Teil 1: Übersicht Hepatitis B und C sowie ­Hepatitis C im Fokus
Update Virushepatitis B und C: Der Beitrag der Schweiz zur ­weltweiten Krankheitselimination

Teil 1: Übersicht Hepatitis B und C sowie ­Hepatitis C im Fokus

Übersichtsartikel
Ausgabe
2020/4344
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2020.08572
Swiss Med Forum. 2020;20(4344):597-601

Affiliations
a Medizinische Klinik, Luzerner Kantonsspital Sursee, Luzern; b Gastroenterologie, Luzerner Kantonsspital Sursee, Luzern

Publiziert am 20.10.2020

Die chronischen Virushepatitiden B und C sind mit rund 1,3 Mio. Todesfällen jährlich weltweit die gefährlichsten chronischen Infektionskrankheiten trotz effektiver Hepatitis-B-Virus-Impfung und wirksamer antiviraler Substanzen.

Die Hepatitis-B-Virus-(HBV-) und die Hepatitis-C-Virus-(HCV-)Infektion haben vieles gemeinsam, sodass in vorliegendem ersten Teil dieses Updates zunächst beide Infektionen zusammen sowie das HCV separat vorgestellt werden und in Teil 21 des Beitrags schliesslich das HBV im Speziellen behandelt wird. In Tabelle. 1 sind die beiden Infektionen in Form einer Vergleichsübersicht dargstellt.
Tabelle 1: Virushepatitden B und C im Vergleich.
 Hepatitis BHepatitis C
GenomDNARNA
Welt: Prävalenz3,5%1,0%
Schweiz: Prävalenz0,5%0,5%
Schweiz: Erstdiagnosenca. 1300/Jahrca. 1300/Jahr
Schweiz: Akute Hepatitisca. 40/Jahrca. 40/Jahr
Häufigster InfektionsmodusSexuell, Mutter-Kindi.v. Drogen, MSM
Diagnoserate bei akuter Infektion35%15%
Chronizitätsrisiko5% (<1 Jahr: 90%)75%
Screening (Serum)anti-HBc (HBs)anti-HCV
LeberabklärungLabor, US, LeberbiopsieLabor, US, Leberbiopsie
ImpfungJaNein
Therapieindikation30%>95%
TherapieerfolgKontrolleHeilung
Therapiekosten (CHF)3000–6100/Jahr27 000–60 000 einmalig
TherapiedauerUnlimitiert8–12 Wochen
KomplikationenLeberzirrhose, HCCLeberzirrhose, HCC
HCC-Risiko ohne ZirrhoseRelevantNur bei Fibrose Grad 3–4
DNA: Desoxyribonukleinsäure; RNA: Ribonukleinsäure; MSM: «men who have sex with men»; HBc: HBV core; HBs: HBV surface; US: Ultraschall; HCC: hepatozelluläres Karzinom.

Hepatitis B und C

Grosse wissenschaftliche Fortschritte

Die HCV-Infektion kann neu durch direkt wirksame antivirale Medikamente zuverlässig geheilt werden [1–3]. Das HBV hingegen ist «komplex» und «aggressiv», was die Entwicklung von kurativen HBV-Medikamenten erschwert.

