Pulmonale Mukormykose
Eine diagnostische und therapeutische Herausforderung bei hämatologischen Patienten

Pulmonale Mukormykose

Der besondere Fall
Ausgabe
2019/5152
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2019.08360
Swiss Med Forum. 2019;19(5152):859-862

Affiliations
a Klinik für Innere Medizin, Spital Uster; b Institut für Pathologie und Molekularpathologie, UniversitätsSpital Zürich

Publiziert am 18.12.2019

Ein 67-jähriger Patient mit bekannten myelodysplastischem Syndrom stellte sich aufgrund von Fieber bis 38,5 °C, Schüttelfrost und Leistungsminderung seit zwei Tagen in der hämatologischen Sprechstunde vor.

Hintergrund

Die Mukormykose stellt eine seltene, aber lebensbedrohliche Komplikation bei immunsupprimierten und schwer hyperglykämen Patienten dar. Für eine erfolgreiche Behandlung ist eine frühzeitige Therapie beim geringsten klinischen Verdacht unabdingbar. Mit diesem Fallbericht wollen wir dieses opportunistische Krankheitsbild bekannter machen und die Probleme von Diagnose und Management dieser nicht selten letalen Krankheit näher beleuchten.

Fallbericht

Anamnese

Der 67-jährige Patient stellte sich 2017 aufgrund von Fieber bis 38,5 °C, Schüttelfrost und Leistungsminderung seit zwei Tagen in der hämatologischen Sprechstunde vor. Aufgrund des seit sechs Jahren bekannten myelodysplastischen Syndroms mit Blastenexzess (MDS-EB-1 nach WHO 2016, IPSS-R high risk) war der Patient seit drei Jahren chronisch transfusionsbedürftig für Erythrozytenkonzen­trate mit Entwicklung einer sekundären Hämochromatose und seit einem Jahr zusätzlich auf wiederholte Thrombozytentransfusionen angewiesen. Eine Therapie mit Azacitidin musste 2015 nach drei Monaten aufgrund rezidivierender Infekte und ausgeprägter Thrombozytopenie wieder gestoppt werden. Ausserdem wurde der Patient über die letzten Monate wiederholt mit Breitbandantibiotika behandelt wegen einer chronischen Osteomyelitis des rechten Fusses bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit und rezidivierenden Episoden febriler Neutropenie. Als weitere Nebendiagnosen waren ein kontrollierter Diabetes mellitus sowie eine zere­brale Vaskulitis bekannt, weshalb der Patient eine Dauersteroidtherapie benötigte.
Erstmalig 2016 wurde in einer thorakalen Computertomographie (CT) eine 5 × 5 cm messende Kaverne mit grossem Myzelball beschrieben. Die mehrmals durchgeführten Bronchoskopien mit transbronchialer Biopsie und der Galactomannan-Test blieben jedoch stets negativ. Bei dennoch hochgradigem Verdacht auf eine chronisch pulmonale Aspergillose wurde bei inoperablem Patienten eine Therapie mit Voriconazol begonnen, worunter radiologisch eine leichte Regredienz dokumentiert werden konnte. Aufgrund einer instabilen manisch-depressiven Begleit­erkrankung musste die Therapie aber nach drei Monaten wieder gestoppt werden.

Status

Klinisch präsentierte sich ein somnolenter, hämodynamisch kompensierter Patient in deutlich reduziertem Allgemeinzustand. Die periphere Sauerstoffsättigung wurde mit 70% gemessen und bei vorbekannter trockener Gangrän des ersten Strahls am Fuss links und abgeheilter Wunde am Fuss rechts liess sich kein anderweitiger Infektfokus identifizieren.

Befunde

Laborchemisch zeigten sich eine Panzytopenie (Hämoglobin 7,1 g/dl, Thrombozyten 8000/μl, Neutrophile 700/μl), deutlich erhöhte Entzündungswerte sowie eine schwere Oxygenationsstörung. Wiederholte Blutkulturen und Sputumuntersuchungen blieben ohne Wachstum.
In der thorakalen CT zeigte sich die vorbekannte kavernöse Raumforderung des linken Oberlappens grössenprogredient. Zusätzlich konnten im Verlauf neue noduläre, grossflächige Konsolidationen des rechten Oberlappens mit zentraler Nekrose und beidseits Pleuraergüsse mit zahlreichen subpleuralen Noduli nachgewiesen werden (Abb. 1).
Abbildung 1: Thorakale Computertomographie des Patienten (Axialschnitte) mit invasiver pulmonaler Aspergillose und Mukormykose 16 Tage nach Spitaleintritt. A) Aspergillose-verdächtige Kaverne ohne Flüssigkeitsspiegel im linken apiko-posterioren Oberlappen und narbiger Verziehung des Lungenparenchyms (Pfeil). B) Zentral hypodense rundlich konfigurierte Konsolidation im rechten ­apikalen Oberlappen mit ringförmiger perifokaler Milchglastrübung, sogenanntes inverses Halo-Zeichen (weisser Pfeil); ­nebenbefundlich kleinvolumige Kalzifikation (oranger Pfeil).

