Helicobacter Heilmannii: seltene Ursache einer Antrumgastritis
Eine anspruchsvolle Diagnose

Helicobacter Heilmannii: seltene Ursache einer Antrumgastritis

Der besondere Fall
Ausgabe
2019/5152
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2019.08412
Swiss Med Forum. 2019;19(5152):842-844

Affiliations
a Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie, Kantonsspital St. Gallen, b Institut für Pathologie, Kantonsspital Münsterlingen, c Medizinische Klinik, Kantonsspital Münsterlingen

Publiziert am 18.12.2019

Eine 54-jährige Patientin wurde zur ambulanten Gastroskopie zugewiesen aufgrund seit zwei Monaten bestehender, rezidivierender, drückender, epigastrisch-gürtelförmiger Oberbauchschmerzen.

Hintergrund

Wir berichten über eine 54-jährige Patientin mit re­zidivierenden Oberbauchschmerzen, Erbrechen und Gewichtsverlust. Als Ursache der Beschwerden fand sich eine schwere ulzerierende Antrumgastritis aufgrund einer seltenen Infektion mit Helicobacter Heilmannii.

Anamnese

Die 54-jährige Patientin wurde uns vom Hausarzt zur ambulanten Gastroskopie zugewiesen aufgrund seit zwei Monaten bestehender, rezidivierender, drückender, epigastrisch-gürtelförmiger Oberbauchschmerzen. Diese traten jeweils nach dem Essen auf und waren für einige Stunden vorhanden. Die Patientin hatte aufgrund der Beschwerden bereits mehrfach den Hausarzt konsultiert. Ein von ihm durchgeführter Heli­cobacter-pylori-Stuhl-Antigentest war unauffällig gewesen, die Gabe von Protonenpumpenblockern (PPI) hatte zwar Lin­derung gebracht, nach Absetzen desselben sind die Beschwerden aber wieder zurückgekehrt. Auch kam es mehrfach zu Erbrechen im Rahmen der Bauchschmerzen und zu einer Gewichtsabnahme von 69 auf 65 kg. Es bestanden keine anderen Beschwerden, insbesondere der Stuhlgang war normal. Relevante Vorerkrankungen bestanden nicht, lediglich ein Karpaltunnelsyndrom rechtsseitig war zu erheben. Die Fa­milienanamnese bezüglich Krebserkrankungen und chronisch entzündlicher Darmerkrankungen war unauffällig. Auch nahm die Patientin keine Medikamente ein.

Status

Klinisch zeigten sich normale Vitalparameter (Blutdruck 130/94 mm Hg, Puls 61/min, Temperatur 36,5 °C). Es fand sich ein weiches Abdomen mit leichter Druckdolenz im Epigastrium bei normalen Darmgeräuschen.
Die Laborabklärung beim Hausarzt respektive bei Eintritt zeigten keine relevanten Auffälligkeiten. (Hämato­gramm, CRP, Leber- und Cholestaseparameter).

Befunde und Diagnose

In der durchgeführten Ösophago-Gastro-Duodenoskopie zeigte sich im Magenantrum eine zirkulär ulzerös alterierte, kontaktvulnerable Schleimhaut auf einer Länge von etwa 4 cm (Abb. 1). Der übrige Befund war ­unauffällig. Es wurden Biopsien aus der veränderten Schleimhaut im Magenantrum sowie aus der normalen Schleimhaut im Magencorpus genommen.
Abbildung 1: Die Endoskopie zeigt eine schwere, ulzerierende Antrumgastritis.
Histologisch zeigte sich in den Biopsien aus dem Magenantrum überraschenderweise kein Malignom, sondern eine hochgradig chronische, stark aktiv ulzerierende Entzündung mit Nachweis von Helicobacter-pylori-ähnlichen Organismen, die sich in der näheren pathologischen Aufarbeitung als Helicobacter Heilmannii klassifizieren liessen (Abb. 2). Somit stellten wir die Diagnose einer ausgeprägten, ulzerierenden Antrumgastritis aufgrund einer Helicobacter Heilmannii-Infektion.
Abbildung 2: Biopsie aus dem Magenantrum (Warthin-­Färbung, 63-fache Vergrösserung): Helicobacter Heilmannii .

