Damit Sie nichts Wichtiges verpassen: unsere Auswahl der aktuellsten Publikationen.
Fokus auf … neue Schweizer Medikamente
Nach einer mehrjährigen, frustrierenden Phase von sehr wenig echten Neuzulassungen von Medikamenten hat sich in den letzten Jahren dieser Trend verändert. Die «Food and Drug Administration» (FDA) hat 2018 52 neue Medikamente, Swissmedic im gleichen Jahr 32 zugelassen. Der grosse Wachstumsschub kommt von in Immunmechanismen eingreifenden monoklonalen Antikörpern und intelligenten onkologischen Therapien. Für Hausärztinnen und Hausärzte ist vielleicht die folgende Liste allgemeiner anwendbarer Neuzulassungen hilfreich:
Indikation
Wirkstoff
Handelsname
Wirkweise
Darreichungsform
Diarrhoe-betontes Reizdarmsyndrom
Eluxadolin
Truberzi®
Opioid-Rezeptor-Modulation
Filmtabletten
Diabetes mellitus Typ 2
Ertugliflozin
Steglatro®
SGLT-2-Hemmer
Filmtabletten
Diabetes mellitus Typ 2
Semaglutid
Ozempic®
GLP-1-Agonist
Injektionslösung
Trockene Augen, Sicca-Syndrom
Lifitegrast
Xiidra®
Integrin-Rezeptor-Hemmer (hemmt Extravasation von Lymphozyten)
Augentropfen
Akute Entzündungen der oberen Luftwege / Harnwegsinfekte
Kapuzinerkresse, Meerrettich-wurzel
Angocin®
Wird zu Senfölen im Darm metabolisiert. Viro-, bakterizid, entzündungshemmend
Nur Acetylsalicylsäure oder doppelte Thrombozytenhemmung?
Eine doppelte Thrombozytenhemmung wird durch Acetylsalicylsäure (Hemmung der Zyklooxygenase) und eine der vorhandenen Hemmsubstanzen des P2Y12-Rezeptors erreicht. Etabliert hat sich die Indikation beim akuten koronaren Syndrom und bei Einlage eines koronaren Stents. Enttäuschend sind die Resultate bei Patient(inn)en mit stabiler koronare Herzkrankheit (ohne früheren Myokardinfarkt oder Schlaganfall) und Diabetes [1]: Die Kombination Ticagrelor/Acetylsalicylsäure erreichte zwar eine marginale statistische Signifikanz (p = 0,04) in Bezug auf Tod, Herzinfarkt oder Schlaganfall, jedoch waren ernsthafte Blutungen und isoliert analysiert intrakranielle Blutungen hoch signifikant häufiger (p <0,001 bzw. p = 0,005).
Im Begleiteditorial zu dieser Arbeit [2] findet sich eine für den Alltag hilfreiche tabellarische Zusammenstellung der Studien zur Wirkung von P2Y-Inhibitoren mit oder ohne Acetylsalicylsäure bei verschiedenen kardiovaskulären Diagnosen.
Die sogenannte idiopathische spontane Urtikaria ist charakterisiert durch Urtikaria und (bei 50% der Patient[inn]en) einem Angioödem vorwiegend im Gesicht sowie einer Dauer von sechs Wochen und mehr. Sie ist mit einem erheblichen Leidensdruck verbunden und wird im Sinne der Erstlinientherapie mit hohen bis sehr hohen Dosen von Antihistaminika behandelt. Bei Therapieresistenz kommt ein monoklonaler Antikörper gegen IgE (Omalizumab) in Frage. Nun wird berichtet, dass ein weiterer Antikörper gegen dieses Immunglobulin (Ligelizumab) ebenfalls und noch besser als Omalizumab wirksam sei. Ein weiterer Antikörper (Dupilumab, zugelassen für Asthma, Neurodermitis und wirksam auch bei chronischer Rhinosinusitis/Polyposis nasi), der via Hemmung von Interleukin-4 und -13 indirekt die IgE-Synthese hemmt, ist in Evaluation. Zwar werden bei der chronischen Urtikaria Autoantikörper, das heisst IgG gegen das Fc-Fragment oder den Rezeptor von IgE, gefunden, deren Spezifität ist aber umstritten. Die positive Wirkung eines Anti-IgE-Antikörpers wäre über diesen Mechanismus auch nicht zwangslos erklärbar. Möglich wäre die Produktion eines alterierten oder abnormalen IgE.
Asthma bronchiale: Eine zusätzliche Option vor einem Wechsel auf Biologicals?
