Claudicatio intermittens bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit: Teil 1
Update

Claudicatio intermittens bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit: Teil 1

Übersichtsartikel
Ausgabe
2020/4950
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2020.08598
Swiss Med Forum. 2020;20(4950):724-728

Affiliations
a Angiologie, Medizinische Universitätsklinik, Kantonsspital Aarau; b Universitätsklinik für Angiologie, Inselspital, Universitätsspital, Bern

Publiziert am 01.12.2020

Im ersten Teil dieses Updates werden die Klinik, die Möglichkeiten der Diagnostik und die konservativ-medikamentösen Therapieoptionen bei Patienten mit Claudicatio intermittens dargestellt.

Einleitung

Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) ist durch eine Einschränkung der arteriellen Perfusion gekennzeichnet. Die Ursache liegt in einer Verengung (Stenose) oder einem Verschluss (Okklusion) der extremitätenversorgenden Arterien.
Die PAVK gehört zu den häufigsten Erkrankungen des höheren Alters (>60 Lebensjahre) und wird, in der überwiegenden Anzahl der Fälle (>90%), durch eine fortgeschrittene Arteriosklerose verursacht [1].
Die klinische Einteilung der PAVK erfolgt im deutschsprachigen Raum üblicherweise nach den Stadien von Fontaine. International und in wissenschaftlichen ­Arbeiten ist die Einteilung nach Rutherford-Becker ­gebräuchlicher (Tab. 1). Die symptomatischen Stadien werden auch mit den Begriffen «Claudicatio intermittens» (Stadium IIa + IIb nach Fontaine, Stadium 2 + 3 nach Rutherford-Becker) und «kritische Extremitäten­ischämie» (Stadium III + IV nach Fontaine, Stadium 4–6 nach Rutherford-Becker) bezeichnet.
Tabelle 1: Stadien der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) nach Fontaine und Rutherford-Becker [9].
Fontaine Rutherford-Becker
I Asymptomatisch 
(unbegrenzte Wegstrecke) 0 AsymptomatischUnbegrenzte Gehstrecke
IIa Milde Claudicatio 
(schmerzfreie Gehstrecke >200 m) 1 Milde ClaudicatioKnöchelarteriendruck nach Belastung >50 mm Hg, aber mindestens 20 mm Hg unter dem Ruhedruck
IIb Moderate Claudicatio 
(schmerzfreie Gehstrecke <200 m) 2 Moderate ClaudicatioZwischen Stadium 1 und 3
3 Schwere ClaudicatioKnöchelarteriendruck nach Belastung <50 mm Hg
III Ruheschmerz 4 RuheschmerzKnöchelarteriendruck in Ruhe <40 mm Hg; Zehendruck <30 mm Hg
IV Ulzeration/Gangrän 5 Geringer GewebsverlustKnöchelarteriendruck in Ruhe <60 mmHg; Zehendruck <40 mm Hg
6 Grosser GewebsverlustKriterien wie 5

Prävalenz

Anhand von epidemiologischen Studien, kann die Prävalenz der PAVK in der Allgemeinbevölkerung auf circa 3–10% geschätzt werden. Ab einem Alter von 70 Jahren steigt sie deutlich auf 15–20% an [1, 2]. Ähnlich verhält es sich mit der Prävalenz der symptomatischen PAVK (z.B. Claudicatio intermittens), die von 3% bei 40-Jährigen auf über 6% bei 60-Jährigen ansteigt [3]. Liegen zusätzlich kardiovaskulären Risikofaktoren wie Tabakkonsum oder Diabetes mellitus vor, kann von einer Prävalenz von 25% ausgegangen werden [4]. Auch die Inzidenz von schweren kardiovaskulären Ereignissen (z.B. Myokardinfarkt, Apoplex) ist bei diesen Patienten signifikant erhöht. So liegt bei Patienten mit symptomatischer PAVK das 5-Jahres-Risiko, ein kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden, bei 13%, dasjenige einer Vergleichspopulation im gleichen Zeitraum bei lediglich 5% [5].
Trotz der Prävalenz besteht derzeit keine Indikation für die Etablierung eines PAVK-Screening-Programms bei asymptomatischen Patienten.

