Normaldruck-Hydrozephalus
Intrakranieller Druck, Teil 2*

Normaldruck-Hydrozephalus

Übersichtsartikel AIM
Ausgabe
2019/2930
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2019.08304
Swiss Med Forum. 2019;19(2930):476-480

Affiliations
a Universitätsklinik für Neurochirurgie, Inselspital, Universitätsspital, Bern; b Universitätsklinik für Neurologie, Inselspital, Universitätsspital, Bern

Publiziert am 17.07.2019

Die typischen Symptome des idiopathischen Normaldruck-Hydrozephalus sind Gangstörung, kognitive Defizite und Harninkontinenz. Mit höherem Alter nimmt die Inzidenz der Erkrankung zu.

Einführung

Der Normaldruck-Hydrozephalus (NPH) ist ein aktuelles und zugleich altes Thema. Das Syndrom wurde erstmals 1957 von Salomón Hakim im Spital «San Juan de Dios» in Bogotá identifiziert [1]. Die erstmalige Beschreibung in der englischsprachigen Literatur erfolgte 1965 von Hakim und Adams (daher auch als ­Hakim-Adams-Syndrom beschrieben) [2, 3]. Es gibt ­allerdings auch Erkrankungen, in deren der NPH als Folge resultieren kann (z.B. nach stattgehabter Subarachnoidalblutung, posttraumatisch, nach Meningitis, usw.). Typischerweise erfolgt daher in der Praxis eine Unterscheidung in den idiopathischen NPH (iNPH) und den NPH als sekundäre Folge einer Vorerkrankung ist [3]. In dieser Übersichtsarbeit fokussieren wir uns, sofern nicht anders beschrieben, auf den iNPH.
Die typische klinische Symptom-Triade (Hakim-Trias), bestehend aus einer Gangstörung, Demenz und Urininkontinenz, ist nur bei ca. 48% der Patienten vorhanden. Nahezu bei allen Patienten bestehen eine Gangstörung und kognitive Defizite [4]. Pathognomonisch ist eine Erweiterung der inneren Liquorräume. Für die Diagnosestellung eines wahrscheinlichen iNPH sind zwei Leitsymptome der Hakim-Trias, ein allmählicher Beginn mit einer Symptomdauer von mehr als 3 Monaten, die oben beschriebene Erweiterung der Hirnventrikel in der Computertomographie (CT) oder Magnet-Resonanz-Bildgebung (MRI) und der Ausschluss wichtiger Differentialdiagnosen gefordert [4, 5].

Epidemiologie

Die Inzidenz des iNPH ist altersabhängig. In der Gesamtpopulation zeigte eine norwegische Studie eine Inzidenz von 0,01% (5,5/100 000) [6]. Eine populationsbasierte schwedische Untersuchung ergab Häufigkeiten von 0,2% (200/100 000) bei den 70- bis 79-Jährigen und 5,9% (5900/100 000) bei den über 80-Jährigen [7]. Die Untersuchung legte den Schluss nahe, dass die Inzidenz bei älteren Patienten weitaus höher als die Rate der Behandlungen für einen iNPH ist.

Pathophysiologie

Die Ursachen des iNPH sind nicht restlos geklärt. Neuere Studien weisen darauf hin, dass es sich um eine Erkrankung des Hirnparenchyms und vermutlich nicht primär um eine Störung der Liquorresorption handelt [8]. Es konnte gezeigt werden, dass bei Patienten mit iNPH der zerebrale Blutfluss aufgrund einer verminderten venösen Compliance gestört und der Perfusionsdruck in der paraventrikulären Wasserscheidenregion vermindert ist. Letzteres führt zu einer progredienten Schädigung der betroffenen Hirnareale [8]. Im Umkehrschluss stellen somit vaskuläre Erkrankungen, wie z.B. die arterielle Hypertonie, einen Risikofaktor für das Auftreten eines iNPH dar [9]. Die Liquorresorptionsstörung ist letztendlich nur das Resultat aller dieser Faktoren. Der Ausschluss anderer Differentialdiagnosen (z.B. vaskuläre Demenz) ist daher schwierig, die Grenzen sind fliessend und eine klare Trennung der Ursachen ist oft nicht möglich.

