Seltene Ursache eines kardio­genen Schocks bei «high-output failure»
One step forward, one step back

Seltene Ursache eines kardio­genen Schocks bei «high-output failure»

Der besondere Fall
Ausgabe
2019/4950
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2019.08320
Swiss Med Forum. 2019;19(4950):811-814

Affiliations
UniversitätsSpital Zürich: a Institut für Intensivmedizin; b Klinik für Kardiologie; c Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie

Publiziert am 04.12.2019

Ein bis dato rüstiger 79-jähriger Patient wurde mit rezidivierenden Synkopen ohne ­Prodromi, hypotonen Blutdruckwerten und Bradykardie zugewiesen.

Hintergrund

Ein bis dato rüstiger 79-jähriger Patient wurde durch den Hausarzt mit rezidivierenden Synkopen ohne ­Prodromi, hypotonen Blutdruckwerten und Bradykardie einem externen Spital zugewiesen. Als Vorerkrankungen waren ein arterieller Hypertonus, ein unter Antiko­agulan­zi­en («new oral anticoagulants» [NOAK]) und Betablockern gut eingestelltes persistierendes Vorhofflimmern sowie eine chronische Niereninsuffizienz KDIGO-Stadium-G2 (Baseline GFR 62 ml/min) bekannt.

Fallbericht

Anamnese

Anamnestisch bestanden bei Eintritt nebst oben genannten Symptomen eine Dyspnoe-NYHA-III mit ­einer eingeschränkten Gehstrecke von maximal 100 m, akute Orthopnoe sowie epigastrische Schmerzen. Es bestand zudem eine Inappetenz und der Patient berichtete über ein tiefes Urinvolumen. Während der letzten sechs Monate war es zu einem Gewichtsverlust von 12 kg gekommen. Der Patient nahm seine Medikamente (Nebivolol, Candesartan und Hydrochlorothiazid sowie Rivaroxaban) regelmässig ein. Er litt weder an Fieber noch an Schüttelfrost. Die übrige System­anamnese war unauffällig.

Status

Bei Eintritt präsentierte sich der Patient in reduziertem Allgemein- und normalem Ernährungszustand. Er war wach und zu allen Qualitäten orientiert. Es bestanden klinische Zeichen der Minderperfusion mit peripherer Zyanose, Livedo reticularis sowie nicht tastbaren peripheren Pulsen. Die Auskultation ergab arrhythmische Herztöne mit einem 3/6-Systolikum über Erb. Der hepatojuguläre Reflux war positiv. Periphere Ödeme bestanden nicht. Der Patient hatte eine Tachydyspnoe, setzte die Atemhilfsmuskulatur ein mit normalem Atemgeräusch über allen Lungenabschnitten. Das Abdomen präsentierte sich weich, ohne Druckdolenzen oder ­Zeichen der Hepatosplenomegalie. Auskultatorisch bestanden abgeschwächte Darmgeräusche in ­allen Quadranten ohne Strömungsgeräusche.

Befunde bei Eintritt extern

Labor: NT-Pro-BNP >40 000 ng/l, normwertiges Troponin I. Alaninaminotransferase von 124 U/l, Kreatinin von 234 µmol/l mit einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) nach CKD-EPI-Formel von 22 ml/min, Leukozytose von 11,81 G/l und C-re­ak­tivem Pro­te­in (CRP) von 32,2 mg/l.
Im Elektrokardiogramm (EKG) zeigte sich ein kompletter Rechtsschenkelblock ohne Hinweise auf eine Ischämie. Die transthorakale Echokardiographie ergab ­einen grenzwertig hypertrophierten linken Ventrikel mit hyper­dynamer Auswurffraktion ohne regionale Wandbewegungsstörungen. Es zeigte sich eine mittelschwere Mitralinsuffizienz mit dilatiertem linkem Vorhof. Es bestand eine schwere funktionelle Trikuspidalinsuffizienz mit dilatiertem rechtem Ventrikel aber normaler rechtsventrikulärer systolischer Funktion. Die pulmonalen Druckwerte waren leicht erhöht (systolischer Druckgradient von 43 mm Hg zwischen rechtem Ventrikel und rechtem Vorhof). Als Ausdruck eines erhöhten rechtsventrikulären Füllungsdrucks war die Vena cava inferior dilatiert und ohne Atemvariabilität. Es bestand der Verdacht auf ein Aneurysma der Aorta ­abdominalis.

