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Das Basalzellkarzinom ist der häufigste maligne Hauttumor bei hellhäutigen Patienten. In den letzten Jahren sind grosse Fortschritte in der Behandlung des lokal-fortgeschrittenen und metastasierenden Basalzellkarzinoms gemacht worden. Dieser Artikel bietet eine Übersicht über die neuen medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten.
Fallbeispiele
Klinisches Fallbeispiel Nr. 1
Eine 69-jährige Patientin (Abb. 1) präsentierte bei Spitaleintritt ein 10 cm × 20 cm durchmessendes, bis auf die Muskulatur der linken Scapula reichendes Ulkus. Der histologische Befund ergab ein Basalzellkarzinom (BZK) von solidem und (randlich) sklerodermiformem Typ. Die Wunde wurde auf Wunsch der Patientin zunächst konservativ behandelt. Infolge Tumorprogression haben wir drei Monate nach Diagnosestellung eine Therapie mit dem Hedgehog-Signalweg(HHS)-Inhibitor Vismodegib (Erivedge®) eingeleitet. Dabei kam es zu einer klinisch partiellen Remission. Aufgrund der zunehmenden Nebenwirkungen wurde die Behandlung nach zehn Monaten sistiert. Die Systemtherapie mit Vismodegib wurde nach vier Monaten bei lokaler Tumorprogression erneut eingesetzt, musste jedoch wegen Therapieresistenz nach wenigen Monaten abgesetzt werden. Nach der Durchführung einer Radiotherapie des Tumorbetts ist das Ulkus fast vollständig zugeheilt.

Abbildung 1: Fallbeispiel einer 69-jährigen Patientin. Die Ulkusbiopsie ergab ein Basalzellkarzinom vom soliden, nodulären
(A ; Hämatoxylin-Eosin-Färbung, 2,5×) und sklerodermiformen Typ (B ; Hämatoxylin-Eosin Färbung, 10×) (Bilder: Pathologisches Institut des Luzerner Kantonsspitals, Dr. med. A. Vogetseder und Prof. Dr. med. J. Diebold). Lokalbefund bei Diagnosestellung (C ), bei Therapiebeginn nach erfolgtem Débridement (D ) und nach 3 Monaten Therapie mit Vismodegib (E ).
Klinisches Fallbeispiel Nr. 2
Bei einem 46-jährigen Patienten mit Gorlin-Goltz-Syndrom wurden multiple, rezidivierende BZK vor allem im Kopf und Rumpfbereich diagnostiziert. Trotz zahlreicher Exzisionen und Anwendung von topischen und photodynamischen Therapien in einem Zeitraum von 12 Jahren kam es weiterhin zur Bildung von vielen neuen BZK. Seit Beginn einer Therapie mit Vismodegib beobachteten wir eine komplette Remission der Hautläsionen. Nach sechs Monaten Dauertherapie haben wir ein intermittierendes Schema eingeführt (alternierend drei Monate Therapie und zwei Monate Pause). Die Therapie wird bis auf ein diffuses Effluvium gut vertragen. Es sind keine weitere BZK aufgetreten.
Das Basalzellkarzinom
Das BZK ist der häufigste maligne Hauttumor bei hellhäutigen Patienten und für etwa 80% aller nicht-melanozytären Hauttumoren verantwortlich. Die Inzidenz und Prävalenz stiegen in den letzten Jahren weltweit kontinuierlich an [1]. Der Hauptrisikofaktor ist die chronische UV-Exposition. Es bestehen deshalb grosse geographische und individuelle Unterschiede, je nach zum Beispiel UV-exponierter Arbeit und Freizeitaktivität, Wohnsitz, hellem Hauttyp, Immunsuppression, Alter, genetischen Syndromen (wie Gorlin-Goltz-Syndrom und Xeroderma pigmentosum), Exposition durch Röntgenstrahlung und Phototherapie [2].
Das BZK wächst vorwiegend in sonnenexponierten Arealen (80% im Hals-Kopfhaut-Bereich, 15% an Rumpf, Armen und Beinen). Seltener kann der Tumor auch axillär, perianal, palmoplantar und genital vorkommen [3]. Basierend auf klinisch-histopathologischen Kriterien wird das BZK in verschiedene Subtypen unterteilt (z.B. noduläres, superfizielles oder sklerodermiformes BZK).
