Die nicht-degenerative Ischialgie
Einige abzuklärende alternative Ätiologien

Die nicht-degenerative Ischialgie

Übersichtsartikel
Ausgabe
2019/3940
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2019.08384
Swiss Med Forum. 2019;19(3940):642-645

Affiliations
Clinique de Rhumatologie, Hôpital fribourgeois (HFR), Fribourg

Publiziert am 25.09.2019

Die nicht-degenerative Ischialgie stellt eine seltene Diagnose dar, die bei allen Ischialgien ohne in der Bildgebung eindeutige degenerative Ursache abzuklären ist.

Einleitung

Von allen Patienten, die an Rückenschmerzen leiden, klagt ein beachtlicher Teil über in die unteren Gliedmassen ausstrahlende Schmerzen. Sind diese neuropathisch, wird im allgemeinen Sprachgebrauch gern der Terminus «Ischias» gebraucht [1, 2].
Es gibt keine einheitlich akzeptierte Ischias- oder Ischialgiedefinition, man kann die Erkrankung jedoch wie folgt beschreiben: Schmerzen im Versorgungsbereich des N. ischiadicus mit Anzeichen für eine Nervenreizung (positives Lasègue- oder umgekehrtes Lasègue-Zeichen) und/oder Funktionseinschränkung bei der ­klinischen Untersuchung. Die für die Symptome verantwortliche Läsion oder Reizung kann sich im gesamten Versorgungsbereich des N. ischiadicus befinden. Der Terminus «Ischialgie» sollte auf die Fälle beschränkt bleiben, in denen eine tatsächliche Läsion oder Reizung des Nervs vorliegt. Überdies sind die Termini «Radikulopathie» oder «radikuläres Syndrom» adäquater. Bei Schmerzen, die lediglich in den Regionen auftreten, durch die der N. ischiadicus verläuft, wäre der Terminus «ischiasähnliche Beschwerden» zutreffender.
Wenn von einer Ischialgie die Rede ist, sollten zunächst ein Bandscheibenvorfall oder eine andere degenerative Ursache vermutet werden, da diese am häufigsten und somit zuerst abzuklären sind. Ist die Ätiologie dennoch unklar, sollte nach einer distaler gelegenen Läsion des N. ischiadicus gefahndet werden. Anhand der Anamnese und der klinischen Untersuchung kann eine alternative Diagnose erwogen werden, wobei die Elektroneuromyographie (ENMG) und die Magnetresonanztomographie (MRT) die sinnvollsten paraklinischen Untersuchungen sind. Das Ziel dieses Beitrags besteht darin, die selteneren Ätiologien zu beschreiben, wobei das Augenmerk auf den am häufigsten beschriebenen und in der klinischen Praxis gelegentlich vorkommenden Pathologien liegen soll. Um ischiasähnliche Beschwerden oder degenerative Radikulopathien soll es hier hingegen nicht gehen.
Die Häufigkeit nicht-degenerativer Ischialgien zu erfassen, ist schwierig, da zahlreiche und verschieden­artige Ursachen mit geringer Inzidenz vorliegen können. Dies erklärt das Fehlen genauer epidemiologischer ­Daten zur Inzidenz und Prävalenz nicht-degenerativer Ischialgien. Nichtsdestotrotz wurden einige Studienreihen veröffentlicht: Bei einem «table ronde» der französischen Gesellschaft für Neurochirurgie von 1978 wurde die Häufigkeit dieser Fälle auf etwa 5% geschätzt [3]. In einer Studie an 209 Patienten wurde sie mit 5,7% beziffert [4]. Bei einem retrospektiven Review von 61 Patienten im Jahr 2008 wurde die Häufigkeit auf 15% geschätzt [5]. Die nicht diskusbedingten Ischialgien haben mehrheitlich spinale, nicht durch einen Bandscheibenvorfall verursachte Ätiologien, die meist degenerativ sind, bzw. nicht-degenerative Ursachen aller Strukturen oder Läsionen, die sich auf die Spinalnerven, den Plexus lumbosacralis oder den N. ischiadicus auswirken. Daher bilden diese Erkrankungen eine noch seltenere Subgruppe der nicht diskusbedingten Ischialgien, nach denen bei fehlender Erklärung der Symptomatik und fehlender radioklinischer Korre­lation aufgrund der Bildgebung nichtsdestotrotz zu fahnden ist.

