Orthopädie und Traumatologie: Das Schweizerische Implantatregister SIRIS – erste Informationen
Schlaglicht der Schweizerischen Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie

Orthopädie und Traumatologie: Das Schweizerische Implantatregister SIRIS – erste Informationen

Schlaglichter
Ausgabe
2019/0304
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2019.03454
Swiss Med Forum. 2019;19(0304):46-48

Affiliations
a Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Luzerner Kantonsspital, Luzern; b articon, Spezialpraxis für Gelenkchirurgie, Salem-Spital, Bern;
c Service de chirurgie orthopédique et traumatologie de l’appareil moteur des HUG, Genève

Publiziert am 16.01.2019

Die statistische Auswertung der SIRIS-Daten erlaubt erste Rückschlüsse auf die 
Revisionsrate bei Implantationen von Hüft- und Knieprothesen. Wo steht die Schweiz im internationalen Vergleich?

Hintergrund

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Kosten im ­Gesundheitswesen und der Qualitätsansprüche in der Medizin kommt der systematischen Erfassung von Therapien und ihrem Erfolg ein immer höherer Stellenwert zu. Aus diesem Grund wurde 2012 von der Schweizerischen Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie des Bewegungsapparates (Swiss Orthopaedics) zusammen mit Partnern aus der Wirtschaft (Medtech), den Spitälern (H+), und den Krankenversicherern (Santésuisse) das Schweizerische Implantatregister SIRIS gegründet. Mit dem Einbezug des Nationalen Vereins für Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken ANQ konnte die flächendeckende Umsetzung erreicht werden, und heute sind alle Kliniken verpflichtet, ihre Daten in das SIRIS-Register einzutragen.
Der Zweck des Registers ist zum einen, Kurz- und Langzeitresultate in Form von Revisionsraten verschiedener Prothesentypen und spezifischer Implantate zu dokumentieren. Zum anderen sollen aber auch Revi­sions­raten von Spitälern erfasst werden. Damit wurde die Möglichkeit geschaffen, die Qualität der Hüft- und Knieprothetik und insbesondere die Revisionsraten zu dokumentieren und international vergleichen zu können.

Implantationshäufigkeit, Demographie 
und Revisionsraten

Seit der Einführung im September 2012 wurden die Daten zu allen in der Schweiz implantierten Hüft- und Knieprothesen gesammelt, 2017 wurden sie erstmals statistisch ausgewertet und publiziert. Die Dokumentation im Prothesenregister ist obligatorisch und die Beteiligung beträgt gut 90%.
Seit 2012 wurden 86 830 Hüftprothesen und 75 467 Knieprothesen eingesetzt. Die Anzahl der jährlich eingesetzten Hüften ist relativ stabil und schwankt zwischen 19 120 Hüfttotalprothesen im Jahr 2013 und 20 731 im Jahr 2016. Dagegen ist bei den Knieprothesen eine Zunahme der Implantationen von 16 519 im Jahr 2013 auf 18 693 Knieprothesen im Jahr 2016 zu beobachten. Neben demographischen Daten wie Geschlecht, Alter, «Body-Mass-Index» (BMI) und ASA(«American Society of Anesthesiologists»)-Score werden auch Operationstechniken, Zugänge, Prothesentypen und andere Parameter wie Fixationstechniken und Gleitpaarungen erfasst und ausgewertet.
Es zeigt sich, dass etwas mehr Frauen (52%) eine Hüftprothese erhalten und dass sie bei der Operation im Durchschnitt vier Jahre älter sind als Männer (70 versus 66 Jahre). Zur Zeit des Eingriffs sind 13% der Patienten jünger als 55 Jahre und 6% älter als 85 Jahre. Am häufigsten werden unzementierte Implantate verwendet. ASA-Score und BMI werden seit 2015 erfasst. Der BMI betrug im Durchschnitt 27,1 kg/m2. 39% der Implantationen erfolgte bei übergewichtigen und 24% bei adipösen Patienten. Die meisten Patienten sind bei der Operation gesund, 25% der Operationen erfolgen bei Patienten mit ASA ≥3.
In der Knieprothetik ist der Frauenanteil mit 61% deutlich höher. Beim Durchschnittsalter zum Zeitpunkt des Eingriffs gibt es wenig Unterschiede, es beträgt bei Männern 68 und bei Frauen 70 Jahre. Der durchschnittliche BMI betrug 29,4 kg/m2. 39% der Patienten waren übergewichtig. Im Gegensatz zu den Hüftpatienten war der Anteil an adipösen Patienten (BMI ≥30 kg/m2) mit 39% deutlich höher. Im Jahr 2016 wurden in 71% der Fälle beide Komponenten zementiert. Bei 14,3% der Kniepatienten wurde eine unikompartimentale Knieprothese eingesetzt, was weltweit einen Spitzenwert darstellt. Im Durchschnitt sind diese Patienten mit 65 Jahren etwas jünger als Patienten mit Knietotalprothesen.
Interessant, auch im internationalen Vergleich, ist die Revisionsrate in den ersten 24 Monaten nach Implantation. Diese beträgt für Hüftprothesen bei primären Coxarthrosen nach 12 Monaten 1,7%, nach 24 Monaten 2,0% und für Knieprothesen 1,2% nach 12 Monaten und 2,0% nach 24 Monaten. Während bei Hüftprothesen Infektion und periprothetische Frakturen am häufigsten auftreten (Abb. 1), sind es bei den Knieprothesen hauptsächlich Probleme mit der Patella, gefolgt von Infektionen und Schmerzen (Abb. 2).
Abbildung 1: Revisionsgründe für Hüftprothesen mit primärer Coxarthrose in den ­ersten 24 Monaten. Pro Patient sind mehrere Ursachen möglich (Total >100%).
Abbildung 2: Revisionsgründe für Knieprothesen in den ersten 24 Monaten. Pro Patient sind mehrere Revisionsursachen möglich (Total >100%).
Ein Unterschied zeigt sich auch im zeitlichen Verlauf. So treten die meisten Komplikationen, die eine Revision benötigen, im Hüftbereich in den ersten drei Monaten auf, während sich Komplikationen mit Revision nach Knieprothesen über einen weit längeren Zeitraum erstrecken. Die unikompartimentalen Knieprothesen weisen insgesamt eine etwas höhere Revisionsrate von 2,5% nach zwei Jahren auf. Der häufigste Grund für eine Revision war hier die Frühlockerung der Tibiakomponente.
Bei der Hüftprothetik hat die Fixation des Schaftes einen deutlichen Einfluss auf den Revisionsgrund. Bei den unzementierten Schäften war die häufigste Ursache mit 22% die periprothetische Femurfraktur, während diese bei zementierten Schäften selten ist.
Der BMI hat einen sehr grossen Einfluss auf die frühe Revisionsrate nach Hüftprothesen. Bei Normalgewichtigen ist die 24-Monats-Revisionsrate 1,3%, und sie steigt auf 6,2% bei den Patienten mit einem BMI ≥40 kg/m2.