Klinik

Die klassische klinische Triade bestehend aus Gangstörung, Demenz und Urininkontinenz ist typisch, aber nicht pathognomonisch für die Erkrankung [3]. Ähn­liche Symptome können vor allem bei der vaskulären Demenz oder der Parkinson-Erkrankung auftreten. ­Koinzidente Erkrankungen können somit die Diagnose erheblich erschweren. In jedem Fall ist eine neurolo­gische Abklärung der Differentialdiagnosen im Vorfeld einer Behandlung indiziert.

Gangstörung und motorische Symptome

Gewöhnlich tritt die Gangstörung als eines der ersten Symptome auf. Typischerweise nehmen Schrittweite und Schritthöhe ab und die Gangspur wird schulterbreit. Der Gang wird somit breitbasig und kleinschrittig. Die Patienten scheinen wie auf dem Boden festgeklebt. Auch kommt es (ähnlich wie beim Morbus Parkinson) zu einer Anlaufstörung bis hin zum «Freezing». Typisch sind auch erhebliche Probleme bei der Drehung um die eigene Körperachse und eine posturale Instabilität mit Fallneigung meist nach hinten. Im Vordergrund steht bei allen motorischen Symptomen der Befall der unteren Extremitäten. Bei fortgeschrittener Erkrankung können in der klinischen Untersuchung eine Spastik, gesteigerte Reflexe sowie positive Pyramidenbahnzeichen nachweisbar sein. Zusätzlich können auch Zeichen der frontalen Desintegration (positiver Greif- und Saugreflex) nachweisbar sein. Die Gangstörung geht häufig als erstes Symptom der dementiellen Entwicklung voraus und ist bei ca. 88% aller Patienten mit iNPH nachweisbar.

Demenzielle Entwicklung

Typisch sind Symptome einer subkortikalen Demenz. Im Vordergrund steht eine Einschränkung der kognitiven Leistungsfähigkeit im Sinne einer Bradyphrenie (verlangsamte Denkabläufe). Oft finden sich auch Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen [4]. Im Verlauf können zusätzlich exekutive und visuospatiale Störungen auftreten. Die Ausprägung der kognitiven Defizite ist variabel [4]. Kognitive Störungen werden bei ca. 83% der Patienten mit iNPH beobachtet, wenngleich diese meist erst in einem späteren Stadium der Erkrankung auftreten. Für die Testung wird in erster Linie der MOCA-Test («Montreal Cognitive Assessment Test») empfohlen. Der Mini-Mental-Status-Test ist für die Erkrankung des NPH vor und nach Liquorablassversuch nur bedingt geeignet [4].

Urininkontinenz

Bei etwa jedem zweiten Patienten tritt im Verlauf eine Harninkontinenz aufgrund einer neurogenen Blasenentleerungsstörung auf [4]. Ursächlich zeigt die urodynamische Untersuchung eine Überaktivität des M. detrusor vesicae.

