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Fokus auf (1) … Kontrastmittel-assoziiertes Nierenversagen
– Definition: Kreatininanstieg um ≥1,5× innerhalb von 7 Tagen, Kreatininanstieg um ca. 30 µmol/l innerhalb von 48 Stunden oder Oligurie (<500 ml/24 Stunden) innerhalb von 8 Stunden und persistierend für mindestens 6 Stunden.
– Namenswechsel von kontrast-induziert zu kontrast-assoziiert, weil häufige alternative/zusätzliche Ursachen (Herzinsuffizienz, Medikamente etc.) vorliegen.
– Mechanismen: glomeruläre Vasokonstriktion und Toxizität für TubulusEpithelzellen
– Risikofaktoren: vorbestehende Niereninsuffizienz, repetitive (innerhalb von 72 Stunden) oder hochvolumige (>350 ml) Kontrastmittelgaben, Diabetes ist kein unabhängiger Risikofaktor, Volumenmangel, Hyperviskosität.
Nephropathie durch (überdosierte) orale Antikoagulanzien
Vor zehn Jahren berichteten Brodsky und Mitarbeiter über akute Nierenversagen bei oraler Antikoagulation (v.a. Warfarin wie in den USA damals üblich), eine Studie, die praktisch nicht zur Kenntnis genommen wurde [1]. Zehn Jahre später ist klar geworden, dass nicht nur eine Assoziation (viele der Gründe für eine Antikoagulation sind auch Gründe für eine Verschlechterung der Nierenfunktion), sondern eine Kausalität vorliegt, und dass die Entität nicht nur bei Warfarin, sondern oraler Antikoagulation per se vorkommen kann [2]. Das akute, durch Antikoagulation induzierte Nierenversagen ist zwar selten, aber charakteristisch: meist – aber keineswegs immer! – zu starke Antikoagulation, Einschränkung der glomerulären Filtration und dysmorphe Erythrozyten im Sediment, fehlende andere Zeichen einer Glomerulonephritis. Mechanistisch geht man von einer glomerulären Hämaturie mit konsekutiver Bildung die Tubuli obstruierender Erythrozytenzylinder aus.
Kolorektale Karzinome: insgesamt seltener, aber häufiger bei jüngeren Individuen
Eine populationsbasierte Studie (Krebsregister) in 21 verschiedenen Ländern bestätigte die Vermutung, dass die Gesamtzahl neuer Diagnosen kolorektaler Karzinome in Ländern mit relativ komfortablen ökonomischen Verhältnissen plafoniert oder gar etwas abgenommen hat. Allerdings werden vermehrt sowohl Kolon- als auch Rektumkarzinome bei jüngeren (<50-jährigen) Individuen gefunden. Für beide Karzinome beträgt die Zunahme der jährlichen Inzidenz in dieser Population je 2–3% (Analyseperiode zehn Jahre). Die häufigste Tumorlokalisation betraf das linksseitige, distale Kolon.
Die Ursachen für diesen Trend sind unklar, ebenso die Konsequenzen für die gegenwärtigen Primär-Screening-Empfehlungen.
Ein 15-jähriger, wegen einer Zystischen Fibrose lungentransplantierter Patient mit zusätzlich einem Insulin-abhängigen Diabetes mellitus und chronischer Pankreatitis litt an einer systemischen Infektion mit einem extensiv resistenten Mycobacterium abscessus. Durch sogenanntes genomisches Engineering wurde ein «Cocktail» von drei Bakteriophagen konstruiert, die diese Mykobakterien spezifisch infizierten und für diese toxisch (bakteriolytisch) waren. Der junge Patient besserte sich klinisch, wenn er auch wahrscheinlich von diesem Infekt noch nicht definitiv geheilt wurde.
Trotzdem: ein interessanter Pilot und Beweis der Machbarkeit. Phagen-Therapien wurden auch schon erfolgreich gegen multiresistente Pseudomonas- und Acinetobakter-Bakterien eingesetzt.