Diskussion

Prothesenregister gibt es bereits in vielen Ländern, wobei das schwedische Register als eines der ersten (seit 1975) eine Vorreiterrolle einnimmt. Zusammen mit den anderen skandinavischen Registern, dem australischen, neuseeländischen und britischen Register (um die ältesten zu nennen) bietet es die Möglichkeit, unsere Ergebnisse bezüglich Implantationshäufigkeit, Demographie der Patienten und Revisionsraten zu vergleichen.
Mit dem SIRIS-Prothesenregister hat die Schweiz zu anderen Ländern aufgeschlossen, wenngleich der Beobachtungszeitraum noch kurz ist. Trotzdem können bereits schlüssige Aussagen unter anderem zur Häufigkeit der Prothesenimplantationen, der Demographie und frühen Revisionsursachen und -raten gemacht werden.
Das ­australische Register weist nach einem Jahr eine Revisionsrate von 1,6% für Hüftprothesen und 1,0% für Knieprothesen aus. Das schwedische Register weist für Hüftprothesen ähnliche Revisionsraten nach zwei Jahren auf (2,1–2,4%). Die Schweiz steht damit im Vergleich zu anderen Ländern gut da und hat vergleichbare Zahlen bei den Revisionsraten.
Das mittlere Alter der Schweizer Hüft- und Knieprothesenpatienten entspricht mit 68 und 69 Jahren dem in anderen europäischen Registern. Der Frauenanteil bei Hüftprothesen ist mit 52% etwas niedriger als in den meisten anderen Ländern (55–65%).
Die ersten Resultate des SIRIS-Prothesenregisters sind ermutigend und zeigen, dass die Schweiz mit dem internationalen Qualitätsstandard gut mithalten kann. Bis jetzt sind die Auswertungen gesamthaft, sie umfassen die ganze Schweiz.
In Zukunft wird es möglich sein, die Auswertungen bis auf die Spital- und Chirurgenebene zu differenzieren und Qualitätsvergleiche anzustellen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erwähnen, dass sowohl die Charakteristika des Patienten, die Form und Ausprägung der Arthrose als auch die verwendeten Implantate, die Operationstechnik, der Erfahrungsgrad des Operateurs und das Operationsumfeld (z.B. perioperative Versorgung) die Qualität der Prothesenchirurgie beeinflussen.
Eine wichtige Aufgabe des Registers wird es in den nächsten Jahren sein, den jeweiligen Anteil der einzelnen Faktoren zu analysieren, die gewonnenen Erkenntnisse zu kommunizieren und ihre Umsetzung in die Praxis zu fördern.
Die Autoren sind Autoren des SIRIS Annual Report 2018 und Mitglieder des SIRIS Scientific Board.
Prof. Dr. med. Martin Beck
Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie
Luzerner Kantonsspital
CH-6004 Luzern
martin.beck[at]luks.ch
1 Swiss National Joint Registry. SIRIS Report 2012–2016. Annual Report of the Swiss National Joint Registry, Hip and Knee.
2 Australian Orthopaedic Association, National Joint Replacement Registry. Hip, Knee and Shoulder Arthroplasty. Annual Report 2017.
3 The Swedish Hip Arthroplasty Register. Annual Report 2016.
4 Lübbeke A, Silman AJ, Barea C, Prieto-Alhambra D, Carr AJ. Mapping existing hip and knee replacement registries in Europe. Health Policy. 2018;122(5):548–57.