Diagnostik

Bildgebung

Im kraniellen CT oder MRI zeigt sich das Bild eines kommunizierenden Hydrozephalus mit überproportionaler Vergrösserung aller vier Hirnventrikel bei fehlender oder geringer kortikaler Atrophie. Falls sich bildgebend vor allem eine Erweiterung des supratentoriellen Ventrikelsystems (1. bis 3. Ventrikel) zeigt, bei normal konfiguriertem 4. Ventrikel, deutet dies auf einen obstruktiven Hydrozephalus bei Aquäduktstenose hin. In dieser Situation sollte eine MR-Untersuchung mit flusssensitiven Sequenzen zur Darstellung des Liquorflusses, speziell im Bereich des Aquädukts, erfolgen.
An weiteren bildgebenden Kriterien werden quantitative und qualitative unterscheiden [4]. Zu den quantitativen Kriterien gehören:
Evans-Index als einfachstes bildmorphologisches Kriterium (Abb. 1 und 2): Er berechnet das Verhältnis zwischen dem maximalen Innendurchmesser der Vorderhörner und dem maximalen inneren Durchmesser des Schädels auf dem gleichen axialen Schnittbild. Ein Wert >0,3 entspricht definitionsgemäss einer Erweiterung der inneren Liquorräume unabhängig der zugrundeliegenden Pathologie. Der Evans-Index ist demnach nicht spezifisch, sondern nur suggestiv für einen iNPH.
Abbildung 1: Typisches MRI eines Patienten mit iNPH. Der Evans-Index beträgt in diesem Fall 0,45 (62,4 mm / 138,3 mm). Die T2w-MR-Bildgebung zeigt Hyperintensitäten um die ­Frontalhörner als Zeichen der Liquordiapedese (*) und die sogenannten «Liquortaschen» (#).
Abbildung 2: Zeichnung eines vergrösserten Ventrikelsystems. Wenn der Wert des Evans-Index >0,3 ist, handelt es sich um ein abnorm vergrössertes Ventrikelsystem. 
(© Universitätsklinik für Neurochirurgie, Inselspital, Bern.)
Corpus-callosum-Winkel: Dieser Winkel wird in koronar reformatierten Schichten senkrecht zur Verbindungslinie zwischen der anterioren und posterioren Kommissur auf Höhe der hinteren Kommissur gemessen. Er ist wegen der notwendigen 3D-Reformatierung für den Alltagsgebrauch unpraktisch und wird selten für die Diagnosestellung herangezogen. Normalwerte liegen zwischen 50° und 80°, der Grenzwert liegt bei 90° [10].
Zu den wichtigsten qualitativen Kriterien gehören:
– Periventrikuläre Hypodensitäten in der CT-Bildgebung (sog. «Liquor Caps») bzw. Hyperintensitäten in der MR-T2w-Bildgebung (bevorzugt um die Ventrikelvorderhörner) als Zeichen der Liquordiapedese.
– Disproportionale Erweiterung der äusseren Liquorräume im Bereich der Fissura sylvii (Disproportionately Enlarged Subarachnoid space Hydrocephalus [DESH]) oder fokal erweiterte Sulci über der lateralen Konvexität, sogenannte «Liquortaschen» [11].
Weitere Diagnostische Tests: Lumbalpunktionmit Liquorablassversuch, Infusionstest, Lumbaldrainage sowie kontinuierliche ICP-Messung.
