Kurz und bündig
Journal Club

Kurz und bündig

Kurz und bündig
Ausgabe
2020/0708
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2020.08467
Swiss Med Forum. 2020;20(0708):99-102

Publiziert am 11.02.2020

Damit Sie nichts Wichtiges verpassen: unsere Auswahl der aktuellsten Publikationen.

Fokus auf … Testosteronsubstitution

Trotz nach wie vor eher dürftiger Wirksamkeitsevidenz (weder ganz klare Beweise für noch gegen einen Nutzen) publiziert das «American College of Physicians» folgende Empfehlungen für erwachsene Männer mit alters­korrigiert tiefem Testosteron:
– Testosteron zur gewünschten Steigerung sexueller Funktionen vertretbar.
– Periodische Überprüfung des Effektes (initial nach 12 Monaten, allenfalls dann absetzen).
Kein Testosteron zur Beeinflussung von Vitalität/Energielosigkeit, physischer Kraft oder kognitiven Fähigkeiten.
Aus Kostengründen sollen intramuskuläre den transdermalen Präparaten vorgezogen werden.
Ann Int Med 2020, doi.org/10.7326/M19-0882.
Verfasst am 11.01.2020.
Eine Zusammenfassung der Wirksamkeitsevidenz und der Sicherheitsaspekte von Testo­steron, die für die Diskussion mit dem Patienten hilfreich sind, wird ebenfalls mitgeliefert (Ann Int Med. 2020, doi.org/10.7326/M19-0830).

Praxisrelevant

Prävention der akuten Pankreatitis

Exzessiver, prolongierter Alkoholkonsum und Gallensteine sind die wichtigsten, aber präventiv auch schwie­rig anzugehenden Ursachen einer akuten Pankreatitis. Diese stellt eine der häufigsten gastroenterologischen Gründe für eine Notfallaufnahme dar. Da jedoch «nur» 3% alkoholkranker Patient(inn)en und 8% der Patient(inn)en mit Gallensteinen je eine Pankreatitis erleiden, stellt sich die Frage nach weiteren Auslösern. In einer grossen Population von 118 000 Dän(inn)en, erwies sich erneut ein erhöhtes Körpergewicht (Body-Mass-Index) als Risikofaktor für eine Pankreatitis. ­Somit ist wahrscheinlich auch die weltweite Zunahme der Pankreatitis miterklärt. Ein grosser Teil der ­Asso­ziation mit dem Übergewicht dürfte durch die ­be­gleitende Hypertriglyzeridämie erklärbar sein. Pathogenetisch bestehen zwei Theorien zur Pankreatitis­entstehung bei Hypertriglyzeridämie: (1) ischämisch durch Reduktion des pankreatischen Blutflusses (Chylomikronen, Hyperviskosität) oder – in einer Normalpopulation wahrscheinlicher – (2) Lipotoxizität lokal freigesetzter Fettsäuren für die azinären und duktalen Zellen des Pankreas (mit Aktivierung der Autodigestion). Ein weiterer Grund fürs Abnehmen und für die Senkung der Triglyzeride, Interventionsstudien zur Klärung bestehen jedoch nicht.
J Clin Endocrinol Metab. 2020, doi.org/10.1210/clinem/dgz059.
Verfasst am 13.01.2020.

Alkoholkarenz bei Vorhofflimmern: wirksam!