Eine persönliche Erfahrung

Vor kurzem wurde in unserem Zentrum ein Patient mit einer sehr seltenen Ätiologie aufgenommen. Der 64-Jährige litt an einem radikulären Syndrom (also einer Ischialgie) mit klassischem L5-Erscheinungsbild und vom hinteren Gesässbereich bis in den Spann ausstrahlenden Schmerzen, assoziiert mit einer verringerten Sensibilität der seitlichen Beinregion sowie ­einer akut aufgetretenen, rasch progredienten Lähmung der Flexoren und Extensoren des Fusses und der Zehen, welche auf eine in der Notaufnahme verschriebene Kortikotherapie zunächst ansprach, nach dem Absetzen jedoch rezidivierte. Der Achillessehnenreflex war nicht nachweisbar. Das Lasègue- und Bragard-Zeichen waren rechtsseitig positiv. Zwei MRTs der Lendenwirbelsäule und eine anschliessende explorative Foraminotomie konnten die Ursache nicht klären. Die ENMG wies auf eine axonale Neuropathie von L5 und in geringerem Masse von S1 hin. Der Neurologe vermutete anhand der Aufzeichnung entweder eine Kompression oder eine Vaskulitis der Vasa nervorum. Nach der Wiederaufnahme der Anamnese wurde überdies ein neu aufgetretenes Asthma festgestellt und die Zusatzuntersuchung ergab u.a. eine Hypereosinophilie, was auf eine eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (Churg-Strauss-Syndrom) hindeutete. Diese Diagnose wurde dann auch mittels Zusatzuntersuchung bestätigt, mit neurologischen Beschwerden in Form einer Radikulopathie von L5 und S1.
Aufgrund dieses selbst erlebten Falles entschieden wir uns für einen Literaturreview, um eventuell einige für Kliniker nützliche Informationen aufzuspüren.

Kurze anatomische Auffrischung

Der N. ischiadicus entspringt aus dem Plexus sacralis. Er bildet also aus dem ventralen Ast des 5. Lumbalnervs, einem Anteil des 4. Lumbalnervs und den ven­tralen Ästen der drei ersten Sakralnerven den Truncus lumbosacralis. Dieser verläuft entlang der mittleren Begrenzung des Psoas major tritt durch den Beckenring und vereint sich anschliessend mit dem ersten Sakral­nerv zum N. ischiadicus. Der N. ischiadicus ist der längste und dickste menschliche Nerv. Er zieht durch den Musculus piriformis, das Foramen ischiadicum, zwischen Trochanter major und ­Tuber ischiadicum hindurch und tritt schliesslich auf der Hinterseite des Oberschenkels aus, wo er sich in den N. tibialis und den N. fibularis communis teilt. Er ist verantwortlich für die Beugung des Beins, die Beugung und Streckung des Fusses sowie die Sensibilität der hinteren und seitlichen Beinregion und des gesamten Fusses.

