Postoperatives Rezidiv einer ­vaskulären Dysphagie
Diagnostik und Therapie

Postoperatives Rezidiv einer ­vaskulären Dysphagie

Der besondere Fall
Ausgabe
2021/1314
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2021.08570
Swiss Med Forum. 2021;21(1314):232-235

Affiliations
Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin, Inselspital Bern, Universität Bern

Publiziert am 31.03.2021

Bei einer 28-jährigen Patientin mit Dysphagie bei doppeltem Aortenbogen mit Ösophaguskompression erfolgte eine operative Korrektur. Vier Monate nach dem Eingriff beklagte die Patientin erneut Dysphagie.

Hintergrund

Aortenbogenanomalien werden typischerweise im frühen Kindesalter diagnostiziert. Der Schweregrad der Symptome hängt vom Ausmass der Kompression der Trachea oder des Ösophagus ab. Atemwegsbeschwerden sind das Hauptsymptom im Säuglingsalter, hingegen klagen die meisten Patienten im Erwachsenenalter hauptsächlich über Dysphagie. Eine 28-jährige Patientin mit Dysphagie erhielt bei doppeltem Aortenbogen mit Ösophaguskompression eine operative ­Korrektur. Vier Monate postoperativ beklagte sie erneut Dysphagie. Der vorliegende Fallbericht beschreibt das diagnostische Vorgehen, um anderweitige Ursachen der Dysphagie auszuschliessen, bevor die Indikation zur erneuten Operation gestellt wird.

Fallbericht

Anamnese

Eine 28-jährige, ansonsten gesunde Patientin klagte über seit drei Monaten rezidivierendes Erbrechen und Schmerzen im Brustbereich. Die Gastroskopie zeigte eine externe Kompression des Ösophagus zirka 20 cm aboral. Computertomographisch ergab sich das Bild ­eines doppelten Aortenbogens im Sinne eines «vascular ring» mit einer segmentalen Atresie links posterior und konsekutiver Kompression des Ösophagus (Abb. 1).
Abbildung 1: CT-Angiographie (Axialschnitt) mit Darstellung des «vascular ring» (roter Pfeil), das Ösophaguslumen ist kompressionsbedingt kaum zu erkennnen. Gelber Pfeil: Trachea.
Die Indikation zur Korrekturoperation («vascular ring»-Eröffnung und Ductus-Bändchen-Durchtrennung via Thorakotomie links) wurde gestellt. Der ­ini­tiale postoperative Verlauf gestaltete sich komplika­tionslos beziehungsweise die Dysphagie war komplett rückläufig. Allerdings beklagte die Patientin vier Monate postoperativ erneut Dys- und Odynophagie, vor allem bei fester Nahrung, ähnlich wie präoperativ. Dies führte im Verlauf zu einem Gewichtsverlust von etwa 10%.