Patient(inn)en (insgesamt etwa 3500 an der Zahl) mit ungenügend kontrolliertem Asthma bronchiale unter chronischer Doppelinhalation mit einem langwirkenden Beta-Agonisten (sog. LABA) und topischen Steroiden (Formoterol 6 μg und Beclomethason 100 oder 200 μg, 2×2 Hübe/Tag) wurden doppelblind, randomisiert und prospektiv zusätzlich mit oder ohne langwirksamen muskarinergen Antagonisten (Tiotropium) behandelt. Die Tripeltherapie (Plazebo oder Tiotropium) erfolgte in zweimal zwei Hüben unter Benutzung eines einzigen Inhaliergerätes. Ungenügende Asthmakontrolle war definiert als Hospitalisation oder Notwendigkeit, wegen Asthmaexazerbationen innerhalb der letzten 12 Monate systemische Glukokortikoide zu verabreichen. Die Zugabe von Tiotropium verbesserte die spirometrisch gemessene Lungenfunktion (FEV1) signifikant. Die Rate der mittelschweren bis schweren Asthmaexazerbationen reduzierte sich ebenfalls, die Signifikanz beschränkte sich aber auf die Gruppe, welche bei der Randomisierung tiefere Dosen von Beclomethason inhalierten, und war auch hier eher bescheiden respektive von marginaler statistischer Signifikanz (p = 0,033). Wir haben also eine weitere therapeutische Eskalation bei ungenügend kontrolliertem Asthma zur Verfügung. Ob die quantitativen Erfolge der evaluierten Tripeltherapie als Alternative zu den Biologicals, namentlich Hemmer des Interleukin-5-Rezeptors (Benralizumab) oder des Interleukin-4-Rezeptors (Dupilumab), trotz der ökonomischen Vorteile eine breite Option werden, bleibt wohl abzuwarten.
Kathetergesteuerter Mitralklappenersatz bei sekundärer Mitralinsuffizienz
Unter einer sekundären Mitralklappeninsuffizienz versteht man eine Regurgitation aufgrund einer Dilatation des linken Ventrikels bei strukturell normaler Mitralklappe. In der COAPT-Studie wurden 614 Patient(inn)en entweder in die Gruppe mit Klappenersatz und maximal tolerierter medikamentöser Therapie oder nur maximaler medikamentöser Therapie randomisiert. Die Auswurffraktion des linken Ventrikels lag bei 31% (Norm: >52–72%), sein enddiastolisches Volumen bei 192 ml (Norm: 130–140 ml) und die für die Regurgitation relevante Fläche der Restöffnung bei ca. 0,4 cm2 (Norm: 0 cm2), entsprechend schweren sekundären Mitralinsuffizienzen von 3+ und 4+). Beide Therapien konnten die Progredienz der Herzinsuffizienz nicht aufhalten (weiterer Abfall der Ejektionsfraktion und weitere Zunahme des enddiastolischen Volumens, beide Parameter leicht weniger ausgeprägt in der Klappenersatzgruppe). Allerdings war die Mortalität und die Rehospitalisationshäufigkeit in den ersten zwei postinterventionellen Jahren bei der Gruppe mit Mitralklappenersatz signifikant tiefer (für Mortalität: 29% versus 46% in der Kontrollgruppe).
Ein wenig bekanntes Lipoprotein als Progressionsfaktor der diabetischen Arteriosklerose
Die Pathogenese der diabetischen Arteriopathie ist mechanistisch in verschiedener Hinsicht noch unklar. Es dürfte sich lohnen, sich in Zukunft das Apolipoprotein C3 (ApoC3) zu merken, auch wenn es vielleicht an Ihrem und dem kurz und bündigen Horizont bislang noch nicht aufgetaucht ist. Beim Diabetes mellitus Typ 1 wird in der Leber dieses Apoprotein vermehrt exprimiert und führt zu einer Hemmung des Abbaus Triglycerid-reicher Lipoproteine (u.a. ApoE und ApoB), die dann vermehrt in Makrophagen aufgenommen werden (z.B. Schaumzellen in den arteriosklerotischen Plaques) und via sekundäre Makrophagen-regulierte Prozesse zur Progression der Arteriosklerose führen. Bei Mäusen mit Typ-1-Diabetes führte ein Antisense-Oligonukleotid ohne Wirkung auf den Glukosestoffwechsel zu weniger Schaumzellen und einer signifikanten Besserung der Arteriosklerose. Das ApoC3 könnte also ein interessantes Therapieziel und ein Biomarker für die Progression der Arteriosklerose sein. Seine Serumspiegel sagten in einer humanen Kohorte von Typ-1-Diabetespatient(inn)en kardiovaskuläre Ereignisse zuverlässig voraus.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat vor einigen Tagen ihre Prognose der massiven Zunahme von Augenerkankungen publiziert. Bei Kindern/Jugendlichen soll es zu einer Zunahme von Kurzsichtigkeit kommen, bei älteren Menschen aus demographischen Gründen zu mehr Katarakten und Makuladegenerationen. Es scheint deshalb angebracht, sich einer der bahnbrechenden Leistungen in der Ophthalmologie speziell zu erinnern. Vor 70 Jahren hat Harold Ridley nach einer Linsenextraktion die erste aus Acryl bestehende Kunstlinse implantiert. Die refraktiven Eigenschaften dieser Linsen lagen innerhalb von zwei Dioptrien des gesunden Auges. Eine längerfristige Kontrolle zeigte nach zwei Jahren eine «excellent function» ohne Entzündungszeichen.
