Das karzinoembryonale Antigen bei Kolorektalkarzinomen
Die prä- und postoperative CEA-Bestimmung

Das karzinoembryonale Antigen bei Kolorektalkarzinomen

Wie deuten Sie diesen Befund?
Ausgabe
2019/4546
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2019.08387
Swiss Med Forum. 2019;19(4546):753-755

Affiliations
Centre hospitalier universitaire vaudois, Lausanne: a Service de médecine interne; b Service d’oncologie; c Service de chimie clinique

Publiziert am 06.11.2019

Bei der Verlaufskontrolle 15 Monate nach der Operation eines Adenokarzinoms ist die klinische Untersuchung unauffällig, der CEA-Wert jedoch auf 6,8 mcg/l angestiegen. Wie deuten Sie diesen Befund?

Fallbeschreibung

In Ihre Konsultation kommt eine 78-jährige Patientin, bei der vor zwei Jahren ein mässig differenziertes ­invasives Adenokarzinom des Colon ascendens vom intestinalen Typ, pT4, pN2a (6/19), M0, Grad 2, Stadium IIIB, diagnostiziert wurde. Der präoperativ bestimmte Wert des karzinoembryonalen Antigens (CEA) betrug 3,2 mcg/l. Die Patientin wurde mittels rechtsseitiger Ileokolektomie und adjuvanter Chemotherapie mit zwölf 5-Fluorouracil-Zyklen (5-FU) behandelt. Im ersten Jahr waren die klinische Verlaufskontrolle und die vierteljährlich durchgeführte Bestimmung des CEA-Werts im Normbereich geblieben. Bei der ein Jahr nach dem Eingriff durchgeführten Kolonoskopie und Computertomo­graphie (CT) Thorax-Abdomen wurde kein Rezidiv festgestellt. Bei der Verlaufskon­trolle 15 Monate nach dem Eingriff ist die klinische Unter­suchung unauffällig, der CEA-Wert jedoch auf 6,8 mcg/l (Laborgrenzwert: <5 mcg/l) angestiegen.

Frage: Wie interpretieren Sie dieses Resultat?


a) Es sollte baldmöglichst eine erneute CEA-Kontrolle erfolgen.
b) In drei Monaten sollte eine CEA-Kontrolle erfolgen.
c) Es sollte eine erneute Kolonoskopie veranlasst werden.
d) Die Patientin sollte eine erneute Chemotherapie erhalten.

Antwort


Die richtige Antwort ist a.

Diskussion

Eigenschaften des Tests

Das CEA ist ein Glykoprotein, das im fetalen Gastrointestinaltrakt produziert wird und eine Rolle bei der Zelladhäsion spielt. Bei gesunden Erwachsenen kommt es in geringen Mengen vor.
Seine Nutzung als Tumormarker zur Verlaufskontrolle und Prognosestellung bei Kolorektalkarzinomen ist seit mehreren Jahrzehnten bekannt. Erhöhte CEA-Werte können auch bei anderen Neoplasiearten sowie zahlreichen gutartigen Erkrankungen vorkommen. Es ist jedoch anzumerken, dass ein CEA-Wert von über 10 mcg/l nur selten mit einer gutartigen Erkrankung assoziiert ist (Tab. 1) [1, 2].
Tabelle 1: Erhöhte CEA-Werte (Liste nicht erschöpfend).
Gutartige 
ErkrankungenOnkologische 
Erkrankungen
Alkoholbedingte Leberzirrhose Kolorektalkarzinom
Aktive HepatitisPankreaskarzinom
Posthepatischer Ikterus Mammakarzinom
DivertikulitisLungenkarzinom
Pankreatitis 
Magengeschwür/Gastritis 
Morbus Crohn / ulzero-hämorrha­gische Rektokolitis 
Niereninsuffizienz 
Lungeninfektion 
Chronisch obstruktive Lungen­erkrankung 
Tabakkonsum 
Diabetes mellitus 
Der Grenzwert für ein positives CEA-Resultat ist umstritten, wird jedoch üblicherweise auf 5 mcg/l festgelegt. In einem «Cochrane-Review» wurde beim Screening auf Kolorektalkarzinomrezidive mit einem Grenzwert von 5 mcg/l eine Sensitivität von 71 und eine Spezifi­zität von 88% festgestellt [1]. Aufgrund der geringen Sensi­tivität darf die CEA-Bestimmung bei einer onkologischen Verlaufskontrolle nicht die einzige Testmethode sein.
Die CEA-Analyse im Blutserum erfolgt in medizinischen Laboren üblicherweise mittels Sandwich-Immun­assay. Die Resultate der einzelnen auf dem Markt befindlichen Immunassay-Kits sind nicht miteinander vergleichbar. Dies ist insbesondere durch die Heterogenität des Antigens, die Vielfalt der verwendeten Antikörper, die erkannten Epitope sowie die unterschiedlichen Bestimmungs- und Kalibrierungsmethoden bedingt. Daher ist es besonders wichtig, dass die CEA-Verlaufskontrolle stets mit derselben Analysemethode erfolgt.
Zur Information: Die Kosten einer CEA-Bestimmung betragen im Waadtländischen Universitätsspital (CHUV) 20 CHF.

