2B und 3B). Neben dem Bewegungsumfang muss ein eventuell vorhandener Kapseldehnungsschmerz in den Bewegungsendstellungen notiert werden. Er ist Ausdruck einer entzündlichen Komponente und wegweisend für die Festlegung der Therapie.
Abbildung 1: Prüfung der passiven glenohumeralen Abduktion mit fixierter Scapula. A) Normalerweise kann der Arm 
bis zur Horizontalen angehoben werden. B) Pathologischer Befund.
Abbildung 2: Prüfung der passiven glenohumeralen Aussenrotation bei leicht abgespreiztem Arm und fixierter Scapula. A) Normalerweise kann der Unterarm bis zur Vertikalen nach oben gedreht werden (90° Aussenrotation). B) Pathologischer Befund.
Abbildung 3: Prüfung der passiven glenohumeralen Innenrotation bei leicht abgespreiztem Arm und fixierter Scapula. 
 A) Normalerweise kann der Unterarm aus der Horizontalen etwa 60° nach unten gedreht werden. B) Pathologischer Befund.
Zum Status gehören auch eine Untersuchung der Halswirbelsäule, des AC-Gelenks, der Kraft und der Sensibilität.

Bildgebung

Zum Ausschluss einer knöchernen Pathologie (Fraktur, Luxation, Arthrose, Humeruskopfnekrose, Tumor) oder einer Tendinitis calcarea braucht es Röntgenaufnahmen in zwei Ebenen. Bei Verdacht auf eine Läsion der langen Bizepssehne, des Rotatorenintervalls oder der Rotatorenmanschette kann ein Ultraschall oder eine MRT angefertigt werden.

Differenzialdiagnose

Schulterschmerzen sind häufig auch durch eine Bursitis subacromialis oder ein subakromiales Impingement bedingt. Im Gegensatz zur Schultersteife ist bei diesen Pathologien der passive Bewegungsumfang weitgehend normal und die Schmerzen treten typischerweise erst bei abgespreiztem Arm auf. Eine ­Testinfiltration in den Subakromialraum kann bei Bedarf Klarheit verschaffen. Zu den Differentialdiagnosen ­gehört auch die neuralgische Schulteramyotrophie (Parsonage-Turner-Syndrom). Sie ist neben den starken Schmerzen durch eine wesentliche Kraftverminderung und eine schon früh in der Erkrankung sichtbare Muskelatrophie charakterisiert. Weitere, mit starken Bewegungsschmerzen verbundene Pathologien sind die infektiöse Arthritis und die rheumatoide Arthritis. Diese können anhand einer Ma­gnetresonanzuntersuchung, einer Blutuntersuchung und allenfalls mit Biopsien von ­einer Schultersteife unterschieden werden.