Eine Lumbalpunktion mit Liquorablassversuch («spinal tap test») sollte auch bei typischer Klinik und Bildgebung durchgeführt werden, um andere Ursachen zu evaluieren und den Shunt-Effekt zu simulieren. Bei Verdacht auf Aquäduktstenose soll keine Lumbalpunktion erfolgen. Der Eröffnungsdruck liegt meist unter 20 cm H2O, kann jedoch in gewissen Fällen auch erhöht sein (Lundberg-B-Wellen), was die Diagnose eines iNPH nicht obligat ausschliesst. Im Liquor sollen die Routineparameter (Zellzahl, Protein, Glukose, Quotient Liquor/Serum-Glukose) sowie weitere Parameter (z.B. isoelektrische Fokussierung) je nach Fragestellung bestimmt werden.
Durch Ablassen von 30–50 ml Liquor wird der Effekt ­einer Shunt-Implantation simuliert. Ein positiver Test hat einen hohen prädiktiven Wert (73–100%), bei allerdings geringer Sensitivität (26–61%) [12]. Die Besserung beginnt Stunden nach der Punktion und kann 1–3 Tage anhalten. Typischerweise zeigt sich ein Ansprechen vor allem der Gangstörung, weshalb diese vor und nach ­Ablassversuch standardisiert getestet werden sollte. Dabei sollte eine Ganganalyse unmittelbar vor dem Liquor­ablassversuch sowie 24 und 48 Stunden danach durchgeführt werden. Der maximale Anstieg der Lauf­geschwindigkeit kann 24–48 Stunden nach dem Liquorablass beobachtet werden [13]. Wenngleich die ­Details der Ganganalyse in verschiedenen Zentren variieren und kein Konsens besteht, sollten bei der Testung die normale und maximale Geschwindigkeit mit Zeit und Schrittzahl bei einer definierten Gehstrecke quantifiziert werden. Zusätzlich können Parameter wie das Drehen um die eigene Achse mit Zeit und Schrittzahl protokolliert werden.
Beim Liquorinfusionstest wird im Rahmen einer Lumbalpunktion ein kontrolliertes Volumen intrathekal infundiert und gleichzeitig der intrakranielle Druck gemessen. Durch die Infusion steigt der intrakranielle Druck zuerst kontinuierlich an bis er einen Plateaudruck erreicht. Aus der Differenz zwischen dem Ausgangs- und dem Plateaudruck und der Infusionsgeschwindigkeit kann der Liquorabflusswiderstand («Rout» in mm Hg/ml/min) berechnet werden. Das Ergebnis spiegelt die Impedanz der Liquorabsorptionsmechanismen wider (Liquorvolumen, welches pro Zeiteinheit resorbiert werden kann). Der Liquorabflusswiderstand («Rout») ist bei Pa­tienten mit iNPH typischerweise erhöht. Ein erhöhter ­Liquorabflusswiderstand ist ein Prädikator für ein bes­seres Operationsergebnis [14]. Die Normwerte sind alters­abhängig und in der Literatur sind verschiedene Test-Protokolle beschrieben.
Als zusätzliche Untersuchung ist noch die Anlage einer lumbalen Liquordrainage zu erwähnen. In Einzelfällen kann eine Ableitung von Liquor über mehrere Tage notwendig sein bei entsprechendem Verdacht und nicht eindeutigen Ergebnissen des Liquorablassversuchs und des Liquorinfusionstests. Ebenfalls möglich ist eine kontinuierliche Messung des intrakraniellen Drucks über die Lumbaldrainage, deren Praxisrelevanz ist jedoch eher klein.