Therapie und Verlauf

Nach der initialen Gastroskopie wurde die Patientin, da die Beschwerden auf PPI in der Vergangenheit besserten, mit Pantoprazol 40 mg 2×/Tag entlassen und zur Befundbesprechung nach Erhalt der Histologie einbestellt.
Nach dieser erfolgte eine Helicobacter-Eradikationstherapie mit konkomitanter Quadrupel-Therapie (Amo­xicillin 1 g 1-0-1, Clarithromycin 500 mg 1-0-1, Metro­nidazol 500 mg 1-0-1, Pantoprazol 40 mg 1-0-1) für 14 Tage.
Vier Wochen nach Abschluss der antibiotischen Therapie wurde die Patientin zu einer endoskopischen Kon­trolle einbestellt. Zu dieser erschien die Patientin bereits beschwerdefrei mit wieder gutem Appetit und ­etwas Gewichtszunahme von 1 kg. Nach Abschluss der antibiotischen Behandlung hatte die Patientin vom Hausarzt noch für zwei Wochen Bioflorin® (lebende Enterokokken des Stammes SF 68) erhalten.
In der daraufhin durchgeführten Ösophago-Gastro-Duodenoskopie zeigte sich die zirkuläre ulzerierende Veränderung im Magenantrum makroskopisch komplett abgeheilt. Auch histologisch konnten weder eine Entzündung noch Helicobacter Heilmannii mehr nach­gewiesen werden (Abb. 3).
Abbildung 3: Endoskopisch unauffälliges Magenantrum nach  Helicobacter -­Eradikation.

Diskussion

Seit der ersten erfolgreichen Kultivierung von Helicobacter pylori, einem spiralförmigen, gramnegativen Bakterium, im Jahr 1982 wurden mittlerweile mehr als 30 Helicobacter-Spezies beschrieben. Die gastrischen Nicht-Helicobacter-pylori-Spezies werden unter dem Namen Helicobacter Heilmannii zusammengefasst, ­genauer genommen unter dem Namen Helicobacter ­Heilmannii sensu lato, sofern keine Gensequenzierung eine Unterscheidung in verschiedene Untergruppen ermöglicht, da die einzelnen Spezies morphologisch nicht voneinander zu unterscheiden sind. Es wurden bisher 11 verschiedene Helicobacter Heil­mannii sensu lato beschrieben, die den Magen von Haus- und Wildtieren infizieren können. Auch wurde Helicobacter Heilmannii in der Mundhöhle und im Speichel von Haustieren wie Katze und Hund beschrieben. Fünf dieser 11 Helicobacter-Heilmannii-Spezies können auch im Magen von Menschen gefunden werden (Helicobacter suis, felis, bizzozeronii, salomonis und heilmannii sensu strictu). In verschiedenen Fallbeschreibungen wird daher von einer Übertragung von Tier auf Mensch durch direkten Kontakt mit (Haus-)Tieren ausgegangen, auch scheint ein vermehrtes Vorkommen in ländlichen ­Gebieten mit mehr Tierkontakt zu bestehen. Daneben wurde auch über eine Infektion durch kontaminiertes rohes Schweinefleisch berichtet. Insgesamt wird bei der Helicobacter-Heilmannii-Infektion von einer Zoonose ausgegangen, die Infektionsraten in menschlichen Magenbiopsien werden als weniger als 1% angegeben [1].
Die Diagnose von Helicobacter Heilmannii ist anspruchsvoll verglichen mit Helicobacter pylori und ­benötigt in der Regel eine Histologie. Bei der Diagnose helfen dem Pathologen neben einer etwas anderen Morphologie der Bakterien auch Silber-basierte Färbungen («Steiner» und «Whartin-Starry») oder eine Hämatoxylin/Eosin-Färbung. Am akkuratesten ist eine PCR («polymerase chain reaction») mit Gensequenzierung. Es existieren keine spezifischen Antikörper zur immunhistochemischen Diagnose­sicherung. Urease-Schnelltest und In-vitro-Kultur sind unzuverlässig aufgrund der meist ­geringeren Anzahl der Bakterien und schwierigeren Anzüchtung verglichen mit Helicobacter pylori. Ebenso sind die gängigen nichtinvasiven Helicobacter-pylori-Tests (Stuhl-Antigen, C13-Atemtest, Serologie) nicht verlässlich bei Helicobacter Heilmannii anwendbar.
Infektionen mit Helicobacter Heilmannii sensu lato scheinen bevorzugt das Magenantrum zu befallen und verursachen gemäss Literatur eine meist nur milde aktive chronische Gastritis. Auch wurde die verursachte Ga­stritis vor allem als fokal beschrieben. Dies steht im klaren Gegensatz zu unserer Patientin, die eine stark aktive, ulzerierende Antrumgastritis aufwies, die zirkulär praktisch das gesamte Magenantrum betraf. Patienten können sich sowohl asymptomatisch als auch wie unsere Patientin mit dyspeptischen Beschwerden wie chronischen Oberbauchschmerzen, Übelkeit/Erbrechen, postprandialem Unwohlsein oder auch Dysphagie und Reflux präsentieren. Helicobacter Heilmannii wurde auch im Zusammenhang mit pep­tischer Ulkuskrankheit, Magenkarzinom und gastrischem «Mucosa associated lymphoid tissue»(MALT)-Lymphom beschrieben. Insbesondere für das MALT-Lymphom scheint bei Helicobacter Heilmannii eine höhere Prävalenz vorzuliegen als für Helicobacter pylori. So ­haben Stolte et al. in einer retrospektiven Datenanalyse über einen Zeitraum von zehn Jahren eine doppelt so hohe Prävalenz von MALT-Lymphom bei Patienten mit Helicobacter-Heilmannii- gegenüber Patienten mit Helicobacter-pylori-Infektion (1,5 vs. 0,7%) feststellen können [2].
Zur Therapie der Helicobacter Heilmannii-Infektion werden Eradikationschemata analog der klassischen Helicobacter-pylori-Eradikation verwendet. In japanischen Einzelfallberichten konnte eine erfolgreiche Eradikation mittels Triple-Therapie (PPI, Amoxicillin, Clarithromycin) erreicht werden [3]. Da unsere Patientin eine ausgeprägte ulzerierende Entzündung aufwies, haben wir uns in Anlehnung an die deutsche S2k-Leitlinie zur Helicobacter-pylori-Eradikation für eine konkomitante Quadrupel-Therapie für 14 Tage entschieden [4].
Aufgrund der zuvor erwähnten erhöhten Prävalenz von MALT-Lymphomen erscheint eine Eradikationskontrolle unerlässlich. Da nichtinvasive Tests unzuverlässig sind, sollte diese mittels Endoskopie und Biopsie erfolgen. Hier ist zu beachten, dass diese frühesten vier Wochen nach Absetzen der antibiotischen Therapie beziehungsweise zwei Wochen nach Absetzen der PPI-Therapie erfolgen soll, da es ansonsten auch in der Histologie zu falsch negativen Resultaten kommen kann [4].

