Kurz und bündig
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Kurz und bündig
Ausgabe
2019/0708
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2019.08063
Swiss Med Forum. 2019;19(0708):109-112

Publiziert am 13.02.2019

Damit Sie nichts Wichtiges verpassen: unsere Auswahl der aktuellsten Publikationen.

Fokus auf ... Notfall an Bord!

– Ein medizinischer Notfall tritt bei 1 von 604 Flügen auf.
– Betroffen sind knapp 100 Patient(inn)en auf 1 Million Passagiere.
– Häufigste Ursachen: Synkope 33%, gastrointestinale Beschwerden 15% (v.a. Diarrhoe), respiratorische Beschwerden 10% (inkl. thromboembolische Erkrankungen).
– Herzkreislaufstillstände sind selten (0,2% der Notfälle an Bord).
– Pathophysiologie: hypoxische Umgebung entsprechend einem Höhenaufenthalt zwischen 1600 und 2500 müM, Sauerstoffsättigung bei Gesunden sinkt auf 93%, venöse Stase, Dehydratation, vorbestehende Indisponibilität.
Verfasst am 13.01.2019.

Praxisrelevant

Kontroversen zum Vitamin D: 
immer noch ungelöst

Wie kurz und bündig schon mehrmals erwähnt, sind die Interventionsstudien zum Vitamin D in Bezug auf muskuloskelettale Effekte (siehe «Kurz und bündig» SMF 1–2/2019 [1]) und auf eine Reihe sogenannter pleotroper Wirkungen (kardiovaskulär, Krebserkrankungen, Entzündungskrankheiten, Infektabwehr) bislang sehr enttäuschend ausgefallen. Ein kurzer, instruktiver Abriss über die aktuelle, unsichere Datenlage gibt dazu nun einen guten Überblick [2]. Aus praktischer Sicht am bedeutsamsten ist die anhaltende Unsicherheit über die optimalen Zielkonzentrationen des 25(OH)-Vit­amin-D im Blut, wobei es mehr als wahrscheinlich erscheint, dass eine adäquate Vitamin-D-Versorgung schon unterhalb der heute angegebenen Werte (z.B. bei 50–75 nmol/l) vorliegt. Die Arbeit ist auch eine Erinnerung daran, dass für die Osteoporosetherapie diese Zielwerte gar nicht bekannt sind. ­Zudem ist eine Reihe von Fragen zur Qualität der Analytik dieses schwierig zu bestimmenden Hormons immer noch offen. Die beste Methode scheint die – laborseitig aufwendigere – Bestimmung des freien Hormons (mittels Flüssigkeitschromatographie/Tandem-Massenspektrometrie) zu sein, welche die Bestimmung des totalen Vitamin D mittels Immunoassays an Genauigkeit übertrifft.
Die Autoren sehen keinen Grund, von der gegenwärtigen Dosisempfehlung (Vitamin D3) abzurücken: Kleinkinder 400 U, unter 70 Jahren 600 U, über 70 Jahre 800 U (je pro Tag). Wahrscheinlich kann man auch zumindest bei unter 70-Jährigen die Zufuhr in den Sommermonaten weglassen. Siehe auch die nächste Besprechung!
1 Swiss Med Forum 2019, doi.org/10.4414/smf.2019.08029.
Verfasst am 17.12.2018.

Prävention kardiovaskulärer und neoplastischer Erkrankungen: kein primärprophylaktischer Nutzen von Omega-3-Fettsäuren und Vitamin D

Mit einer Nachbeobachtungszeit von median mehr als fünf Jahren wurde bei mehr als 25 000 Studienteilnehmern untersucht, ob entweder die tägliche Einnahme von Vitamin D3 (2000 U/Tag, [1]) oder von hochungesättigten Fettsäuren (marine oder sog. Omega-3-Fettsäuren, 840 mg/Tag, [2]) im Sinne der Primärprophylaxe die Ereignisrate von kardiovaskulären Erkrankungen oder Krebserkrankungen beeinflusst. Keine der beiden Interventionen führte zu einer Reduktion dieser genannten Krankheiten über den Beobachtungshorizont. Die beiden Interventionen hatten auch nicht geschadet (bei den Fettsäuren keine erhöhte Blutungsneigung, beim Vitamin D keine erhöhte Inzidenz an Nierensteinen oder Hyperkalzämie), aber dafür mehr gekostet. Die Ehre der Omega-3-Fettsäuren wird gerettet, insofern als in derselben Ausgabe des New England Journal of Medicine [3] über eine signifikante Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse (inkl. Mortalität) bei Einnahme einer hochgereinigten und stabilen hochungesättigten Fettsäure (Icosapent-Ethyl; randomisiert, plazebo-kon­trolliert) berichtet wird. Die Patient(inn)en waren solche mit Hypertriglyzeridämie bei oder trotz konkomi­tierender Statintherapie (sog. REDUCE-IT-Studie). Icosapent Ethyl führte allerdings hochsignifikant (p = 0,004) zu einer erhöhten Inzidenz von Vorhofflimmern.
Verfasst am 11.01.2019.