Vorteile des Tests

Es ist wichtig anzumerken, dass die CEA-Bestimmung aufgrund ihrer geringen Sensitivität und Spezifizität mit 7–16% falsch positiver Resultate nicht als Screeningtest auf oder diagnostischer Marker für Kolorektalkarzinome eingesetzt wird (Tab. 1) [3].

Die präoperative CEA-Bestimmung

Die CEA-Bestimmung hat bei Kolorektalkarzinomen einen guten prognostischen Wert. Tatsächlich haben zahlreiche Studien ergeben, dass ein hoher präoperativer CEA-Wert mit einer schlechteren Prognose assoziiert ist [3]. In einer im Jahr 2018 veröffentlichten, retrospektiven Studie werden diese Daten präzisiert und wird angegeben, dass ein hoher präoperativer CEA-Wert, der sich postoperativ normalisiert, mit einer besseren Prognose assoziiert ist [4].
Ein hoher präoperativer CEA-Wert, der sich innerhalb eines Monats nach der chirurgischen Resektion nicht normalisiert, kann auf eine persistierende Erkrankung hinweisen und indiziert weitere Untersuchungen [3]. Überdies ist er, insbesondere im ersten Jahr, mit einem erhöhten Rezidivrisiko assoziiert [4].
Daher empfehlen die europäischen (European Society for Medical Oncology, ESMO) und amerikanischen Fachgesellschaften (American Society of Clinical Oncology, ASCO) aktuell eine präoperative CEA-Bestimmung.

Die postoperative CEA-Bestimmung

Die ESMO- und ASCO-Empfehlungen bezüglich der Überwachung von Kolorektalkarzinomen basieren auf der erhöhten Überlebensrate durch das frühzeitige Aufspüren lokaler und regionaler sowie metastatischer Rezidive mittels CEA-Bestimmung, kombiniert mit Bildgebung (Röntgen und Endoskopie). Dabei ist der CEA-Wert häufig der Parameter, der ein Rezidiv am frühesten anzeigt, da ein positives Resultat mitunter 1,5–6 Monate vor dem Auftreten klinischer oder radiologischer Anomalien auftritt [3]. Darüber hinaus ist auch bei Patienten mit normalem präoperativem CEA-Wert eine Verlaufskontrolle sinnvoll, da bei 44% der Rezidive in dieser Situation ein positives CEA-Resultat vorliegt.
Der CEA-Wert sollte nicht als einziger Kontrollparameter verwendet werden. Denn bei der Diagnose eines Kolorektalkarzinomrezidivs sind 20–40% der Resultate falsch negativ [1, 3–5].
Alles in allem hat die postoperative CEA-Bestimmung in Bezug auf Kolorektalkarzinomrezidive einen guten positiven, jedoch einen schlechten negativen Vorhersagewert.
Die Empfehlungen der ESMO, ASCO oder der Schweizerischen Gesellschaft für Gastroenterologie (SGG) bezüglich der Verlaufskontrolle nach einem kurativen chirurgischen Eingriff richten sich danach, ob der Ursprung der Neoplasie im Kolon oder Rektum lokalisiert ist, sowie nach dem Erkrankungsstadium. Bei Kolonkarzinomen des Stadiums T3/4 oder N+, M0 wird empfohlen, drei bis fünf Jahre lang alle 6–12 Monate zusätzlich zur CEA-Bestimmung ein CT Thorax-Abdomen, sowie ein und vier Jahre nach der chirurgischen Resektion, eine Kolonoskopie durchzuführen [3, 5]. Die Häufigkeit der CEA-Bestimmung variiert je nach Empfehlung. So schlägt die Schweizerische Gesellschaft für Gastroenterologie im ersten Jahr etwa eine vierteljährliche, bis zum vierten Jahr eine halb- und bis zum fünften Jahr eine einmal jährliche Analyse vor. Bei Kolonkarzinomen im Frühstadium (T1 und T2, N0) ist die Untersuchungshäufigkeit geringer. Hier findet die CEA-Verlaufskontrolle von Beginn an nur einmal jährlich statt und ein CT-Scan wird nicht empfohlen.
Bei Rektumkarzinomen werden zusätzlich zur CEA-Kontrolle 6, 18 und 24 Monate nach dem chirurgischen Eingriff eine flexible Rektosigmoidoskopie und in den ersten zwei Jahren alle sechs Monate eine Endosonographie (oder eine Magnetresonanztomographie [MRT] des Beckenraums) durchgeführt.