Das Wichtigste für die Praxis

• Eine Helicobacter-Heilmannii-Infektion kann eine seltene Ursache von dyspeptischen Beschwerden sein. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Zoonose, die durch (Haus-)Tierkontakt übertragen wird.
• Nichtinvasive Testungen (Helicobacter-pylori-Stuhl-Antigentest, C13-Atemtest) sind unzuverlässig. Die Diagnose wird in der Regel endoskopisch gestellt.
• Patienten mit Helicobacter-Heilmannii-Infektion scheinen eine erhöhte Prävalenz für MALT-Lymphome aufzuweisen.
• Die Therapie erfolgt analog der Eradikationstherapie von Helicobacter- pylori-Infektionen.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Dr. med. univ. (A)
Christian Tiefenthaller
Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacherstrasse 95
CH-9007 St. Gallen
christian.tiefenthaller[at]kssg.ch
1 Bento-Miranda M, Figueiredo C. Helicobacter heilmannii sensu lato: An overview of the infection in humans. World J Gastroenterol. 2014;20(47):17779–787.
2 Stolte M, Kroher G, Meining A, Morgner A, Bayerdörffer E, Bethke B. A comparison of Helicobacter pylori and H. heilmannii gastritis. A matched control study involving 404 patients. Scand J Gastro­enterol. 1997;32(1):28–33.
3 Nakagawa S, Shimoyama T, Nakamura M, Chiba D, Kikuchi H, Sawaya M, et al. The Resolution of Helicobacter suis-associated Gastric Lesions after Eradication Therapy. Intern Med. 2018;57(2):203–7.
4 Fischbach W, Malfertheiner P, Lynen Jansen P, Bolten W, Bornschein J, Buderus S, et al. S2k-Leitlinie Helicobacter pylori und gastroduodenale Ulkuskrankheit. Z Gastroenterol. 2016;54:327–63.