Akute Appendizitis mit sonographischem Appendikolith-Nachweis
Stellenwert der Sonographie auf dem Notfall

Akute Appendizitis mit sonographischem Appendikolith-Nachweis

Coup d'œil 1
Ausgabe
2020/4344
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2020.08538
Swiss Med Forum. 2020;20(4344):623-624

Affiliations
Interdisziplinäre Notfallstation, Klinik für Innere Medizin, Kantonsspital Nidwalden, Stans

Publiziert am 20.10.2020

Ein 36-jähriger, sonst gesunder Patient berichtete auf der Notfallstation über seit vier Tagen bestehende, konstante Schmerzen im Mittelbauch. Seit dem Vortag sei der Schmerz in den rechten Unterbauch «gewandert».

Fallbeschreibung

Der 36-jährige, ansonsten gesunde Patient berichtete auf unserer Notfallstation über seit vier Tagen bestehende, konstante Schmerzen im Mittelbauch. Seit dem Vortag sei der Schmerz nun in den rechten Unterbauch «gewandert».
Im Status fand sich ein Patient in schmerzbedingt leicht reduziertem Allgemeinzustand, Körpertempe­ratur 37,4 °C, normoton und normokard. Die klinische Untersuchung des Abdomens ergab normale Darmgeräusche, eine Abwehrspannung mit Druck- und Loslassschmerz im rechten unteren Quadranten sowie ­einen gekreuzten Losslass- (Blumberg-Zeichen) und Rüttelschmerz.
In den Laboruntersuchungen fiel eine Leukozytose von 11,0 G/l und ein CRP von 39 mg/l auf.
Mittels Abdomensonographie konnte das Zökum mit dem Abgang der verdickten Appendix vermiformis und den typischen Zeichen einer akuten Appendizitis (blind endende, tubuläre Struktur mit geschichteterund verdickter Wand, aus dem Zökum entspringend, ohne eigene Peristaltik, nicht komprimierbar, zirkuläre Flüssigkeitsansammlung) dargestellt werden. Zum anderen fand sich ein schallschattengebendes, proximales Konkrement innerhalb der Wurmfortsatzes im Sinne eines Appendikolithen (Abb. 1).
Abbildung 1: A) Längsschnitt der Appendix vermiformis mit Basis und Übergang ins Zökum links und blindem Ende rechts, am linken Bildrand Schallreflex und dorsaler Schallschatten als Hinweise für Appendikolithen (Pfeil). B) Entzündliche Veränderungen der Appendix im Querschnitt mit vergrössertem Durchmesser (Norm: <6 mm), Kokardenphänomen und zirkulärer Flüssigkeitsansammlung um das Organ.
Es wurde der dringende Verdacht auf eine akute Appendi­zitis gestellt und gleichentags eine komplika­tionslose laparoskopische Appendektomie durchgeführt. Es zeigte sich sowohl intraoperativ/makroskopisch und später auch histologisch die Bestätigung einer akuten ulzero-phlegmonösen Appendizitis und Periappendizitis mit einem nachweisbaren Appendikolithen (Abb. 2). Der Patient konnte bei komplikations­losem Verlauf am zweiten postopera­tiven Tag entlassen werden.
Abbildung 2: Makroskopisches Präparat der ektomierten ­Appendix vermiformis, längs inzidiert mit Darstellung des Appendikolithen (weisser Pfeil; vergrösserte Darstellung in der Box unten links).