WHO-Ziel: weltweite Krankheitselimination

Die HBV- und HCV-Infektionen sind die gefährlichsten chronischen Infektionskrankheiten mit einer Mortalität, die höher ist als bei Malaria, Tuberkulose oder HIV. 40% der Weltbevölkerung zeigen serologisch einen Kontakt mit dem HBV. Weltweit leiden 3,5% an einer chronischen HBV- und 1% an einer chronischen HCV-Infektion [1, 2]. Die chronischen Virushepatitiden finden sich vor allem in den Entwicklungs- und Schwellenländern (Asien, Mittlerer Osten, Afrika und Teile Amerikas) [1–5].
Gemäss Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollen bis 2030 die jährlichen Todesfälle um 65% und die Neuinfektionen um 90% reduziert werden [4, 5]. 2015 betrug die Zahl jährlicher Todesfälle infolge HBV 884 000 und infolge HCV 400 000; die Anzahl Neuinfektionen lag bei 4,7 Mio. für HBV und 1,75 Mio. für HCV. Weltweit wissen nur 9% aller HBV- und 20% aller HCV-Infizierten von ihrer Diagnose [5, 6]. Die Therapieraten der Infizierten betragen aktuell lediglich 8% beim HBV und 7% beim HCV. Das WHO-Ziel ist nur durch eine deutliche Steigerung der HBV-Impfungsrate von rund 15 auf 80% sowie eine Steigerung der Diagnoseraten von >80% für das HBV und HCV und eine Therapierate von >80% für das HCV zu erreichen [4, 5]. Da diese Erfolge allerdings vor allem in einem schwierigen Umfeld wie im Drogenmilieu und in Entwicklungs-/Schwellenländern erzielt werden müssen, bleibt das WHO-Ziel eine grosse Herausforderung.

Epidemiologie und Krankheitselimination in der Schweiz

In der Schweiz sind rund 44 000 Personen mit dem HBV und rund 40 000 mit dem HCV aktiv (virämisch) infiziert. Die akuten HBV- und HCV-Infektionen haben in den letzten Jahren deutlich abgenommen, sodass aktuell nur noch rund je 40 neue HBV- und HCV-Fälle pro Jahr auftreten. Zusätzlich werden jährlich rund je 300 nicht akute HBV- und nicht akute HCV-Infektionen gemeldet (Männer > Frauen). Die HBV-Prävalenz bleibt trotz Erfolgen in der Schweiz aufgrund der Immigration stabil. Seit 2014 wurden >8000 HCV-Patienten erfolgreich ­antiviral therapiert. Die HCV-Prävalenz zeigt deshalb eine fallende Tendenz ([6–8] sowie Bundesamt für Gesundheit [BAG]: Hepatitis B [9] und C [10]). Die Schweiz beteiligt sich aktiv an der welt­weiten Eliminationsstrategie der chronischen Hepatitis und zeigt dabei eine Vorreiterrolle (siehe www.hepatitis-schweiz.ch/de/).

Infektionswege

HBV und HCV werden vor allem durch ungeschützten Geschlechtsverkehr und im Drogenmilieu übertragen (bei HBV: heterosexuell > homosexuell > i.v. Drogen; bei HCV: i.v. Drogen > homosexuell [MSM] und speziell, falls HIV-positiv). Die heterosexuelle (und weibliche homosexuelle) Übertragung von HCV ist extrem selten (stabilen Paaren wird keine Barriere-Prophylaxe angeraten) [1–4]. In HBV-Hochprävalenzländern ist die vertikale Mutter-Kind-Übertragung der häufigste Infektionsweg [3–5].
Empfehlungen für Safer-Sex-Regeln und Optimierung der Hygiene im Drogenmilieu sind sehr wichtig. Speziell von Bedeutung ist der Gebrauch von sterilen Nadeln im Drogenmilieu. Dies kann durch unkomplizierte Abgabe von sterilen Nadel durch den Staat oder durch verschiedene Hilfsorganisationen für Drogensüchtige unterstützt werden. Die Identifizierung und Therapie der Infizierten ist eine verstärkt epidemiologisch wirksame Massnahme [1–8]. Ein Screening aller Risikopersonen für die HBV- und HCV-Infektion ist entscheidend (Tab. 2).
Tabelle 2: Indikationen für ein HBV- und HCV-Screening.
Erhöhte Leberwerte
Leberzirrhose/Leberfibrose
Hepatozelluläres Karzinom (HCC)
Drogenkonsum (aktiv oder ehemalig)
HBV-, HCV- oder HIV-Infektion
Migrationshintergrund (Hochprävalenzländer)
Reisende von Hochprävalenzländer
Blutprodukte vor 1992 erhalten
Hämodialyse Patienten
Kinder von HBV- oder HCV-positiven Müttern
Kontaktpersonen von HBV- oder HCV-Infizierten
Homosexuelle Männer
Sexarbeiter/innen und Promiskuität
Gefängnisinsassen sowie Gefängnispersonal
Psychiatrische Anstalt
Transplantationsempfänger/-spender
Vor Chemotherapie und Immunsuppression
Medizinalpersonen
Personen nach Nadelstichverletzungen
Schwangere (1. Trimenon)
HBV: Hepatitis-B-Virus; HCV: Hepatitis-C-Virus; HIV: humanes Immundefizienzvirus.

