Kurz und bündig
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Kurz und bündig

Kurz und bündig
Ausgabe
2019/1920
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2019.08276
Swiss Med Forum. 2019;19(1920):309-312

Publiziert am 08.05.2019

Damit Sie nichts Wichtiges verpassen: unsere Auswahl der aktuellsten Publikationen.

Fokus auf … Kreislaufstillstand im Spital

Eine immer dramatische Situation, aber anhaltend mit schlechter Prognose. Die folgende Liste reversibler Ursachen soll helfen, falls schnell identifiziert («daran denken»), den Verlauf zu verbessern:
«H»-Ursachen
– Hypo- und Hyperkaliämie
– Hypovolämie
– Hypothermie
– Hypoxie
«T»-Ursachen
– Thrombo(embolie)
– Thrombose der Koronarien (akutes Koronarsyndrom [ACS])
– Tamponade
– Toxine (Opioide etc.)
– Thorax: Spannungspneumothorax
JAMA 2019, doi:10.1001/jama.2019.1696. Verfasst am 06.04.2019.

Praxisrelevant

Korrektur metabolischer Azidose bei der chronischen Niereninsuffizienz

Eine chronische, metabolische Azidose ist häufig bei fortgeschrittenen Stadien der chronischen Niereninsuffizienz. Die Patient(inn)en retinieren Säure (Protonen) wegen eingeschränkter tubulärer Protonensekretion, zum Beispiel wenn die Nierenerkrankung vorwiegend den distalen Tubulus befällt, und – vor allem – wegen reduzierter Ammoniaksynthese und -exkretion (NH4+). Die metabolische Azidose bei chronischen Nierenerkrankungen ist ein wesentlicher pathogener Faktor bei der Knochenerkrankung (Osteoporose) sowie beim Abbau von Muskelmasse (Sarkopenie) und beschleunigt per se die Progression der sie verursachenden Nieren­erkrankung. Bislang können wir die Azidose durch Basenzufuhr (v.a. Natriumhydrogencarbonat [NaHCO3]) korrigieren, die Natriumbelastung (Volumenexpansion) und die Bildung von Kohlendioxid (CO2) im Magen sind aber problematisch. Ein oral verabreichbares, im Gastrointestinaltrakt Salzsäure (HCl) bindendes Polymer (Veverimer, Dosis: 6 g/Tag) konnte bei 124 azido­tischen Patient(inn)en ([HCO3]p 12–20 mmol/l) im 
doppelblinden Vergleich zu Plazebo (n = 89) die metabolische ­Azidose zumindest partiell über 12 Wochen korrigieren (Bikarbonat­anstieg von >4 mmol/l). 13% der mit Veverimer behandelten Patient(inn)en (Plazebo = 5%) wiesen gastrointestinale Nebenwirkungen (Diarrhoe, Flatulenz) auf. Sehr ermutigende Resultate!
Verfasst am 06.04.2019.

Nahrungszusätze (nicht) sinnvoll?

Nahrungszusätze werden häufig eingenommen und die Patient(inn)en sind oft nicht vom Glauben – trotz Kosten – an ihre positiven Wirkung abzubringen. Die klinische Testung ist aber schwierig, so dass sich die Ärztinnen und Ärzte leicht in einem Beweisnotstand wiederfinden. Einige Studien haben aber doch Hinweise auf mehr Schaden als Nutzen gezeigt (eine Liste davon findet sich in der Referenz). Bei knapp 31 000 US-Bürger/-innen, die nach Einnahme von Nahrungsmittelzusätzen von Vitaminen über Mineralstoffe bis zu Fettsäuren befragt wurden, fand sich kein Effekt dieser Zusätze (inkl. Vitamin D) auf die Mortalität (gesamt, kardial, krebsbedingt) nach einer Beobachtungszeit von 6,1 Jahren (median). Die krebsbedingte Mortalität schien bei exzessiver Kalziumzufuhr vorwiegend durch Supplemente allerdings erhöht. Für den Grossteil der ausreichend und diversifiziert ernährten Schweizer/-innen (also alle ohne definierte Mangelzustände) sollte man wohl weiterhin von der Einnahme von Nahrungssupplementen abraten. Wenn die klinische Testung auch anspruchsvoll ist, gibt es wieder ein kleines Stück mehr Evidenz für diesen Rat.
Ann Intern Med 2019, doi:10.7326/M18-2478.
Verfasst am 10.04.2019.

Ist dieser Patient depressiv?