Weiterführende Befunde und Diagnose

Das dann angefertigte Computertomogramm (CT) zeigte keine lokalen Komplikationen, insbesondere keine Ösophagusstenose respektive prästenotische Ösophagusdilatation. In der Gastroskopie fand sich ­erneut eine pulsierende Vorwölbung, nun 23 cm ab Zahnreihe (Abb. 2).
Abbildung 2: Gastroskopie mit Nachweis einer externen Kompression. Der Pfeil zeigt auf die pulsierende Vorwölbung.
Histologisch konnte eine eosinophile Ösophagitis als Ursache der Dysphagie ausgeschlossen werden. Anschliessend wurde eine hochauflösende Impedanz-Manometrie des Ösophagus durchgeführt, wobei hier eine Zone mit pulsatilen Druckerhöhungen zwischen 23 und 25 cm ab Naseneingang festgestellt wurde. Die 24-Stunden-Impedanz-pH-Metrie ohne Protonenpumpeninhibitoren erwies sich als unauffällig mit einer ­negativen Symptomassoziation für Schluckbeschwerden, Brustschmerz und Erbrechen. Endosonographisch zeigte sich retroösophageal ein echoreiches Weichteilplus, primär mit einer postoperativen Narbe vereinbar, weswegen eine Impedanz-Planimetrie (EndoFLIP®) durchgeführt wurde. Hier fand sich eine normale Dehnbarkeit des Ösophagus, eine relevante zirkuläre Wandvernarbung liess sich somit nicht bestätigen (Abb. 3).
Abbildung 3: Impedanz-Planimetrie mit normaler Distensibilität des Ösophagus. Nach Füllen des 8 cm langen Ballons lässt sich keine signifikante sanduhrförmige Einschnürung auf dieser Höhe beobachten. Der Ballondurchmesser bleibt bei ca. 22 mm konstant, somit liegt kein Hinweis auf eine narbige Einengung des Ösophagus vor.
In der Ösophagus-Kinematographie mit breiigem Kontrastmittel zeigte sich eine verlangsamte Passage mit intermittierender Retention des Kontrastmittels aufgrund einer externen Kompression des Ösophagus auf Höhe des Arcus aortae dexter (Abb. 4).
Abbildung 4: Ösophagus-Kinematographie mit Retention von breiigem Kontrastmittel auf Höhe des Arcus aortae dexter.
Anderweitige Ursachen für die Symptome im Sinne ­einer relevanten Magenentleerungsstörung oder einer iatrogenen Verletzung des Nervus vagus konnten mittels Magenentleerungs-Szintigraphie und adäquatem Anstieg des pankreatischen Polypeptids im Serum bei einem «sham feeding»-Test ausgeschlossen werden. Beim letzteren handelt es sich um einen Test, bei dem ein Patient eine Testmahlzeit sieht, riecht und kaut, ohne sie jedoch zu essen. Mit Beginn der cephalischen Phase der Verdauung wird durch Vagusstimulation das Hormon pankreatisches Polypeptid freigesetzt, dessen Spiegel im Serum alle 15 Minuten kontrolliert wird. Steigt die Konzentration innerhalb 45 Minuten über 50% des Basalwertes, ist eine trunkäre Vagusverletzung sehr unwahrscheinlich [6].
Um beurteilen zu können, ob eine operative Korrektur sinnvoll wäre, wurde vorübergehend ein voll beschichteter Ösophagusstent auf Höhe der externen Kompression implantiert, darauf zeichnete sich eine eindeutige Besserung der Symptome ab. Der Stent wurde am gleichen Tag entfernt und die Indikation zur Operation ­gestellt.

Therapie

Intraoperativ lagen ausgeprägte Adhäsionen am Ösophagus vor, teilweise in Form von bandförmigen Verwachsungen, die schrittweise gelöst wurden. Unter gleichzeitiger endoskopischer Kontrolle wurden der Ösophagus sowie der Aortenbogen mobilisiert, bis die intraluminale Kompression endoskopisch nicht mehr zu sehen war.

Verlauf

Der postoperative Verlauf zeigte sich ohne Komplikationen, die orale Nahrungsaufnahme erfolgte nun für feste und flüssige Nahrung ohne Beschwerden.