Die Liste der Ätiologien – ebenso lang wie der N. ischiadicus

Es gibt zahlreiche theoretische Möglichkeiten der Kompression oder Reizung entlang des anatomischen Verlaufs des N. ischiadicus, bestimmte Lokalisationen sind aufgrund der Anatomie jedoch deutlich häufiger und mit anderen klinischen Erscheinungsbildern assoziiert (Tab. 1).
Tabelle 1: Klinische Anzeichen und Ätiologien entsprechend dem betroffenen Nervenabschnitt (Liste nicht erschöpfend) [5, 6, 15].
KompressionsabschnittAufzuspürende klinische AnzeichenAm häufigsten zu vermutende Ätiologien
SpinalnervLumbalgien mit monoradikulärem Syndrom.
Klassische Ischialgiesymptome mit Nervenreizungsanzeichen 
(positives Lasègue- oder umgekehrtes Lasègue-Zeichen), fehlende Reflexe, sensibles und/oder motorisches monoradikuläres Defizit.
Arthrotische Läsionen (Osteophyten), Spondylolisthesis, Foramenstenosen, Facettengelenkzysten.
Plexus lumbosacralisDiffuseres polyradikuläres Syndrom ohne Lumbalgien mit 
Nervenreizungsanzeichen und polyradikulären neurologischen 
Beschwerden.
Trauma, Antikoagulation, systemische Symptome, gynäkologische Beschwerden in der Vorgeschichte.
Traumata (Beckenfrakturen, Psoashämatome), 
Abszess, Schwangerschaft, Endometriose, Becken­venensyndrom, Unterleibskrebs, Strahlentherapie, 
neurogene intrinsische Tumoren.
Region des Musculus piriformis 
(N. ischiadicus)Gesässschmerzen, Verschlimmerung der Ischialgie im Sitzen, Schmerzen bei der Palpation der Incisura ischiadica major, 
Schmerzen bei Anspannung des Musculus piriformis.Piriformis-Syndrom.
Geldbörsensyndrom
(Kompression ausserhalb des Körpers).
Hüftregion 
(N. ischiadicus)Polyradikuläres Syndrom ohne Lumbalgien mit Nervenreizungs­anzeichen und polyradikulären neurologischen Beschwerden.Status nach Implantation einer totalen Hüftendo­prothese oder Prothesenaustausch.
Kniekehle 
(N. fibularis communis)Fallfuss, Steppergang, sensibles Defizit im betroffenen Fussbereich, Hoffmann-Tinel-Zeichen am Fibulaköpfchen, eventuell periphere ischiasähnliche Beschwerden (ohne Nervenreizung).Baker-Zyste.
Fibulaköpfchen 
(N. fibularis communis)Fallfuss, Steppergang, sensibles Defizit im Bereich des Fussrückens, Hoffmann-Tinel-Zeichen am Fibulaköpfchen, eventuell periphere ischiasähnliche Beschwerden (ohne Nervenreizung).Kompression ausserhalb des Körpers.
Tarsaltunnel 
(N. tibialis posterior)Schmerzen und Dysästhesien der Fusssohle, eventuell periphere ischiasähnliche Beschwerden (ohne Nervenreizung), selten: motorisches Defizit (Flexoren aller Zehen, Abduktor der Grosszehe).Traumata (Frakturen des Talus, Calcaneus oder Malleolus internus), rheumatoide Arthritis.
Wenn die Läsion den Spinalnerv betrifft, welcher aus dem Foramen intervertebrale austritt, ist sie in bild­gebenden Untersuchungen der Wirbelsäule sichtbar. In manchen Fällen, wie bei einer degenerativen ­Ischialgie, kann die klinische Untersuchung durch die Feststellung eines sensiblen oder motorischen Defizits ­helfen, die betroffene Nervenwurzel besser einzugrenzen.
Davon abgesehen, kann eine Schädigung des Plexus lumbosacralis oder des N. ischiadicus (bestehend aus Nervenwurzeln, die von L4 bis S3 lokalisiert sind), bzw. eines Nervenastes, zu diffuseren klinischen Symptomen führen. Tatsächlich kann sowohl ein sensibles als auch ein motorisches polyradikuläres Erscheinungsbild eindeutig mit der Komplexität und dem polyradikulären Ursprung des Ischiasnervs erklärt werden.
Die Ätiologie einer Läsion des N. ischiadicus oder ­Plexus lumbosacralis kann extrem unterschiedlich sein [6]. Hier wären z.B. gutartige in- oder extrinsische (wie Schwannome oder Lipome) sowie bösartige­Tumoren zu nennen, wobei eine Neoplasie (im angrenzenden Gebiet oder Metastasen) die bei weitem häufigste Ursache darstellt. Ferner kann die Problematik traumatisch bedingt sein, wie z.B. bei Beckenfrakturen, Hämatomen oder Läsionen der Nervenbahnen des Plexus lumbosacralis. Iatrogene Ursachen durch eine lokale und regionale Infiltration im Gesässbereich sind glücklicherweise selten geworden. Nach der Implantation einer totalen Endoprothese der Hüfte (Hüft-TEP) sollten diese jedoch abgeklärt werden, da die Inzidenz einer Läsion des N. ischiadicus bei der erstmaligen Implantation einer Hüft-TEP 1–2% und bei ihrem Austausch bis zu 7,6% beträgt [7]. Des Weiteren kann eine infektiöse Erkrankung (z.B. ein Psoasabszess) vorliegen. Die ektopische Endometriose verursacht typischerweise zyklische Ischiasbeschwerden. Zahlreiche Frauen leiden überdies während der Schwangerschaft an Wurzelkompressionssyndromen, da der N. ischiadicus durch den Kopf des Fötus beim Einstellen ins Becken komprimiert wird. Dies ist jedoch nicht sehr schwierig zu diagnostizieren. Ferner können arteriovenöse Erkrankungen (Beckenvenensyndrom, Aneurysmen usw.) oder eine Strahlenplexopathie nach Strahlentherapie vorliegen. Das Piriformis-Syndrom ist eine klinische Diagnose, welche typischerweise dem Erscheinungsbild einer klassischen Ischialgie ähnelt. Überdies werden periphere Ischialgien bei der Kompression ­distaler gelegener Nerven, wie z.B. des Tarsaltunnels, beschrieben [8]. Ferner sind infektiöse (Lyme-Borreliose, Herpes zoster), immun- und vaskulärbedingte Radikulitiden zu nennen.
Die klinische Untersuchung kann eventuell Aufschluss über den betroffenen Abschnitt geben (Tab. 1), wobei eine Kompression des Plexus lumbosacralis ein polyradikuläres klinisches Erscheinungsbild zur Folge hat. Ist der N. ischiadicus eher am distalen Ende betroffen, sind eher keine Lumbalgien zu erwarten. In diesem Fall spricht man von einer peripheren Ischialgie (oder einer Ischialgie bis zum Knie), was jedoch nicht in jedem Fall eine spinale Ursache ausschliesst. Durch die Testung auf ein Hoffmann-Tinel-Zeichen am Fibulaköpfchen oder im Bereich des Tarsaltunnels kann der Kompressionsort nur selten lokalisiert werden. Nichtsdestotrotz gibt es nicht viele objektive klinische Sym­ptome, anhand derer eine nicht-degenerative von einer diskusbedingten Ischialgie zu unterscheiden ist.
Yoshimoto und Mitarbeiter führten einen retrospek­tiven Review von 61 Patienten durch, bei denen aufgrund einer seit zwei Monaten fortschreitenden Ischialgie (in der Studie definiert als von der Lumbalregion in die hintere und seitliche Beinregion ausstrahlender Schmerz und positives Lasègue-Zeichen) ein Lumbal-MRT durch­geführt wurde [5], um die häufigsten Ursachen nicht-degenerativer Ischialgien zu beschreiben. Bei 10 der 61 Patienten war im Lumbal-MRT keine Wurzelkompression nachzuweisen. Von diesen 10 Patienten waren 9 Frauen und 9 Mal traten die Symptome rechtsseitig auf. Zwei Patienten, darunter ein Mann, wiesen ein «Failed Back Surgery Syndrome» (FBSS) in der Vorgeschichte auf, eine Patientin hatte einen ­Verkehrsunfall erlitten und bei zwei Patientinnen waren die klinischen Symptome eindeutig mit dem Menstruations­zyklus assoziiert. Eine Frau war schwanger. Die Mehrheit litt an einem sensiblen Defizit mehrerer Derma­tome und manche an ­einem motorischen Defizit. Die Untersuchung wurde durch ein Becken-MRT ergänzt, ­wodurch eine gynäkologisch bedingte Kompression oder Reizung (Fötuskopf, Ovarialzysten, Uterusmyome, Endometriose) festgestellt werden konnte und die in einigen Fällen auf einfache Analgetika oder einen chirurgischen Eingriff ansprachen. Die Schwangere war nach der Entbindung schmerzfrei. Drei Patienten, darunter zwei mit FBSS und die Frau mit dem Verkehrsunfall, wurden mittels Ischiasblock behandelt und die Autoren vermuteten ein Piriformis-Syndrom. In zwei Fällen blieb die Ur­sache eindeutig ungeklärt. Es wurden keine Zusatz­untersuchungen, insbesondere kein Elektroneuromyogramm, durchgeführt, um nach einer unterhalb des Beckens lokalisierten Ursache zu suchen.