Früher wurde es das «holiday heart» genannt: Patient(inn)en, die im Anschluss an das Wochenende mit Vorhofflimmern zur Konsultation kamen. Erhöhter Alkoholkonsum wird für grob einen Drittel der Fälle von Vorhofflimmern, inklusive auch Therapieversagen/Rezidiv nach Ablation, verantwortlich gemacht. Ursächlich dürften unter anderem direkte kardiale Wirkungen und systemische Veränderungen durch Alkohol (Hypertonie, Entzündung) sowie Veränderungen der autonomen Nervenaktivität (z.B. Sympathikusaktivierung durch Alkoholmetabolite wie Azetaldehyd) wichtig sein. 70 (85% Männer) australische Patient(inn)en mit paroxysmalem oder persistierendem Vor­hofflimmern und Alkoholkonsum von mehr als 120 Gramm pro Woche (mindestens 12 Drinks) wurden zur Abstinenz animiert und mit 70 vergleichbar konsumierenden Patient(inn)en mit Vorhofflimmern ohne Abstinenz verglichen. Die Abstinenzgruppe konnte den Alkoholkonsum auf etwa ⅛ des Vorkonsums senken (von 17 auf 2 Drinks pro Woche). Die Wahrscheinlichkeit, einen Rückfall des Vorhofflimmerns zu erleiden, sank innerhalb von 14 Tagen (53% versus 73% in der Kontrollgruppe) und die Rezidive an sich wie auch die Zeitdauer mit Vorhofflimmern waren über sechs Monate deutlich seltener respektive tiefer. Also eine wirksame Intervention, allerdings mit bekannt schwieriger Umsetzung!
Alkoholkarenz ist eine wirksame Intervention bei Vorhof­flimmern, die Umsetzung ist allerdings schwierig (© ­Georgerudy | Dreamstime.com).
N Engl J Med. 2020, doi,org/10.1056/NEJMoa1817591.
Verfasst am 10.01.2020.

Fragilitätsdiagnose aus dem Routinelabor?

Eine relevante Fragilität klinisch zu erkennen, ist für die Betreuung älterer Patient(inn)en sehr wichtig. Aller­dings ist die Diagnose in der akuten Situation nicht sehr einfach und wird wahrscheinlich häufig nicht gestellt. 1750 etwa 85-jährige Patient(inn)en (55% Frauen) wurden in Rahmen von total 2552 Notfall­zuweisungen in einem Zentrum in England klinisch und labormäs­sig untersucht. Ein unter Verwendung von 27 in der Mehrzahl meist sowieso vorgenommenen Routineparametern errechneter Fragilitätsindex war in der Lage, Mortalität, Hospitalisationsdauer, Verlegung in Pflegeheime oder Rehospitalisationen zu­verlässig vorauszusagen. Die Qualität dieser Aussagen erfordert eine Baseline-Untersuchung mit diesen Parametern und schien mit derjenigen der klinischen ­Analyse vergleichbar. Ob auch Behandlungsqualität, Verlauf und allenfalls Ressourcenallokation durch ­Bestimmung, respektive Bewusstwerden verbessert werden, bleibt noch zu zeigen.
Verfasst am 06.01.2020.

Trampolin-Frakturen bei Kindern

Kurz und bündig sind die Trampolin-Eskapaden der Enkeltöchter nicht immer stressfrei zu beobachten. 95% der Trampolin-Unfälle geschehen zuhause, 50% davon sind Weichteilverletzungen, zirka 30% Frakturen mit etwa gleicher Verteilung der oberen und unteren Extremitäten, in etwa 2,5% der Fälle liegt (auch) eine traumatische Hirnschädigung vor. Die Unfälle betreffen vorwiegend acht- bis zehnjährige Kinder [1]. In den zehn Jahren zwischen 2008 und 2017 hat sich die Tendenz der zunehmenden Inzidenz von Trampolin-Frakturen ­früherer Dekaden fortgesetzt (bevölkerungskorrigierte Zunahme um 50%). Basierend auf der Beobachtung, dass die Notwendigkeit einer stationären Behandlung nicht disproportional zunahm, kann man hoffen, dass keine Tendenz zu schwereren Frakturen besteht. Allerdings verlagerte sich der Unfallort von zuhause auf Park- und Sportanlagen [2]. Konsequenz für die Unfallprävention?
Trampolin-Unfälle geschehen zunehmend in Park- und Sportanlagen – was heisst das für die Unfallprävention? (© Rozenn Leard | Dreamstime.com).
1 Acad Emerg Med. 2007, doi.org/10.1197/j.aem.2007.01.018.
2 Pediatrics 2020, doi.org/10.1542/peds.2019-0889.
Verfasst am 12.01.2020.

Für Ärztinnen und Ärzte am Spital

Was tun bei fehlender Impfantwort auf ­Hepatitis B?