Akute Hepatitis

Alle Virushepatitiden können mild oder asymptomatisch verlaufen. Im Erwachsenenalter verlaufen die Hepatitis A in <10%, die Hepatitis B in rund 65%, die Hepatitis C in rund 85% und die Hepatitis E in rund 90% asymptomatisch (oder unspezifisch symptomatisch). Die HBV-Übertragung von Mutter auf Kind verläuft asymptomatisch. In symptomatischen Fällen können Fieber, Unwohlsein, Appetitlosigkeit, Ikterus, heller Stuhl, dunkler Urin, erhöhte Lebertransaminasen sowie laborchemische Cholestasezeichen auftreten. Zudem sind extrahepatische Manifestationen wie Arthralgien und Exantheme sowie diverse Organ­erkrankungen wie beispielsweise Glomerulonephritis und Vaskulitis (typisch für HBV und HCV) oder diverse neurologische Manifestationen (typisch für Hepatitis E) möglich. Eine fulminante Virushepatitis mit akutem Leberversagen (gelegentlich mit Akut-­Lebertransplantation) ist selten: Rund 0,3% für Hepatitis A, rund 0,5% für Hepatitis B, sehr selten für Hepatitis C und rund 1–3% für Hepatitis E (%-Angaben gelten für symptomatische Fälle) [1–4].
Bei akuter Hepatitis müssen serologisch die Hepatitisviren A (Anti-Hepatitis-A-Virus-IgM), B (HBs und Anti-HBc-IgM), C (Antigen) und E (Antikörper und HEV-PCR) gesucht werden.
Beim HBV tritt beim Erwachsen in 95% eine funktionelle Heilung auf, die durch eine HBs-Serokonversion (mit anti-HBs >10 IU/ml und HBs-Verlust) charakterisiert ist. Die Gefahr der Chronifizierung mit HBs-Persistenz hängt vom Alter bei der Erstinfektion ab (90% bei 0–1 Jahr, 30% bei 1–4 Jahre und 5% >4 Jahre) [1–4]. Bei Verdacht auf eine akute HCV-Infektion muss das HCV-Antigen gesucht werden. Die Anti-HCV-Antikörper werden erst im Verlauf positiv. Die HCV-Infektion wird in 75% chronisch, was durch den HCV-Antigen-Nachweis (nach 6 Monaten) dokumentiert wird. Bei der akuten HBV-Hepatitis ist eine antivirale Therapie selten, bei der HCV-Hepatitis sehr selten indiziert [1–4].

Screening

In der Schweiz haben rund 30–50% der Betroffenen keine Kenntnis über ihre Diagnose. Ein Screening sollte somit für alle Personen mit erhöhtem HBV- oder HCV-Infektions- oder -Krankheitsrisiko erfolgen (Tab. 2). Die Risikopopulationen für HBV und HCV sind ähnlich. Das HBV-Screening erfolgt mit der Anti-HBc-Bestimmung (ca. 20 CHF), wobei bei positivem Befund das HBs nachverordnet werden sollte [3]. Geht es nur um den Nachweis einer chronischen HBV-Infektion (zum Beispiel Schwangerschaft), genügt die HBs-Bestimmung (ca. 20 CHF). Bei unklarer HBV-Impfsituation kann anti-HBs quantitativ bestimmt werden.
Das HCV-Screening für die chronische HCV-Infektion erfolgt mit anti-HCV und bei positivem Befund mit einer HCV-Antigen-Bestimmung (HCV-core-Antigen oder HCV-RNA-PCR). Die HCV-core-Antigen-Bestimmung ist schneller und billiger (ca. 25 CHF) als die HCV-RNA-Bestimmung (PCR ca. CHF 180). Bei nachgewiesener HBV- oder HCV-Infektion wird die serologische Diagnostik vervollständigt. Zudem erfolgt eine hepatologische ­Diagnostik. Vor einer antiviralen HCV-Therapie werden meistens eine quantitative HCV-RNA-Bestimmung (PCR) und Genotypisierung durchgeführt [1–4].