Klinik

Die Claudicatio intermittens beschreibt nicht nur eine Einschränkung der schmerzfreien Gehstrecke, sondern auch eine Reduzierung der Schrittgeschwindigkeit. ­Dabei ist das typische Symptom das Auftreten repro­duzierbarer, belastungsabhängiger Muskelschmerzen (z.B. beim Gehen), die sich in Ruhe rasch regredient zeigen. In Abhängigkeit von der Lokalisation der arteriellen Stenose oder Okklusion kann der Schmerz segmental oder auch kombiniert an der Gluteal-, Oberschenkel-, Waden- und Fussmuskulatur auftreten. Mögliche weitere Symptome sind: Schwäche- oder Müdigkeitsgefühl der Extremität(en) bei Belastung und eine oft damit einhergehende Gangunsicherheit.
Der weitere klinische Verlauf kann sich variabel entwickeln. Bei 25–30% der Patienten stellt sich eine spontane Besserung der Symptome ein, bei 30–50% bleibt die Beschwerdesymptomatik stabil und bei 25–30% entwickelt sich eine progrediente Einschränkung der schmerzfreien Gehstrecke bis hin zu Ruheschmerzen und/oder Auftreten von Wunden/Ulzera im Sinne einer kritischen Extremitätenischämie.
Die Unterscheidung zwischen den symptomatischen Stadien der PAVK ist von grosser prognostischer ­Bedeutung. Bei Patienten im Stadium der Claudicatio intermittens (Stadium IIa + IIb nach Fontaine) beträgt das 10-Jahres-Risiko einer Major-Amputation 2–3%, wohingegen bei Patienten mit kritischer Extremitäten­ischämie (Stadium III + IV nach Fontaine) das 1-Jahres-Risiko bereits bei zirka 25% liegt [6, 7].
Ein oft unterschätzter Aspekt bei Patienten mit sym­ptomatischer PAVK ist die deutlich höhere Mortalitätsrate (2,4%) im Vergleich zu Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung (1,8%) [8].