Behandlung

Konservativ

Die Aufklärung der Patientinnen und Patienten ist besonders wichtig. Die meisten Betroffenen können besser mit den Beschwerden umgehen, wenn sie wissen, dass die langfristige Prognose gut ist und die Erkrankung auch ohne Operation abheilen kann.
Wenn die Schmerzen im Vordergrund stehen, sollten als Erstes alle schmerzauslösenden Reize vermieden werden. Physiotherapie kann kontraproduktiv sein, wenn damit die Schmerzen verstärkt werden. Anstelle von Mobilisationsübungen können die Therapeuten entzündungshemmende, schmerzlindernde und muskellockernde Behandlungen durchführen. Nicht selten empfehlen wir den Patienten in dieser Phase, die Therapie zu stoppen.
Zur Basistherapie gehören die üblichen Analgetika und nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR). Damit kann die Krankheit erträglicher gemacht, deren Dauer aber nicht verkürzt werden. Wenn Schmerzmittel nicht genügen, können Steroide entweder per os oder in Form einer Infiltration ­verabreicht werden. Diese sind besonders in der Entzündungsphase wirksam und haben neben der Schmerzlinderung oft auch eine Verbesserung des Bewegungsumfangs zur Folge [5]. Wir empfehlen den Patientinnen und Patienten meistens eine Infiltration von 40 mg Triamcinolon (Kenakort®)ins Glenohumeralgelenk. Die Wirkung tritt nach einigen Tagen ein, hält meistens mehrere Wochen an und verbessert die Lebensqualität der Erkrankten erheblich. Nicht selten melden sich die Patientinnen und Patienten nach einigen Wochen für eine erneute Infiltration. Mehr als zwei bis drei Infiltrationen sind in der Regel aber nicht nötig. Patientinnen und Patienten, die einer Kortisoninfiltration skeptisch gegenüberstehen und später wegen persistierender Beschwerden doch eine Infiltration wünschen, bereuen dann oft, sich nicht früher dafür entschieden zu haben. Voraussetzung für eine Kortisoninfiltration ist, dass die Betroffenen keinen Infekt haben und nicht kurz vorher geimpft worden sind. Für die alternative Kortisonbehandlung per os gibt es zahlreiche ­unterschiedliche Behandlungsschemen. Wir beginnen jeweils mit 30–50 mg pro Tag und reduzieren die Dosis alle fünf Tage. Oft verschwindet die Wirkung nach Absetzen des Medikaments oder bei einer Therapiedauer von mehr als sechs Wochen [6]. Wegen der mit der per­oralen Verabreichung verbundenen Nebenwirkungen ziehen wir die intraartikuläre Applikation von Kortison vor. Neuere Studien haben gezeigt, dass sich auch Calcitonin positiv auf den Krankheitsverlauf auswirken kann [7].
Sobald die Schmerzen unter Kontrolle sind, kann zur Verbesserung des Bewegungsumfangs mit Dehnungsübungen begonnen werden. Diese sollten so oft wie möglich und langsam durchgeführt werden. Physiotherapeuten können die Patientinnen und Patienten für die Selbsttherapie anleiten (Abb. 4–6). Damit eine Wirkung erzielt werden kann, muss in den Bewegungsendstellungen eine gewisse Spannung aufgebaut und während einiger Sekunden beibehalten werden.
Abbildung 4: Dehnungsübung zur Verbesserung der Flexion. Die Arme werden durch die Inklination des Oberkörpers auf einer Unterlage so weit wie möglich nach vorne geschoben. Die Publikation erfolgt mit dem Einverständnis der Testperson.
Abbildung 5: Dehnungsübungen zur Verbesserung der Innenrotation. Im Liegen kann die Wirkung des Eigengewichts durch dosierten Druck aufs Handgelenk verstärkt ­werden. Die Publikation erfolgt mit dem Einverständnis der Testperson.
Abbildung 6: Dehnungsübung zur Verbesserung der Aussenrotation. Die Publikation erfolgt mit dem Einverständnis 
der Testperson.

Operativ

Eine invasive Therapie sollte erst in Erwägung gezogen werden, wenn keine Schmerzen mehr bestehen, mit konservativen Massnahmen keine weiteren Fortschritte erzielt werden und die Patientin / der Patient die Geduld ­verloren hat. Bei der operativen Behandlung der primären Schultersteife ist die Narkosemobilisation gemäss Literatur ebenso wirksam wie die arthro­skopische Kapsulotomie. Bei der Narkosemobilisation besteht ein Risiko für eine iatrogene Fraktur. Bei der arthroskopischen Kapsulotomie sind der Gelenkknorpel und der Nervus axillaris gefährdet. Die Patienten müssen präoperativ darauf aufmerksam gemacht werden.
Wenn die Bewegungseinschränkung durch postoperative Vernarbungen verursacht wird, genügt eine Narkosemobilisation alleine nicht. In diesen Fällen sollte eine arthroskopische oder offene Adhäsiolyse, allenfalls kombiniert mit einer Materialentfernung, Resektion des Rotatorenintervalls und einer Kapsulotomie diskutiert werden. Es lohnt sich dann auch, intraoperativ mehrere Biopsien zum Nachweis oder Ausschluss eines «low grade»-Infektes zu nehmen. Eine Narkosemobilisation ohne vorgängige Entfernung von Narbensträngen ist besonders bei älteren Patientinnen und Patienten mit einem erhöhten Frakturrisiko verbunden.

