Aspirin® ans Körpergewicht adaptieren?
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Aspirin® ans Körpergewicht adaptieren?

Kurz und bündig
Ausgabe
2018/37
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2018.03377
Swiss Med Forum. 2018;18(37):746-747

Publiziert am 12.09.2018

Fokus auf … Aspirin®-«Resistenz»

Folgende Faktoren können u.a. zu einem mangelnden Ansprechen auf Aspirin® führen:
– Malcompliance;
– gesteigerter Thrombozytenumsatz (Diabetes mellitus);
– medikamentöse Interaktionen mit nichtsteroidalen Entzündungshemmern;
– verminderte Bioverfügbarkeit bei enterisch verkapseltem Aspirin®;
– Körpergewicht (siehe «Praxisrelevant»).
Verfasst am 06. 08.2018.

Praxisrelevant

Aspirin® ans Körpergewicht adaptieren?

Laut einer Metaanalyse verhindert Aspirin® in einer Tagesdosis von 100 mg lediglich bei Individuen unter 70 kg ein kardiovaskuläres «Ereignis». Höhere Dosen (>300 mg) waren nur wirksam bei PatientInnen mit mehr als 70 kg Körpergewicht. Da Metaanalysen die Resultate einer randomisierten Intervention traditionell nur schwer vorhersagen können, brauchen wir dringend eine Studie über den Nutzen der gewichtsadaptierten Aspirin®-Ver­ordnung (siehe auch «Fokus auf ...»). Übrigens ging auch der protektive Effekt von Aspirin® auf das Langzeitrisiko vom kolorektalen Karzinom bei höherem Gewicht (>80 kg) verloren, während Todesfälle bei leichtgewichtigen Personen (Blutungen?) gehäuft auftraten.
Verfasst am 06.08.2018.

Aus Schweizer Feder

Co-Peptin findet einen diagnos­tischen Platz

Die Abklärung der nicht-osmotischen Polyurie ist aufwendig und schwierig, weil die Polyurie-bedingte Auswaschung des intrarenalen Konzen­trationsgradienten und die alters­abhängige, aber schwierig zu antizipierende Abnahme der renalen Konzentrierungsfähigkeit die Testresultate häufig in die Grauzone befördern. Mittels Messung des Co-Peptins (ex vivo stabiler, C-terminaler Anteil des Pro-Vasopressins) nach Stimulation mit hyper­toner NaCl-Lösung konnten mit hoher dia­gnostischer Genauigkeit die drei wesentlichen Formen nicht-osmotischer Polyurien (Diabetes insipidus centralis und renalis sowie primäre Polydipsie) unterschieden werden.
N Engl J Med 2018. doi:10.1056/NEJMoa1803760.
Verfasst am 06.08 2018.

Für ÄrztInnen im Spital

Okulostenotischer Reflex – neu ­untersucht

Unter dieser etwas saloppen Bezeichnung ­versteht man – vor allem der Nicht-Interventionist – die (volkswirtschaftlich teure) Versuchung, auch Stenosen mit fraglicher hämo­dynamischer Relevanz zu dilatieren und zu «stenten». Man kann davon ausgehen, dass damit eine Vielzahl von Interventionen begründet und pro Intervention zu viele Gefässe dilatiert wurden. Wenn man während der ­Intervention die hämodynamische Relevanz einer koronaren Stenose standardisiert misst (sogenannte fraktionelle Flussreserve durch den stenotischen Gefässabschnitt) und die ­Intervention darauf beschränkt, resultieren innerhalb der nächsten 5 Jahre signifikant weniger Todesfälle, Herzinfarkte oder Revaskularisationen (sog. Composite-Endpunkt) als in der «nur» medikamentös behandelten Gruppe (ca. 440 PatientInnen in beiden Gruppen). Lässt man bei Patient­Innen die nicht signifikanten Stenosen in Ruhe, ist das 5-Jahres-Ergebnis mit medikamentöser Therapie allein ebenfalls vergleichbar sehr gut. Ein wichtiger Schritt zur personalisierten Differentialindikation bei der stabilen koronaren Herzkrankheit. Zudem eine weitere Form des «choosing wisely».
N Engl J Med 2018. doi:10.1056NEJMoa1803538
Verfasst am 06.08.2018.

Neues aus der Biologie

Insulinfragmente als Autoantigene

Nicht «gebrauchtes» Insulin wird in intra­zellulären Granula von β-Zellen gespeichert, worin es – nach Fusion mit Lysosomen – proteolytisch zu Peptidfragmenten abgebaut wird, die in den nun «Crinosomen» genannten Organellen (Fusion von Lysosomen mit den Insulingranula) gespeichert werden. Die Sekretion dieser Peptide – namentlich eines Ins­u­lin­fragments der Insulin-β-Kette (Aminosäuren 12–20) – scheint in dem Sinne so immunogen zu sein, dass es eine T-Zell-vermittelte autoimmune Reaktion gegen β-Zellen induziert. Die Regulationsmechanismen, die zur Speicherung alternden Insulins, dann zu dessen Proteolyse und schliesslich zur Freisetzung (z.B. virale Infekte?) von Insulinfragmenten und damit Beginn der Autoimmu­nität führen, sind anscheinend noch nicht bekannt. Interessieren würden auch Mechanismen und Konstellationen, die den Grossteil der Bevölkerung vor dieser pathogenen Kaskade schützen.
Verfasst am 06.08.2018.