Aufgrund der tiefen Prävalenz einer chronischen ­Hepatitis-B-Infektion (0,2% der Gesamtbevölkerung) kann man sich bei uns auf die Vakzinierung von Risiko­populationen, wie etwa Mitarbeiter(inn)en im Spital oder in der Praxis, beschränken. Wie soll man aber bei den an­geblich 5–30% aller Geimpften, die keine protektive Antikörperantwort aufweisen, vorgehen? 480 gesunde holländische Erwachsene, die nach einer lege artis durchgeführten Immunisierung (mit den Impfstoffen Engerix® oder HBVAVPRO®) keine protektiven Anti-HBs-Antikörper-Titer (<10 IU/l) erreichten, wurden in vier Gruppen randomisiert: Kontrolle, Revakzinierung (3 Dosen) mit HBVAVPRO®-40 oder Twinrix® oder Fendrix®. In der Kontrollgruppe erreichten immerhin 38% Titer von später >100 IU/l, dies wurde jedoch von allen drei Impfstoffen übertroffen. In dieser Population erreichten mit Fendrix® 47%, mit HBVAXPRO®-40 55% und mit Twinrix® 67% der Revakzinierten einen Titer von >100 IU/l.
Lancet Infect Dis. 2020, doi.org/10.1016/S1473-3099(19)30417-7.
Verfasst am 10.01.2020.

Neues aus der Biologie

Noch eine neue Aufgabe für Metformin?

Der therapeutische Kampf gegen Malaria ist gegen­wärtig schwierig, weil immer noch keine effektive Impfung zur Verfügung steht und die Resistenz der ­Parasiten gegen diverse Antimalarika zunimmt. Während der initialen hepatischen Phase der Malaria vermehren sich die Parasiten intrazellulär, sind relativ vor Therapieeffekten geschützt und treten dann mehr­tausendfach multipliziert in die Blutbahn über. Metformin könnte wirksam während dieser hepatischen Phase sein. Dieses Biguanid war anscheinend in den 1940ern schon in der Malariatherapie evaluiert, aber nicht weiter entwickelt worden, weil es zwar wirksam gegen die Parasitämie war, aber als Einzelsubstanz eine schnelle Resistenz induzierte. Die prophylaktische Gabe von Metformin hemmte nun bei Mäusen das in­trazelluläre Parasitenwachstum (Plasmodium falciparum) in Hepatozyten. Kann dieser Effekt auch bei tolerierbaren Metformin-Dosen beim Menschen erreicht werden? Die prophylaktische Wirksamkeit wurde potenziert durch eine konkomittierende, etablierte Malariatherapie/-prophylaxe (siehe Abbildung). Diabetes, adjuvante Therapie bei Krebserkrankungen, Förderung der Langlebigkeit und nun auch noch Malaria­prophylaxe für Metformin?
Metformin hemmte bei Mäusen das intrazelluläre Wachstum von Plasmodium falciparum ; begleitend durch ein etabliertes Malariamittel war der Effekt noch grösser. Bildquelle: Vera IM, Grilo Ruivo MT, Lemos Rocha LF, Marques S, Bhatia SN, Mota MM, Mancio-Silva L. JCI Insight. 2019;4(24). doi: 10.1172/jci.insight.127441 . © 2019, American Society for Clinical Investigation, Nachdruck mit freundlicher Genehmigung).
Verfasst am 13.01.2020.

Auch noch aufgefallen

Führen Spitalübernahmen zu schlechterer Behandlungsqualität?

Nein, laut einer US-Studie, zumindest führten diese weder zu vermehrten Rehospitalisationen noch erhöhter Mortalität, allerdings bei leicht geringerer Patientenzufriedenheit. Ein Effekt auf Prozessqualitäten konnte nicht eindeutig etabliert werden, wohl weil die übernommenen Spitäler angesichts der drohenden Übernahme ihre Prozesse bereits zu optimieren versucht hatten.
N Engl J Med. 2020, doi.org/10.1056/NEJMsa1901383.
Verfasst am 10.01.2020.

«Asymptomatischer» primärer Hyperpara­thyreoidismus und koronare Herzkrankheit

Patient(inn)en mit primärem Hyperparathyreoidismus wiesen im Vergleich zu einer normalen Kontrollpopulation signifikant mehr höhere, mittels Computertomographie gemessene sogenannte koronare Kalzifizierungsindices («coronary calcification scores») auf. Diese Beobachtung ist kompatibel mit der bekannt erhöhten kardiovaskulären Morbidität und Mortalität von Patient(inn)en mit Hyperparathyreoidismus. Eine kardiovaskuläre Risikoabschätzung sollte wohl Bestandteil der Abklärung und des Operationsentscheides sein.
Verfasst am 11.01.2020.