Therapie

Wegen des hochgradigen Verdachts auf eine Progredienz der invasiven pulmonalen Aspergillose erfolgte umgehend eine erneute Behandlung mit Voriconazol begleitend zur empirischen Antibiotikatherapie mit Cefepim aufgrund der Sepsis in Neutropenie. Nach kurzzeitiger klinischer und laborchemischer Besserung kam es sechs Tage nach Eintritt aber zu einer erneuten Verschlechterung mit radiologisch nachweisbarer Progredienz der Infiltrate. Die antiinfektive Therapie wurde deshalb empirisch auf Meropenem und liposomales Amphotericin B zur Abdeckung eines breiteren mykotischen Erregerspektrums umgestellt. Supportiv erhielt der Patient regelmässig Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentrate.

Verlauf

Ungefähr drei Wochen nach Eintritt musste die Therapie trotz zwischenzeitlicher Verbesserung aufgrund der nicht mehr beherrschbaren systemischen Entzündung und der multiplen Komorbiditäten eingestellt werden, worauf der Patient zwei Wochen später verstarb.
Die Teilautopsie der Lunge ergab den Befund einer disseminiert angioinvasiven pulmonalen Mukormykose und Aspergillose mit teilweise akuter sowie organisierender Bronchopneumonie (Abb. 2 und 3).
Abbildung 2: Makroskopische Aufnahme der rechten Lunge im Sagittalschnitt (A: Übersicht, B: Detailaufnahme). Raumforderung im rechten apikalen Oberlappen mit hämorrhagischem Randsaum und Angioinvasion im Randbereich. Das übrige Lungenparenchym zeigt fleckige bronchopeumonische Areale.
Abbildung 3:A) Angiozentrischer eitrig-nekrotischer Herd mit zahlreichen Pilzhyphen vom Aspergillus-Typ (HE-Färbung). B) Akute und organisierende Pneumonie mit neutrophilen Granulozyten, perifokalem eiweissreichen Exsudat und fibromyxoiden Bindegewebsproliferaten (HE-Färbung).
Mittels panfungaler PCR («polymerase chain reaction») aus dem fixierten Autopsiematerial liess sich Rhizomucor identifizieren, eine genauere Speziesunterscheidung in Rhizomucor pusillus oder Rhizomucor miehei war aufgrund der DNA-Qualität allerdings nicht mehr möglich.