Das hat uns nicht gefreut

Unwirksamere Händedesinfektion

Enterokokken als normale Mitglieder des intestinalen Mikrobioms sind zwar von niedriger Virulenz, erhalten aber ihre grosse Rolle bei nosokomialen Infekten durch ihre antibiotische Multi­resistenz (β-Laktame, Aminoglykoside und Chinolone, in grosser Zahl auch Vancomycin) und interhumane Kreuzinfekte. Händedesinfektion (30 Sekunden mit 70%-Isopropanol oder Äthyl­alkohol) ist entscheidend in der Prävention noso­komialer Infekte – in Spital, Kur- und Pflegeinstitutionen und in der Ambulanz. Wie lange ist sie noch wirksam? Ein Vergleich über die letzten 20 Jahre mit einem auch die klinische Relevanz voraussagenden In-vitro-Test (mikrobielle Abtötung durch 23%-Isopropanol) zeigt eine multigenetisch bedingte Zunahme der Toleranz von Enterococcus faecium gegen diese Art der Desinfektion.
Science Translational Medicine 2018. DOI: 10.1126/scitranslmed.aar6115. Verfasst am 06.08.2018.

Das leider auch nicht

Polioviren wieder auf dem ­Vormarsch!

Die «Polio» ist nach wie vor nicht ausgerottet, denn es gibt Wildtypstämme, die in Afghanistan, Pakistan und wahrscheinlich auch Ni­geria überleben. Die grösste epidemiologische Gefahr geht aber anscheinend von einer sel­tenen Mutationsvariante des lebenden, attenuierten Polioimpfvirus («vaccine-derived ­poliovirus type 2» [cVDPV2]) aus. Die humane Gegenoffensive mit einem alternativen, neuen, von der WHO verwalteten Impfstoff (mOPV2) vermochte seit 2016 mehrere Ausbrüche in 10 Ländern zu kontrollieren, nicht aber im Kongo. Befürchtungen über eine explosiv sich ausbreitende Epidemie werden geäussert und sind wahrscheinlich begründet.
World Health Organization, 10. Juli 2018.http://www.who.int/csr/don/10-july-2018-polio-drc/en/
Verfasst am 06.08.2018.

Auch noch aufgefallen

Ötzi kommt nicht zur Ruhe

Die Analyse des zum Zeitpunkt der Ermordung vollgefüllten Magens bei der 1991 entdeckten, etwa 5300 Jahre alten Leiche von Ötzi («iceman», Abb. 1), zeigt, dass der Fettgehalt in seiner Nahrung 50% betragen hatte! Gegen seine ­intestinalen Parasiten schien Ötzi auch die als toxisch und mutagen geltenden Adlerfarn-Blätter eingenommen zu haben.
Abbildung 1: Ötzi («iceman») wird untersucht (© Südtiroler Archäologiemuseum / EURAC / Samadelli / Staschitz).

Wussten Sie?

Ein sommerlich-medizinhistorisches Quiz

Ein 36-jähriger Mann mit Bierüberkonsum erleidet über eine Zeit von 6 Jahren trotz Reduktion seines Abusus 1–2 Mal pro Jahr, aber in letzter Zeit gehäuft, etwa 30-minütige Episoden von Verwirrung mit inkohärentem Sprechen/Gedankengang. Sein Gewicht ist stabil geblieben (BMI = 22,5). Schliesslich bringt ihn ein Freund in einer solchen Episode auf den Notfall, wo die klinischen und laborana­lytischen Untersuchungen bis auf eine Hypoglykämie von minimal 1,1 mmol/l ± normal ausfallen. Eine Infusion mit 20%-iger Glukose korrigiert den Wert und die Symptome des Patienten. Welche «Trias» klinischer Symptome lag hier vor (nur eine Antwort ist richtig)?
A Charcot
B Murphy
C Virchow
D Wernicke-Korsakoff
E Whipple
Die Antwort finden Sie auf dieser Seite.

Antwort auf das «Wussten Sie?»

Die Trias «Neuroglykopenische Symptome, Hypoglykämie und Symptomkorrektur durch Glukosezufuhr» wird Herrn Whipple zugeschrieben (Antwort E richtig). Der Patient hatte ein Insulinom (neuroendokriner Tumor im Pankreaskopf [1]).
Charcot-Trias: Rechtsseitige Oberbauchschmerzen, Fieber und Ikterus (Cholangitis).
Murphy-Trias: Rechtsseitige Unterbauchschmerzen, Fieber und Erbrechen (Appendizitis).
Virchow-Trias: Alterationen der Gefässwand, der Fliesseigenschaften des Blutes und seiner Viskosität (als Risikofaktoren für Thrombosen).
Wernicke-Korsakoff-Trias: Bewusstseinsalteration (inkl. Konfusion/Konfabulation), Ataxie und Augenbewegungsstörungen wie horizontaler Nystagmus, Augenmuskelparesen (Thiaminmangel bei Alkohol­abusus).
Weitere TRIAS finden Sie unter [2].
1 N Engl J Med 2018, 
doi:10.1056/NEJMcpc1802828.
Verfasst am 05.08.2018.