Das Piriformis-Syndrom – eine rein klinische Diagnose?

Die Diagnose Piriformis-Syndrom ist nach wie vor ­umstritten, da sie ausschliesslich anhand klinischer Symptome gestellt wird, denen häufig eine andere Problematik zugrunde liegt: eine anatomische Variante, Statikprobleme, Überbeanspruchung mit Ödem und Muskelkontrakturen. Wir fanden lediglich einen einzigen systemischen Review, der versuchte, die anam­nestischen Aspekte zusammenzufassen, anhand derer das klinische Erscheinungsbild besser einzugrenzen ist [9]: Gesässschmerzen, Verschlimmerung der Schmerzen im Sitzen, Schmerzen bei der Palpation der Incisura ischiadica major, Schmerzen bei Anspannung des Musculus piriformis sowie alle regulären Anzeichen und Symptome der klassischen degenerativen Ischialgie. Dieselben Anzeichen wurden von denselben Autoren im Jahr 2018 in einem ­Review veröffentlicht. Alle paraklinischen Untersuchungen sind, ausser zum Ausschluss einer anderen Ursache (Radikulopathie, Facettensyndrom, Hüftgelenkserkrankung, Tendinopathie der Gesässsehnen), nicht aussagekräftig. Mittels MR-Neurographie kann eventuell die Lokalisation der Reizung des N. ischiadicus ermittelt werden. Die Behandlung erfolgt hauptsächlich medikamentös und physiotherapeutisch. Durch die Injektion von Anästhetika, Kortikoiden oder Botulinumtoxin direkt in den Musculus piri­formis kann eine gewisse Linderung erzielt werden (Plazeboeffekt? Kortikoiddiffusion?). Ferner wird von wirksamen ­chirurgischen Eingriffen berichtet [10]. ­Alles in allem bleibt das Piriformis-Syndrom eine mögliche Dia­gnose und beim Fehlen anderer Ursachen kann eine empirische Injektion erwogen werden.