Komplikationen

Neben Alkohol und Steatohepatitis sind die HBV- und HCV-Infektionen die wichtigsten Ursachen für die Leberzirrhose. Rund 20% der Patienten mit HBV-Hepatitis und rund 15–20% mit HCV-Hepatitis entwickeln (über rund 20 Jahre) eine Leberzirrhose (Abb. 1). Die Progression zur Zirrhose ist abhängig von Virustyp (HBV > HCV), Herkunftsland (hohe HBV-Prävalenz ungünstig), Geschlecht (Mann ungünstig), doppelter Virusbelastung (HBV/HCV, HBV/Hepatitis Deltavirus [HDV], HBV/HIV und HCV/HIV) oder doppelter Leberbelastung (z.B. Alkohol oder Adipositas) [1–4].
Bei fehlenden Risikofaktoren liegt das Leberzirrhose­risiko (über rund 20 Jahre) <5%, kann aber bei mehreren Risikofaktoren >50% ansteigen. Die HBV- und HCV-Infektionen können sich chronisch auch extrahepatisch manifestieren, beispielsweise als Vaskulitis, Glomerulonephritis, Sjögren-Syndrom oder nichtde­struktive seronegative Polyarthritiden. Die HBV- oder HCV-Infektion gilt als Risikofaktor für diverse internistische Krankheiten wie Diabetes mellitus, koronare Herzkrankheit, Non-Hodgkin-Lymphome und Hautkrankheiten (z.B. Lichen planus) und können die Lebensqualität durch Depressionen (speziell HCV), Müdigkeit, Kopfschmerzen und diverse weitere unspezifische Symptome reduzieren [1–4].
Abbildung 1: Krankheitsmanifestationen der chronische HBV- und HCV-Infektion. Das Hepatitis-B-Virus (HBV) verursacht in rund 70% keine Hepatitis und zeigt dann selten eine Progression in eine Leberzirrhose. In 30% liegt eine HBV-Hepatitis vor, die in rund 20% in 20 Jahren in eine Leberzirrhose übergehen kann. Das Hepatitis-C-Virus (HCV) verursacht in 80% eine Hepatitis, die in rund 15–20% nach vielen Jahren in eine Leberzirrhose übergehen kann. Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) entwickelt sich am häufigsten aus einer Leberzirrhose oder fortgeschrittener Leberfibrose. Beim HBV – aber nicht beim HCV – kann ein HCC auch ohne Hepatitis oder Leberfibrose entstehen. Die Krankheitsprogression zur Leberzirrhose und zum HCC wird stark durch den Wirt und diverse Kofaktoren bestimmt.

Leberabklärung

Beim Nachweis einer akuten oder chronischen HBV- oder HCV-Infektion muss immer eine zusätzliche Leberabklärung erfolgen. Der Leberentzündungs- und Fibrosegrad sowie das Vorliegen einer Leberzirrhose (mit oder ohne portale Hypertension) müssen objektiviert werden. Zudem müssen zusätzliche Leberkrankheiten und ein hepatozelluläres Karzinom (HCC) gesucht werden. Wichtig sind vor allem alkohol- und fettleberassoziierte Erkrankungen, Hämochromatose, autoimmune Hepatitis und primär biliäre Cholangitis.
Die Leberentzündung wird meist laborchemisch ­(Alanin-Aminotransferase [ALT] etc.) und selten histologisch (Aktivitätsgrad 0–4) quantifiziert. Leberfibrose oder Leberzirrhose werden laborchemisch (Leberwerte, INR, Albumin und Thrombozyten: diverse ­Leberfibrose-Scores) und/oder mit Ultraschall, Elasto­graphie sowie Leberbiopsie gesucht. Der Fibrosegrad kann mit dem standardisierten Fibroscan-Gerät oder anderen speziellen Ultraschallgeräten in Fibrosegrade 0–4 quantifiziert werden. Der Goldstandard bleibt die Leberbiopsie [1–4].