Zusammenfassung der diagnostischen Kriterien

Ein klarer Standard mit strikten diagnostischen Kriterien existiert für den iNPH nicht. Dies beruht vor allem auf der Tatsache, dass die Pathophysiologie des iNPH im Detail nicht restlos geklärt ist. Empfohlen ist daher gemäss aktuellem Stand der Literatur eine Einteilung in einen «möglichen», «wahrscheinlichen» und «unwahrscheinlichen» iNPH. Diese Kriterien sind in Tabelle 1 enthalten [5].
Tabelle 1: Diagnosekriterien für den idiopathischen Normaldruck-Hydrozephalus (adaptiert in modifizierter Form nach [4]).
Wahrscheinlicher NPH
Anamnese muss folgendes beinhalten:Schleichender Beginn der Symptome
Alter >40 Jahre
Symptomdauer ≥3–6 Monate
Ausschluss anderer vorangegangener Komorbiditäten wie Schädeltrauma, Meningitis, intrazerebrale Blutungen
Progredienter Verlauf
Ausschluss anderer neurologischer oder psychiatrischer Erkrankungen, welche bestehende Symptome erklären
Bildgebung CT oder MR nach ­Beginn der Symptome:Ventrikelvergrösserung, nicht vollständig auf Atrophie oder kongenitalen Hydrozephalus zurückzuführen (Evans-Index >0,3)
Keine Störung der Liquorabflusswege
Mindestens zusätzlich eines der folgenden Zeichen:Vergrösserung der Temporalhörner
Corpus-callosum-Winkel ≤90° (gemessen nach Ishii, et al. [9])
Periventrikuläre Signalveränderungen (aufgrund vermehrten Flüssigkeitsgehalts in den Ventrikeln)
«Flow void» im IV. Ventrikel oder Aquädukt
Andere Zeichen der Bildgebung wie prämorbide Bildgebungen mit normalen Ventrikeln, Radionuklid-Untersuchungen der SPECT und cine-MRI können die Diagnose unterstützen, sind aber nicht obligat notwendig.
Physiologisch (bei Lumbalpunktion)Der Liquoreröffnungsdruck sollte in liegender Position nicht grösser als 5–18 mm Hg (7–24,5 cm H2O) sein
Klinik-Obligat ist das Vorliegen ­einer Gangstörung; und mindestens eine ­kognitive Störung und/oder Urin­inkontinenzGangstörung mit ≥2 der ­folgenden Symptome:Reduzierte Schritthöhe
Reduzierte Schrittlänge
Reduzierte Geschwindigkeit
Breitbasiges Gangbild
Verbreitertes Standbild
Füsse zeigen nach Auswärts beim Gehen
Nach-hinten-Fallen beim Versuch, das Rückwärtsgehen plötzlich abzubrechen (Retropulsion)
Wende-Schrittzahl ≥3
Gangunsicherheit (≥2 Korrekturschritte bei 8 Schritten im Tandem-Gang)
Kognitives Defizit mit dokumentierter Einschränkung im Screening-Test (z.B. MOCA-Test) und/oder ≥2 der folgenden Symptome:Psychomotorische Verlangsamung (z.B. verlangsamte Antworten)
Verlangsamte Feinmotorik
Gestörte Aufmerksamkeit (v.a. Teilen der Aufmerksamkeit oder sich auf etwas Fokussieren)
Exekutive Dysfunktionen (z.B. gestörtes Arbeitsgedächtnis oder gestörte Abläufe)
Persönlichkeits-/Verhaltensänderungen
Blasenfunktionsstörung mit Urininkontinenz oder ≥2 der folgenden Symptome:Urge-Inkontinenz
Pollakisurie (>6-mal in 12 Stunden)
Nykturie (>2 mal pro Nacht)
Möglicher NPH
Anamnese muss folgendes beinhalten:Subakuter oder unklarer Beginn der Symptome
Jegliches Alter nach der Kindheit
Dauer >3 Monate
Kann mildem Schädel-Hirn-Trauma, intrazerebralen Blutungen oder Meningitis folgen (steht aber nicht damit in Zusammenhang)
Koexistente psychiatrische, medizinische oder neurologische Begleiterkrankungen, die nach Einschätzung des Arztes nicht ­unmittelbar mit der Erkrankung zu tun haben
Kein sicheres Fortschreiten der Symptome
Bildgebung CT oder MRVergrösserung der Ventrikel aber assoziiert mit:
Strukturellen Läsionen, welche die Ventrikelgrösse beeinflussen können
Zeichen der zerebralen Atrophie
Strukturellen Läsionen welche die Ventrikelgrösse beeinflussen ­können
Physiologisch ­(Lumbalpunktion)Liquoreröffnungsdruck unbekannt oder ausserhalb des genannten Bereichs
Klinik (eines der Symptome)Urininkontinenz und/oder kognitive Einschränkung in Abwesenheit einer beobachtbaren Gangstörung
Gangstörung oder Demenz ohne Begleitsymptome
Unwahrscheinlicher NPH
Keine Zeichen einer Erweiterung der Ventrikel
Zeichen des erhöhten intrakraniellen Drucks (z.B. Papillenödem)
Keine Komponente der klinischen Triade des iNPH (Hakim-Trias)
Symptome durch andere Begleiterkrankung erklärt
NPH = Normaldruck-Hydrozephalus, iNPH = idiopathischer Normaldruck-Hydrozephalus.

Therapie

Die Therapie der Wahl ist die Anlage eines Liquor-Shunts. Dabei handelt es sich um eine interne Ableitung von Hirnnervenwasser. Bei Patienten mit typischen iNPH-Symptomen und einer Gangstörung kann diese Therapie angeboten werden (Evidenz: Level C) [14]. Eine effektive Pharmakotherapie ist derzeit nicht bekannt [4].