Diskussion

Invasive Mykosen sind entscheidend mitverantwortlich für Morbidität und Mortalität immunkompro­mittierter Patienten mit hämatologischen Grunderkrankungen. Während die invasive Candidose und Aspergillose noch immer für die Mehrheit der Pilzinfekte verantwortlich sind, wurden über die letzten Jahre vermehrt Mukormykose-Fälle gemeldet, was möglicherweise am vermehrten Einsatz der Voriconazol-Prophylaxe liegt [1, 2]. Die beiden am häufigsten isolierten Spezies der Gruppe der ubiquitär vorkommenden Mucorales sind Rhizopus spp. und Mucor spp.,wobei neben Patienten mit hämatologischen Neoplasien mit begleitender Neutropenie insbesondere Pa­tienten mit sekundärer Hämochromatose, schlecht eingestelltem Diabetes, hochdosierter Steroidtherapie und nach Organ- oder Stammzelltransplantion gefährdet sind [3].
Die Krankheit manifestiert sich bei hämatologischen Patienten nach Inhalation von Konidien am häufigsten als pulmonale Mukormykose. Die Pa­tienten präsentieren sich initial oft mit subtilen und unspezifischen Symptomen, bis es zur extensiven Gefässinvasion mit Thrombosierung, Nekrosebildung und hämatogener Dissemination kommt (Abb. 4).
Abbildung 4: Angioinvasion einer pulmonalen Arterie (A; EvG-Färbung) mit zahlreichen Pilzhyphen vom Mukormykose-Typ im Lumen, fokal in der Gefässwand und im angrenzenden Lungenparenchym (B; Grocott-Färbung).
Die rhino-orbito-zerebrale Mukormykose, die sich typischerweise mit Schwellung, Rötung und Schmerzen im Gesichts- und Orbitabereich bemerkbar macht, ist häufiger im Rahmen einer diabetischen Ketoazidose zu beobachten und ist gefürchtet aufgrund der raschen Infiltration von Orbita, Meningen und Frontalhirn.
Die Diagnose einer pulmonalen Mukormykose lässt sich nur durch histopathologischen und kulturellen Nachweis aus einer Gewebebiopsie sichern. Der 1,3-beta-D-Glucan-Assay sowie der Galactomannan-Test sind in der Regel negativ, da diese Komponenten nicht in der Zellwand der Mucorales vorkommen, und im Sputum oder der bronchoalveolären Lavage können nur bei ungefähr 25% der Erkrankten die charakteristischen Hyphen nachgewiesen werden [4] (Abb. 5).
Abbildung 5: Morphologische Unterschiede der beiden Pilzarten: Septierte Hyphen mit spitzwinkligen 45°-Verzweigungen vom Aspergillus-Typ (A; HE-Färbung); breite, plumpe Hyphen mit vereinzelten Septen und irregulären rechtwinkligen Verzweigungen vom Mukormykose-Typ (B; Grocott-Färbung).
Aufgrund der klinischen und radiologischen Präsentation ist eine Aspergillose oft nicht von einer Mukormykose zu unterscheiden, insbesondere da die Aspergillen-Serumtests nur eine Sensitivität von ungefähr 60–80% besitzen und die Pilze wie in diesem Fallbericht auch nebeneinander vorkommen können [5]. Als radiologische Hinweise auf eine Mukormykose gelten ein umgekehrtes Halo-Zeichen und das Fehlen von Kavernen mit Sichel-Zeichen, was häufiger im Rahmen ­einer invasiven pulmonalen Aspergillose vorkommt [6, 7]. Zur Hilfe im klinischen Alltag konnten ausserdem folgende Charakteristika identifiziert werden, die mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit einer pulmonalen Mukormykose assoziiert sind: vorgängige Prophylaxe mit Voriconazol, Beteiligung der paranasalen Sinus, ­Diabetes mellitus, mehr als zehn radiologisch erkennbare pulmonale Noduli und Pleuraergüsse [8].
Für eine erfolgreiche Therapie ist eine frühzeitige Diagnose entscheidend, da sich bei einer Therapieverzögerung von mehr als fünf Tagen die Überlebensrate nahezu halbiert (83 vs. 49% [9]). Neben der Korrektur der disponierenden Erkrankung, was insbesondere bei der diabetischen Ketoazidose gut möglich ist, sollten unverzüglich eine hochdosierte antifungizide Therapie und ein chirurgisches Débridement der infizierten Strukturen erfolgen, da die Penetration der Medikamente durch die Angioinvasion und Nekrose limitiert ist. Eine chirurgische Sanierung ist allerdings bei multi­lobärer pulmonaler Beteiligung und bei Patienten mit hämatologischen Neoplasien und begleitender Thrombopenie in aller Regel nicht möglich. Als Medikament der ersten Wahl gilt liposomales Amphotericin B, bei fehlendem Ansprechen oder Unverträglichkeit der Erstlinientherapie ist eine Umstellung auf orales Posaconazol oder Isavuconazol möglich [3, 10, 11]. Bei neutropenen Patienten können G-CSF («granulocyte-colony stimulating factor») und GM-CSF (granulocyte macrophage colony-stimulating factor») zur Steigerung der fungiziden Aktivität der Leukozyten verabreicht werden.
Dieser Fallbericht unterstreicht die Schwierigkeit, bei hämatologischen Patienten mit begleitender Thrombozytopenie die Diagnose einer pulmonalen Mukormykose zu sichern.
Insbesondere die Abgrenzung zur invasiven Aspergillose oder die Diagnose einer Co-Infektion bereitet Schwierigkeiten, was den Beginn einer geeigneten fungiziden Therapie oft verzögert. Die Implementation von klinischen und radiologischen Hilfsmitteln kann bei entsprechender Disposition und fehlendem Erregernachweis in der bronchoalveolären Lavage helfen, die Diagnose einer möglichen pulmonalen Mukormykose zu stellen, sodass eine Behandlung dieser lebensbedrohlichen Krankheit schnellstmöglich begonnen werden kann.

Das Wichtigste für die Praxis

• Bei vorliegender Disposition (immunkompromittierte Patienten mit Neutropenie, schlecht eingestellter Diabetes, hochdosierte Steroidtherapie oder nach Organtransplantation) sollte an eine pulmonale Mukormykose gedacht und diese frühzeitig empirisch therapiert werden.
• Eher für eine pulmonale Mukormykose anstelle einer Aspergillose sprechen eine vorgängige Prophylaxe oder ein fehlendes Therapieansprechen unter Voriconazol, Beteiligung der paranasalen Sinus, ein Diabetes mellitus und >10 pulmonale Noduli und Pleuraergüsse.
• Die Behandlung besteht aus einer Kombination von aggressivem chirurgischen Débridement, frühzeitigem Beginn mit liposomalem Amphotericin B und Kontrolle der disponierenden Grunderkrankung.
• Trotz steter Fortschritte in der Diagnostik bleibt die Autopsie ein unverzichtbares Instrument im medizinischen Alltag. Als Alternative zur kompletten Autopsie sollte bei entsprechender Fragestellung mit den Angehörigen wenigstens die Teilautopsie bestimmter Organe besprochen werden.
Die Autoren danken Herrn Dr. med. Urs Bachmann von der Abteilung für Radiologie für seinen Beitrag zur Fallbeurteilung und Auswertung des radiologischen Bildmaterials.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Kevin D. Hofer, dipl. Arzt
Assistenzarzt
Klinik für Innere Medizin
Spital Uster
Brunnenstrasse 42
CH-8610 Uster
kevin.hofer[at]spitaluster.ch
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