CEA-Bestimmung bei metastatischen Kolorektalkarzinomen

Auch bei der Verlaufskontrolle metastatischer Kolorektalkarzinome von Patienten mit positivem CEA-Resultat in der onkologischen Vorgeschichte unter Chemotherapie oder nach Metastasenresektion ist eine CEA-Bestimmung sinnvoll. Letztere wird alle zwei bis drei Monate empfohlen [3].
Es ist unerlässlich, die CEA-Verlaufskontrolle an die ­Gesamtbehandlung des Patienten anzupassen und dessen Komorbiditäten, Alter und Therapiepräferenzen zu berücksichtigen.
Ist der CEA-Wert bei der postoperativen Verlaufskon­trolle positiv, sollte er baldmöglichst erneut überprüft werden, wobei der Zeitpunkt nicht eindeutig festgelegt ist. Es gilt zu bedenken, dass falsch positive Resultate bei einem Wert von über 15 mcg/l selten sind [2].
Bei unserer Patientin war der präoperative CEA-Wert normal und nach der 15-Monats-Kontrolle erhöht. Die erneute Bestimmung nach einer Woche bestätigte das Vorliegen eines pathologischen Werts (Tab. 2).
Tabelle 2: Entwicklung der CEA-Blutwerte der Patientin.
ZeitpunktCEA-Blutwert 
(Normwert <5 mcg/l)
Präoperativ3,2
Postoperativ4,6
Nach einem Jahr4,8
Nach 15 Monaten6,8
Zweite Bestimmung nach 15 Monaten6,3
Beginn der palliativen Chemotherapie6,4
Drei Monate nach Beginn der palliativen ­Chemotherapie6,2
Das CT Thorax-Abdomen zeigte ein metastatisches ­Rezidiv in Form linksseitiger supraklavikulärer Adenopathien seitlich der Aorta sowie eine Peritonealkarzinose. Aufgrund dessen wurde eine palliative Chemotherapie begonnen und die Markerkontrolle fortgesetzt. Drei Monate nach Behandlungsbeginn war der CEA-Wert stabil. Im CT Thorax-Abdomen hatten sich die supraklavikulären Adenopathien stabilisiert und ausser im Leberbereich, hatten sich die meisten Tumorzellen der Peritonealkarzinose zurückgebildet.
Dieses klinische Fallbeispiel zeigt die Wichtigkeit der Verlaufskontrolle bei Kolorektalkarzinomen mittels CEA-Bestimmung auf, um Rezidive rasch diagnostizieren zu können.

Hauptbotschaften

• Angesichts ihrer geringen Spezifizität und Sensitivität ist die CEA-
Bestimmung zum Screening und zur Diagnostik ungeeignet.
• Präoperativ ist die CEA-Bestimmung zu Prognosezwecken und postoperativ zum Aufspüren von Rezidiven nach einer chirurgischen Resektion sinnvoll. Aufgrund zahlreicher falsch negativer Resultate sollte sie jedoch mit anderen Kontrollmethoden kombiniert werden.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Anaïs Geiger-Jacquod,
dipl. Ärztin
Service de médecine interne
Centre hospitalier universitaire vaudois
Rue du Bugnon 46
CH-1005 Lausanne
anais.geiger-jacquod[at]chuv.ch
1 Nicholson BD, Shinkins B, Pathiraja I, Roberts NW, James TJ, Mallett S, et al. Blood CEA levels for detecting recurrent colorectal cancer. Cochrane Database Syst Rev. 2015(12):CD011134.
2 Litvak A, Cercek A, Segal N, Reidy-Lagunes D, Stadler ZK, Yaeger RD, et al. False-positive elevations of carcinoembryonic antigen in patients with a history of resected colorectal cancer. J Natl Compr Canc Netw. 2014;12(6):907–13.
3 Labianca R, Nordlinger B, Beretta GD, Mosconi S, Mandala M, Cervantes A, et al. Early colon cancer: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol. 2013;24 Suppl 6:vi64–72.
4 Konishi T, Shimada Y, Hsu M, Tufts L, Jimenez-Rodriguez R, Cercek A, et al. Association of Preoperative and Postoperative Serum Carcinoembryonic Antigen and Colon Cancer Outcome. JAMA Oncol. 2018;4(3):309–15.
5 Meyerhardt JA, Mangu PB, Flynn PJ, Korde L, Loprinzi CL, Minsky BD, et al. Follow-up care, surveillance protocol, and secondary prevention measures for survivors of colorectal cancer: American Society of Clinical Oncology clinical practice guideline endorsement. J Clin Oncol. 2013;31(35):4465–70.