Diagnostik

Die Verdachtsdiagnose «PAVK» kann in zirka ⅔ der Fälle bereits mithilfe der Anamnese, der Erhebung des Pulsstatus und der Auskultation der oberflächennahen Arterien gestellt werden. Auf der anderen Seite werden nicht selten claudicative Schmerzen, insbesondere der Fusssohle und der Gesässregion, zunächst ausschliesslich neurologischen und/oder orthopädischen Krankheitsbildern zugeordnet, wodurch eine deutliche ­Verzögerung bis zu einer adäquaten PAVK-Therapie verursacht werden kann.
Um den Anfangsverdacht einer PAVK frühestmöglich zu erhärten, sollte ergänzend die Messung der arteriellen Verschlussdrucke zur Berechnung des Knöchel-Arm-Index («ankle-brachial index» [ABI]) durchgeführt werden [10, 11]. Die dopplerbasierte Untersuchung sollte am entspannten, liegenden Patienten nach einer Ruhephase von mindestens zehn Minuten erfolgen. Die konventionelle Messung des systemischen Blutdrucks sollte – zumindest bei der Erstuntersuchung – an beiden Armen durchgeführt werden. Zur Messung des peripheren Druckes an den Beinen wird eine ­manuelle Blutdruckmanschette direkt oberhalb des Knöchels möglichst weit distal angelegt. Danach werden die Fussarterien (A. dorsalis pedis und A. tibialis posterior) distal der Blutdruckmanschette mit der Dopplersonde aufgesucht. Nach Inflation der Manschette auf suprasystolische Werte wird der Druck in der Manschette wieder abgelassen und der systolische Blutdruck beim ersten hörbaren Dopplersignal dokumentiert. Der Quotient aus Knöchelarterien- und Systemdruck ergibt den ABI-Index. Dabei gilt, je niedriger der Index, desto ausgeprägter die arterielle Perfu­sionsstörung (Tab. 2). Während die aktuellen Richtlinien der «European Society of Cardiology» (ESC) weiterhin die Verwendung des höchsten Knöcheldrucks zur Berechnung des ABI empfehlen, ist der Gebrauch des niedrigsten Knöcheldrucks zum Nachweis einer PAVK weiterhin Gegenstand kontroverser Diskussionen [1].
Tabelle 2: Interpretation des Knöchel-Arm-Index («ankle-­brachial index» [ABI]).­
ABI-Wert Schweregrad der PAVK [1, 2]
>1,3 (1,4) falsch hohe Werte
>0,9 Normalbefund
0,75–0,9 leichte PAVK
0,5–0,75 mittelschwere PAVK
<0,5 schwere PAVK (kritische Extremitätenischämie)
PAVK: periphere arterielle Verschlusskrankheit
Eine Bestimmung des ABI sollte auch bei asymptomatischen Männern und Frauen >65 Jahre sowie <65 Jahren bei hohem kardiovaskulärem Risiko (siehe auch ESC-Leitlinien) und einer positiven PAVK-Familienanamnese erfolgen, da ein Wert <0,9 und >1,4 mit einer 2–3-fach erhöhten Gesamtmortalität respektive kardiovaskulären Mortalität vergesellschaftet ist.
Folgendes muss bei der Beurteilung des ABI beachtet werden: Bei hämodynamisch kompensierten Stenosen und/oder Okklusion der Extremitätenarterien (Kollateralisation) können ABI-Werte von ≥0,9 gemessen werden. Bei Verdacht, insbesondere unter Berücksichtigung einer typischen Anamnese, ist eine ergänzende ABI-Messung nach Belastung (zum Beispiel: Laufband­ergometrie) dringend empfohlen. Ein Abfall der peripheren Druckwerte von >20% unter den des Ausgangsruhedrucks erhärtet die Verdachtsdiagnose «PAVK», trotz vermeintlich «normaler» Ruhe-ABI-Werte.
Falsch hohe ABI-Werte >1,3 (>1,4) finden sich bei Patienten mit Mediasklerose oder auch bei Patienten mit ­peripheren Ödemen. Hier ist alternativ die Bestimmung des Grosszehendrucks hilfreich, da eine Mediasklerose selten die Interdigitalarterien betrifft und ­somit die Messungen deutlich weniger beeinträchtigt werden. Der Zehendruck liegt üblicherweise 30 mm Hg unter dem systolischen Knöcheldruck und ein pathologischer Zehen-Arm-Index («toe-brachial index» [TBI]) beginnt bei Werten von ≤0,7.
Die Oszillographie und Lichtreflexionsrheographie dienen als Ergänzung/alternative Verfahren der PAVK-­Diagnostik. Auch die Ergebnisse dieser nicht invasiven Untersuchungen werden durch eine Mediasklerose nicht beeinflusst. Darüber hinaus ist mithilfe der ­Oszillographie eine grobe Bestimmung der Stenose-/Okklusionslokalisation gut möglich.
