Die Klinik im Dienste der Lehre!
Was ist Ihre Diagnose und wie erklären Sie diesen Befund?

Die Klinik im Dienste der Lehre!

Editorial
Ausgabe
2020/0708
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2020.08472
Swiss Med Forum. 2020;20(0708):97-98

Affiliations
Redaktion Swiss Medical Forum

Publiziert am 11.02.2020

Nachdem in den Sondernummern 51–52/2019 und 3–4/2020 des Swiss Medical Forum die Rubrik «Der ­besondere Fall» im Mittelpunkt stand, ist die dritte Sonderausgabe dieser Serie den Rubriken «Was ist Ihre ­Diagnose?» und «Wie deuten Sie diesen Befund?» gewidmet. Die hier beheimateten Artikel sind ebenfalls Fallberichte, es handelt sich bei diesen jedoch nicht um aussergewöhnliche oder anekdotenhafte Fälle, sondern um Situationen aus dem Praxis- und Spitalalltag. So beschreiben Assistenzärzte in Weiterbildung oder Oberärzte in «Was ist Ihre Diagnose?»-Fallberichten ­Situationen, die während des diagnostischen oder ­therapeutischen Prozesses Zweifel und Fragen hervorgerufen haben. Die Rubrik «Wie deuten Sie diesen ­Befund?» wie­derum hat zum Ziel, ein Laborresultat anhand einer klinischen Vignette zu diskutieren und hinsichtlich Relevanz zu beurteilen. Den Autoren ­stehen dabei Spezialisten für Labormedizin (FAMH) beratend zur Seite.
Wir freuen uns, Ihnen in dieser Ausgabe eine Auwahl von Teaching-Fällen zu präsentieren und wünschen ­Ihnen eine spannende Lektüre!
«Ein persistierendes Fieber» von Robert et al. (S. 103) ruft uns die breite Differenzialdiagnose von verhältnismässig häufigen Infektionen bis hin zu seltenen Krankheiten in Erinnerung. Der Artikel unterstreicht zudem die Bedeutung der Knochenmarkbiopsie, wenn mehrere Blutzelllinien betroffen sind, begleitet von persistierendem Fieber ohne ersichtliche infektiöse Ursache. Eine solche Untersuchung erlaubt es uns, ­einerseits nach einer Hämopathie zu suchen, andererseits aber auch nach allfälligen Zeichen einer Hämophagozytose, etwa im Rahmen eines Makrophagen­aktivierungssyndroms (MAS). Diese Diagnose ist schwierig und erfolgt oftmals erst spät. Man muss jedoch an sie denken, wenn eine oder mehrere Blutzell­linien betroffen sind, insbesondere im Zusammenhang mit einer ausgeprägten Hyperferritinämie, einer fieberhaften Erkrankung mit Splenomegalie und einer Hypertriglyzeridämie. Der Artikel enthält auch Scores, die uns helfen sollen, diese Dia­gnose nicht zu ver­passen.
Der korrekten Interpretation von Testresultaten kommt eine zentrale Bedeutung für die klinische Dia­gnose zu. Der Fall von Kohli Ribero et al. (S. 106) führt uns vor ­Augen, dass die Differenzialdiagnose – ungeachtet dessen, dass die neuen hochsensitiven Troponin-Tests spezifischer für den Herzmuskel sind – breit gefächert bleiben muss. Ausser dem klassischen akuten Koronarsyndrom kann auch jede Überlastung des Herzmuskels zu einem Troponin-Anstieg führen, zum Beispiel eine Tachyarrhythmie, hypertensive Krise oder Myokarditis. Aber man darf auch extrakardiale Erkrankungen nicht ausser Acht lassen, wobei es sich hier um klassische Situationen handelt, die zu einer Überlastung des Herzmuskels führen, wie beispielsweise eine Lungenembolie oder ein septischer Zustand. Seltener findet sich eine solche Troponin-­Erhöhung auch bei chronischem Nierenversagen und Myopathien wie im vor­liegenden Fall beschrieben.