24-Stunden-Blutdruckmessungen: ­Umgang mit fehlenden Daten

Bei der 24-Stunden-Blutdruckmessung sind fehlende Daten (technische Probleme etc.) notorisch. Die Europäische Hypertoniegesellschaft empfiehlt, die Messung zu wiederholen, wenn (1.) weniger als 70% der Messungen auch vorgenommen wurden, (2.) weniger als 20 Messungen in der Wachperiode und (3.) weniger als sieben Messungen im Schlaf registriert wurden. In einer empirischen Studie mit 360 Patient(inn)en mit chronischer Nierenerkrankung und 38 gesunden Kon­trollen wurde herausgefunden, dass 26 Messungen – zufällig ausgewählt über die 24-Stunden-Periode – mit mehr als 95% Wahrscheinlichkeit für den systolischen Wert innerhalb von 5 mm Hg und für den diastolischen Wert innerhalb von 3,5 mm Hg zu den Mittelwerten einer vollständigen Messung (alle 20 Minuten am Tag, alle 30 Minuten in der Nacht) zu liegen kommen. Richtlinien also für den Entscheid, ob eine gegebene Messung auch verwertbar ist (und vielleicht nicht wiederholt werden muss).
Verfasst am 18.12.2018.

Schlechterer Verlauf bei sonographischem Nachweis asymptomatischer Plaques in der A. carotis?

Bei 3532 schwedischen Studienteilnehmer(inne)n (40, 50 und 60 Jahre alt) mit mindestens einem konventionellen kardiovaskulären Risikofaktor zeigte die Einteilung in zwei Gruppen und bei einer Nachbeobachtungszeit von einem Jahr: Kardiovaskuläre Risikofaktor-Scores (Framingham und «European Systematic Coronary Risk Evaluation») hatten sich in der Gruppe mit initialem Nachweis von sogenannten «Plaques» signifikant verschlechtert, was ein Hinweis auf einen aggressiveren Verlauf sein könnte [1]. Da die Bildgebung gerade beim Ultraschall noch Untersucher-abhängiger als andere Methoden (siehe «Kurz und bündig» SMF 5–6 zum Thema MRI bei lumboradikulären Beschwerden [2]) sein dürfte, interessiert natürlich die sogenannte «kleinste signifikante Differenz» zwischen Normwert und gesichert ­pathologischem Wert dieser Methode, worüber die Studie keine Angaben macht.
1 Swiss Med Forum 2019, doi.org/10.4414/smf.2019.08048.
Verfasst am 12.01.2019.

Für ÄrztInnen und Ärzte am Spital

Achillessehne rupturiert: operativ oder ­konservativ behandeln?

Achillessehnenrupturen sind in der physisch aktiven mittelalterlichen Bevölkerung relativ häufig (31/100 000/Jahr) und nehmen insgesamt zu, vor allem wegen der ­erhöhten körperlichen Aktivitäten älterer Leute. Die Ruptur kommt meist in einer schlecht vaskularisierten ­Region zwischen 2 und 7 cm kranial der Sehneninsertion in den Calcaneus vor, häufig nicht aufgrund des Traumas allein, sondern auch auf dem Boden vorbestehender degenerativer Veränderungen, unter anderem als Folge von Glukokortikoid- und Fluoroquinolontherapien. Die Diagnose ist meist klinisch, komplettiert durch ­Ultraschall oder MRI.
Wie behandeln? Laut einer Metaanalyse (10 randomisierte Studien mit 944 Patient[inn]en, 19 Beobachtungsstudien mit knapp 15 000 Patient[inn]en) war das Re-Rupturierungsrisiko beim operativen Vorgehen geringer (2,3 vs 3,9%, die «number needed to treat» also doch relativ hoch bei 65), die operative Gruppe hatte aber mehr Komplikationen, vorwiegend Infekte (2,8%).
Sind wir auch hier so klug als wie zuvor? Wer unternimmt eine prospektive Studie mit genügender Aussagekraft (Zahl der Fälle und lange Nachbeobachtung)?
Verfasst am 13.01.2019.

Neues aus der Biologie

Warum die Gewichtszunahme bei gewissen Antidepressiva (Mirtazapin)?