Verlauf externes Spital

Es war die Diagnose einer schweren akuten Rechtsherzinsuffizienz mit konsekutivem akutem Nie­ren­versagen gestellt worden. Bei einem schwer restriktiven linksventrikulären Füllungsmuster war differentialdia­gnostisch am ehesten von einer postkapillären pulmonalen Hypertonie aufgrund eines «heart failure with preserved ejection fraction» als Ursache der Rechtsherzdekompensation ausgegangen worden. Lungenembolien wurden bei zuverlässig eingenommener thera­peutischer Blutverdünnung als unwahrscheinlich eingeschätzt, so dass auf eine Computertomographie (CT) verzichtet worden war. Es gab keine Hinweise auf ein koronarischämisches Ereignis.
Zur Rekompensierung und hämodynamischen Stabilisierung war auf der Intensivstation unter Kreislauf­support mittels Dobutamin und Noradrenalin eine Negativ­bilanzierung angestrebt worden. Zur Verbesserung des Schlagvolumens erfolgten eine Frequenzkon­trolle des tachykarden Vorhofflimmerns mit Amio­daron und die einmalige Elektrokardioversion mit Konversion in ­einen normokarden Sinusrhythmus. Aufgrund progredienter Kreislaufinsuffizienz und dialysepflichtigem Nierenversagen war am Folgetag die notfallmässige Verlegung ins universitäre Zentrum zur weiteren Abklärung und Therapie veranlasst worden.

Weiterer Verlauf im Universitätsspital

Der Patient wurde im kardiogenen Schock übernommen. In einer erneuten transthorakalen Echokardiographie bestätigten sich die bereits beschriebenen Befunde. Bei führendem Rechtsherzversagen wurde ein Pulmonalarterienkatheter eingelegt, der eine präkapilläre pulmonale Hypertonie mit einem mittleren pulmonal-arteriellem Druck von 32 mm Hg bei einem erhöhten Cardiac-Index von 4,2 l/min/m2 und einem pulmonal-kapillären Verschlussdruck von 12 mm Hg zeigte. Ebenfalls auffällig war die Konstellation einer hohen gemischtvenösen Sättigung von 86% und einer tiefen zentralvenösen Sättigung von 46% gemessen in der Vena cava superior, so dass der hochgradige Verdacht auf einen hämodynamisch relevanten Links-Rechts-Shunt bestand. Ein intrakardialer Shunt wurde echokardiographisch mittels Bubble-Kontrast ausgeschlossen. Zur weiteren Abklärung ­eines infrakardialen Shunts wurde eine CT-Angiographie durchgeführt, in der sich eine aortocavale Fistel bei rupturiertem Aneurysma spurium der Arteria iliaca communis dextra in die Vena iliaca communis dextra zeigte (Abb. 1).
Abbildung 1: Iliaco-iliacale Fistel der Arteria iliaca communis dextra in die Vena iliaca communis dextra.
Bei sich progredient verschlechternder Hämodynamik bis hin zur Notwendigkeit einer mechanischen Reanimation erfolgte der notfallmässige Fistelverschluss ­interventionell-radiologisch unter Herz-Lungen-Wiederbelebungs-Massnahmen mit dem LUCAS-Thoraxkompressionssystem. Zunächst wurde transfemoral ein ­okkludierender intraaortaler Ballonkatheter platziert. Durch den Unterbruch der Shuntzirkulation konnte die Hämodynamik umgehend stabilisiert und eine suffiziente Kreislaufsituation erreicht werden (Abb. 2). Nachfolgend erfolgte der definitive Fistelverschluss mittels Implantation eines endovaskulären Stentgrafts (Abb. 3).
Abbildung 2: Okkludierender Ballonkatheter.
Abbildung 3: Stentgraft in der Arteria iliaca communis dextra.
Im Rahmen der protrahierten schweren Kreislaufinsuffizienz hatte der Patient ein Multiorgandysfunktionssyndrom mit akutem respiratorischem Versagen und notwendiger maschineller Beatmung, schwerer Leberinsuffizienz sowie einem akuten dialysepflichtigen ­Nierenversagen entwickelt. Nach dem Fistelverschluss erholte sich die Leberfunktion rasch, ebenso setzte schon am Folgetag eine Spontandiurese wieder ein, so dass die kontinuierliche Nierenersatztherapie drei Tage später sistiert werden konnte. Nach einer protrahierten Aufwachphase konnte der Patient ohne neurologische Defizite extubiert werden. Die weitere Genesung war kompliziert durch einen erneuten septischen Schock eine Woche nach Fistelverschluss. Computertomo­graphisch zeigten sich eine Pneumonie ­sowie der Verdacht auf eine Ischämie bei ausgedehnter Pneumatose des Magens und Teilen des Duodenums mit Indikation zur Magenteilresektion. Auf mutmasslichen Patien­tenwunsch wurde ein supportives Vorgehen mit Protonenpumpenhemmung und antibiotischer Ab­deckung gewählt. Nach neuerlicher Stabilisierung erfolgte die Rückverlegung ins zuweisende Spital. Hier äusserte der Patient immer wieder seinen fehlenden Lebenswillen sowie den Wunsch nach einer palliativen Therapie bei erneuten Komplikationen. Einen Monat nach dem initialen Ereignis wurde er ins Pflegeheim entlassen, wo er nach drei Tagen verstarb.