Die Laufbandergometrie kann zur Objektivierung der Ausprägung der Claudicatio intermittens und im weiteren Verlauf zur Abschätzung eines Therapieerfolgs eingesetzt werden. Unter standardisierten Bedingungen (Steigung: 10–12%; Geschwindigkeit: 3,2–3,5 km/h) werden die schmerzfreie- und die maximale Gehstrecke bestimmt. Zusätzlich sollte vor- und nach der Laufbandergometrie eine ABI-Messung erfolgen. Alternativ kann auch beim zügigen Gehen auf einer definierten Strecke die Gehstrecke determiniert werden. Einschränkend muss erwähnt werden, dass aufgrund der häufig vorhanden Komorbiditäten, des mitunter hohen Alters und der eingeschränkten körperlichen ­Verfassung eine Laufbandergometrie in einem hohen Prozentsatz der Patienten mit Verdacht auf PAVK nicht durchgeführt werden kann.
Für die Bestimmung des Läsionsortes (Aorta, Becken-, Femoropopliteal-, Unterschenkelarterien), der Läsionsmorphologie (Stenose und Okklusion mit Ausdehnung und Kalklast) und zur Planung von invasiven Therapiemassnahmen nimmt die farbkodierte Duplexsonographie (FKDS) eine zentrale Rolle ein. Auch aufgrund der Möglichkeit zur differentialdiagnostischen Abklärung von arteriosklerotischen und nicht arteriosklerotischen Gefässerkrankungen (z.B. embolische Verschlüsse, Aneurysmata, popliteales Entrapment, Zystische Adventitiadegeneration, Thrombangiitis obliterans, Vaskulitis) ist die FKDS die diagnostische bildgebende Methode der ersten Wahl.
Die computertomographische Angiographie (CTA), insbesondere die modernen Mehrzeiler-CTA, besitzt eine hohe Sensitivität (95%) und Spezifität (>95%) bei der PAVK-Diagnostik [13, 14]. Neben Vorteilen dieser Untersuchung (Abklärung möglicher Begleiterkrankungen, hochauflösende Bilder mit sehr genauer Darstellung der gesamten arteriellen Strombahn einschliesslich Topographie der Läsionen) sind die Strahlenexposition, die Notwendigkeit einer Kontrastmittelgabe und nicht zuletzt die deutlich höheren Kosten im Vergleich zur Duplexsonographie relevante Nachteile dieser Methode. Daher wird die Durchführung einer CTA nur bei komplexen und/oder duplexsonographisch nicht eindeutig beurteilbaren Gefässerkrankungen empfohlen.
Auch die MR-Angiographie (MRA) kann zur Diagnostik der PAVK eingesetzt werden. Die Vorteile der MRA ­liegen, ähnlich der CTA, in der übersichtlichen Darstellung angiographischer Bilder. Dabei entsteht keine Strahlenexposition und auf potentiell nephrotoxische Kontrastmittel kann verzichtet werden. Limitationen der Methode: Patienten mit magnetischen Metallimplantaten, Herzschrittmachern dürfen nicht mit MRA untersucht werden. Darüber hinaus kann es zu einer Überschätzung von Stenosen bei verkalkten Läsionen und/oder schmalen Arterien kommen. Bei Einsatz von gadoliniumhaltigen Kontrastmitteln (GKM) muss in zirka 1% der Fälle mit einer allergischen Nebenwirkung gerechnet werden. Eine Nephrotoxizität besteht nicht. Eine gefürchtete Komplikation beim Einsatz von GKM ist die Nephrogene Systemische Fibrose (NSF) [15]. Daher sollte die MRA bei Patienten mit akuter Niereninsuffizienz, chronischer Niereninsuffizienz im Stadium 4 oder 5 (GFR <30 ml/min.) oder terminaler Nieren­insuffizienz vermieden werden. Bei diesen Patienten ­bieten sich Untersuchungstechniken ohne GKM an (Phasenkontrast-MRA, Time-of-Flight-MRA). Allerdings sind diese Verfahren der GKM-gestützten MRA in Bezug auf Auflösung und Anfälligkeit für Artefakte deutlich unterlegen [1].
Die kathetergestützte Angiographie als rein diagnostische Untersuchungsmethode sollte aufgrund der Invasivität, der Strahlenexposition, der Notwendigkeit der Kontrastmittelgabe und vor dem Hintergrund der vorhandenen Alternativen (Duplexsonographie, CT, MRT), vermieden werden. Mögliche Komplikationen (in 0,7–2% der Fälle): Aneurysma spurium, Blutung, arterio-­venöse Fistel. Kontrastmittelbedingte Komplikationen: allergische Reaktionen, Anstieg der Nierenretentionsparamter [1].
Eine Übersicht der diagnostischen Algorithmen gibt Abbildung 1.
Abbildung 1: Diagnose- und Therapiealgorithmen bei Verdacht auf periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK).
ABI: «ankle-brachial index»; TBI: «toe-brachial index»; CT: Computertomographie; MR: Magnetresonanz-; TAH: Thrombozyten­aggregationshemmer; CVRF: kardiovaskuläre Risikofaktoren.