Grundversorger/-innen spielen eine entscheidende Rolle im verzugslosen Erkennen einer Depression. Dazu ist der sogenannte PHQ-9-Fragebogen (siehe Abbildung) nach wie vor ein zuverlässiges Instrument. Bei einer Punktezahl von >10 weist er eine respektable Sensitivität von 74% (d.h. ¾ aller erkrankten Patient[inn]en werden erfasst) und eine gute Spezifität von 91% (d.h. bei 10 von 11 Fällen positiver Testresultate liegt tatsächlich eine Depression vor). ¼ der «negativ» getesteten Patient(inn)en haben – anders betrachtet – eben doch eine Form ­einer depressiven Störung, die sich im längeren Gespräch und im Verlauf durch die Hausärztinnen und Hausärzte oder Psychiater/-innen dann wohl identifizieren lässt.
Verfasst am 09.04.2019.
Gesundheitsfragebogen für Patienten (PHQ-9) (© Pfizer, https://www.phqscreeners.com/select-screener/36 ).

Neues aus der Biologie

Ketokörper und Herzfunktion

Die SGLT2(«Sodium-Glucose Co-Transporter 2»)-Inhibitoren werden breit in der Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 eingesetzt und senken den Blutzucker via Glukos­urie. Sicherheitsstudien hatten gezeigt, dass die kardiovaskuläre Mortalität/Morbidität durch diese Medikamente vor allem wegen reduzierter Dekompensation von Herzinsuffizienz deutlich gesenkt wurde. Wie verringern diese Medikamente dieses Risiko? Durch Natri­urese und Verminderung des Extrazellularvolumens? Oder durch eine Stimulierung der Ketogenese, die im Extremfall zu einer SGLT-2-Inhibitor-­induzierten Ketoazidose führen kann? Für diese An­nahme spricht, dass das progrediente insuffiziente Herz immer mehr auf Ketokörper als Energiesubstrat angewiesen ist, so dass bei einer Herzinsuffizienz NYHA-Klasse 4 die myokardiale Energie ausschliesslich von Ketokörpern (Azetoazetat, Beta-Hydroxy-­Butyrat) stammt. Die Infusion von Beta-Hydroxy-Butyrat (mit resultierenden Plasmakonzentrationen im physiologischen Bereich) bei herzinsuffizienten Pa­tient(inn)en und gesunden Kontrollen führte zu einer eindrücklichen und signifikanten Verbesserung des Herzminutenvolumens – ein indirekter Hinweis für die «ketogene» Hypothese der Kardioprotektion durch SGLT2-Hemmer. Es gibt noch keine Studie, die den ­Effekt einer ketogenen Diät auf Symptome der Herz­insuffizienz und die myokardiale Funktion untersucht hätte. Eine solche wäre aber dringend und gut begründbar.
Circulation 2019, doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.118.036459, («ahead of print»).
Verfasst am 06.04. 2019.

Für Ärztinnen und Ärzte am Spital

Eiseninfusion bei Herzinsuffizienz: Herz- oder Skelettmuskulatur?

Vor etwa zehn Jahren wurde gezeigt, dass bei Herzinsuffizienz und Eisenmangelanämie eine Eiseninfusion die Symptome und Belastbarkeit verbessern kann [1, 2]. Weil diese Veränderungen nicht mit den (geringen) Hämoglobinanstiegen korrelierten, postulierte man einen spezifischen, Hämoglobin-unabhängigen Effekt der Eisenzufuhr. Der Mechanismus bleibt aber noch wenig untersucht. In einer kleinen, doppelblinden, prospektiven Untersuchung von Patient(inn)en mit Herzinsuffizienz (NYHA >II) und Eisenmangel (50% ­davon mit Anämie) wird gefunden, dass 14 Tage nach ­einer einzigen Eisenmaltoseinfusion (mit dokumentierter Korrektur der Eisenspeicher) der Energieverbrauch in der Skelettmuskulatur respektive die muskuloskelettale mitochondriale Funktion (gemessen mit 31P-Magnetresonanzspektroskopie [31P-MRS]) verbessert waren, dies ohne signifikante Hämoglobinveränderungen [3]. Die Symptombesserung bei Herzinsuffizienz durch Eisenzufuhr dürfte also mindestens zum Teil extrakardiale, eben muskuloskelettale, Gründe haben. Kurz und bündig verscheucht auch diese Studie die Sorge vor einer zu freizügigen Eisensubstitution nicht. Angesichts der Rolle von Eisen bei Progressionsfaktoren der Herzinsuffizienz (freie Radikale, Redox-Ungleichgewichte, Entzündungsprozesse) ist Vorsicht weiterhin am Platz.
2 New Engl J Med 2009, doi: 10.1056/NEJMoa0908355.
Verfasst am 09.04.2019.