Aufgrund seines langsamen Wachstums wird das BZK meist frühzeitig erkannt und kann mit geeigneten Lokaltherapien erfolgreich und dauerhaft behandelt werden. Unbehandelt kann es durch Infiltration der umliegenden Strukturen zu einer ausgedehnten Gewebezerstörung führen. Insbesondere BZK im Gesichtsbereich weisen ein aggressives Verhalten auf. Eine Metastasierung tritt mit einer geschätzten Häufigkeit von 0,0025–0,55% extrem selten auf. Die Metastasen sind vor allem in den regionalen Lymphknoten, den Knochen, der Lunge und der Leber lokalisiert; die Prognose ist mit einer mittleren Lebenserwartung von acht Monaten bis 3,6 Jahren sehr eingeschränkt [3].
Neue zielgerichtete Therapien
Vismodegib
Vismodegib (Erivedge®) ist ein oraler HHS-Hemmer, der gezielt das Wachstumsignal in den mutierten Krebszellen hemmt. Der HHS spielt sowohl eine wichtige Rolle in der fetalen Organogenese als auch in der postnatalen Regulation und Differenzierung der Keratinozytenstammzellen, in der Entwicklung der Haarfollikel und seborrhoischen Drüsen. Die pathologische Aktivierung des HSS führt zu einer Zunahme der Proliferation der Basalzellen der Haut (Abb. 2).

Abbildung 2: Der Hedgehog-Signalweg (HHS). Links: Im normalen Gewebe hemmt der Transmembranrezeptor «Patched homologue 1» (PTCH1) das aktivierende Transmembranprotein «Smoothened homologue» (SMO). Rechts: Nach der Bindung des Liganden an PTCH1 oder durch PTCH1-Mutationen wird die physiologische Hemmung des transmembranären Proteins SMO aufgehoben. Durch Aktivierung des HHS wird eine Signalkaskade über Transkriptionsfaktoren wie GLI1-3 (Gliom-assozierte Onkogene) ins Zellinnere weitergeleitet, die zu einer Zunahme der Proliferation der Keratinozytenstammzellen führt. Vismodegib und Sonidegib binden an SMO und blockieren die Signalweiterleitung. Beim Gorlin-Glotz-Syndrom liegt die PTCH1-Keimbahnmutation in den Keimzellen vor [4].
Datenlage
Bereits in einer Phase-I-Studie im Jahr 2009 zeigte Vismodegib eine hohe Wirksamkeit bei metastasiertem BKZ (mBZK) und lokal-fortgeschrittenem BKZ (lfBZK) [4]. Die Phase-II-Studie (ERIVANCE) zeigte nach 24 Monaten Beobachtungszeit eine Antwortrate von 48,5% bei Patienten mit mBZK und 60,3% bei jenen mit lfBZK. Die mediane Ansprechdauer erreichte 14,8 Monate bei Patienten mit mBZK und 26,2 Monate bei jenen mit lfBZK. Die Überlebensrate lag bei 33,4 Monaten bei dem mBKZ-Arm und wurde im lfBZK-Arm bisher nicht erreicht [5–7]. Aufgrund dieser Studie ist Vismodegib in den USA seit Januar 2012 und in der Schweiz seit Juni 2013 zugelassen (Tab. 1).
Tabelle 1:Indikation für eine systemische Therapie mit Vismodegib bei Basalzellkarzinom(gemäss Spezialitätenliste des Bundesamtes für Gesundheit [BAG]). |
Metastasierende Basalzellkarzinome |
Lokal fortgeschrittene oder metastasierte Basalzellkarzinome, bei denen chirurgische Massnahmen oder Strahlentherapie nicht angemessen sind, kontraindiziert sind oder zu entstellenden Veränderungen führen würden |
Lokal fortgeschrittene Basalzellkarzinome mit einer Invasion in benachbarteStrukturen |
Basalzellkarzinome, deren Tumorausdehnung infolge Vorbehandlung sowohl klinisch als auch radiologisch schwer abgrenzbar sind |
Rezidivierte Basalzellkarzinome nach zwei therapeutischen Eingriffen mit kurativer Intention |
Zustand nach operativer Entfernung von mehreren (>5) Basalzellkarzinomen, wenn sie im Rahmen eines genetischen Syndroms auftreten, wie z.B. dem Basalzellnävus-Syndrom (Gorlin-Goltz-Syndrom) oder im Rahmen von Xeroderma pigmentosum |
Nebenwirkungen
Als Nebenwirkungen können vor allem Muskelkrämpfe (68%), Alopezie (63%), Disgeusie (51%), Gewichstverlust (50%) und Asthenie (36%) auftreten. Es besteht ein erhöhtes Risiko für die Entstehung eines Plattenepithelkarzinoms der Haut [8, 9]. Die Nebenwirkungen treten meistens innerhalb der ersten sechs Behandlungsmonate auf. Obwohl Nebenwirkungsrate und -grad im Verlauf der Behandlungsdauer zunehmen, sind die Symptome meistens mild und verschwinden nach Absetzen des Medikaments.