Verlauf

Die unbehandelte idiopathische Schultersteife verläuft typischerweise in drei Phasen. Die erste Phase («freezing phase») ist gekennzeichnet durch starke Schmerzen, insbesondere nachts und bei raschen Bewegungen, und durch die stetige Abnahme des Bewegungsumfangs. Je intensiver die Schmerzen sind, umso grösser ist die Bewegungseinschränkung. Der Leidensdruck ist gross und die Patientinnen und Patienten sind oft nicht mehr oder nur noch teilarbeitsfähig. Problematisch sind insbesondere Arbeiten, die einen grossen Bewegungsumfang in den Schultern erfordern. Die erste Phase dauert drei bis neun Monate. Die zweite Phase («frozen phase») ist charakterisiert durch die Bewegungseinschränkung. Diese kann mehr oder weniger ausgeprägt sein. Die Patienten haben weniger Schmerzen und sind meist wieder arbeitsfähig. Diese Phase dauert vier bis zwölf Monate. Die dritte Phase («thawing phase») beginnt mit der Verbesserung des Bewegungsumfangs. Schmerzen sind nur noch selten vorhanden. Die Phase dauert fünf Monate bis zwei Jahre. Die Ausprägung der Symptome und die Dauer der Erkrankung variieren stark. Verläufe über ein bis zwei Jahre sind nicht ungewöhnlich. Die Prognose ist jedoch in der Regel gut. ­Etwas mehr als die Hälfte der Patientinnen und Patienten ist nach Ausheilung der Krankheit schmerzfrei und hat wieder einen normalen Bewegungsumfang. Bei den anderen sind die residuellen Beschwerden meist gering und akzeptabel.
Eine sekundäre Schultersteife kann einen ähnlich schmerzhaften Verlauf haben. In diesem Fall kann die Dauer der Erkrankung wie bei der primären Schultersteife mit Kortison abgekürzt oder erträglicher gemacht werden. Sind Vernarbungen oder Implantate schuld an der Bewegungseinschränkung, dann kann eine Verbesserung mit Medikamenten nicht erwartet werden. In diesen Fällen sollten eine operative Adhäsiolyse und Metallentfernung, kombiniert mit der Entnahme von mehreren Biopsien zum Nachweis oder Ausschluss eines «low grade»-Infektes in Erwägung gezogen werden.

Das Wichtigste für die Praxis

• Die Diagnose der Schultersteife kann anhand der Anamnese und der klinischen Untersuchung gestellt werden.
• Am wichtigsten ist die Bestimmung des passiven glenohumeralen Bewegungsumfangs der Schulter im Seitenvergleich.
• Kann ein Kapseldehnungsschmerz ausgelöst werden, befindet sich die Krankheit im Entzündungsstadium. In dieser Phase ist Physiotherapie zur Gelenksmobilisation meistens schmerzhaft und kontraproduktiv. Hilfreich sind nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), eine Kortisoninfiltration ins Gelenk oder eine Kortisontherapie per os.
• Nach der Entzündungsphase werden Dehnungsübungen in Eigenregie oder unter physiotherapeutischer Anleitung empfohlen.
• Zum Ausschluss einer relevanten Rotatorenmanschettenruptur oder einer anderen Pathologie müssen bei der Erstkonsultation auch die Kraft gemessen und eine Röntgenaufnahme in zwei Ebenen angefertigt werden. Eine Ultraschall- oder Magnetresonanzuntersuchung ist nur in Ausnahmefällen indiziert.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen ­Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
PD Dr. med. ­Richard W. ­Nyffeler
Orthopädie Sonnenhof
Buchserstrasse 30
CH-3006 Bern
richard.nyffeler[at]bluewin.ch
1 Rheumaerkrankungen EKzBd (1985) Grundriss der Rheumatologie.
2 Itoi E, et al. Shoulder Stiffness: Current Concepts and Concerns. Arthroscopy: the journal of arthroscopic & related surgery: official publication of the Arthroscopy Association of North America and the International Arthroscopy Association 2016;32(7):1402–14.
3 Evans JP, Guyver PM, Smith CD. Frozen shoulder after simple arthroscopic shoulder procedures: What is the risk? The bone & joint journal 2015;97-B(7):963–6.
4 Ochiai N, et al. Sensory innervation of rat contracture shoulder model. J Shoulder Elbow Surg. 2013;22(2):158–64.
5 Ranalletta M, et al. Corticosteroid Injections Accelerate Pain Relief and Recovery of Function Compared With Oral NSAIDs in Patients With Adhesive Capsulitis: A Randomized Controlled Trial. Am J Sports Med. 2016;44(2):474–81.
6 Buchbinder R, et al. Oral steroids for adhesive capsulitis. Cochrane database systemat Rev. 2006;(4):CD006189.
7 Rouhani A, et al. Calcitonin effects on shoulder adhesive capsulitis. European journal of orthopaedic surgery & traumatology: orthopedie traumatologie 2016;26(6):575–80.