Diskussion

Gefässringe, «vascular rings», sind seltene Anomalien des Aortenbogens und machen weniger als 1% aller angeborenen Herzfehler aus. Männer sind 1,4- bis 2-mal häufiger als Frauen betroffen [1]. Das klinische Bild ist variabel und hängt zum einen von der Schwere der Kompression der Trachea oder des Ösophagus ab, zum anderen wird es durch möglicherweise gleichzeitig ­bestehende kongenitale Herzfehler wie einen Ven­trikelseptumdefekt, die Fallot’sche Tetralogie, die Transposition der grossen ­Arterien oder einen persi­stierenden Ductus arteriosus geprägt [2].
Im Säuglingsalter ist die Zyanose das Hauptsymptom, bei den meisten Patienten im Erwachsenenalter hauptsächlich die Dysphagie. Die Mehrzahl der symptomatischen Fälle (>90%) ist entweder durch einen doppelten Aortenbogen oder einen rechten Aortenbogen und eine aberrierende linke Arteria subclavia sowie einen linksseitigen Ductus arteriosus bedingt [3].
Goldstandard der bildgebenden Diagnostik ist die ­Magnetresonanz- oder CT-Angiographie, die der operativen Planung dienen. Die einzig definitive Therapie stellt die Operation dar, die 1945 erstmals von Gross beschrieben wurde. Das klinische Ergebnis ist nach einer chirurgischen Korrektur meistens ausgezeichnet. Die Rezidivrate für Dysphagie ist niedrig. In einer Fallserie von 300 Patienten ergab sich eine Reoperationsrate von 8%. Die primären Indikationen für die Reoperation bei diesen 26 Patienten umfassten: Kommerell-Divertikel (n = 18), circumflexe Aorta (n = 2), Restvernarbung (n = 2) und Tracheobronchomalazie, die eine Aortopexie erforderte (n = 4) [4].
Bei postoperativ persistierender oder wieder auftretender Dysphagie ist es daher von essentieller Bedeutung, andere mögliche Ursachen für Schluckbeschwerden auszuschliessen und erst dann die Indikation zu einer Reoperation zu stellen.
In unserem Fall zeigte die Ösophagus-Kinematographie eine regelrechte Passage und das CT einen unauffälligen Befund. Indirekte Hinweise auf eine Beeinträchtigung der Passage ergaben die Gastroskopie und die High-Resolution-(HR-)Ösophagus-Manome­trie im Sinne einer Vorwölbung respektive einer pulsatilen Druckzone im proximalen Ösophagus. Darüber hinaus konnten eine eosinophile Ösophagitis und eine schwere Motilitätsstörung des Ösophagus ausgeschlossen werden. Aufgrund der Übelkeit und des ­rezidivierenden Erbrechens kam auch eine Magenentleerungsstörung beziehungsweise eine iatrogene Verletzung des Nervus vagus im Zuge der Operation differenzialdiagnostisch in Betracht. Diese konnten jeweils mittels Magenentleerungs-Szintigraphie und «sham feeding»-Test ausgeschlossen werden.
In der videokinematographischen Untersuchung des Schluckakts zeigte sich eine reguläre Passage flüs­sigen Kontrastmittels durch den Ösophagus, wes­wegen die Untersuchung mit breiigem Kontrastmittel wiederholt wurde. Bei Nachweis einer Retention des Kontrastmittels wurde der Rezidivverdacht erhärtet.
Die primäre Differentialdiagnose war hier eine Vernarbung der Ösophaguswand durch die erste Operation, die einer endoskopischen Dilatation, jedoch keiner ­Reoperation bedürfte. Diese konnte mittels Impedanz-Planimetrie (EndoFLIP®) ausgeschlossen werden. Dieses Verfahren ist eine etablierte Technik zur Durchführung von Messungen von Querschnittsflächen im Verdauungstrakt. Es verwendet Wechselspannungsmessungen zwischen Paaren von Elektroden, die auf einem Ballon positioniert sind, um den Durchmesser mit bis zu 16 Punkten entlang des Messbereichs ­abzuschätzen und ein geometrisches Echtzeitbild darzustellen. Durch Befüllen des Ballons mit unterschiedlichen Volumina kann die Querschnittsfläche beurteilt werden, während gleichzeitig der Druck im Ballon gemessen wird. Aus dem Verhältnis der Querschnittsfläche an der engsten Stelle und dem Balloninnendruck wird ein Distensibilitätsindex berechnet [5]. Da sich hier eine normale Dehnbarkeit des Ösophagus zeigte, konnte eine als Stenose wirksame Vernarbung der Ösophaguswand ausgeschlossen werden.
Als letzter Schritt, um die Effektivität einer Reoperation zu beurteilen, und vor allem, weil die Patientin sehr skeptisch gegenüber einer erneuten Operation war, wurde ein voll beschichteter Ösophagus-Stent auf Höhe der externen Kompression implantiert. ­Sowohl klinisch als auch in der Ösophagus-Kinematographie zeigte sich eine eindeutige Besserung der Passage­situation. Auch wenn es in der Literatur keine Daten dafür gibt, wäre eher davon auszugehen, dass im Falle einer Persistenz der Dysphagie trotz Stentimplantation, eine Reoperation wenig erfolgversprechend wäre. Der Stent wurde nach durchgeführter Dia­gnostik bereits am selben Tag entfernt, um das ­Risiko für Komplikationen, insbesondere für Stentmigration, zu minimieren und die Indikation zur Operation wurde gestellt.
Postoperativ war die Nahrungsaufnahme problemlos und die Patientin konnte zeitnah entlassen werden. Neun Monate postoperativ zeigte sich als objektives Zeichen eines guten Resultates eine Gewichtszunahme von zirka 10 kg bei gebesserter Dysphagiesymptomatik.