Bei Frauen im gebärfähigen Alter ist aufgrund des Risikos von embryofetalem Tod oder schweren Geburtsfehlern eine zuverlässige Verhütungsmethode während der Behandlung und über einen Zeitraum von 20 Monaten nach Behandlungsende notwendig. Männer müssen während der Behandlung und zwei Monate nach Abschluss der Therapie mit Kondom verhüten.
Bei Patienten, die auf eine langfristige Therapie mit Vismodegib angewiesen sind (z.B. wegen Gorlin-Goltz Syndrom), können die Nebenwirkungen zu einem Therapieabbruch führen. In einer kürzlich publizierten Phase-II-Studie wurden Daten offenbart, die eine bessere Verträglichkeit und noch gute Wirksamkeit bei einer intermittierenden Langzeitanwendung von Vismodegib zeigen [10].
Interaktionen
In-vitro-Untersuchungen haben gezeigt, dass Vismodegib ein Substrat von P-Glykoprotein ist und von Cytochrom P450 metabolisiert wird; in vivo sind jedoch keine klinisch relevanten Interaktionen zu erwarten [11].
Einnahme und Kosten
Vismodegib wird einmal täglich als Kapsel à 150 mg per os eingenommen. Die Behandlungskosten liegen bei etwa CHF 5500/Monat.
Sonidegib
Mit Sonidegib (Odomzo®) befindet sich das zweite Arzneimittel aus dieser Substanzgruppe im Einsatz bei Patienten mit lfBZK und mBZK.
In einer Phase-II-Studie im Jahr 2015 wurde Sonidegib in täglicher Dosierung von 200 mg mit 800 mg verglichen. Die Ergebnisse nach 12 Monaten Beobachtungszeit zeigten eine Überlegenheit hinsichtlich Antwortrate und progressionsfreier Überlebensrate im 200-mg-Arm sowohl bei Patienten mit lfBZK als auch bei jenen mit mBZK. Mehr als 90% der Patienten mit lfBZK erreichten mindestens eine Stabilisierung des Tumorverlaufs und mehr als 50% eine anhaltende Antwort (d.h. länger als 6 Monate) [12, 13]. Das Nebenwirkungsprofil ist sehr ähnlich wie bei Vismodegib. Aufgrund dieser Studie wurde Sonidegib 200 mg im Juli 2015 in den USA und in der Schweiz für fortgeschrittene BZK zugelassen.
Azolderivate
Itraconazol und Posaconazol haben ebenfalls eine hemmende Wirkung auf den HHS. Obwohl in einer kleinen Phase-II-Studie 2014 eine antitumorale Aktivität bei Patienten mit BZK gezeigt wurde, fehlen bisher noch Therapieempfehlungen [14, 15].
Konklusion
Das BZK hat durch seine Häufigkeit und sein lokal aggressives Wachstum eine wichtige medizinische Bedeutung. Durch die zielgerichtete Therapie mit Vismodegib und Sonidegib hat man heutzutage eine nichtinvasive Behandlungsoption mit hoher Ansprechrate und guter Krankheitsverlaufskontrolle beim lokal fortgeschrittenen, inoperablen oder metastasierten BZK. Bei Nebenwirkungen oder bei längerer Behandlungsdauer stellt die intermittierende Anwendung von Vismodegib eine gute Option dar, wobei weitere Studien die Wirksamkeit noch bestätigen müssen.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Kopfbild: Pathologisches Institut des Luzerner Kantonsspitals, Dr. med. A. Vogetseder und Prof. Dr. med. J. Diebold
Korrespondenz:
Dr. med.
Anna Teresa Allemann
Luzerner Kantonsspital Sursee
Spitalstrasse 16 A
CH-6210 Sursee
annateresa.allemann[at]luks.ch
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