Diskussion

Bei diesem jungen und ansonsten gesunden Patienten war aufgrund der typischen Anamnese und Klinik ­sowie dem passenden Labor bereits vor Durchführung der Bildgebung (Sonographie) von einer hohen Wahrscheinlichkeit für eine akute Appendizitis auszugehen. Dies verdeutlicht der von uns berechnete Alvarado-Score von 7/10 Punkten. Er kann aus acht Parametern aus Klinik und Labor erhoben werden und gilt als guter Prädiktor für das Vorhandensein einer akuten Appendizitis [1], hat aber nach unserer Erfahrung im klinischen Alltag nur einen geringen Stellenwert.
Unser Fallbericht zeigt, dass dank der Zuhilfenahme von geeigneter Bildgebung (in diesem Falle Sonographie) die akkurate Diagnose treffsicher gestellt werden konnte. Die Zuhilfenahme von Bildgebung ermöglicht eine Minimierung von nicht therapeutischen Opera­tionen und die sogenannte negative Appendektomierate, kurz NAR, wird bedeutend minimiert. Mit Bild­gebung sind hierbei vorrangig die Modalitäten Sonographie und Computertomographie (CT) gemeint. [2].
In unserem Falle konnte auf eine CT verzichtet werden, was dem Patienten Röntgenstrahlung und Kontrastmittelapplikation sowie insgesamt Kosten ­einsparte und Ressourcen schonte. Generell ist zu beachten, dass die CT gegenüber anderen Modalitäten (Sonographie, Magnetresonanztomographie) die höchste diagnostische Treffsicherheit («accuracy») sowie auch die tiefste Rate nicht konklusiver Untersuchungen («nondia­gnostic exam») aufweist. [3]
Demgegenüber stellt die Sonographie eine einfach ­verfügbare, kostengünstige und für den Patienten ­ungefährliche Alternative dar. Ausserdem ist die Unter­suchung unkompliziert und schnell. Überdies existieren, wie der Fall zeigt, klare und verlässliche bildgeberische Kriterien zur sonographischen Diagnostik einer akuten Appendizitis. Die Abdomensonographie kann auch zum Etablieren einer alternativen Diagnose helfen. Eine negative sonographische Untersuchung schliesst eine akute Appendizitis jedoch nicht aus. Ein weiterer Nachteil der Sonographie ist die Abhängigkeit von der Erfahrung des Untersuchers. Auch sind gegenüber der CT schlechtere diagnostische ­Raten bei Vorliegen einer perforierten Appendizitis zu erwarten [4].
Bei den sogenannten Appendikolithen handelt es sich um eine Unterart der Fäkolithen oder Kotsteine, die wie andere Kotsteine Konglomerate aus eingedicktem fäkalem Material und anorganischen Salzen sind. Das Vorliegen eines solchen Steins begünstigt eine Verlegung des Appendixlumens. Dies führt zu Schleimhaut­irritation, Ausdehnung der Appendixwand und somit Schmerzen. Dazu kommt es zu einer Ansammlung von Bakterien. Fäkolithen generell stellen die häufigste Ursache für Obstruktionen der Appendix dar und konnten bei 11–52% der Patienten mit akuter Appendizitis nachgewiesen werden. Appendikolithen können computertomographisch dargestellt werden und bei der Diagnostik einer akuten Appendizitis als Hinweis dienen. In der Sonographie imponieren Appendikolithen als heller, echogener Fokus mit distaler Schallaus­löschung. Die Darstellung eines Appendikolithen ist stark mit einer korrekten Diagnose einer akuten Appendizitis und somit hoher diagnostischer Treffsicherheit verbunden [4].

Fazit

Aufgrund des geschilderten Falles und der erwähnten Studien sollte bei der diagnostischen Routine bei ­Verdacht auf Appendizitis zuerst die Wahrscheinlichkeit der Diagnose evaluiert werden (Anamnese, Klinik, Labor, Alvarado-Score). Bei guter Verfügbarkeit ist ­primär eine Abdomensonographie anzustreben. Bei nicht diagnostischem Befund ist, falls verfügbar, eine CT empfohlen. Eine diagnostische Laparoskopie ohne konklusive Bildgebung ist gemäss Richtlinien bei nicht konklusiver Sonographie und Nichtverfügbarkeit der CT empfohlen, wenn der Alvarado-Score mehr als 6 beträgt sowie in jedem Fall bei ­einem Alvarado-Score von 9 oder mehr bei Männern respektive von 10 bei Frauen. Bei jüngeren Patienten oder Schwangeren kann ein Abweichen von diesem Algorithmus erwogen werden. [1, 5]
Die Autoren danken Herrn Dr. med. Matthias Strebel, Co-Chefarzt Allgemeine und viszerale Chirurgie, Kantonsspital Nidwalden, Stans, herzlich für das sorgfältige Durchlesen des Manuskripts und seine wertvollen Hinweise.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Peter Hayoz, M Med
Klinik für Innere Medizin
Kantonsspital Nidwalden
Ennetmooserstrasse 19
CH-6370 Stans
peter.hayoz[at]ksnw.ch
1 Coleman JJ. The Alvarado score should be used to reduce emergency department length of stay and radiation exposure in select patients with abdominal pain. J Trauma Acute Care Surg. 2018;84(6):946–50.
2 Drake FT. Progress in the diagnosis of appendicitis: a report from Washington State’s Surgical Care and Outcomes Assessment Program. Ann Surg. 2012;256(4):586–94.
3 Smith MP. ACR Appropriateness Criteria® Right Lower Quadrant Pain – Suspected Appendicitis. Ultrasound Q. 2015;31(2):85–91.
4 Birnbaum BA. Appendicitis at the millennium. Radiology. 2000;215(2):337–48.
5 Algorithm: Diagnostic evaluation of suspected appendicitis. © 2019 UpToDate, Inc. and/or its affiliates. All Rights Reserved.