Diskussion

Aortocavale Fisteln sind sehr selten und entstehen in 80% der Fälle auf dem Boden eines atherosklerotischen Aortenaneurysmas [1]. Bei rupturierten Aneurysmata liegt die Häufigkeit bei 2–7% [2]. Seltene Ursachen sind eine posttraumatische Genese nach penetrierenden Verletzungen oder iatrogene Ursachen nach lumbalen Wirbelsäuleneingriffen oder femoralen Punk­tionen. Sehr selten sind kongenitale, auch thorakale in die Vena cava superior mündende Fisteln [3]. Die häufigste Lokalisation aortocavaler Fisteln ist zwischen Aorta abdominalis und Vena cava inferior. Fisteln zwischen den iliacalen oder renalen Gefässen kommen vor und wirken sich hämodynamisch ähnlich aus.
Pathogenetisch spielt vor allem die Grösse des bestehenden Aneurysmas eine Rolle. Die mit dem Umfang zunehmende Wandspannung führt zur Nekrose der arter­iellen Gefässwand und letztlich zu einer durch­brechenden Entzündungsreaktion mit Ruptur in die ­angrenzende Vene. Es kommt zur Abnahme des systemischen Gefässwiderstands mit konsekutiver Steigerung des Herzminutenvolumens. Hieraus entsteht eine hyperdyname Kreislaufsituation mit Erhöhung des systemisch-venösen Drucks. Je nach Akuität des Geschehens kommt es zu einer akuten oder subakuten kardialen Belastung, die typischerweise im Rahmen eines «high-output failure» sowohl zur Links- wie auch Rechtsherzinsuffizienz führen kann [1, 4].
Je nach Entstehungsgeschwindigkeit sowie Grösse des Shuntvolumens, präsentieren sich aortocavale Fisteln klinisch sehr unterschiedlich. Als klassische klinische Befunde gelten eine pulsierende abdominelle Masse, ein kontinuierliches systo-diastolisches abdominelles Strömungsgeräusch sowie ein kardiales «high-output»-Versagen mit Dyspnoe, erhöhtem Jugularvenendruck, einer weiten Blutdruckamplitude und schwachen peripheren Pulsen. Weitere mögliche Manifestationen sind Ausdruck der venösen Drucksteigerung der unteren Körperhälfte. Hierzu zählen eine akute Niereninsuffizienz, Skrotal- oder Beinödeme bis hin zur Phlegmasia coerulea dolens, pulsierende variköse Venen, Hämaturie oder rektale Blutungen. Oft bestehen Abdominal- oder Rückenschmerzen. [4] Bei grossen Shunts kann, wie bei unserem Patienten, ein Strömungsgeräusch vollständig fehlen. Die Diagnose wird häufig verzögert gestellt mit, wie in unserem Fall, möglichen fatalen Auswirkungen. Der wegweisende Hinweis ergab sich nach Einlage des Pulmonalarterienkatheters mit Hinweis auf einen Links-Rechts-Shunt. Differen­tialdiagnostisch kommt beim «high-output-failure» auch ein septisches oder anaphylaktisches Zustandsbild in Frage.
Mittel der Wahl zur Diagnosesicherung ist eine CT-Angiographie. In Akutsituationen ist ein Fistelnachweis auch dopplersonographisch möglich. Die direkte Darstellung der Vena cava inferior zeigt dann dem kardialen Rhythmus entsprechend hohe pulsatile Flussgeschwindigkeiten. Der Goldstandard der Diagnostik bleibt jedoch die Angiographie. Die Bedeutung einer frühzeitigen Diagnosestellung wird in der sehr hohen Mortalität deutlich, die mit der Entwicklung eines Schockzustands (Mortalität bis zu 50%) oder der erst intraoperativen Zufallsdiagnose im Rahmen einer offe­nen Aneurysmaversorgung einhergeht [4].
Durch die Ausschaltung der arteriovenösen Kommunikation kommt es zu einer raschen Normalisierung der Hämodynamik sowie der durch die venöse Stase bedingten Symptome. Bis zum Einsatz des «endovaskular aneurysm repair» (EVAR) war die offene chirurgische Aneurysma- respektive Fistelausschaltung Therapie der Wahl. Eine Vergleichsstudie beider Verfahren hat unter Berücksichtigung einer zeit­nahen Diag­nosestellung eine deutlich niedrigere 30-Tage-Mortalität von 3,8% nach interventioneller im Vergleich zu einer Mortalität von 12% nach offener chirurgischer Fistelausschaltung ergeben. Dieser Vorteil der endovaskulären Strategie verschwindet jedoch, wenn die Diagnose zu spät gestellt wird und präinterventionell bereits schwerwiegende Komplikationen vorliegen. Des Weiteren besteht nach endovaskulärem AV-Fistelverschluss das Risiko einer durch ein Endoleak persistierenden arteriovenösen Kommunikation, die eine zweite Intervention notwendig machen kann [2].