Operative Therapie

Die Shunt-Therapie hat eine 96%ige Wahrscheinlichkeit für eine «subjektive» Besserung der typischen iNPH-Symptome. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Gangbild nach 6 Monaten «objektiv» bessert, beträgt 83% [15]. Unter allen gemessenen Parametern bzw. Symptomen hat sich in Studien nur das Gangbild signifikant verbessert. Das operative Risiko für ernsthafte Komplikationen betrug dabei 11% [14]. Ähnlich sind auch die Resultate von Langzeituntersuchungen 10 Jahre nach der Shunt-Implantation. Auch in diesen zeigt sich v.a. eine Verbesserung des Gangbildes (93%) und ca. halb so oft eine Verbesserung der kognitiven Einschränkungen und der Urininkontinenz [16]. Der Eingriff selbst gilt als Routine-Eingriff. Die Erfolgsrate hängt wesentlich von der sorgfältigen Selektion der Patienten ab.
Die dabei am häufigste angewandte Therapie des iNPH ist die Anlage eines ventrikulo-peritonealen Shunts (VP-Shunt). Hierbei handelt es sich um eine permanente Ableitung des Liquors von den Vorderhörnern der Seitenventrikel in den Bauchraum (Abb. 3).
Abbildung 3: Schematisches Bild eines ventrikulo-peritonealen Shunts mit verstellbarem Ventil (VP-Shunt). Das System besteht üblicher Weise aus einem Ventrikelkatheter mit Punktionsreservoir (1), dem in der Druckstufe verstellbarem Ventil (2), der Gravi­ta­tions­­­einheit (3), auch «Anti-Siphon device» genannt, und dem Peritonealkatheter (4).
(© Universitätsklinik für Neurochirurgie, Inselspital, Bern.)
Üblicherweise wird ein verstellbares Ventil hinter dem Ohr implantiert. Dieses erlaubt eine bedarfsweise Anpassung der Druckstufe für die Drainage von Liquor. Damit können Komplikationen einer Über- (z.B. subdurale Hygrome/Hämatome) oder Unterdrainage (fehlende Wirksamkeit) gesenkt werden. Zusätzlich kann im Shunt-Verlauf eine Gravitationseinheit implantiert werden. Dies ist ein zusätzliches Ventil, welches dem «Siphon-Effekt» (vermehrter Liquorfluss in stehender Position durch die Höhendifferenz zwischen den Hirnventrikeln und dem Bauchraum) und damit einer Überdrainage in stehender Position entgegen wirkt [17].
Bei der Implantation von Ventil und Gravitationseinheit ist auf Grund der lokalen anatomischen Verhältnisse darauf zu achten, dass das System nicht zu nahe an der Ohrmuschel zu liegen kommt. Dies ist insbesondere bei Brillenträgern relevant. Der üblicherweise abdominell eingebrachte distale Katheteranteil des Systems sollte intraperitoneal nicht zu kurz sein (min. 30 cm), um einer Dislokation entgegen zu wirken.

Ausblick

Bis heute gibt es keine randomisierten kontrollierten Studien, welche eine operative Shunt-Implantation mit einer konservativen Therapie vergleichen. Zwar konnte in den wesentlichen Arbeiten mit Klasse-III-Evidenz gezeigt werden, dass eine operative Behandlung mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zu einer ­Besserung der Symptome führt. In älteren Arbeiten wurden allerdings auch teils enttäuschende Ansprechraten im Kurz- und Langzeitverlauf beschreiben [14–16]. Eine wirkungsvolle Alternative zur operativen Therapie ist derzeit nicht bekannt. Eine spannende Entwicklung gibt es im Bereich des Monitorings der Hirndrücke und Liquorflussraten bei VP-Shunt-Systemen durch Integration entsprechender Sensoren (Telemetrie-Systeme) zu beobachten. Diese Systeme haben das Potential, die etablierte Diagnostik und Therapie sinnvoll zu ergänzen und werden möglicherweise zu einer individuelleren Einstellung von VP-Shunt-Systemen führen.

Das Wichtigste für die Praxis

• Die Hauptsymptome des idiopathischen Normaldruck Hydrozephalus sind: Demenz; Gangstörung; Urininkontinenz (Hakim-Trias).
• In der CT oder der MR-Bildgebung sind die Ventrikel supra- und infratentoriell erweitert. Der Evans-Index (max. Innendurchmesser der Frontalhörner / max. Innendurchmesser des Schädels) ist >0,3.
• Der Eröffnungsdruck in der Lumbalpunktion ist normal. Es besteht ein positives Ansprechen auf einen Liquorablassversuch von 30–50 ml.
• Die Therapie besteht in der Implantation eines ventrikulo-peritonealen Shunts mit verstellbarem Ventil und Gravitationseinheit.
• Von der Shunt-Implantation kann vor allem eine Verbesserung des Gangbildes erwartet werden (>90%). Das Ansprechen der übrigen Symptome ist geringer.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Dr. med. Jens Fichtner
Universitätsklinik für
Neurochirurgie
Inselspital Bern
Freiburgstrasse 10
CH-3010 Bern
jens.fichtner[at]insel.ch
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