Von der in der Schweiz früher universell üblichen BCG-Impfung weiss man, dass sie wirksam in der Prävention disseminierter Tuberkulose und der tuberkulösen Meningitis, nicht aber zweifelsfrei der pulmonalen Tuberkulose ist. Eine grosse Literatur besteht zu ihren immunmodulierenden Effekten, die in unseren Breitengraden vor allem für Patient(inn)en mit Harnblasenkarzinomen (nicht muskelinvasiv) ausgenützt werden. Bezüglich Wirkung auf Lymphome und Leukämieformen ist die Evidenz für einen Nutzen unklar. Zwischen 1935 und 1938 wurden durchschnittlich 8-jährige, nicht von Tuberkulose befallene Kinder amerikanischer Indianer und amerikanischer Inuit einfach verblindet, jedoch plazebokontrolliert mit zwei verschiedenen BCG-Stämmen geimpft. Von 1992–1998 (also mit einem durchschnittlichen Follow-up von beeindruckenden 60 Jahren) wurden diese beiden Gruppen (je ca. 1500 Teilnehmer) einer retrospektiven Analyse (7% in beiden Gruppen konnten nicht mehr kontaktiert werden) in Bezug auf die Häufigkeiten von Krebserkrankungen unterzogen. Die geimpften Personen wiesen eine Lungenkrebsinzidenz von 18,2 Fällen, die nicht Geimpften eine massiv höhere Inzidenz von 45,4 Fällen auf (jeweils pro 100 000 Patientenjahre, p <0,005). Andere Krebsformen traten in beiden Gruppen gleich häufig auf. Der Effekt auf die Lungenkrebshäufigkeit war in den genetisch verschiedenen Populationen gleich und persistierte namentlich nach Korrektur für Nikotinabusus und Alkoholkrankheit, beide von überdurchschnittlicher Prävalenz in diesen Populationen. Man darf gespannt sein auf die Resultate anderer Langzeit-BCG-Kohorten in Grossbritannien und Norwegen.
Verfasst auf Hinweis von Prof. K. Neftel (Gléresse) am 06.10.2019.
STEMI: «all in one» – falls nicht schockiert
Da zirka die Hälfte von Patient(inn)en mit akutem ST-Hebungsinfarkt eine koronare Mehrgefässerkrankung aufweisen, stellt sich die Frage, ob anlässlich der Erstintervention nur die den Infarkt verursachenden Verschlüsse/Stenosen wiedereröffnet respektive dilatiert werden sollen («culprit lesion») oder alle relevanten Stenosen. Wir hatten schon kurz und bündig Studien zusammengefasst, die zeigten, dass die Beschränkung auf das Infarktgefäss bei hämodynamisch instabilen Patient(inn)en (kardiogener Schock) eine verbesserte Kurzzeitmortalität erbrachte, während jedoch der längerfristige Verlauf (12 Monate) bezüglich Mortalität nicht unterschiedlich war (Culprit Shock Trial [1]). In der bei Weitem grössten, grundsätzlich gut vergleichbaren Serie von Einzelstudien, wurden mehr als 4000 Patient(inn)en mit akutem ST-Hebungsinfarkt entweder mit Dilatation aller angenommen relevanten Stenosen (>70%) oder primär nur des Infarktgefässes behandelt (Complete Trial [2]). Nach drei Jahren Nachbeobachtung waren die gesamte und kardiovaskulär bedingte Mortalität bei beiden Vorgehensweisen gleich, allerdings war die Rate der Reinfarzierungen bei kompletter Dilatation mit 5,4% tiefer als ohne (7,9%), also um etwa einen Drittel reduziert. Obwohl ein kardiogener Schock kein Ausschlusskriterium war, trat bei diesen mehr als 4000 Patient(inn)en angeblich und erstaunlicherweise kein solcher auf!
Unter der langen Liste der durch die «innere» biologische Uhr beeinflussten Prozesse, findet sich seit neuestem auch die immunologische Antwort auf eine Impfung. Die Peptide eines Impfstoffes werden dem Immunsystem, spezifischer den CD8-T-Zellen, von dendritischen Zellen präsentiert. Die Intensität der dadurch ausgelösten protektiven T-Zell-Antwort schwankt erheblich über den 24-Stunden-Verlauf eines Tages und ist um die Mittagszeit am höchsten. Ideal für Impfkampagnen in Ihrer Praxis, Spitälern und anderen Betrieben!