Therapie

Die Therapieoptionen bei Claudicatio intermittens ­bestehen aus der konservativen/ medikamentösen Therapie sowie der perkutanen, interventionellen und offenen, chirurgischen Behandlung.

Konservative- und medikamentöse Therapie

Zu den konservativen Therapiemassnahmen gehören Gehtraining, Gewichtsreduktion bei Übergewicht, ­Nikotinkarenz sowie die adäquate Behandlung der ­arteriellen Hypertonie, der Hypercholesterinämie und des Diabetes mellitus [1, 4, 16–18].
Das strukturierte Gehtraining ist eine einfache und ­effektive Therapieoption, darüber hinaus eine sinnvolle Ergänzung bei der Behandlung von kardiovaskulären Risikofaktoren. Ein strukturiertes Gehtraining (z.B. Gefässsportgruppe) ist wirksam, wenn mindestens dreimal pro Woche 30 bis 60 Minuten trainiert wird. Kon­trollierte Studien zeigen bei Patienten mit Claudicatio intermittens eine Steigerung der Gehstrecke um etwa 200% nach 12 Wochen [19–21]. Auch ein selbstständig und regelmässig durchgeführtes Intervall-Training über 60 Minuten mit 5–15-minütigen ­Belastungsphasen kann zu einer Verlängerung der schmerzfreien Gehstrecke beitragen [22, 23]. Allerdings kommt es bei der Praktikabilität und den zu erwartenden Erfolgsaussichten dieser Massnahme auf die Compliance und den Einsatzwillen des Patienten an. ­Neben der möglichen Verbesserung der Gehstrecke hat das Gehtraining weitere positive Nebeneffekte auf den Glukose- und Fettstoffwechsel [24, 25]. Einschränkend muss bemerkt werden, dass die Empfehlungen auf ­Ergebnisse von Studien mit einer kleinen Anzahl von Patienten zurückgeführt werden, somit ist hier die ­Evidenzlage begrenzt [26].
Bei der medikamentösen Therapie zur Steigerung der Gehstrecke wurde in randomisierten Studien die ­Effektivität von Cilostazol (in der Schweiz nicht erhältlich) und Naftidrofuryl nachgewiesen – wenn auch die vorliegende Evidenz kontrovers diskutiert wird. Die Gehstreckenverbesserung ist für Cilostazol während einer 6-monatigen und bei Naftidrofuryl einer 12-monatigen Behandlung belegt. Stellt sich drei Monate nach Therapieinitiierung keine Besserung der Symptomatik ein, ist die Behandlung mit beiden Substanzen einzustellen. In diesen Fällen wird von einem Therapieversagen ausgegangen.
Naftidrofuryl sollten im Stadium der Claudicatio intermittens nur dann eingesetzt werden, wenn die Lebensqualität der Patienten erheblich eingeschränkt ist, die Gehstrecke unter 200 m liegt und ein strukturiertes Gehtraining nicht durchgeführt werden kann. Die ­Verordnung dieser Substanzen ist auch dann möglich, wenn unter Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses eine arterielle Revaskularisation zu aufwändig, zu risikobehaftet oder vom Patienten nicht gewünscht ist.
Eine Behandlung mit anderen vasoaktiven Substanzen zur Verbesserung der Gehleistung bei Claudicatio ­intermittens ist derzeit nicht indiziert [27, 28]. Auch die Wirksamkeit des häufig rezeptierten pflanzlichen Arzneimittels Padma 28 ist aufgrund der aktuell schwachen Evidenzlage nicht gesichert [29].
Der klinische Stellenwert einer thrombozytenaggregationshemmenden Therapie (TAH) bei arteriosklerotischen Gefässerkrankungen ist heute unbestritten. Bei Nachweis einer koronaren Herzerkrankung (KHK), einer zerebrovaskulären arteriellen Verschlusskrankheit (CAVK) und/oder einer symptomatischen PAVK ist die lebenslange Fortführung der Therapie indiziert.