Das Beckenvenensyndrom

Bei zyklischen Ischiasbeschwerden ist an eine Endometriose (mit einer Prävalenz von 10%) oder Ovarialzysten, sowie bei Frauen nach der Entbindung, möglicherweise an das Beckenvenensyndrom zu denken, was gynäkologisch abzuklären ist. In den USA leiden ca. 15% der 15–50-jährigen Frauen unter Beckenschmerzen, von denen ⅓ ein Beckenvenensyndrom aufweist, welches meist infolge einer Schwangerschaft auftritt [11]. Dies ist eine nicht zu vernachlässigende Zahl symptomatischer Patientinnen! Hier sind bildgebende ­Verfahren des Beckens entscheidend für die Diagnosestellung. Der transvaginale Ultraschall und die Phlebographie weisen dabei eine sehr viel höhere Sensitivität auf als ein CT oder MRT.

Schlussfolgerungen

Die nicht-degenerative Ischialgie ist eine seltene Erkrankung mit zahlreichen und verschiedenartigen ­Ursachen. Meist kann mittels Lumbal-MRT oder -CT eine intra- oder perispinale Ursache festgestellt werden. Bevor zahlreiche Untersuchungen im gesamten Versorgungsgebiets des N. ischiadicus unternommen werden, ist es sicherlich sinnvoll, eine detaillierte Anamnese und eine Ganzkörperuntersuchung durchzuführen, bei der alle Abschnitte des Nervs untersucht werden, um die Lokalisation der Läsion genauer bestimmen und anschliessend den klinischen Symptomen entsprechende Untersuchungen durchführen zu können. Bei Frauen scheinen gynäkologische Ursachen den häufigsten Grund für eine nicht-degenerative Ischialgie darzustellen und ein Becken-MRT dürfte für die Diagnosestellung entscheidend sein.
Kann durch diese Untersuchungen keine eindeutige Ursache festgestellt werden, so gibt es MR-Neurographie-Protokolle, anhand denen eine eventuelle Schwellung und ein Ödem des N. ischiadicus, aber auch ein Ödem, eine fettige Infiltration oder eine Atrophie des Muskels infolge der Denervation festgestellt werden können [12]. Eine ENMG kann sinnvoll sein, um die ­Region der Läsion einzugrenzen. Ein negativer Befund stellt jedoch keine Ausschlussdiagnose dar, da die Sensitivität der Untersuchung nicht mehr als 85% beträgt [13, 14].

Das Wichtigste für die Praxis

• Die nicht-degenerative Ischialgie stellt eine seltene Diagnose dar, die bei allen Ischiasbeschwerden ohne eindeutige degenerative Ursache abzuklären ist.
• Bei der Anamnese und der klinischen Untersuchung muss das gesamte Versorgungsgebiet des N. ischiadicus evaluiert werden, um die Zusatzuntersuchungen adäquater auswählen zu können.
• Für nicht-degenerative Ischialgien gibt es zahlreiche und verschiedenartige Ursachen, deren Feststellung mitunter eine enorme Herausforderung darstellt, da sich die Läsion im gesamten Versorgungsgebiets des N. ischiadicus befinden kann.
• Gynäkologische Erkrankungen und das Piriformis-Syndrom sind die wahrscheinlich häufigsten Ätiologien.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Fleur Baumann Benvenuti,
dipl. Ärztin
Clinique de Rhumatologie
HFR Fribourg
Ch. des Pensionnats 2–6
CH-1708 Fribourg
Fleur.baumann[at]h-fr.ch
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