Vor allem bei langfristiger Behandlung sind Gewichtszunahme und assoziierte Stoffwechselveränderungen Folgen, die oft die Therapie mit diesen sonst gut verträglichen Medikamenten scheitern lassen. Es scheint bisher unklar, ob die Gewichtszunahme Folge eines appetitstimulierenden Effektes oder direkter medikamentöser Stoffwechseleffekte (via Hemmung der Serotonin-Wiederaufnahme u.a.m.) ist.
Eine Studie liefert hier zumindest partielle Klärung: Bei zehn gesunden, gut kontrollierten Männern (Standarddiät, Schlaf-/Wachrhythmus und definierte körperliche Aktivität) führte die Einnahme von 30 mg Mirtazapin (Remeron®)/Tag zu einer Appetitsteigerung und Bevorzugung von Süssigkeiten. Aufgrund indirekter kalorimetrischer Befunde wurden Kohlehy­drate unter Mirtazapin zum bevorzugten Energiesubstrat. Zudem waren die Insulin- und C-Peptid-Antwort auf standardisierte Mahlzeiten signifikant höher unter Mirtazapin.
JCI Insight 2019, doi:10.1172/jci.insight.123786.
Verfasst am 14.01.2018.

Immer noch lesenswert

Akute Infekte und Risiko für Myokardinfarkte

Eine lesenswerte, aktuelle Review erinnert uns daran, dass nach häufigen Infekten (obere und untere respiratorische Infekte, urogenitale Infekte) das Auftreten von Myokardinfarkten signifikant erhöht ist [1]. 7–8% der hospitalisierten Patient(inn)en mit Pneumokokkenpneumonie sollen einen Myokardinfarkt aufweisen, das Troponin also nicht Ausdruck einer Permeabilitätsstärung der Myokardiozyten oder gar einer «Begleitmyokarditis» sein. Interessant ist, dass dieses Risiko bei gewissen, vorwiegend schwereren und invasiven, Infekten Jahre andauern, aber durch entsprechende Impfungen (z.B. Pneumokokken und Influenza) offensichtlich auch reduziert werden kann. Schon vor bald 20 Jahren wiesen auch heute in St. Gallen arbeitende Kardiologen (Proff. P. Ammann und H. Rickli) darauf hin, dass akute Koronarsyndrome nach febrilen Infekten, oft mit angiographisch fehlenden oder sehr diskreten atheromatösen Veränderungen (damals als MINC bezeichnet: «myocardial infarction with normal coronary arteries»), gehäuft auftreten [2].
Verfasst am  15.01.2019.

Das hat uns weniger gefreut

Lebensbedrohliche Koagulopathie durch synthetische Cannabinoide

Kurz und bündig (siehe SMF 46/2018 [1]) wurde schon über diese lebensbedrohliche Nebenwirkung (mit dem ersten beobachten Fall im Staat Illinois, USA, am 8. März 2018) als Folge der Zugabe eines ultralang wirksamen Coumarins (Brodifacoum, zur Verlängerung der Verweildauer der Cannabinoide) berichtet. Zwischenzeitlich hat sich das Ganze zu einer kleinen Epidemie ausgebreitet (324 rapportierte Fälle, in der Mehrzahl aus Staaten ­östlich des Mississippi) [2]. Entsprechend der hohen Rezidivrate eines Drogenmissbrauches gibt es Patient(inn)en, die unter ambulanter Vitamin-K-Gabe wieder einen Anstieg der Coumarinkonzentration zeigen.
Hat jemand einen solchen Fall in der Schweiz beobachtet? Bei Cannabiskonsum in der Anamnese: Sprechen sie die Gefahr der synthetischen Cannibinoide an?
1 Swiss Med Forum 2018, doi.org/10.4414/smf.2018.03420.
Verfasst am 17.12.2018.

Aus Schweizer Feder

Welche zirkulierenden Krebszellen führen zu Metastasen oder neue Aufgabe für Digoxin?