Das Wichtigste für die Praxis

• Die Mehrheit der Patienten mit doppeltem Aortenbogen werden im Säuglingsalter klinisch durch Atemwegsbeschwerden manifest, wobei im Erwachsenenalter Dysphagie das Hautsymptom darstellt.
• Bei symptomatischen Patienten ist die operative Korrektur Therapie der Wahl, die zu einem ausgezeichneten klinischen Ergebnis führt. Asym­ptomatische Patienten bedürfen hingegen keiner Therapie.
• Da die Rezidivrate sehr niedrig ist, sollten bei persistierenden Beschwerden postoperativ andere Ursachen mittels erweiterter gastroenterologischer Diagnostik ausgeschlossen werden.
• Dazu gehören die High-Resolution-(HR-)Ösophagus-Manometrie, die Ösophagus-Kinematographie gegebenenfalls mit breiigem Kontrastmittel, die Magenentleerungs-Szintigraphie, der «sham feeding»-Test und nicht zuletzt die Impedanz-Planimetrie.
• Die letztere kann in Echtzeit wertvolle Informationen über die Distensibilität und die geometrischen Veränderungen des Ösophagus in Korrelation zu der volumetrischen Dehnung liefern.
Wir danken Prof. Dr. Dr. Martin Maurer, Universitätsinstitut für Dia­gnostische, Interventionelle und Pädiatrische Radiologie, Inselspital, Universitätsspital Bern, für die Bereitstellung der radiologischen ­Aufnahmen.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Ioannis Kapoglou, dipl. Arzt
Bauchzentrum
Inselspital
Freiburgstrasse 18
CH-3010 Bern
ioannis.kapoglou[at]insel.ch
1 Woods RK, Sharp RJ, Holcomb GW 3rd, Snyder CL, Lofland GK, Ashcraft KW,Holder TM. Vascular anomalies and tracheoesophageal compression: a single institution’s 25-year experience. Ann Thorac Surg. 2001;72(2):434–8; discussion 8–9.
2 Bakker DA, Berger RM, Witsenburg M, Bogers AJ. Vascular rings: a rare cause of common respiratory symptoms. Acta Paediatr. 1999;88(9):947–52.
3 Backer CL, Mavroudis C, Rigsby CK, Holinger LD. Trends in vascular ring surgery. J Thorac Cardiovasc Surg. 2005;129(6):1339–47.
4 Backer CL, Monge MC, Russell HM, Popescu AR, Rastatter JC, Costello JM. Reoperation after vascular ring repair. Semin Thorac Cardiovasc Surg Pediatr Card Surg Annu. 2014;17(1):48–55.
5 Moonen A, Boeckxstaens G. Measuring mechanical properties of the esophageal wall using impedance planimetry. Gastrointest Endosc Clin N Am. 2014;24(4):607–18.
6 Balaji NS, Crookes PF, Banki F, Hagen JA, Ardill JE, DeMeester TR. A safe and noninvasive test for vagal integrity revisited. Arch Surg. 2002;137(8):954–8; discussion 8–9.