Der Terminus «Kristallopathie» ist etwas rheumatologisch vereinnahmt und wir verstehen darunter meist Gicht (Harnsäurekristalle) und Pseudogicht (Kalzium-Pyrophosphatkristalle). Allerdings sind auch Cholesterinkristalle in der Arterienwand nicht inert und ein bewiesener Promotionsfaktor für die Atheromatose (und Ursache von Atheroembolien). Nierensteine sind auch Kristallopathien, ganz zu schweigen – wenn auch etwas die Analogie strapazierend – die selbst-aggregierenden Proteinausfällungen bei neurodegenerativen Erkrankungen (Morbus Parkinson, Alzheimer, Huntington). Die seit 180 Jahren bekannten Charcot-Leyden-Kristalle (Abbildung 1) können in jedem Gewebe mit intensiver eosinophiler (allergischer) Entzündung, meist in den Luftwegen bei Asthma oder Rhinosinusitis, beobachtet werden. Sie werden hauptsächlich durch ein Protein der eosinophilen Granulozyten (Galektin-10) gebildet. Ihnen kommt als neue Erkenntnis eine prominente und eigenständige Rolle in der Stimulation oder Propagation einer eosinophilen/allergischen Entzündung zu. Beweisend steht der Befund, dass ein Antikörper – gerichtet gegen die Kontaktstellen der Galektin-10-Moleküle – zur Auflösung der Charcot-Leyden-Kristalle führt und die Entzündungsaktivität via Reduktion der IgE- und IgG-Produktion hemmt. In einem Mausmodell gingen neben der Entzündungsaktivität auch die bronchiale Hyperreagibilität und die Schleimproduktion zurück. Unabhängig davon können die Charcot-Leyden-Kristalle auch die angeborene Immunität (Inflammasom-Weg) aktivieren, der verwendete Antikörper war aber auch unabhängig davon wirksam.
Sepsisverläufe: schwierig zu untersuchen und schwierig zu verbessern
Die Sepsis-assoziierte Gerinnungsstörung (erhöhter INR und Thrombozytopenie) ist ein sehr wichtiger Mortalitätsprädiktor bei der Sepsis. Das von Endothelzellen synthetisierte Thrombomodulin bindet zirkulierendes Thrombin und ist Teil des Aktivierungskomplexes, der zur Konversion von Protein C ins antikoagulatorische aktivierte Protein C führt (Abbildung 2). Rekombinantes humanes Thrombomodulin bietet sich aufgrund seines endogenen Wirkungsmechanismus als protektive Intervention bei der Sepsis an, wofür auch einige positive Hinweise bestanden. Leider fand die multizentrische, doppelt verblindete sogenannte SCARLET-Studie (insgesamt 800 durchschnittlich 61-jährige Patient[inn]en mit erfüllter Koagulopathie-Definition und kardiovaskulärem oder respiratorischem Versagen) aber keinen Einfluss von Thrombomodulin auf die 28-Tage-Mortalität bei der Sepsis [1].
Woran liegt es, dass so viele der Sepsis-Studien inkonklusiv oder negativ bezüglich therapeutischen Interventionen ausfallen und die Sepsismortalität seit vielen Jahren auf hohem Niveau verharrt? Neben Zeitverzögerungen könnten eben auch Heterogenitäten («Sepsis ist nicht gleich Sepsis») eine Rolle spielen. Eine retrospektive Analyse [2] von klinischen Präsentationen, Verläufen und Biomarker-Profilen (mehr als 16 000 Patient[inn]en) unter Einsatz von computergestützten Analyseverfahren («machine learning») suggeriert vier verschiedene Phänotypen (siehe Tabelle 2 der Arbeit) der Sepsis, die mit den 28- und 365-Tage-Mortalitäten korrelieren. Vielleicht müssten prospektive Interventionen nur einen einzelnen Phänotypen einschliessen oder für jeden einzelnen verschieden analysiert werden.