HCC-Screening

Rund 70% aller HCC sind Folge einer HBV- oder HCV­Infektion. Der Hauptrisikofaktor für ein HCC ist die Leberzirrhose, sodass alle Zirrhosepatienten ein HCC-Screening benötigen. Das HCC-Screening wird alle sechs Monate mittels Lebersonographie durchgeführt. HCV-Patienten ohne Leberzirrhose, aber mit Leber­fibrose F3/F4 benötigen ebenfalls ein HCC-Screening (siehe https://sasl.unibas.ch/6SASLguidelines.php).
HBV-Patienten können allerdings auch ohne Leber­fibrose/Leberzirrhose ein HCC entwickeln. Die wichtigsten HCC-Risikofaktoren sind: Alter, Herkunft (HBV-Hochprävalenzländer), hohe HBV-DNA-Werte (z.B. >6 log UI/ml), HBe-Positivität, positive HCC-Familien­anamnese, Genotyp C, Doppelinfektionen HBV-HDV oder HBV-HIV oder hepatologischer Doppelschaden (z.B. plus Alkohol oder Adipositas). Das individuelle ­Risiko kann gemäss Scores errechnet werden.
HBV-Patienten mit folgenden Kriterien sollten ein HCC-Screening erhalten: (1.) Leberzirrhose, (2.) Hepatitis ­(pathologische ALT), (3.) HBV-DNA >20 000 IU/ml, (4.) relevante positive Familienanamnese für HCC, (5.) Personen afrikanischer oder afroamerikanischer Herkunft >20 Jahre, (6.) asiatische Männer >40 Jahre und (7.) asiatische Frauen >50 Jahre. Patienten mit Child-C-Zirrhose ohne Option für eine Lebertransplantation sollten kein HCC-Screening erhalten [1–4].

Hepatitis C im Fokus

Therapieindikation

Die HCV-Infektion kann neu durch direkt wirksame antivirale Medikamente zuverlässig geheilt werden. Die Therapieindikation ist fast immer gegeben (Ausnahme: kurze Lebenserwartung). Die HCV-Therapie eliminiert das Risiko für Leberzirrhose und HCC, extrahepatischen Manifestationen, den Risikofaktor für internistische Krankheiten, die Infektionsgefahr, die Notwendigkeit von Nachkontrollen und verbessert deutlich die Lebensqualität und Mortalität [1–3].

Einteilung der antiviralen Medikamente

Die Therapie der HCV-Infektion ist eine medizinische Erfolgsgeschichte. Die Medikamente blockieren die Virusvermehrung an folgenden drei Stellen: proteolytische Spaltung des viralen Polyproteins durch NS3/4A-Protease-Inhibitoren («-previr»), Synthese der viralen RNA durch NS5A-Inhibitoren («-asvir») und Virusreplikation durch NS5B-Polymerase-Inhibitoren («-buvir») [1–3] (Tab. 3).