Medizinische Kontroverse

Soll der p-Wert in der klinischen Testung nur noch orientierenden Wert haben?

Eben wurde ein Vorschlag prominent publiziert, von der simplen dichotomen Entscheidung «signifikant» oder «nicht-signifikant» (basierend auf einem p-Wert) abzurücken [1]. Der Vorschlag wird auch als «Krieg ­gegen die Signifikanz» bezeichnet und ist vielfach mit unterzeichnet (n = 854!). Die p-Werte sollen nicht ganz aufgegeben werden, aber die Analyse der Studienresultate soll eher eine Diskussion eines «kompatiblen Effekts» beinhalten, um von der Alles-oder-nichts-Problematik weg­zukommen. Eine prominente Gegenstimme [2] weist ­darauf hin, dass mit Aufweichung des Entscheides «Si­gnifikanz» der subjektiven und interessengebundenen Interpretation Tür und Tor geöffnet wird. Der Autor wäre mit einer Verschärfung des p-Wertes (kurz und bündig bereits diskutiert [3]) einverstanden respektive unterstützt das Ansinnen, weist aber darauf hin, dass eine gute Statistik unverzichtbar bleibt. Qualitätskriterien dafür sind:
– Die Studie muss prädefinierte Analysekriterien (inkl. Endpunkte) vor deren Beginn enthalten.
– Basierend darauf, soll die statistische Methode vorgängig definiert und registriert werden.
– Die Regeln, wie die Daten «gelesen» werden, sollten ebenfalls vorgängig angegeben und transparent sein.
Angeblich wird dieser Rhythmus nur in einer kleinen Zahl von Studien (Umfrage bei mehr als 300 klinischen Statistikern) auch eingehalten [4].
3 Swiss Med Forum 2018, doi.org/10.4414/smf.2018.08018.
4. Annals of Internal Medicine 2018, doi:10.7326/M18-2516.
Verfasst am 05.04.2019.

Immer noch lesenswert

Dysfunktion des Sphincter Oddi: Wer profitiert von einer Sphinkterektomie?

Der Musculus sphincter Oddi ist eine muskuläre, ringähnliche Struktur im Bereich der Mündung des Ductus pancreaticus respektive choldedochus. Eine bilio-ob­struktive Symptomatik (biliäre Schmerzen oder idio­pathische Pankreatitis) wird bei fehlendem Stein- und ­Tumornachweis unter anderem einer Dysfunktion («Verkrampfung») dieser Muskelstruktur zugeschrieben. Sind biliäre Enzyme erhöht und ist der Gallengang sonographisch erweitert, liegt ein Typ I, bei Vor­liegen nur eines dieser beiden Zeichen ein Typ II, bei Fehlen objektiver Zeichen und «nur» Klinik (cave!) ein Typ III vor. Spasmolytische medikamentöse Therapien (Kal­zium­kanalblocker, Nitrate) sind von unsicherer Wirkung, eine Gallensäuretherapie mit Ursode­oxycholsäure (2× 300 mg) scheint von Nutzen zu sein. Prospektiv randomisiert wurde ein Nutzen einer endoskopischen Sphinkterektomie bei manometrisch dokumentierter Tonuserhöhung des Sphincter Oddi (nach heutiger Einteilung wohl Typ I und II) vor mittlerweile 30 Jahren dokumentiert. Bei fehlendem Nachweis einer lokalen Drucksteigerung war die Schein­intervention nicht schlechter als die Sphinkterektomie.
N Engl J Med 1989, DOI:10.1056/NEJM198901123200203.
Verfasst am 08.04.2019.