Vor 50 Jahren wurden die Verläufe der ersten etwas mehr als hundert Herztransplantationen (durchgeführt innerhalb von 18 Monaten vorwiegend durch Barnard in Südafrika und Cooley in den USA) analysiert. Die Histokompatibilität (nach der Terasaki-Einteilung) wurde als der wichtigste prädiktive Faktor eines Überlebens identifiziert. Allerdings war das Überleben selbst mit der besten Konstellation mit durchschnittlich 111 Tagen tief. Im Artikel «What a new heart is worth» (!) wird geschlossen, dass die nur kleine Differenz zwischen dem Überleben von transplantierten Patient(inn)en und demjenigen potentieller Empfänger(inn)en eine Herztransplantation nicht als valable Therapieoption erscheinen lasse (noch nicht – wie wir jetzt wissen).
Sogenannte Smartphones haben das grösste Überwachungspotenzial des einzelnen Bürgers (weshalb das Kurz und bündige eben gerade entsorgt wurde), allerdings natürlich – daher ihre Popularität – auch Annehmlichkeiten und nutzenbringende, medizinische Applikationen.
Eine hohe Compliance bei der Tuberkulosebehandlung ist zentral für die Heilungsrate, Verminderung der weiteren Ausbreitung und zur Limitierung von Resistenzentwicklungen. Täglich durch Gesundheitspersonal überwachte Therapien («daily observed treatment» [DOT]) waren das bislang beste Mittel zur Erreichung dieses Ziels, vor allem bei Patient(inn)en mit hoher Wahrscheinlichkeit einer schlechten Compliance. Nun zeigt eine britische Studie mit zufälliger Randomisierung, dass ein Kontakt und die Dokumentation der Einnahme mittels Smartphone (Video-Kontakte [VOT]) im Vergleich zur DOT bei 226 Hochrisikopatient(inn)en (Drogenabhängigkeit wie Alkohol u.a., Inhaftierung etc.) die Einnahmehäufigkeit innerhalb der ersten zwei Monate (>80% vs. <35%) wie auch die Wahrscheinlichkeit, negative Sputumkulturen zu erreichen, hochsignifikant verbesserte. Nicht überraschend waren die Nebenwirkungen wie Nausea, Erbrechen in der VOT höher, die aufgewendete Arbeitszeit pro Patientenkontakt soll sich von 50 (DOT) auf weniger als 4 Minuten (VOT) reduziert haben.
Eine Nebenwirkung der Politik frei zugänglicher Originalartikel (sog. «open access») ist die enorme Proliferation von sogenannten «räuberischen» Journalen («predatory journals»). Solche Journale generieren Gewinne, in dem sie den Autor(inn)en gegen die Zusage einer Publikation (praktisch ohne Qualitätsnormen, geschweige denn einen geordneten Review-Prozess) Rechnung stellen. Jeffrey Beall, Bibliothekar in Denver, hat bereits 2005 diese Journale auf eine schwarze Liste zu setzen begonnen («Beall’s List»). Die Liste hat auch und gerade in der Medizin eine eindrückliche Länge erreicht. Ob sie allerdings ihr Ziel erreicht, nämlich die Verbreitung von medizinischem Unsinn, Fehlern und Gefälschtem zu reduzieren, ist leider nicht bekannt respektive eher zweifelhaft. Gerade wurden die Listen für die Fachgebiete der Anästhesie und Psychiatrie beziehungsweise die Herkunft der in solchen Medien publizierenden Autor(inn)en veröffentlicht [1, 2].
Infektbedingte Kniegelenksrevisionen: Häufigkeit und Riskofaktoren
Laut einer Kohorte in England und Wales wurden zwischen 2003 und 2013 fast 680 000 Kniegelenksprothesen implantiert. Etwas weniger als 0,5% davon mussten wegen eines anderweitig nicht kontrollierten Infektes im Median nach 4,6 Jahren operativ revidiert/ersetzt werden. Das Risiko war für Männer fast doppelt so hoch wie für Frauen. Andere, meist bekannte, aber weniger starke Risikofaktoren waren Alter, Body-Mass-Index und eine Reihe von Ko-Morbiditäten.