Das Wichtigste für die Praxis

• Eine aortocavale Fistel ist eine sehr seltene Entität mit hoher Mortalität bei verzögerter Diagnosestellung.
• Bei Symptomen eines hyperdynamen Kreislaufs, insbesondere mit Rechtsherzinsuffizienz und/oder bei klinischen Zeichen von venöser Stase der unteren Körperhälfte sollte eine aortocavale Fistel differentialdiagnostisch immer mit in Betracht gezogen werden.
• Eine Rechtsherzkatheteranlage kann wegweisend sein für eine aorto­cavale Fistel.
• Die frühzeitige Bestätigung eines Verdachtes mittels CT-Angiographie ist essentiell für den Erfolg therapeutischer Interventionen.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Katja Frick, dipl. Ärztin
UniversitätsSpital Zürich
Institut für Intensivmedizin
Rämistrasse 100
CH-8091 Zurich
katja.frick[at]usz.ch
1 Antoniou GA, Koutsias S, Karathanos C, Sfyroeras GS, Vretzakis G, Giannoukas AD. Endovascular Stent-Graft Repair of Major Abdominal Arteriovenous Fistula: A Systematic Review. J Endovasc Ther. 2009;16:514–23.
2 Clodfelter Orion K, Beaulieu RJ, Black III JH. Aortocaval Fistula: Is Endovascular Repair the Preferred Solution? Ann Vasc Surg. 2016;31:221–8.
3 Dabirian M, Ghaemian A, Nabati M, Golshani S, Shokri M. Congenital aortocaval fistula between right aortic sinus of Valsalva and superior vena cava: A rare case report. Echocardio­graphy. 2018;35:413–6.
4 Brightwell ER, Pegna V, Boyne N. Aortocaval fistula: current management strategies. ANZ J Surg. 2013;83:31–5.