In einem klassischeren Kontext berichten Payot et al. (S. 110) über die Präsentation und Diagnostik eines Karzinoidsyndroms, das man auch dann erkennen muss, wenn es sich atypisch manifestiert. In diesem Fall war das Hauptproblem des Patienten ein Verwirrungszustand mit zeitweiser Desorientierung und zusammenhangslosen Äusserungen, begleitet von produktivem Husten und einer Verschlimmerung der chronischen Diarrhoe. Nach Ausschluss einer infektiösen Ursache legen die Autoren das Augenmerk auf die diagnostischen Tests und die Behandlung dieses Syndroms.
In «Eine häufige Viruserkrankung mit möglichen schweren Komplikationen» präsentieren Galland et al. (S. 114) einen Überblick über die Differenzialdiagnose von ­Läsionen, denen man in der klinischen Praxis häufig ­begegnet. Dabei fassen sie die Unterschiede zwischen den möglichen Ätiologien im Hinblick auf ­Klinik, Pathophysiologie und Untersuchungen kompetent zusammen.
Salamin et al. beschreiben in ihrem Artikel (S. 119) die klinische Präsentation einer Krankheit, die immer schwer zu erkennen ist, besonders wenn sie in Form ­einer Unterkieferschwellung auftritt: Auch wenn die Sarkoidose eine multifaktorielle, systemische Krankheit ist und häufig die Lungen betrifft, kann sie auch andere Organe und insbesondere die Parotis befallen, wie uns die Autoren zeigen. Der Artikel enthält eine sehr nützliche Übersicht über die extrapulmonalen ­Läsionen der Sarkoidose und ihre Prävalenz.
«Plötzlich hörte sie Stimmen» von Robert et coll. (S. 122) stellt uns eine unerwünschte Wirkung vor, die bei bis zu einem Drittel der mit Ifosfamid behandelten Patientinnen und Patienten auftreten kann, und bietet eine interessante Diskussion der Behandlung. Ifosfamid ist ein Zytostatikum aus der Gruppe der Oxazaphosphorine, ein Stickstofflost-Derivat und Cyclophosphamid-Analogon und kann neurotoxisch wirken. Die Toxi­zität kann sich durch mehrere Symptome äussern, insbesondere durch Vigilanz- und seltener durch psychotische Störungen. Es sei darauf hingewiesen, dass die Neurotoxizität von Ifosfamid dosisabhängig zu sein scheint und nach mehreren Behandlungszyklen ohne Ereignis erneut auftreten kann.
Und zum Abschluss wird ein Beispiel aus der Labormedizin diskutiert: «Gammopathie oder nicht?» – eine wichtige Frage, die von Cisarovsky et al. (S. 126) erörtert wird. Der Fall betrifft eine monoklonale Gammopathie mit ungewöhnlicher Serumelektrophorese bei einem Patienten, bei dem bereits mehrere Diagnosen gestellt wurden. Bei dieser Gelegenheit verweisen die Autoren auf das normale Aussehen eines Elektrophoresebefunds mit seinen sechs Hauptspitzen, sie beschreiben die Grenzen der Immunsubtraktions- und Immunfixationselektrophorese und unterstreichen, dass man für eine optimale Interpretation bei der Beantragung des Tests im Labor unbedingt die Indikation erwähnen sollte.
Die Erstellung dieser Fallpräsentationen ist für die ­Autorinnen und Autoren mit Sicherheit eine sinnvolle Übung. Sie sind oftmals junge Assistenzärztinnen und -ärzte, für die das Einreichen und Überarbeiten von ­Artikeln eine neue Erfahrung ist. Wir hoffen, dass ­dieser auf klinischen Fällen beruhende pädagogische Ansatz nicht nur bei den Autorinnen und Autoren, sondern auch bei den Leserinnen und Lesern des Swiss Medical Forum Anklang findet!