Verschiedene Medikamentengenerationen

Die antiviralen Substanzen der «ersten» Generation wurden bald abgelöst. Die Therapiekombinationen der «zweiten» Generation wurden um 2014 eingeführt und hatten die HCV-Therapie mit Erfolgsraten über 95% revolutioniert. Sie zeigten allerdings eine unterschiedliche Wirksamkeit gegenüber den verschiedenen Genotypen 1–4 (In der Schweiz: Genotyp 1: 50–55%, Typ 2: 10%, Typ 3: 30% und Typ 4: 10–15%, Typen 5–8 sehr selten). Die Medikamente der aktuellen «dritten» Generation wirken neu pangenotypisch. Bei therapieerfahrenen Patienten können Resistenzen vorliegen und eine dreifach antivirale Kombinationstherapie erforderlich machen. Erfreulicherweise sind auch Zweittherapien meist ebenfalls erfolgreich (praktisch keine Therapieresistenz). Nebenwirkungen (Kopfschmerzen und Müdigkeit) sind selten, Therapieabbrüche noch seltener [1–3].

Auswahl der antiviralen Medikamente

Folgende drei Informationen sind vor einer Therapie wichtig: (1.) Vorliegen einer Leberzirrhose, (2.) therapienaive oder -erfahrene Situation und (3.) Genotyp. Die Bedeutung der Genotypisierung hat aufgrund der heute pangenotypisch wirksamen Medikamente abgenommen. Therapienaive Patienten werden entweder mit den pangenotypisch wirksamen Medikamenten Epclusa® oder Maviret® oder dem beim Genotyp 1 und 4 wirksamen Zepatier® oder dem beim Genotyp 1 wirksamen Medikament Harvoni® therapiert (Tab. 3). Die Therapiedauer beträgt 8–12 Wochen. Eine Therapie­dauer von 8 Wochen ist mit Maviret® meistens möglich. Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose werden mit Epclusa® für 12 Wochen therapiert. Therapieerfahrene Patienten werden aktuell mit der Dreifach-Wirkstoffkombination Vosevi® für 12 Wochen behandelt.
Tabelle 3: Antivirale Hepatitis-C-Virus-Medikamente.
HandelsnameNS3/4A-Protease-­Inhibitoren («-previr»)NS5A-Inhibitoren («-asvir»)NS5B-Inhibitoren («-buvir»)Therapiedauer ­(Wochen)Bemerkungen
Epclusa® VelpastasvirSofosbuvir12Alle Genotypen
Maviret®GlecaprevirPibrentasvir 8 (12 bei Zirrhose)Alle Genotypen
Vosevi®VoxaliprevirVelpatasvirSofosbuvir12Alle Genotypen
Harvoni® LedipasvirSofosbuvir8–12 (12 bei Zirrhose)Genotyp 1
Zepatier®GrazoprevirElbasvir 12Genotyp 1 und 4
Die Therapiekosten betragen rund 30 000 CHF; das Reservemedikament Vosevi® kostet rund 60 000 CHF. Die antivirale Therapie kostet in gewissen Ländern wie Ägypten und Indien 100-fach weniger (50 bis 200 CHF!). Die aktuellen Therapieempfehlungen der «Swiss Association for the Study oft the Liver» finden sich unter: https://sasl.unibas.ch/6SASLguidelines.php. Die Verschreibung der antiviralen Medikamente gegen HCV darf ausschliesslich durch Fachärzte für Gastroenterologie, Infektiologie und ausgewählte Ärzte mit Erfahrung in Suchtmedizin erfolgen [1–3, 8].

Kontrollen bei der HCV-Therapie

12 Wochen nach Therapieabschluss wird nach HCV-RNA gesucht. Bei fehlendem HCV-Nachweis liegt eine «sustained virological response» vor und der Patient gilt als geheilt. Rezidive kommen sehr selten vor. In der Praxis werden zur Kontrolle der Medikamenteneinnahme und -wirksamkeit üblicherweise die Leberwerte und das HCV-RNA nach 4, 8 und 12 Wochen quantitativ gemessen, wobei HCV-RNA unter Therapie selten nachgewiesen werden kann. Patienten mit ausgeheilter HCV-Infektion und fehlender Leberzirrhose / fortgeschrittener Leberfibrose können aus der hepatologischen Betreuung entlassen werden [1–3].