Bei Patienten mit asymptomatischer PAVK (ohne begleitende KHK oder CAVK) wird der Nutzen einer TAH von den Leitlinienkommissionen unterschiedlich gewertet. Während die ESC derzeit keine ausreichende Evidenz für den Einsatz einer TAH feststellt, wird bei den amerikanischen Leitlinien der «American Heart Association» (AHA) die TAH bei einem ABI <0,9 empfohlen [1, 30].
Das am häufigste angewendete Medikament ist Acetylsalicylsäure (ASS). Die Tagesdosis liegt bei 75–300 mg, wobei höhere Dosen nachweislich bei gleicher Wirksamkeit mit einem deutlich höheren Risiko von Nebenwirkungen einhergehen. Die im deutschsprachigen Raum empfohlene Dosis liegt bei 100 mg 1×/Tag. Ein anderes, häufig eingesetztes Medikament zur TAH ist Clopidogrel. Die empfohlene Tagesdosis beträgt 75 mg 1×/Tag.
In den ESC-Leitlinien wird ASS bei allen Patienten mit symptomatischer PAVK mit der Empfehlungsklasse I empfohlen. Hierbei sollte eine Bevorzugung von Clopidogrel vor ASS als TAH in Erwägung gezogen werden. Grundsätzlich ist beim Vorliegen einer ASS-Unverträglichkeit alternativ Clopidogrel zu rezeptieren [31, 32].
In der EUCLID-Studie konnte kein signifikanter Unterschied zwischen einer TAH mit Clopidogrel oder Tica­grelor bei symptomatischen PAVK-Patienten in Bezug auf das Auftreten von schweren kardiovaskulären Ereignissen dokumentiert werden. Aufgrund des Nebenwirkungsprofils kam es signifikant häufiger zu einem Therapieabbruch in der Ticagrelor-Gruppe [33]. Insbesondere aufgrund der Daten der CHARISMA-Studie, in der kein Vorteil für die Kombination von Clopidogrel plus Aspirin® im Vergleich zur Aspirin®-Monotherapie bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen ­dokumentiert werden konnte, besteht derzeit keine Indikation für eine dauerhafte duale TAH [34].
Eine orale Antikoagulation (OAK) ist nur dann indiziert, wenn die PAVK mit einer weiteren Erkrankung mit ­Indikation zur OAK vergesellschaftet ist (z.B. Vorhofflimmern, mechanische Herzklappe, tiefe Beinvenenthrombose etc.). Bei Patienten mit OAK und nach invasiver Sanierung einer PAVK (interventionell oder chirurgisch) kann eine zusätzliche TAH in Erwägung gezogen werden.
Leitlinien berücksichtigen häufig nicht den aktuellen Stand der Wissenschaft. So konnte in der COMPASS-Studie die Überlegenheit einer Kombinationstherapie von Rivaroxaban 2,5 mg 2×/Tag plus Aspirin® 100 mg im Vergleich zu einer 100-mg-Aspirin®-Monotherapie hinsichtlich der Inzidenz von kardiovaskulären Ereignissen (Tod, Apoplex, Myokardinfarkt) nachgewiesen werden. Dieser Vorteil der Kombinationstherapie war bei der Subgruppe mit Hochrisikopatienten (Herzinsuffizienz, ≥2 arteriosklerotisch betroffenen Gefässregionen, Niereninsuffizienz [GFR <60 ml/min], Diabetes mellitus) besonders ausgeprägt [35, 36].

Das Wichtigste für die Praxis

• Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) gehört zu den häufigsten Erkrankungen des höheren Alters.
• Die Messung des Knöchel-Arm-Indexes («ankle-brachial index») spielt bei der Weichenstellung zur PAVK-Diagnose eine Schlüsselrolle.
• Die Duplexsonographie ist die bildgebende Methode der Wahl.
• Die konservative Therapie zur Verbesserung der Gehstrecke basiert auf Gehtraining.
• Eine thrombozytenaggregationshemmende Therapie ist bei Patienten mit symptomatischer PAVK obligat.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
PD Dr. med. Aljoscha Rastan
Medizinische Universitätsklinik
Kantonsspital Aarau
Tellstrasse 25
CH-5001 Aarau
aljoscha.rastan[at]ksa.ch
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