Das hat uns gefreut

Reduktion des Zervixkarzinoms: noch besser als erhofft

Zwei parallel publizierte Studien bringen sehr positive Nachrichten zum Effekt des zytologischen Screenings und der Vakzinierung gegen Humane Papillomaviren (HPV): Schwedische Frauen, welche die empfohlenen Screening-Intervalle einhalten, können ihr Risiko eines Adenokarzinoms der Zervix auf einen Fünftel, jenes seltenerer invasiver Karzinome auf einen Drittel reduzieren [1]. Schottische Mädchen, die ihm Alter von 12–13 Jahren mit einer bivalenten HPV-Vakzine (HPV 16 und 18) geimpft wurden, hatten im ­Alter von 20 Jahren eine 90%ige Reduktion hochgradiger, präinvasiver Zervixdysplasien, wobei die Schutzwirkung mit früherem Impfalter noch zunahm [2].
1 BMJ 2019, doi:10.1136/bmj.l1207.
2 BMJ 2019, doi:10.1136/bmj.l1161.
Verfasst am 09.04.2019.

Auch noch aufgefallen

Nichtsteroidale Antirheumatika zur Fraktur­heilung?

Die Geweberegeneration, also auch die Frakturheilung, nimmt mit zunehmendem Alter ab. Zentral dabei ist eine Abnahme sowohl der Zahl als auch Aktivität der skelettalen Stammzellen. Dies ist zumindest zum Teil Folge einer erhöhten Entzündungsaktivität. Man wendet dazu auch ein Wortspiel an: «age-associated inflammation» wird zu «inflamm-aging» kondensiert. In eleganten Experimenten konnte nun gezeigt werden, dass die Aktivität/Zahl der skelettalen Stammzellen nicht vom chronologischen Alter, sondern von dieser Entzündungsaktivität abhängt. Die Ausschaltung des Gens eines zentralen Entzündungsregulators, des sogenannten NF-kappaB-Faktors, oder dessen Hemmung durch nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) führte zu einer «Rejuvenilisierung» dieser Vorstufenzellen und zu einer erhöhten Knochengewebebildung in einem ektopen Frakturmodell (Transplantation unter eine Nierenkapsel). Da Frakturen bei älteren Menschen – unter anderem – ein lange Morbidität mit grosser Bedrohung für das Wiedererlangen der Selbständigkeit nach sich ziehen, ist eine weitere Evaluation der Wirkung von NSAR oder potenteren/nebenwirkungsärmeren Analoga zur Verhinderung der Skelettalterung und Förderung der Frakturheilung lohnend.
Verfasst am 09.04.2019.

Medizinische Depeschenagentur

Unerklärte Zahlen

In Europa werden jährlich etwa 100 Patient(inn)en auf 100 000 Einwohner unfreiwillig in eine psychiatrische Klinik eingewiesen, mit enormen Unterschieden. Öster­reich ist mit über 280 Einweisungen Spitzenreiter, Italien trägt mit 15 die rote Laterne. Die Schweiz liegt mit etwa 60 im unteren Drittel. Europaweit fand sich keine Korrelation zu Unterschieden in der Legislation und deren Anwendung oder wichtigen sozioökonomischen Faktoren. Die Einweisungen nahmen bei grösseren Populationen mit Migrationshintergrund jedoch zu (in der Schweiz 25% aller Einweisungen).
Lancet Psychiatry, 2019, doi.org/10.1016/S2215-0366(19)30095-1.
Verfasst am 05.04.2018.

Wussten Sie?

Folgende Aussagen zur Infektion mit Helicobacter pylori sind richtig (mehrere Antworten kommen infrage):
A) In der Diagnostik sind der Stuhlantigentest, der Atemtest (C14-Harnstoff) und der histologische Nachweis ebenbürtig.
B) Eine Testung wird bei Langzeittherapie mit Glukokortikoiden empfohlen.
C) Eine Kontrolle der Therapie ist wegen deren hohen Helicobacter-Eliminationsrate nicht nötig.
D) Helicobacter pylori ist ein Karzinogen für das Adenokarzinom des Magens und des Mukosa-assoziierten Lymphoms (MALT.)
E) Helicobacter kann intrafamiliär übertragen werden.

Antwort:


Richtig sind A, D und E. Alle diagnostischen Tests haben eine etwa 95%ige Sensitivität/Spezifität. Wird eine Endoskopie durchgeführt, ist es naheliegend, den histologischen Nachweis zu ­bevorzugen, sonst ist der Stuhlantigentest am billigsten und einfachsten. Eine Testung wird bei Glukokortikoiden nicht, wohl aber bei Langzeittherapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika empfohlen. Eine Überprüfung des Therapieresultates und eine Zweitbehandlung mit anderen Antibiotika bei Persistenz von Heli­cobacter ist nötig («test, treat, test»).
N Engl J Med 2019, DOI:10.1056/NEJMcp1710945.
Verfasst am 01.04.2018.