– Wenn Trias vorhanden: notfallmässige augenärztliche Beurteilung am gleichen Tag.
– Therapie:
• keine Kontaktlinsen bis zur vollständigen Heilung;
• topische Antibiotika (Fluoroquinolone);
• topische Mydriatika (Zykloplegika) zur Schmerzreduktion.
BMJ 2019, doi.org/10.1136/bmj.l6337; In dieser Arbeit findet sich auch eine gute Anweisung, wie man schonend Zugang zur oberen Fornix (z.B. für Fremdkörperentfernung) findet. Verfasst am 01.12.2019.
Praxisrelevant
Nierenfunktion in die Berechnungen des kardiovaskulären Risikos miteinbeziehen!
Die chronische Nierenerkrankung ist ein unterschätzter und selten als solcher wahrgenommener Risikofaktor für das Auftreten und die Progression einer Atheromatose. Die Nierenfunktion wird denn auch traditionell nicht in die Kalkulation des kardiovaskulären Risikos miteinbezogen. Welcher Parameter der Nierenfunktion könnte sich am besten dazu eignen? In der mehr als 440 000 Teilnehmer(inn)en umfassenden britischen «UK Biobank» erwies sich die auf einer Cystatinbestimmung basierte Schätzung der glomerulären Filtrationsrate (GFRcys) als deutlich besser prädiktiv als eine kreatininbasierte GFR-Berechnung (die klassische eGFR). Zusammen mit der Albuminurie verbesserte die GFRcys klassische Risikoberechnungen für kardiovaskuläre Erkrankungen und die Mortalität.
In der kompetitiven biomedizinischen Forschungsförderung ist die Situation für junge Forscherinnen und Forscher oft schwierig, denn die Annahme oder Ablehnung ihres ersten eigenen Forschungsgesuchs kann darüber entscheiden, ob die wissenschaftliche Arbeit fortgesetzt wird. Eine Arbeit zeigt nun, dass man nicht zu schnell aufgeben sollte, denn: Beobachtungen bei fast 1000 jungen Forscherinnen und Forschern aus verschiedenen Wissenschaftsbereichen zeigte, dass nach Erhalt einer knappen Ablehnung diese längerfristig – unter anderem am «impact factor» gemessen – wichtigere Publikationen aufwiesen. Dies im Vergleich zu den Kolleginnen und Kollegen, die es bei der Gesuchseinreichung gerade noch knapp geschafft hatten. Also nicht enttäuscht sein, sondern, wenn man nahe dran ist, es nochmals versuchen oder «reculer pour mieux sauter»!
Harvard Business Review 01.10.2019.
Verfasst am 26.11.2019.
Neues aus der Biologie
Süsse Träume nach Schlafentzug
Schlafentzug wird für die Präferenz von «energiedichten» Nahrungsmitteln (Süssspeisen, Fettiges) und damit für Gewichtszunahmen verantwortlich gemacht. Im Rahmen eines Cross-over-Design wurden 25 menschliche Proband(inn)en entweder acht Stunden oder nur vier Stunden schlafen gelassen. Nach Schlafentzug war zwar die eingenommene Gesamtkalorienmenge im Vergleich zum Tag nach acht Stunden Schlaf etwa gleich, aber die Proband(inn)en wählten aus einem Buffet deutlich signifikant mehr Süsses und Fettiges. Laut verschiedenen Untersuchungen inklusive funktionellen MRIs des Gehirns dürfte es sich dabei um eine Geruchsveränderung, induziert durch ein aktiviertes endocannabinoides System, handeln. Das endocannabinoide System reguliert komplexe Funktionen des Zentralnervensystems, unter anderem auch den Appetit. Die olfaktorischen Zentren (im Cortex piriformis) wurden durch den Schlafentzug ebenfalls aktiviert. Die Autoren weisen darauf hin, dass in den USA jeder dritte Erwachsene weniger als sechs Stunden Schlaf bekommt, dass dieser Mechanismus wohl neben vielen anderen also die Wahl auf eher ungesunde Speisen fallen lassen könnte.
Der Schlafentzug in der Studie war aufgezwungen, ob die Resultate auch bei selbst gewählten oder habituellen kurzen Schlafzeiten zutreffen, muss offen bleiben. In kurz und bündiger Beobachtung gibt es unter den langlebigen, aber auch unter aktiven und kreativen Mitmenschen sehr viele Kurzschläfer.