HCV und Lebertransplantation

Bei kompensierter Leberzirrhose sollte die Therapie frühzeitig durchgeführt werden, da sich die Leberfunktion dadurch bessern kann. Bei dekompensierter Leberzirrhose sind die HCV-Protease-Inhibitoren kon­traindiziert. Deshalb sollten Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose (MELD-Score >20) mit anstehender Lebertransplantation besser nach der Transplantation antiviral therapiert werden (hohe Therapieerfolgsraten auch nach der Lebertransplantation) [1–3].

HCV-Reinfektion

Das HCV-Rezidivrisiko nach erfolgreicher Therapie ist extrem selten. Viele geheilte Patienten nehmen weiterhin I.v.-Drogen und erleiden eine Reinfektion, was ein relevantes epidemiologisches Problem darstellt. Eine Reinfektion muss mittels HCV-Antigen-Nachweis (HCV-core-Antigen oder HCV-RNA) diagnostiziert werden, da Anti-HCV-Antikörper viele Jahre nach Therapieende nachweisbar bleiben. Eine HCV-Reinfektion kann wie üblich therapiert werden, da keine speziellen Resistenzen vorliegen [1–3].

Ausblick für die Hepatitis C

Durch Screening und antivirale Therapie des HCV kann in der Schweiz bis 2030 ein Rückgang der Prävalenz der aktiven HCV-Infektion und – zeitlich versetzt – ebenso der HCV-Todesfälle erwartet werden. Ob sich das Ziel der WHO weltweit ebenfalls erreichen lässt, erscheint aufgrund der limitierten Ressourcen sehr fraglich.
Eine wirksamen HCV-Impfung ist in den nächsten Jahren nicht zu erwarten. Aufgrund einer hohen Fehlerrate der viralen Polymerase des HCV entstehen bei ­hoher Reproduktion eine Vielzahl an HCV-Varianten, welche die Entwicklung eines Impfstoffes stark erschweren.

Das Wichtigste für die Praxis

• Alle Risikopersonen für eine Hepatitis-B-Virus-(HBV-) und Hepatitis-C-Virus-(HCV-)Infektion sollten einem Screening zugeführt werden, wobei die HBV-Infektion mit dem Anti-HBc-Antikörper (falls positiv, HBs nachverordnen) und die HCV-Infektion mit dem Anti-HCV-Antikörper gesucht werden.
• Alle Patienten mit einer HBV- oder HCV-Erstdiagnose benötigen eine ergänzende serologische und hepatologische Abklärung.
• Die chronische HCV-Infektion kann in 8–12 Wochen zuverlässig geheilt werden.
• HCV- und HBV-Patienten mit Risikofaktoren (speziell Leberzirrhose) für ein hepatozelluläres Karzinom müssen alle 6 Monate mit einer Abdomensonographie überwacht werden.
• Die Ziele einer Eindämmung des HBV und HCV ist sowohl in der Schweiz und weltweit nur möglich, wenn weiterhin eine hohe Sensibilisierung der Bevölkerung und Grundversorger erreicht wird.

Abkürzungen

HBV: Hepatitis-B-Virus; HBV-DNA: HBV-Desoxyribonukleinsäure; HBs: HBV surface antigen; anti-HBs: Antikörper gegen HBV surface; anti-HBc: Antikörper gegen HBV core; HBe: HBVe-Antigen; anti-HBe: Antikörper gegen HBe; HCV: Hepatitis-C-Virus; anti-HCV: Antikörper gegen HCV; HCV-RNA: HCV-Ribonukleinsäure; HDV: Hepatitis-D-Virus; anti-HDV: Antikörper gegen HDV; HDV-RNA: HDV-Ribonukleinsäure; HIV: Humanes Immundefizienz­virus; ALT: Alanin-Aminotransferase, HCC: hepatozelluläres Karzinom; MSM: «men who have sex with men»; CHF: Schweizer Franken.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Prof. Dr. med.
Adrian Schmassmann
Gastroenterologie
Luzerner Kantonsspital
Spitalstrasse 16a
CH- 6210 Sursee
adrian.schmassmann[at]luks.ch
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