Bei der hämatogenen Metastasierung wird den im Blut zirkulierenden Krebszellen –wenn diese auch sehr rar sind – eine wichtige Rolle in der Metastasenentstehung zugeteilt. Die Chance einer Metastasierung scheint zuzunehmen, wenn an Stelle von Einzelkämpfern ganze Gruppen von neoplastischen Zellen, quasi kleinste Zellverbände («clusters»), zirkulieren. Forscher der Uni ­Basel zeigen, dass die Zellen von Patient(inn)en mit Mam­makarzinom in den «clusters» ein charakteristisches Fehlen von Methyl(CH3)-Gruppen (sog. Hypo­methy­lierung) ihrer DNA aufweisen, ein Merkmal wie es unreife, embyronale Zellen haben. Unter den 2486 (!) ­geprüften, von der «Food and Drug Administration» (FDA) zugelassenen Medikamenten fanden die Autor­(inn)en, dass Hemmer der ubiquitären Na/K-ATP­ase (also namentlich Digoxin oder Ouabain) die Methylierung verbessern, die Cluster-Bildung vermindern (namentlich das Loslösen dieser «clusters» aus dem Primärtumor) und in einem Mausmodell auch die Metastasenbildung hemmen. Der Mechanismus dürfte in der Verhinderung von Zell-Zell-Kontakten (-Bindungen) und damit von Cluster-Bildungen liegen.
Verfasst am 12.01.2019.

Auch noch aufgefallen

Ceramide als unabhängige, neue kardiovaskuläre Risikofaktoren?

Ceramide sind eine Gruppe komplexer Lipidverbindungen bestehend aus Sphingosin und einer Fettsäure variabler Länge (= Sphingolipide). Sie sind erhöht bei ­einer Vielzahl von entzündlichen und Stress-Faktoren, unter anderem auch im Rahmen einer Obesitas. Aufgrund von tierexperimentellen Befunden (genetische Modelle und Effekt von Ceramid-Synthese-Hemmern wie Myriocin) wird ihnen ein beschleunigender Effekt auf die Atheromatose, die Insulinresistenz und metabolische Myokardiopathien zugeschrieben. 2016 berichtete eine internationale Arbeitsgruppe (Finnland, Frankreich, vier universitäre Spitäler der Schweiz), dass gewisse lang- und mittellangkettige Ceramide (z.B. Quotient von C18:C16 Ceramiden) ein vom CRP und LDL unabhängiger Risikofaktor für eine erhöhte kardiovaskuläre Mortalität seien [1]. Jetzt zeigt aber eine US-Studie (u.a. in der Kohorte der «Framingham Heart Study»), dass es auch – vor allem langkettige wie C24 – Ceramide gibt, die mit einer Reduktion des kardiovaskulären Risikos inklusive Mortalität einhergehen [2]. Die Risikoanalyse muss sich also auf eine differenzierte Analyse der verschiedenen Ceramid-Spezies abstützen. Zusätzlich braucht es zur Etablierung als zusätzlicher Risikomarker auch noch Interventionsdaten (führt eine Beeinflussung der Plasmaspiegel auch zu verbessertem Verlauf oder wirksamen Therapieadaptationen?) und die Klärung der Kosten-Nutzen-Frage.
1 European Heart Journal 2016, doi:10.1093/eurheartj/ehw148.
2 J Am Heart Ass 2018, doi:10.1161/JAHA.117.007931.
Verfasst am 17.12.2018.

Medizinische Depeschenagentur

Finasterid

Finasterid (der erste 5-alpha-Reduktase-Hemmer, der die Umwandlung von Testosteron ins potentere Dihy­drotestosteron hemmt) reduzierte im Rahmen der Zulassungstudie [1] das Prostatakarzinomrisiko um etwa einen Viertel, allerdings mit einer absoluten Zunahme aggressiverer Tumorformen. Eine Langzeitbeobachtung bei schwedischen Männern bestätigte das reduzierte Krebsrisiko und fand – beruhigend – im Langzeitverlauf nicht vermehrt aggressivere Formen [2]. Eine weitere Arbeit kommt in der Essenz zu gleichen Schlüssen [3].
1 NEJM 2003, doi:10.1056/NEJMoa030660.

Erhöhtes Alzheimer-Risiko bei chronischem Schlafentzug?

Ja, gemäss Beobachtungen bei Mäusen, bei denen Schlafentzug zu Tau-Protein-Ansammlungen im bei der Alzheimer-Erkrankung initial betroffenen Locus coeruleus führt.

Influenza A

Im Gegensatz zu fast allen anderen Viren vermag ­Influenza A (siehe Abb. 1) Virionen mit grossen Unterschieden sowohl in Bezug auf Grösse als auch molekulare Zusammensetzung – sogar in der gleichen infizierten Einzelzelle – zu produzieren. Eine Erklärung also für die fehlende Wirksamkeit antiviraler Medikamente.
Abbildung 1 : Influenza-A-Virion im Elektronenmikroskop. Aus dem Nachlass von Prof. Kurt Bienz, Professor für Medizinische Mikrobiologie, EO Virologie Universität Basel. Wir danken Frau Jasmine Curti-Bienz für die Zurverfügungstellung der Abbildung.
Alle verfasst am 14.01.2019.