ApoE2, ApoE3 und ApoE4: Risiko oder Schutz vor Alzheimer
Bei einer autosomal-dominanten Form des Morbus (M.) Alzheimer ist eine Mutation im Präsenilin-1-Gen ursächlich und führt zu einer Beta-Amyloid42-Überproduktion und einem Krankheitsbeginn um das 45. Lebensjahr. In einer mehr als 1000 Individuen umfassenden Kohorte (Kolumbien) fiel auf, dass eine einzelne Patientin mit nachgewiesener Präsenilin-1-Mutation erst im Alter von 70 Jahren eine milde kognitive Dysfunktion aufzuweisen begann. Im PET-CT wies die Patientin massive Amyloidablagerungen, aber sehr wenig Tau-Proteine und einen eher tiefen Spiegel des Neurofilament-L (ein potentieller Biomarker für neurodegenerative Erkrankungen) auf. Diese Patientin war homozygot für eine zusätzliche, inaktivierende Mutation im Lipoprotein ApoE3. Amyloidablagerungen per se sind also scheinbar nicht mit einer frühen Demenzentwicklung assoziiert und ApoE3 könnte ein wichtiger Progressionsfaktor sein, dessen Mechanismus aber noch zu klären bleibt. Gleichzeitig ist eine Hemmung dieses Lipoproteins ein lohnendes therapeutisches Ziel beim M. Alzheimer. Während das ApoE2* eine gewisse Risikoreduktion für M. Alzheimer bringt, sind ApoE3 (nicht mutiert) und ApoE4 mit erhöhtem Risiko und schnellerer Demenzprogression vergesellschaftet.
* Die Zahlen bedeuten die verschiedenen Allele des ApoE-Lokus.
Medizinische Publizistik: die «Ingelfinger-Regel» wieder aktuell
Vor 50 Jahren publizierte der damalige Chefredaktor des New England Journal of Medicine die später nach ihm benannte Regel, dass medizinische Fachinformationen zuerst in der die Peer-Review durchführenden Zeitschrift und erst danach in der Sekundär- und Laienpresse publiziert werden dürfen [1]. Frühere, andernorts erschienene Publikationen mit ähnlichem Inhalt durften ebenfalls nicht mehr publiziert werden, wobei sogenannte «Abstracts» an wissenschaftlichen Kongressen eine Ausnahme bildeten und auch bilden. Franz Ingelfinger war gemäss einem der Nachfolger in seinem Amt, Arnold S. Relman, ehrlich genug, den Eigennutzen dieser Publikationsexklusivität auch für «sein» Journal zuzugeben [2]. Obwohl die attraktivsten medizinischen Zeitschriften heute für die Weiterverbreitung ein zeitliches Embargo definieren, ist die Ingelfinger-Regel de facto oft ausser Kraft gesetzt. Laienmedien (die von Universitäten und auch Journalen mit Vorabdrucken und sogar Zusatzinformationen schon während der Sperrfrist bedient werden) publizieren ihre Interpretationen (oder jene der sie bedienenden Interessengruppe!) einer Arbeit meist parallel und fast immer, bevor die auf diesem Gebiet beschlagenen Fachexperten die neue Arbeit richtig studieren konnten. Damit wird ein – modern ausgedrückt – medizinischer «Hype» nicht zuletzt auch in Finanz- und Laienwelten entfacht. Dieser bedroht nach unserer Einschätzung den echten Fortschritt für die Patient(inn)en zumindest kurz- bis mittelfristig. Die Qualitätsbeurteilung («Wahrheitsfindung») kann nicht nur die Peer-Review verantworten (schon gar nicht die voreilige Streuung), sie wird erst nach gründlicher Diskussion in Expertenkreisen verlässlicher.
Verfasst am 02.12.2019, angeregt durch eine Diskussion mit Herrn Prof. Th. Heidegger, Chefarzt Departement Anästhesie, Spitalregion Rheintal Werdenberg Sarganserland.