Das hat uns nicht gefreut

Enttäuschung bei der Verhinderung von Knochenmetastasen beim Mammakarzinom

In einer beeindruckend grossen, plazebokontrollierten Studie (je gut 2200 Patientinnen mit mindestens 5 Jahren Nachbeobachtung) vermochte eine intensive, adjuvante Denosumab-Therapie (120 mg s.c. alle 3–4 Wochen in den ersten 6 Monaten, dann alle 12 Wochen) weder das Auftreten von Skelettmetastasen zu verhindern noch das krankheitsfreie Überleben allgemein zu verlängern. Knochenmetastasen traten in beiden Gruppen etwa bei jeder sechsten Patientin auf. Siehe auch die Angaben zum Hintergrund der Studie im Anschluss (Kasten).
Verfasst am 11.01. 2020.

Hintergrundinformation zur ­Mammakarzinomstudie

Bei Patientinnen mit ossär metastasiertem Mammakarzinom führt die zusätzliche Behandlung mit einem die osteoklastäre Knochenresorption hemmenden Me­dikament zu einer Verlang­samung des Auftritts klinisch symptomatischer Komplikationen (u.a. Frakturen), mit Vorteilen für Denosumab (in der Onkologie: XGEVA®) gegenüber Zoledronat (absolut ca. 8 Monate). Der ­Effekt wird der Hemmung der metastasenassoziierten Knochenresorption, aber auch der Hemmung von tumorfördernden Wachstumsfaktoren aus dem resorbierten Knochen zugeschrieben.
Die Effekte einer adjuvanten Knochenresorptionshemmung bei Patientinnen mit frühen Stadien eines Mammakarzinoms (ohne Skelettmetastasen) sind jedoch unklar. Bisphosphonate zeigten unterschiedliche Resultate, möglicherweise (aber nur durch eine Metaanalyse suggeriert) wirken sie lediglich bei zum Zeitpunkt der Diagnose postmenopausalen Frauen.
Denosumab wird aktuell vorwiegend zur Prophylaxe der Osteoporose im Rahmen der onkologischen, hormonmodulierenden Therapie angewendet.

Und das hat uns nachdenklich gestimmt

Umweltverschmutzung und ­Demenzentwicklung

Diverse epidemiologische Studien haben eine Asso­ziation zwischen Umweltverschmutzung – spezifischer der Exposition (Dauer und Konzentration) gegenüber inhalierten Feinpartikeln von <2,5 μm – und Risiko einer Demenz (Alzheimer und andere Formen) beschrieben. Ist dabei etwas daran? Laut einer pro­spektiven Kohortenstudie mit knapp 1000 73- bis 87-jährigen Frauen (im Rahmen der «Women’s Health Initiative») wurde die umweltbedingte Exposition gegenüber diesen Partikeln mit Hirn-MRI-Befunden und einem klinischen Test auf Qualität des verbalen episodischen Gedächtnisses verglichen. Diese Gedächtnisqualität, spezifisch die Fähigkeit, sich innerhalb des ­adäquaten Kontextes an Details des täglichen Lebens aktuell oder in der Vergangenheit zu erinnern, ist ein Schlüsselsymptom zur Diagnose einer präklinischen Alzheimer-Erkranku ng. In der vorliegenden Arbeit wurde ein Kontinuum der Assoziation von verschiedenen Intensitäten der Umgebungspollution und funk­tionellen und anatomischen Hinweisen auf eine Neurotoxizität gefunden. Die Assoziation blieb signifikant auch nach Korrektur für ischämisch bedingte Hirn­erkrankungen.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Umweltverschmutzung und Demenz­entwicklung? (© Anita Patterson Peppers | Dreamstime.com).
Verfasst am 13.01.2020.
Das «Kurz und bündig» gibt es noch aktueller «online first» und neu auch als Podcast unter medicalforum.ch oder direkt unter emh.ch/podcast!