Das hat uns gefreut
Schweizerisches Gesundheitswesen im internationalen Vergleich
Im Vergleich zu anderen Ländern, ebenfalls mit eher komfortablen Durchschnittseinkommen, wurden für die Schweiz interessante Daten aus dem Jahre 2017 publiziert: Die Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben betrugen in der Schweiz 7147 US-Dollar eine Zunahme um 1818 Dollar seit 2010 und nur übertroffen durch die USA. Einen zusätzlichen Drittel oder fast 1400 Dollar pro Kopf berappten Schweizer/innen aus der eigenen Tasche: Hier ist die Schweiz einsame Spitzenreiterin! Man sollte also zu dieser offensichtlichen Eigenverantwortung der Schweizer/innen vermehrt Sorge tragen und ihr – vielleicht sogar – Respekt entgegenbringen. Gleichzeitig ist dies ein Markt, der vielen Anbietern als lohnender Jagdgrund erscheint …
Etwa ein Viertel aller Schweizer Ärztinnen und Ärzte war entweder mit dem Einkommen oder der pro Patient zur Verfügung stehenden Zeit unzufrieden, was einem Mittelfeldplatz entspricht. Bei 68% aller Erstkonsultationen standen 15–25 Minuten zur Verfügung, zusammen mit Frankreich (72%) ein Spitzenwert, das heisst, in der Mehrzahl der anderen Länder steht durchschnittlich weniger Zeit zur Verfügung. Beruhigend, wenn auch die Zeit für eine Erstkonsultation generell als zumindest sportlich beurteilt werden könnte. Als indirekter Qualitätsparameter wurde – unter anderen – noch die Zahl vermeidbarer Hospitalisationen (pro 100 000 Einwohner über 15 Jahre und Jahr) geschätzt: Mit 73 «unnötigen» Hospitalisationen für Diabetes mellitus respektive deren 111 für chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD) sind diese Werte in der Schweiz am tiefsten.
Ein Thyromimetikum zur Behandlung der nichtalkoholischen Steatohepatitis (NASH)
Die nichtalkoholische Fettleber hat in der westlichen Welt epidemische Ausmasse erreicht und ist der wichtigste Grund für Steatohepatitis (siehe Abbildungen), Leberfibrose/Leberzirrhose, aber auch für die Progression der mit ihr assoziierten Atheromatose. Auf der Basis der Beobachtung, dass die Fettleber mit einer hepatischen Thyroxinresistenz vergesellschaftet ist, wurden in einem sogenannten 2:1-Design 84 Patient(inn)en mit Steatohepatitis 36 Wochen lang mit dem Thyromimetikum Resmetirom (41 Patient[inn]en mit Plazebo) behandelt. Die Resmeritom-Behandlung führte zu einer signifikanten Rückbildung der Fettleber und Reduktion der Leberfibrose. Zusätzlich verbesserte sich das «pro-atherogene» Lipidprofil. Resmetirom ist ein leberselektiver Thyroxinrezeptor-Beta-Agonist. Dieser wurde in der Studie gut toleriert, namentlich ohne Symptome einer Hyperthyreose.
Ketogene Diät und Verlauf der autosomal-dominanten polyzystischen Nierenerkrankung
Die polyzystische Nierenerkrankung ist die häufigste Ursache einer durch eine Einzelgen-Mutation bedingten chronischen Nierenerkrankung. Sie wird verursacht durch Mutationen im PKD1-(«polycystic kidney disease 1»-) oder im PKD2-Gen. Die intrazellulären Mechanismen, die zum Zystenwachstum und damit zum Untergang von Nierengewebe führen, sind schlecht charakterisiert. Der sogenannte mTOR-Stoffwechsel spielt jedoch eine wichtige Rolle. Dessen Hemmung durch das Immunsuppressivum Rapamycin führte aber zu keiner Änderung des klinischen Verlaufs beim Menschen, wohl weil die dazu notwendigen, hohen Rapamycindosen vom Menschen nicht toleriert werden. Die einzige therapeutische Option zur Progressionsverlangsamung dieser Erkrankung bleibt unter gewissen Vorbedingungen die Hemmung der Vasopressinwirkung via Hemmung des Vasopressin-2-Rezeptors durch sogenannte «Vaptane». Dadurch wird das Wachstum der Zysten und der Wassertransport in diese gehemmt. Eine andere Modulation dieses mTOR-Stoffwechsels könnte durch Ketokörper erreicht werden. Kalorienreduktionen, ketogene Diäten und die direkte Applikation eines der Ketokörper (Beta-Hydroxy-Buttersäure) führten alle in Modellen von drei verschiedenen Tierspezies zu einer eindrücklichen Hemmung der Zystenbildung und des Zystenwachstums. Somit könnte die therapeutische Zufuhr von Ketonen eine lohnende therapeutische Strategie auch für den Menschen sein.
Baclofen (Lioresal®), ein häufig verordnetes Muskelrelaxans, kann bei einer chronischen Niereninsuffizienz eine enzephalopathische Entgleisung induzieren.
In der Verhinderung weiterer Ereignisse nach Schlaganfall oder transitorischer ischämischer Attacke (TIA) ist gemäss einer französisch/südkoreanischen Studie ein therapeutisch induzierter Zielwert für das LDL-Cholesterin von unter 1,8 mmol/l einem Zielwert zwischen 2,3 und 2,8 mmol/l überlegen.